Bekanntlich spielte bis zum heutigen Tag noch kein US-amerikanischer Schauspieler die Rolle des britischen Geheimagenten James Bond. Konkrete Angebote von Seiten der Produzenten bekamen im Laufe der Jahre allerdings einige amerikanische Darsteller – darunter einige die entweder bereits einen enormen Star-Status innehatten oder diesen noch erlangen sollten. Einer davon war
Burt Reynolds.
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Reynolds, geboren 1936, begann seine Karriere zunächst als ernsthafter Theatermime auf den Bühnen New Yorks bevor es ihn Ende der 50er Jahre nach Hollywood zog und er dort mit diversen wiederkehrenden TV-Rollen (u.a. Riverboat und Gunsmoke-Rauchende Colts) eine erste Bekanntheit beim Publikum erlangte. Ab Mitte der 60er Jahre nahm auch seine Filmkarriere allmählich Fahrt auf, wenngleich er sich vorerst noch mit Rollen in B-Filmen oder Italowestern zufrieden geben musste. In dieser Phase seiner Karriere erhielt Reynolds 1969 von Cubby Broccoli das Angebot die Bond-Rolle zu übernehmen. Die Filmserie hatte gerade ihren Hauptdarsteller Sean Connery verloren und stand vor einer kritischen Neubesetzung der weltweit geliebten Rolle. Für Reynolds bot sich dadurch eine große Chance mit einem Schlag der B-Film-Nische zu entkommen und zum internationalen Superstar aufzusteigen – und dennoch sagte er Broccoli ab, da er das Gefühl hatte, die Bondrolle sollte und könnte nicht mit einem US-amerikanischen Schauspieler besetzt werden. Auch ohne James Bond gespielt zu haben wurde Reynolds in den 70ern und frühen 80ern zum größten Kassenmagneten der Kinolandschaft und hätte demnach eigentlich keinen Grund seine Entscheidung zu bereuen. Dennoch äußerte er sich vor einigen Jahren mit Bedauern über seine Entscheidung in der Form, dass ihn die Absage noch heute um seinen Schlaf brächte.
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Wobei man davon ausgehen kann, dass diese Aussage auch ein gutes Stück ein Kokettieren mit seiner vermeintlichen Fehlentscheidung ist. So äußerte es sich in seiner in den 90ern entstandenen Autobiographie so, dass es rückblickend wohl die richtige Entscheidung gewesen sei (wenn gleich er sich auch hier über seine Entscheidung mehrfach lustig macht).
Hätte also Reynolds in der Bondrolle funktioniert? Rein optisch und vom Typ her ähnelte Reynolds Urbond Connery wie wohl kaum ein anderer Schauspieler. Auch der „good ol´Boy“ hatte in seiner Glanzzeit die vielzitierte „animalische Maskulinität“, die Frauenherzen höher schlagen liess. Gleichzeitig wäre er auch für die gerade in den 70er Jahren unentbehrlichen leichteren, humoristischen Tendenzen geradezu prädestiniert gewesen – wie er in vielen erfolgreichen Action-Komödien unter Beweis stellen konnte.
Bliebe das alte Verdikt, dass nur ein Brite die Bondrolle spielen könne. Hinter dieser „eisernen Regel“ steckt natürlich in erster Linie die Furcht der Macher, dass ein solcher Regelbruch sich negativ auf die Einspielergebnisse auswirken würde. Der (mehr oder minder) feine Unterschied zwischen Briten und US-Amerikanern macht sich ja in erster Linie an ihrer gemeinsamen Sprache fest. Dieses Thema wäre aber für den Rest der Welt, in welchem die Filme entweder synchronisiert liefen oder wo das Thema Sprachunterschiede nur eine untergeordnete Rolle spielte vermutlich kein allzu großes Problem gewesen. Dass die Briten über einen Yankee in der Rolle nicht besonders euphorisch gewesen wären ist anzunehmen – aber der britische Kinomarkt ist dann doch recht überschaubar und Umsatzeinbussen wären hier zu verschmerzen. Entscheidend – wie so oft – ist auch hier der US-Markt und hier fokussiert sich alles auf die Frage: möchte das US-Publikum einen Landsmann in einer typisch britischen Rolle sehen?
Bezogen auf den konkreten Fall Reynolds könnte man zu folgendem Urteil kommen: das US-amerikanische Publikum wollte Reynolds spätestens ab Mitte der 70er eigentlich in jeder Rolle sehen – sie wollten in erster Linie
ihn sehen und vermutlich hätten sie ihn in einem Multi-Millionen-Dollar-Spass-Spektakel erst recht sehen wollen. Hierbei ist zu bedenken, dass Reynolds sich seinen Superstarstatus hauptsächlich durch seine Ausstrahlung und sein Charisma erwarb – seine darstellerischen Leistungen und die Qualität der Filme in denen er mitspielte war da eher zweitrangig. Reynolds verkörperte geradezu auf ideale Weise den Typus Filmstar, den das Publikum der 70er Jahre sehen wollte. Von daher liegt der Schluss nahe, dass Reynolds als Bond in den 70ern eine perfekte Wahl gewesen wäre, die gleichzeitig durch Reynolds Äusseres und seinen Typ eine Verbindung zu den Connery-Filmen der 60er hergestellt hätte wie auch durch seine unbekümmerte, lockere Präsenz prädestiniert für den humorvollen Over-the-Top-Ansatz der Mooreära gewesen wäre (Auto- oder Speedbootverfolgungen waren zudem seine Domäne, humoristische Kabbeleien mit Südstaaten-Sheriffs ja sowieso). Durch seine Beliebtheit – gerade beim US-amerikanischen Publikum – hätte man ihm zur damaligen Zeit den „genetischen Nachteil“ nicht als Brite geboren worden zu sein wohl am ehesten von allen anderen potenziell in Erwägung gezogenen Yankees nachgesehen. Allerdings wäre 1969 wohl dennoch der falsche Zeitpunkt für eine Rollenübernahme durch Reynolds gewesen. Zum einen war er der breiten amerikanischen Öffentlichkeit damals noch eher unbekannt, zum anderen wäre ein Film im Stile von OHMSS wohl ebenfalls das falsche Vehikel für Reynolds gewesen. Nach dem Connery-Intermezzo in DAF wäre dagegen 1972 genau der richtige Zeitpunkt gewesen für Reynolds, der durch seine Dauerauftritte bei Johnny Carson und seine Glanzleistung in Deliverance sowie (nicht zuletzt) durch seinen publicityträchtigen Fotoshoot auf dem Bärenfell in aller Munde war.
Das Ganze hätte nur einen Haken gehabt: Reynolds hätte wohl als Bond auf seinen geliebten Schnauzbart verzichten müssen.