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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Verdammt in alle Ewigkeit
Im Mafiafilm-Meilenstein „Der Pate“ gibt es eine Szene, in der Johnny Fontane, der Patensohn des Verbrecherkönigs Don Vito, diesen um einen Gefallen bittet: Um eine Rolle in einem neuen Hollywood-Hit zu bekommen und so seine Gesangskarriere anzukurbeln, soll sein Pate den Filmproduzenten Woltz einschüchtern. Das Resultat dieser Bitte: Eines Morgens erwacht Woltz in seinem Bett, vollgeschmiert mit Blut – und findet vor sich liegend einen abgetrennten Pferdekopf. Mit dieser Szene schrieb „Der Pate“ einst Filmgeschichte. Die Idee dazu stammt selbst aus der Filmwelt: 1953 gelang Musiklegende Frank Sinatra nach mehreren Fehlschlägen ein berufliches Comeback, als er die Nebenrolle im Militärdrama „Verdammt in alle Ewigkeit“ erhielt. Bis heute halten sich hartnäckig die Gerüchte, er habe den Part, der bereits an Eli Wallach vergeben war, nur durch Kontakte zur Mafia bekommen.
Filmgeschichte schrieb „Verdammt in alle Ewigkeit“ selbst mit einer anderen Szene: Da liegen Burt Lancaster und Deborah Kerr, beide ihrerseits Schauspiel-Ikonen, am Strand und küssen sich leidenschaftlich, während die Wellen über sie preschen. Gerade so ging diese damals unerhörte Aufnahme durch die Zensur, den sogenannten Hays Code. Mit diesem geriet Regisseur Fred Zinnemann mehrfach in Konflikt, als er „Verdammt in alle Ewigkeit“, eine Verfilmung des 1951 erschienenen Bestsellers des Autoren James Jones, für die Leinwand adaptierte. Eine der Hauptfiguren des Buches ist die Prostituierte Lorene, welche im Film zur Gesellschaftsdame eines Nachtclubs abgeschwächt wird. Die andere weibliche Protagonistin ist Karen, die Ehebrecherin, die da in den Armen ihrer von Lancaster gespielten Affäre liegt. Bei Jones bekam sie durch ihre regelmäßige Untreue eine Geschlechtskrankheit, verlor so ihre Gebärmutter. Im Film ist ihr Hintergrund ein anderer: Sie erlitt eine Fehlgeburt, da ihr betrunkener, fremdgehender Mann nicht in der Lage war, ihr zu helfen.
Jones hatte in seinem literarischen Debüt eigene Erfahrungen verarbeitet. Er war 1941 während der japanischen Angriffe auf Pearl Harbor in den Schofield Barracks auf Hawaii stationiert. Genau hier und genau dann spielt auch der Film. Der Alltag der Soldaten in der Kaserne wird aus der Sicht verschiedener Figuren gezeigt: Sergeant Warden erledigt die Drecksarbeit für seinen Vorgesetzten, lässt sich zum Ausgleich aber auf das erwähnte Techtelmechtel mit dessen unglücklicher, promiskuitiven Gattin ein. Gefreiter Prewitt war einst ein Spitzenboxer, will aber nach einem traumatischen Vorfall nie wieder in den Ring – doch genau dafür will ihn der Captain auf Hawaii. Da er sich weigert, machen ihm die Soldaten der Boxstaffel das Leben zur Hölle. Trost findet er nur im Landurlaub bei der resoluten Lorene und seinem einzigen Kasernen-Freund, dem italoamerikanischen Maggio.
Nahezu alle großen Themen des amerikanischen Kinos stecken in der meisterhaften Charakterstudie: Pflicht, Gehorsam, Militärromantik, Vaterlandstreue und das Streben nach Freiheit. All diese Eigenschaften vereint der Gefreite Robert E. Lee Prewitt, benannt nach dem erfolgreichsten konföderierten General im amerikanischen Bürgerkrieg. Er erlebt eine Ungerechtigkeit nach der anderen, muss jede Schikane seiner Kompanie erdulden. Einmal gräbt er ein metertiefes Loch, nur um es danach wieder zuschütten zu müssen. Beim Marschieren muss er Sonderrunden einlegen, trotz seiner exzellenten Kenntnisse als Soldat und als Trompetenspieler wird er zum Putzdienst eingeteilt. Es ist dem meisterhaften Schauspiel des Ausnahme-Darstellers Montgomery Clift in dieser Rolle zu verdanken, dass im Angesicht dieser psychischen Misshandlung der Kampfgeist Prewitts immer in seinen Augen erkennbar wird: Er brennt für das Militär, er kann nicht gebrochen werden.
Zinnemann bewies das richtige Händchen für die Besetzung aller Rollen: Clift war in seiner eindrucksvollen Karriere nie besser, ihm Burt Lancaster als Kompanieleiter entgegen zu setzen ein genialer Schachzug. Er ist grandios in dem Part, gefangen zwischen der verbotenen Liebe für die Frau seines Vorgesetzten und seiner Verantwortung als Mann, als militärischer Vater für seine Truppe. Die Frauen im Leben dieser Kerle wurden gar ganz gegen ihr Image besetzt. Die Schottin Deborah Kerr wäre wohl niemandem sonst als notorisches Flittchen eingefallen, und der unschuldigen Schönheit Donna Reed war die desillusionierte Lorene kaum zuzutrauen. Der Clou ging auf: Beide verleihen ihren Figuren innere Stärke und Würde. Wie oft bei Zinnemann, der ein Jahr zuvor den Westernklassiker "Zwölf Uhr mittags" verantwortete, sind es die Frauenrollen, welche die wichtigsten Entscheidungen in ihrem Leben zu treffen haben: Wollen sie aktiv ihr Leben gestalten oder sich in die Verantwortung eines Mannes begeben?
Die Sensation in dem fantastischen Ensemble ist aber ‚The Voice‘, Frank Sinatra, der sich als vorlauter, meist alkoholisierter Maggio für ernste Charakterrollen empfahl. Obwohl Maggio nach außen ein Lebemann, ein Hedonist in Uniform zu sein scheint, ist er die tragischste Figur der Geschichte. Sein Plappermaul, sein Ungehorsam, seine sofortige Sympathie für den Pechvogel Prewitt, sie sind Ausdruck einer verborgenen, selbstzerstörerischen Natur, die ihm letztlich zum Verhängnis wird. Sein Abgang gehört zu den traurigsten Momenten, die das Kino hervorbrachte: Wie ein erschrockenes Kind stirbt er in den Armen von Clift. Dieser spielt daraufhin vor den Weiten des nächtlichen Kasernenhofs auf einer Trompete dessen letztes Geleit – mit dicken Tränen auf den Wangen. Er ist nun wieder allein, einsam. Ein vertrautes Gefühl. An einer Stelle sagt er zu Lorene: „Wenn jemand sagt, er wäre einsam, lügt er nie.“ Mehr muss er gar nicht sagen, um erahnen zu lassen, was er in der Vergangenheit durchgemacht hat.
„Verdammt in alle Ewigkeit“ ist ein Dialogfilm, erzählt sein menschliches Drama über lange Gespräche. Doch erreichte das ausgezeichnete Drehbuch des Autoren Daniel Taradash seine Langzeitwirkung erst durch die subtile Regie, die es vermied, dem damaligen Technicolor-Trend zu folgen. Statt stark gesättigten Farben gibt es so kühle Bilder in Schwarz-Weiß zu sehen, die eine konzentrierte Spannung für das Figurenkonglomerat erlauben. Die Kasernen-Atmosphäre ist schlicht einmalig, kam aber zu einem hohen Preis. Für die originalgetreue Szenerie bezog Harry Cohn, der Chef von Columbia Pictures, das US-Militär mit ein. Die verlangten dafür mehrere Änderungen am Script: Captain Holmes wird anders als im als ‚armeefeindlich‘ wahrgenommenen Roman nun für sein Fehlverhalten gegenüber Prewitt bestraft. Statt eines moralisch faulen Militärapparats verlagerte sich der Fokus auf die verdorbenen Äpfel, die missratenen Einzeltäter. Der zynischen Kraft der Buchvorlage wird das kaum gerecht.
Den Sprung zum Meisterwerk vollzieht der Film dennoch, nämlich im letzten Drittel, als der japanische Angriff auf Pearl Harbor beginnt. Historisch akkurat stehen die Uhren dabei auf 7:51 Uhr – just um die Zeit hatten die Flugzeuge die Schofield Barracks erreicht. Von nun an kann Zinnemann niemand stoppen: Das Bombardement inszeniert er als wahrgewordenen Albtraum, als apokalyptische Szenerie im Garten Eden von Hawaii. Insbesondere das Sound-Design ist verblüffend immersiv. Die Maschinengewehre und fallenden Bomben bilden eine beklemmende Tonkulisse, die nach Gehorsam schreienden Offiziere klingen verängstigt, hilflos. Orchestrale Töne der Komponisten Morris Stoloff und George Duning sind kaum zu vernehmen, im Vordergrund steht hörbares Entsetzen. Aufnahmen aus der Pearl-Harbor-Doku „Der 7. Dezember“ von John Ford kamen zum Einsatz, um das üppige Budget von 2 Millionen Dollar nicht zu überziehen.
Banal die Feststellung, dass der Aufwand sich bezahlt machte. „Verdammt in alle Ewigkeit“ dominierte die Kinosaison 1953, wurde vom Feuilleton mit Lobpreisungen überhäuft. Das epische, langsame Melodram hat bis heute nichts von seiner Wirkung verloren und bewies die Faszination und den Eros des alten Hollywood-Kinos – selbst für beharrliche Ablehner des Militärs. Zinnemann drehte keinen Kriegsfilm, sondern eine intime Geschichte über Loyalität und Integrität. Dabei ist beachtlich, wie bitter sein Werk trotz aller Einmischungen endet: All der Heldenmut und die Opferbereitschaft von Prewitt sind vergebens. Er kann seinem traurigen, sinnlosen Schicksal nicht entkommen. Der Originaltitel „From Here to Eternity“, übersetzt etwa „Von hier bis zur Ewigkeit“, entstammt einem Gedicht des Literaturnobelpreisträgers Rudyard Kipling, lässt aber ein Wort weg. Für das deutsche Publikum wurde die Zeile wieder vervollständigt, der Titel fasst so Prewitts Ausgang phänomenal zusammen: „Damned from here to eternity“, also „Verdammt in alle Ewigkeit“.
Bei insgesamt dreizehn Nominierungen gewann der Film acht Oscars, darunter in den Kategorien „Bester Film“ und „Beste Regie“. Er zog so mit „Vom Winde verweht“ gleich, wurde zum Überhit des 50er Jahre Kinos. James Jones verarbeitete eine weitere hautnah erlebte Kriegserfahrung, die Schlacht um Guadalcanal, in seinem Roman „Insel der Verdammten“, die später ebenfalls unter dem Titel „Der schmale Grat“ den Weg auf die Leinwand fand. Und Frank Sinatra hatte sich nicht nur aus seinem Karrieretief erholt, sondern wurde – genau wie Donna Reed – ebenfalls bei der Oscarverleihung auf die Bühne gebeten. Er erhielt eine Trophäe als „Bester Nebendarsteller“ und zementierte seinen Status als einer der beliebtesten Entertainer aller Zeiten.
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