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von Nico
Agent
Hab mich leider gestern ein wenig in der Zeit verplant und konnte die SF-Review zum Abschluss meines Marathons nicht rechtzeitig fertig stellen, deswegen gibt es sie heute:
Skyfall
(Skyfall)
2012
Regie: Sam Mendes
Als ich 2012 aus dem Kino kam, war ich überzeugt davon, einen der besten, wenn nicht sogar den besten Film der James Bond-Reihe gesehen zu haben und hätte damals bedenkenlos 10/10 Punkte vergeben. So viel kann ich bereits verraten: Die 10/10 gibt es dieses mal nicht mehr. Aber dazu später mehr.
Nachdem 2008 mit "Ein Quantum Trost" der 2. Film mit Daniel Craig in der Rolle des James Bond in die Kinos gekommen war, dauerte es, teilweise bedingt durch die Insolvenz der Filmstudios Metro-Goldwyn-Mayer, ganze 4 Jahre bis zum Erscheinen von "Skyfall". Sam Mendes übernahm den Regieposten und verfilmte ein Drehbuch von Neil Purvis, Robert Wade und John Logan. Daniel Craig kehrte als James Bond zurück, ebenso wie Judi Dench als M und Rory Kinnear als Bill Tanner. Zum Cast stießen Ralph Fiennes als Gareth Mallory, Ben Wishaw als Q, Naomie Harris als Eve (Moneypenny), Ola Rapace als Patrice, Bérénice Marlohe als Sévérine und Javier Bardem als Silva. Für den Soundtrack zeichnete erstmals seit "Der Morgen stirbt nie" nicht David Arnold, sondern Mendes´ Hofkomponist Thomas Newman verantwortlich.
Wie schon CR und QOS startet "Skyfall" nicht mit der traditionellen Gunbarrel-Sequenz. Stattdessen sehen wir Bond im Einsatz, wie er auf die Kamera zugeht. (Mendes hat schon recht, das hätte in Verbindung mit der Gunbarrel etwas merkwürdig gewirkt.) Die ganze PTS ist sehr actiongeladen und gefällt mir sehr. Schauspiel, Story, Inszenierung, Musik: Hier stimmt wirklich alles. Mit einem dramatischen Moment endet die PTS und absolut grandios wird in die ebenso grandiose Titelsequenz mit einem ebenfalls grandiosen Titelsong übergeleitet.
Die Titelsequenz zeigt schon ein wenig, in welche Richtung der Film gehen wird: Es ist düster, es geht um Tod und Wiederauferstehung. Wenig verwunderlich ist deshalb, dass Sam Mendes "Skyfall" hauptsächlich bei Dunkelheit oder in dunklen Räumen spielen lässt. Dies unterstützt die ganze Stimmung, die im Film herrscht. Bond muss sich erst wieder neu beweisen und neu trainieren, denn offensichtlich ist er körperlich (auch wenn das durch Craig nicht gerade ersichtlich ist...) außer Form. Dis Szenen während seines Trainings, während er gleichzeitig durch Tanner instruiert wird, haben mir gut gefallen. Generell besticht der Film durch viele einzelne sehr schöne Szenen. Zu nennen wären da etwa:
-Wie schon erwähnt: Bonds Training inklusive der Wort-Assoziationen mit dem Psychologen
-sämtliche Szenen mit Q, besonders das erste Aufeinandertreffen der beiden und der tolle Dialog (auch hier wird mit dem Gemälde wieder das Alter thematisiert)
-die Shanghai-Szenen
-das Casino in Macau
-Szenen mit Moneypenny
-Silvas erster Auftritt und das "Glas vom Kopf-Schießen"
-die Anhörung und M, wie sie Tennysons Gedicht rezitiert
Aber auch actiontechnisch hat "Skyfall" einiges zu bieten. Die schon erwähnte PTS ist dabei leider schon ziemlich frühzeitig im Film der Actionhöhepunkt. Erst die Auto- und Motorrad durch Istanbul und über die Dächer des großen Basars, dann Bonds "Entern" des Zuges und der folgende Kampf auf dem Dach: Ganz große Klasse. Die erste große Actionszene nach der PTS ist der Shilhouetten-Kampf in Shangai zwischen Bond und Patrice, der meiner Meinung nach zu den besten Zweikämpfen des Franchises gehört. Dass man die beiden Kontrahenten nur im Schatten und nur die Umrisse von ihnen sieht und nur ab und zu durch einen Pistolenschuss ihre Gesichter erleuchtet sind, ist toll gestaltet. Immer wieder toll finde ich, wie Patrice Bond aus dem Fenster schubst, dieser sich aber an seinem Gewehr festhält und wieder ins Gebäude kommt. Auch der Kampf im Casino sagt mir sehr zu. Wie Bond den Waran benutzt, um wieder auf die obere Ebene zu gelangen, ist wohl eine Anspielung auf den Krokodilsprung in "Leben und sterben lassen". Auch dass es am Ende Moneypenny ist, die Bond das Leben rettet, ist mal eine Abwechslung. Die nächste große Actionszene ist Silvas Flucht und die anschließende Verfolgungsjagd durch die U-Bahn Londons, die mir ebenfalls sehr gefallen hat und mit einigen lustigen Momenten aufwartet. ("Ich möcht wetten, der hat keinen Fahrschein!") Die abschließende Explosion und die U-Bahn, die durch die Decke kracht zeugen von toller Modellarbeit. Relativ schnell ist man dann auch schon bei der Schießerei im Gerichtssaal, die für mich immer einer der Höhepunkte des Films ist. Wie Silva hereintritt und auf M zielt und dann doch nur Mallory trifft, bereitet mir irgendwie eine Gänsehaut. Bonds Auftritt und der geniale Trick mit den Feuerlöschern runden das ganze noch ab. Nach einer relativ ruhigen Phase mit der Flucht nach Schottland und der Vorbereitung auf den Kampf, der eine "Ruhe vor dem Sturm"-Atmosphäre versprüht, geht es dann im Finale noch einmal richtig zur Sache. Ausnahmsweise zerstört nicht Bond das Hideout des Bösewichts, nein, dieser zerstört Bonds Hideout. Und das sehr explosiv und schießlastig. Auch der Unterwasserkampf und die finale Auseinandersetzung in der Kapelle gefallen.
Nach "Casino Royale" und "Ein Quantum Trost" hörte man oftmals diverse Klagen darüber, dass es zwar gute Filme, aber dies keine James Bond-Filme mehr sein. (Ich teile diese Meinung nicht.) Mit "Skyfall" dürfte Sam Mendes aber auch die letzten Kritiker zum Verstummen gebracht haben, denn der ganze Film ist voll mit "Bond-Momenten". Das beginnt schon in der PTS, in der Bond, nachdem er mal eben einen Zug auseinandergenommen hat, in selbigen springt und sich ganz lässig die Ärmel richtet, geht über Oneliner wie "Der Kreislauf des Lebens", die Vodka Martini-Bestellung, die Vorstellung "Bond... James Bond", die Gefangennahme Silvas, bei der im genau richtigen Moment das Bond-Thema ertönt, den Aston Martin DB5 und das Bondthema in Reinform und endet bei der letzten Szene in M´s neuen alten Büro.
Schon CR war hervorragend besetzt, in "Skyfall" setzte man in Sachen Cast nochmal eine Schippe drauf. Craig liefert hier seine bis dato beste Bond-Performance ab, er trägt den Film fast alleine. Besonders gut ist er im Zusammenspiel mit Judi Dench, die hier zum Abschied noch einmal richtig zeigen darf, was sie drauf hat. Schon in TWINE hat sie eine größere Rolle als je ein M vor ihr, SF toppt das ganze nochmals. Das ganze letzte Drittel dreht sich nur noch um M und Judi Dench füllt diese größere Rolle hervorragend aus. Rory Kinnear hat zwar nicht unbedingt eine größere Rolle als in QOS, spielt aber gut und wirkt sympathisch. Auch Javier Bardem spielt den etwas anderen Bösewicht Silva überragend. Besonders sein erster Auftritt überzeugt. Die lange Aufnahme und sein Einstiegsmonolog ist eine sehr gelungene Szene, die mich bei der ersten Sichtung im Kino wahrlich umgehauen hat. Seine erst rationale, dann plötzlich psychopathische Darstellung mag dem Drehbuch geschuldet sein, verwundert mich aber immer ein wenig. Der heimliche Star des Films ist aber Ralph Fiennes als Gareth Mallory. Erst wirkt er etwas unsympathisch, mausert sich aber im Laufe des Films zum absolut sympathischen Charakter, spätestens, als er M das Leben rettet. Mit ihm hat man wirklich einen hervorragenden M für die Zukunft gefunden. Auch Ben Wishaw als Q und Naomie Harris als Eve Moneypenny gefallen mir beide ganz fabelhaft. Auch auf die beiden freue ich mich sehr in zukünftigen Filmen. Einzig Bérénice Marlohe bleibt als Sévérine nicht ganz in Erinnerung. Sie spielt zwar solide, ihre Rolle ist aber einfach zu klein, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Auch locationtechisch hat SF etwas zu bieten. Sowohl Istanbul, als auch Macau, Schottland und London sind gut eingefangen worden. Besonders Schottland passt mit dem Nebel und der tristen Landschaft zur Stimmung des Films. Ein Highlight ist aber sicherlich Silvas Insel, die der real existierenden japanischen Insel Hashima nachempfunden wurde. Wie schon in "Ein Quantum Trost" leistet Dennis Gassner hier ganze Arbeit.
Noch ein Wort zur Handlung an sich: Wie in den meisten Bondfilmen fungiert hier ein McGuffin als Aufhänger, in diesem Fall die Festplatte mit den Namen der Geheimagenten. Schade finde ich nur, dass die Liste am Ende überhaupt keine Rolle mehr spielt und sich die Story ganz auf Silvas Rachepläne an M konzentriert. In gewisser Weise ist dies verständlich, da die Liste ja nur ein Mittel zum Zweck war, sich an M zu rächen, dennoch wird der Handlungsstrang um die Liste viel zu sehr aufgebauscht, nur um dann im Nichts zu verschwinden. Auch Silvas Plan wirkt auf mich zu konstruiert. Es gibt ein paar Dinge, die er einfach nicht im Vorfeld wissen kann, um seine Gefangennahme und seinen Ausbruch so genau zu planen. Auch dass er, wie schon erwähnt erst sehr rational denkend dargestellt wird, sich im Laufe des Films aber immer mehr zum Psychopathen mausert, wirkt wenig glaubwürdig.
Das, was "Skyfall" ausmacht, ist aber auch gar nicht die Handlung, sondern Mendes´ Inszenierung. In vielerlei Hinsicht ist SF das genaue Gegenteil seines Vorgängers QOS. Es gibt keine wahnsinnig schnellen Schnitte, bei denen man als Zuschauer nichts erkennt und die meisten Szenen werden nicht nur angedeutet. Nein, Mendes verfolgt einen ganz anderen Ansatz. Alles wird gezeigt, es gibt ruhige Szenen, (manchmal auch etwas zu viel) man kann der Action problemlos folgen. Auch sonst sind die Bilder einfach grandios. Solch eine gute Kameraarbeit gab es bisher bei Bond noch nicht und diese erzeugt eine ganz besondere Atmosphäre. Einen wichtigen Beitrag zu dieser Atmosphäre liefert auch die Musik von Thomas Newman. Es ist eine ganz andere Art Soundtrack als das, was David Arnold für die letzten 5 Filme abgeliefert hat. Newman setzt weniger auf einprägsame Melodien wie Arnold, sondern mehr auf einen Klangteppich, der die Bilder untermalt. Für einen Film wie "Skyfall" ist dies genau der richtige Ansatz und er hat mir sehr gefallen, besonders die Titel "Brave New World", "Breadcrumbs", "Quartermaster", "Voluntary Retirement" und "Granborough Road" sagen mir sehr zu. Besonders in den Actionszenen ist der Score stark.
Fazit:
"Skyfall" macht sehr viel Spaß. Sam Mendes schafft es, dass die 140 Minuten wie im Flug vorbeigehen. Zwischendurch hat der Film aufgrund der entschleunigten Erzählweise leider ein paar Längen und die Story ist teilweise nicht ganz überzeugend, ist im großen und ganzen ist er jedoch sehr gelungen. SF ist vielleicht nicht der beste James Bond-Film aller Zeiten, aber dennoch ein definitiv sehr guter. Einer, der dem 50 Jahre-Jubiläum würdig ist. Es gibt sehr gute
9/10 Punkte
So, damit endet (mit einem Tag Verspätung) auch mein Bond-Marathon. Ich habe richtig Lust am Review-Schreiben bekommen und denke, in Zukunft gibt´s von mir auch zu anderen Filmen ein paar Rezensionen.
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