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Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"

Verfasst: 18. Dezember 2021 09:47
von ErnstStavroBlofeld
Gestern habe ich nach drei Kinobesuchen zuhause das erste Mal NTTD genossen. Es bleibt für mich ein großartiger, in sich stimmiger Bondfilm, dessen herzzerreißendes Ende ich nach wie vor nicht so ganz fassen und einordnen kann.

Wir haben tolle Szenen auf Jamaika und Kuba, eine herrlich erfrischende, charmante Paloma, gelungene Wortwitze (sind Sie heute aber durstig / die gibts heutzutage auch mit Fell, ...) und einen James Bond, der es endlich mal wieder schafft, sich für die Genüsslichkeiten Zeit zu nehmen, wenn eigentlich gar keine da ist (zwar nicht so elegant wie Roger Moore, aber immerhin wird dann und wann ein Gläschen hinuntergekippt - Salut!). Das SPECTRE-Meeting gehört für mich zu den tollsten Szenen des Filmes. Q, M und Moneypenny spielten ihre Rolle verlässlich gut. Jeffrey Wrights Leiter kam erneut viel zu kurz, war aber zugleich top! Zu Unrecht (wie ich finde) wurde Rami Malek kritisiert: Ich halte ihn für einen der besten Gegenspieler der Bond-Reihe. Er spielt einen völlig wahnsinnigen Wissenschaftler und der vergiftete Garten (aus dem Roman YOLT) wurde erhaben angelegt. Die deutsche Synchronstimme ist absolut stimmig und passt zu diesem Psychopathen. Nur warum um alles in der Welt heißt dieser Mann "Safin" und nicht "Dr. No". Da die Craig-Reihe ohnehin für sich steht, hätte man einen Dr. No problemlos einführen können (so wie vorher schon Blofeld). Und bei "No" im Titel sowie Safins No-Maske wäre das doch nur konsequent.

Hans Zimmers Filmmusik ist absolut klasse und schafft rund um Bonds Tod einen emotionalen Höhenflug. Das ist schon "großes Kino". Als dann auch noch Madeleine ihre Schlussworte spricht ("Ich erzähle Dir jetzt von einem Mann. Seine Name war Bond - James Bond!") und Louis Armstrongs "We have all the time in the world" einsetzt, war ich überwältigt, erschüttert und emotional am Ende! Das Finale wurde perfekt gestaltet - und dennoch war es grundfalsch! Es passte zu Daniel Craig, aber passte es auch zu James Bond, dem britischen Spion, dem Held, den fast die ganze Welt verehrt?

Der Mythos 007 ist nachhaltig beschädigt, davon bin ich überzeugt. Bislang stand immer von Anfang an fest, dass der unantastbare Held als Sieger das Spielfeld verlassen wird. Nun ist der Sieger tot! Auch ein Neustart der Reihe kann diesen Fehler nicht mehr ausradieren, da das Publikum nun weiß, dass es am Ende eben kein Happy End gab. Und gerade dieses Happy End nahm Bond die realistische Härte. Das 007-Theme von John Barry, welches in den alten Bondfilmen immer wieder im Finale eingespielt wurde, hatte dieses "siegerhafte" musikalisch untermalt. Nun ist der Tod des vormals unbesiegbaren Helden unwiederkehrbar mit der 007-Filmreihe verbunden. Und dennoch ist NTTD ein großartiger Film.

Wenn ich jetzt auf gesamte Daniel-Craig-Ära zurückblicke, so sehe ich sie als völligen Kontrast zur Moore-Ära. Wir hatten mit Roger Moore teilweise eine Selbstparodie, auf alle Fälle aber oftmals Züge einer Agentenkomödie. Bei Daniel Craig hingegen handelt es ist (auch mit Blick auf das Finale) eher um ein Agentendrama. Der Tod von Vesper ensprach hierbei der Romanvorlage und war völlig stimmig. Aber warum musste im Laufe der fünf Craig-Filme eigentlich jede wichtige Persönlichkeit sterben? Vesper Lynd (CR), René Mathis (QoS), M (SF), Felix Leiter (NTTD) und letztlich James Bond selbst (NTTD)? Ian Fleming - der Schöpfer von 007 - hatte sich letztlich dagegen entschieden, 007 sterben zu lassen (auch wenn er mit dem Gedanken wohl spielte). Das hätte Barbara Broccoli schon aus Respekt vor Ian Fleming und ihrem Vater Chubby berücksichtigen müssen. So großartig ich also NTTD auch finde, so bleibt es für mich im Finale der wohl strittigste aller Bondfilme. Ich habe ihm aber dennoch 9/10 Punkten gegeben.

Übrigens: Ist Euch schon aufgefallen, dass bei der ersten Videoschalte von M zu Blofeld letzterer keine Narbe und sein Auge hat? Ein netter kleiner Filmfehler!

Und eine Frage hätte ich dann auch noch: Warum um alles in der Welt heißt der Film "Keine Zeit zu sterben", wo es doch gerade für James Bond (und auch Felix Leiter) die Zeit des Sterbens ist. Der Titel erschließt sich mir bis heute nicht wirklich!

Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"

Verfasst: 18. Dezember 2021 09:52
von ErnstStavroBlofeld
Außerdem hätte ich noch eine Frage. Ich habe zwar den Soundtrack zum Film, darauf aber sind (wie so oft) nicht alle eingespielten Songs enthalten. Ich bin auf der Suche nach folgenden Liedern:

- bei James Bonds Autofahrt durch Jamaika hörte man ganz kurz ein Lied, das ein Jamaikaner aus seiner Musikbox erklingen ließ
- im Club, wo Bond mit Paloma an der Bar saß und an Nomi vorbeilief, wurde ein Song eingespielt
- die Musik bei der SPECTRE-Konferenz ("SPECTRE-Bunga-Bunga")

Vielleicht könnt Ihr mir helfen. Besten Dank!

Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"

Verfasst: 18. Dezember 2021 10:42
von Henrik
ErnstStavroBlofeld hat geschrieben: 18. Dezember 2021 09:47 Und eine Frage hätte ich dann auch noch: Warum um alles in der Welt heißt der Film "Keine Zeit zu sterben", wo es doch gerade für James Bond (und auch Felix Leiter) die Zeit des Sterbens ist. Der Titel erschließt sich mir bis heute nicht wirklich!
Es gab ja die "A Reason to Die"-Gerüchte. Das passt perfekt zum Film, hätte aber wohl etwas zu viel verraten.

(A Reason to die = Bond kann seine Familie nicht mehr sehen wegen der Nanobots, die man laut Q nie wieder los wird)

Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"

Verfasst: 18. Dezember 2021 10:45
von Gernot
ErnstStavroBlofeld hat geschrieben: 18. Dezember 2021 09:52 Außerdem hätte ich noch eine Frage. Ich habe zwar den Soundtrack zum Film, darauf aber sind (wie so oft) nicht alle eingespielten Songs enthalten. Ich bin auf der Suche nach folgenden Liedern:

- bei James Bonds Autofahrt durch Jamaika hörte man ganz kurz ein Lied, das ein Jamaikaner aus seiner Musikbox erklingen ließ
- im Club, wo Bond mit Paloma an der Bar saß und an Nomi vorbeilief, wurde ein Song eingespielt
- die Musik bei der SPECTRE-Konferenz ("SPECTRE-Bunga-Bunga")

Vielleicht könnt Ihr mir helfen. Besten Dank!
Bernie hat hier im Forum, ich glaube im Score-Thread?, eine sehr umfassende Liste erstellt zu den Liedern aus dem Film. Dort solltest du fündig werden.

Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"

Verfasst: 18. Dezember 2021 11:38
von danielcc
Blofeld hat ja zum Zeitpunkt des Videostreams noch das Auge! Das ist kein Fehler. Das wird ha erst entfernt als Nomi später vom M beauftragt wird ihn komplett zu checken

Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"

Verfasst: 18. Dezember 2021 12:58
von ErnstStavroBlofeld
danielcc hat geschrieben: 18. Dezember 2021 11:38 Blofeld hat ja zum Zeitpunkt des Videostreams noch das Auge! Das ist kein Fehler. Das wird ha erst entfernt als Nomi später vom M beauftragt wird ihn komplett zu checken
Aber er wurde doch schon in SPECTRE mit der Narbe und der Verletzung am Auge entstellt. Und beides konnte ich beim Videostream nicht erkennen ...

Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"

Verfasst: 18. Dezember 2021 13:05
von ErnstStavroBlofeld
Gernot hat geschrieben: 18. Dezember 2021 10:45 Bernie hat hier im Forum, ich glaube im Score-Thread?, eine sehr umfassende Liste erstellt zu den Liedern aus dem Film. Dort solltest du fündig werden.
Nein, leider nicht. Aber ich frag mal im Score-Thread nach. ;-)
Danke!

Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"

Verfasst: 18. Dezember 2021 20:43
von AnatolGogol
Da ich schon mehrfach von geschätzten Mitforisten gebeten worden bin eine Einschätzung zum neuen Bondfilm zu geben möchte ich dem gerne nachkommen. NTTD ist für mich kein guter Film, genaugenommen sogar ein ziemlich unterdurchschnittlicher Film. Festmachen würde ich diese Einschätzung in erster Linie aus der unglücklichen Kombination aus zu langer Laufzeit und zu wenig bzw. zu schwachem Inhalt.

Leider kann NTTD aus meiner Sicht die äusserst üppige Laufzeit von fast zweidreiviertel Stunden zu keinem Zeitpunkt wirklich rechtfertigen, da man zu viel Zeit für eine vergleichsweise überschaubare (und in meinen Augen wenig aufregende bzw. einfallsreiche) Geschichte investiert. Gut, dass könnte theoretisch dadurch aufgefangen werden, dass man stattdessen den Schwerpunkt auf die Figuren und ihre Entwicklung setzt. Und ganz unverkennbar versucht NTTD auch genau dies - ganz im Geiste der direkten Vorgängerfilme - zu machen. Das Problem für mich dabei ist aber, dass auch dies nicht funktioniert. Die Figuren bleiben allen Versuchen den Zuschauer emotional für sich zu gewinnen blass und vieles an den zwischenmenschlichen Beziehungen empfand ich eher als behauptet denn als glaubwürdig herausgearbeitet.

Hinzu kommt, dass sich der Film oft eher wie ein Rohschnitt anfühlt, dem noch ordentlich Arbeit im Schneideraum bevorsteht und der entsprechend noch ordentlich Szenen/Laufzeit/Federn lassen müsste. Es gibt zahlreiche Szenen/Einstellungen, die redundant sind und den Film bzw. Handlung/Figuren nicht wirklich heranbringen. Ein nicht geringer Teil davon entfällt dann auch - erneut - auf die üppig angewachsene MI6-Crew, der man - erneut - viel, zu viel Zeit zugesteht, nur eben weil sie da ist. Paradebeispiel dafür ist sicherlich die Szene mit Bond, MP und Q in des letzterem Wohnung. Das ist eigentlich nur ein Schauspieler-Schaulaufen, welches vielleicht schön anzusehen ist (oder auch nicht), in Summe mit diversen anderen ähnlicher Szenen und Einstellungen aber auf fatale Weise dazu beitragen, dass der Film bleiern-schwer und überladen daherkommt.

Ein weiterer sich recht negativ aufs Gesamtergebnis auswirkender Punkt ist die Beliebigkeit bzw. Einfallslosigkeit diverser Szenen und Handlungselemente. Beispielsweise erneut eine Hannibal Lecter-mäßige Szene im Hochsicherheitstrakt - gerade mal 2 Film nach SP. Oder erneut eine Aufeinandertreffen von Bond mit dem Oberschurken in einer verlassenen Festung, welche in einem (auch dieses Mal nicht immer geglückten) Rededuell der beiden gipfelt. Und auch dieses mal wieder im Kern eine eigentlich plumpe Rachegeschichte, weil irgendjemand in der Vergangenheit mal ein persönliches Trauma durchglebt hat und nun diese Rechnung begleichen will. Nein, einfallsreich sind die am Drehbuch beteiligten hier wirklich nicht vorgegangen, oft fühlt sich der Film auch gerade deshalb so an, also ob man eine Liste abgehakt hätte und bereits in der jüngeren Vergangenheit verwendete Elemente und Inhalte mit wenig Modifikation erneut eingebaut hat. Nun mag der geneigte Leser - nicht ganz zu unrecht - darauf verweisen, dass gerade dies im Bondfranchise nun wahrlich nichts neues ist. Für mich persönlich erreicht NTTD diesbezüglich aber ein neues Niveau und zwar auch deshalb, weil der Film sich ja gerade unverkennbar auf die Fahnen geschrieben hat die Figuren und ihre Gefühlsleben ins Zentrum zu stellen. Angesichts dieses eigenen Anspruchs ist das Drehbuch - oder das was man im Film davon zu erkennen meint - oft geradezu erschreckend oberflächlich und einfallslos.

Gibt es denn nun gar nichts Gutes an NTTD? Wenn man mich so frägt: nein, zumindest nicht in der Form, dass etwas positiv herausragt. Oft ist NTTD einfach nur durchschnittlich und nicht selten eben auch nochmal ein ganzes Stück unter dem Mittelmaß. Die Zähheit, mit der sich der Film bewegt und die ermüdende Lauflänge haben dann auch dazugeführt, dass NTTD nach aktuellem Stand der erste und einzige Bondfilm ist, bei dem ich eigentlich überhaupt kein Interesse daran habe ihn noch einmal zu sehen. We have all the time in the World - gut und schön, aber so war das ursprünglich doch wohl kaum gemeint.

4 / 10

Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"

Verfasst: 18. Dezember 2021 21:24
von GoldenProjectile
AnatolGogol hat geschrieben: 18. Dezember 2021 20:43 Die Zähheit, mit der sich der Film bewegt und die ermüdende Lauflänge haben dann auch dazugeführt, dass NTTD nach aktuellem Stand der erste und einzige Bondfilm ist, bei dem ich eigentlich überhaupt kein Interesse daran habe ihn noch einmal zu sehen. We have all the time in the World - gut und schön, aber so war das ursprünglich doch wohl kaum gemeint.

4 / 10
Dass du gar nicht erst auf die gemeinhin als kontrovers bekannten Elemente des Films eingehst zeigt dieses Desinteresse schön auf. Und ich kann das nur nachvollziehen. Ich war in der letzten Septemberwoche schon etwas aufgeregt weil Donnerstag Bond + Freitag Marburg, aber kaum aus dem Kino raus habe ich den Film quasi abgehakt. Ist halt passiert. Das war auch eine von zwei Emotionen, die ich im "emotionalen" Schlussakt gespürt hatte: Eine Art passive Resignation.

Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"

Verfasst: 18. Dezember 2021 21:29
von Casino Hille
War bei mir auch so und lag unter anderem daran, dass insbesondere das Ende sich im Film so früh ankündigt. Ich hatte es quasi schon längst "erlebt", bevor es dann passierte.

Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"

Verfasst: 18. Dezember 2021 21:33
von AnatolGogol
GoldenProjectile hat geschrieben: 18. Dezember 2021 21:24 Dass du gar nicht erst auf die gemeinhin als kontrovers bekannten Elemente des Films eingehst zeigt dieses Desinteresse schön auf.
Naja, es gab noch eine ganze Reihe von Dingen, die mir nicht sonderlich gefallen haben und in Summe den Film für mich auch nicht besser gemacht haben. Aber ob Bond am Ende stirbt oder nicht ist vergleichsweise unwichtig verglichen mit der langen Laufzeit und dem schwachen Inhalt. Es ist höchstens ein weiterer Auswuchs des kritisierten Inhalts, aber für mich kein Dealbreaker. Im übrigen kam es ja jetzt auch nicht völlig unerwartet...
AnatolGogol hat geschrieben: 13. Dezember 2016 11:25 Übrigens halte ich es angesichts der Veränderungen und bewussten Brüche der jüngsten Filme für durchaus denkbar, dass man die Ära Craig mit einem „Paukenschlag“ beendet und den Craig-Bond den Filmtod sterben lässt (natürlich schön mit dem Hinweis im Abspann „James Bond WILL return“). Dann hätte man zumindest auch gleich eine handfeste Begründung für einen Reboot.
:)

Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"

Verfasst: 18. Dezember 2021 21:58
von Henrik
Ich finde es ja eigentlich immer schade, wenn ein neuer Film schlecht gemacht wird, SP fand ich wohl deutlich besser als der Durchschnitt. Hier bin ich jedenfalls beim General. Der Film hat eine lange Laufzeit, was mMn nicht wirklich gerechtfertigt ist.

Das Ende ist mir auch relativ egal. Das passiert wohl, wenn einen der Rest des Filmes nicht gepackt hat. So ein Ende soll den Zuschauer schockiert zurück lassen. Aber dafür muss er mich auch vorher 'abholen', das hat bei mir nicht funktioniert (anders als etwa in CR oder OHMSS. SF in abgeschwächter Form ebenso).

Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"

Verfasst: 18. Dezember 2021 22:19
von Casino Hille
AnatolGogol hat geschrieben: 18. Dezember 2021 20:43 NTTD ist für mich kein guter Film, genaugenommen sogar ein ziemlich unterdurchschnittlicher Film.

4 / 10
Bravo, General, ich bin mit einem Punkt weniger dabei. Man kann viel darüber diskutieren, was NTTD mit der Bond-Reihe und dem Mythos der Figur anstellt, man kann die vielen Provokationen und Stilbrüche analysieren, man kann über den Einfluss von Craig als Hauptdarsteller und über den Einfluss von Fleming als "Urvater Bonds" sprechen, ob NTTD die Bond-Reihe bereichert oder beschädigt etc., aber ganz banal sehe ich es auch erstmal so, dass NTTD in erster Linie einfach kein gelungener Film ist. Er erzählt eine bestenfalls unkreative, schlimmstenfalls hanebüchene Geschichte und braucht dafür eine Ewigkeit, obwohl er wenig hat, was so viel Sitzfleisch rechtfertigt. Ein bisschen emotionales Heitertei, ein paar austauschbare, schwache Actionszenen und eine durch die Bank unterforderte Besetzung können da nix reißen.

Schwer zu greifen ist der Film für mich vor allem auch deshalb, weil er keiner klaren Linie folgt: Einerseits ist das hier ein sehr emotional gemeinter Actionfilm, über Liebe, Familie, Erlösung, Aufopferung etc., der in seinen Shootouts und Verfolgungsjagden sehr aggressiv wirkt und mit viel Pathos die großen Gefühle triggern möchte. Andererseits läuft dann mitten im selben Film der Protagonist in eine Terroristen-Geburtstagsparty voller Knallchargen aus muffigen Comic-Strips und der Bösewicht entkommt aus einer brenzligen Situation durch eine magische Falltür im Gästezimmer seiner geheimen Nanobot-/Algenzucht-Anlage.

Natürlich dürfen ernste Filme auch heitere und heitere Filme auch ernste Momente haben, aber wenn man seinen Film so konsequent ohne jede Leichtfüßigkeit erzählt, ihn so schwer und dramatisch und ernst wirken lässt, und dann im Script bionische Augen, Nanobots und Anti-Schwerkraft-Sensoren erwähnt, sollte man vielleicht nochmal auf Seite 1 von Vorne beginnen. :)

Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"

Verfasst: 19. Dezember 2021 00:19
von Patrice
Ich habe den Film nun auch schon paar mal zu Hause gesehen und bisher hat sich meine Ansicht auf diesen Film absolut nicht geändert. Nach meinem Empfinden ist er fantastisch und beendet die Craig-Reihe auf konsequente und extrem gelungene Art und Weise.
Für mich hat der Film gar keine Längen und wirkt für mich in manchen Teilen noch zu hastig erzählt. In Matera, auf Jamaika und Kuba hätte ich mir noch mehr Film gewünscht. Aber wahrscheinlich hat man durch die finale Laufzeit schon die regulären Grenzen der Studios gesprengt… Sehr schade. Gerade die Szene mit dem DB5 wirkt jedesmal „zerstückelt“ und gekürzt - leider auch die Norwegen-Jagd mit dem Heli.

Haben sich doch einige Fans der Reihe seit Craig wieder mehr Größe und einen Schurken ohne persönliche Beweggründe gewünscht (was sie bei NTTD im letzten Drittel auch bekommen) ist es auch wieder falsch. Und wenn man sich den Dialog zwischen Bond und Safin mal genau anhört, kann man Safins Beweggründe sehr gut verstehen. Da ist der Plan von Stromberg oder eines Dr. No nicht glaubhafter oder sinnvoller. Vielleicht wollen es manche aus Sturheit nicht erkennen.

Die Actionszenen die wir im Film haben gefallen mir durchweg sehr gut. Die Donut-Ballerei mit dem DB5, Paloma in Kuba, das sinkende Schiff, der Nebelwald, der Treppenkampf. Gerade letzterer als One-Shot einfach grandios.

Das Productiondesign und die Filmmusik waren in keinem Bond der letzten 30 Jahre besser. Hoffentlich bleiben Mark Tildesley und Hans Zimmer in Zukunft dabei.

Zudem hat Keine Zeit zu sterben mehr Leichtfüßigkeit als alle vorherigen Craig-Bonds. Ein sehr ausgewogenes Skript mit Ernst, Humor und Emotionalität an den richtigen Stellen. Bei meinen 5 Kinosichtungen hat man dies auch im Vergleich zu den SF und SP Kinosichtungen deutlichst gemerkt. Der Film kam beim Publikum durchweg gut an (was man an den Gesprächen auf dem Weg aus dem Kino immer aufgeschnappt hat). In meinem Bekanntenkreis hab ich mich 10 Leuten gesprochen, die sich den Film angeschaut haben. Allen hat er sehr gut gefallen, wie auch z.B. die Aktualisierung der Rolle der Bond-Girls. Wir leben heute einfach in einer anderen Zeit als vor 40-50 Jahren zu Zeiten eines Roger Moores der alles weggeflankt hat was bei 3 nicht auf dem Baum war. Wer sich einen Film ala TSWLM, TB oder TLD wünscht, für den ist das Bond-Franchise seit CR einfach nicht mehr das richtige. Um Nomi zu zitieren: „Die Welt hat sich weitergedreht“.
Spoiler
Ich bin mit dem Craig-Bond groß geworden und bei jedem Film musste man sich sinnlosen Kauderwelsch anhören.
CR: Bond ist zu verwundbar, blutet zu viel, ist blond, ist klein, verliebt sich,… das ist nicht mehr mein Bond
QOS: zu unpersönlich, kein Charme, ist auf einem persönlichen Rachefeldzug,… das ist nicht mehr mein Bond
SF: M im Vordergrund, Bond wirkt zu alt, kein Bond-Girl, „Kevin allein zu Haus“,… das ist nicht mehr mein Bond
SP: Brother-Gate, Bond wird wieder gekündigt, Bond ist auf eigener Faust unterwegs,… das ist nicht mehr mein Bond
NTTD: zu emotional, zu viel Pathos, zu weit weg von der Bond-Formel,… das ist nicht mehr mein Bond

Ich denke seit dem Ende von CR wusste jeder, das man mit den nachfolgenden Craig-Filmen einen komplett anderen Weg einschlagen wird. Und wem das nicht gefällt: Dafür hab ich vollstes Verständnis, aber irgendwann nervt es einfach von manchen immer und immer und immer wieder die gleichen Floskeln zu hören 🤷‍♂️
Das einzige Problem, das ich durch NTTD ist, dass ich aktuell keine wirkliche Lust mehr auf den Großteil der ersten 20 Bondfilme habe, da mir dort eben das individuelle und persönliche fehlt. Jeder Film ist nach genau dem gleichen Schema aufgebaut und unterscheidet sich bis auf die grundlegenden Handlungsstränge nicht. Bei Craig bekommt man bei jedem Film etwas anderes geboten was auch für mich den Reiz an den Filmen ausmacht. Mal gucken, wie sich das in Zukunft vielleicht wieder verändert…

Der Film ist kurzweilig und wirkt definitiv nicht 2,5 Stunden lang. Eine sehr gute Pace durch ein ausgeklügeltes und gut durchdachtes Drehbuch wodurch keine Längen aufkommen. Der Film vergeht wie im Rausch und ich habe auch nach 9 Sichtungen eher das Gefühl nur eine Stunde vorm Fernseher zu sitzen. Auch holt mich der Streifen nach wie vor Emotional ab. Nach der Anzahl an Sichtung ganz großes Kino! Bislang stand immer CR in meinem Craig-Ranking vorne. NTTD steht zumindest auf gleicher Höhe, wird aber voraussichtlich bald vorbeiziehen.

Ich vergebe daher weiterhin
10/10

Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"

Verfasst: 19. Dezember 2021 00:37
von GoldenProjectile
Absolut solide und legitime Argumentation, der man nicht viel hinzufügen kann ausser: Ich sehe es halt anders. Ich kann nur anmerken, dass wenn man nach dem Generationending geht, ich genauso mit Craig grossgeworden bin wie du. Auf dem Papier zumindest, denn persönlich kann ich dem Punkt den man manchmal hört, der Lieblingsbond hänge ja immer mehr oder weniger vom persönlichen Jahrgang ab, nur bedingt folgen. Denn ich wurde zum Beispiel gefühlt wesentlich mehr mit den "alten" Bondfilmen (der Rog und der Tim) zu Hause gross als mit den Craigern im Kino. Bezüglich "das ist nicht mehr mein Bond" kann ich vielleicht noch anfügen dass die meisten "Probleme" die ich habe schleichend und schrittweise kamen und sich frühestens erst ab Spectre arg in den Vordergrund gedrängt haben.

Ich sehe mich da nicht so als ewiggestern wie manche vielleicht denken. QoS finde ich mittlerweile richtig prima, CR kritisiere ich vor allem in Relation zu den Stimmen die ihn für einen ultimativen und brillant ausgetüftelten Film halten, aber auch den mag ich. Ich bin für eine Modernisierung oder eine Variation jederzeit zu haben, wenn ein gewisses Mass an Bond-Kernkompetenzen eingehalten wird. Wie wäre es zum Beispiel mal mit einem Bondfilm, der wirklich spannend ist in einem Ermittlungssinne? Eine Mission, die richtig knifflig aufgebaut wird? Ein richtiger Navy-Bond (kein Prequel, sondern eher so in Richtung Win, Lose or Die)? Es gibt da auch viele Möglichkeiten abseits des "Dramas" das uns meiner Meinung nach zuletzt halt oft eher schlecht als recht vorgegaukelt wurde.