Re: Depeche Mode - cult in black

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Na denn. Album-Kritik zu Playing the Angel. Frischer Höreindruck. :wink:

Playing the Angel (2005)

A Pain that I´m used to
Cooler Opener, der nach den Mitt-80er-DM klingt und dennoch modern. Dave kann seinen Bariton endlich mal wieder voll ausleben, da alles sehr tief und kraftvoll gehalten ist. Zweite Single. (9/10)

John the Revelator
Der fast schon obligatorische Blues-Song. Aber mit Dampf. Ein Live-Kracher, wo er noch besser funktioniert wie auf Platte. Vierte Single. (8/10)

Suffer Well
Ein historischer Augenblick. Dave Gahan schreibt auch Depeche Mode Songs (zumindest die Lyrics). Immerhin drei haben es aufs Album geschafft und der ist sicher der gefälligste (wurde auch Single Nummer 3). Die Strophe ist spannungsgeladen und kraftvoll, der Chorus dann ein wenig zu gefällig, das kann Martin interessanter verpacken. Dennoch ein beeindruckendes Debut. (8/10)


Sinner in me
Klassische Gore-Themen von Sünde, Leiden und Erlösung. Verpackt in einen sich langsam entwickelnden, etwas schrägen Song, der aber DM-typisch dennoch poppige Passagen hat. Bei den teilweise scheppernden, knarzenden, fiepsenden Geräuschen hört man deutlich die Handschrift von Produzent Hillier. Fräst sich unaufhaltsam in die Gehörgänge. (8/10)

Precious
Klassischster Pop-Song seit Enjoy the Silence. Enorme Ohrwurm-Qualitäten, ohne dass er langweilig wird. Gore verarbeitet hier seine gescheiterte Ehe. Sehr elektronisch, aber dennoch warm. Einer der ganz wenigen DM-Songs, die im Radio rauf und runter liefen und die x-te Nr. 2 (genau genommen die 6. von 9) in den deutschen Single-Charts. Hit! (10/10)

Macro
Martin-Song, der allerdings mehr an seine Soloalben, als an frühere Großtaten ala „Somebody“ oder „A Question of Lust“ erinnert. Plätschert ein wenig, was die Instrumentierung noch verstärkt. Erster Schwachpunkt, der auch zu viel Tempo rausnimmt. Gewinnt auch mit mehrmaligen Hören nicht signifikant. (5,5/10)

I want it all
Tempo wird noch weiter gedrosselt. Zweiter von Dave geschriebener Song (Music allerdings von Drummer Christina Eigner und A. Phillpott) und man merkt, dass er da noch zulegen kann (was die nächsten beiden Alben dann auch teilweise zeigten). Kommt nicht über einen netten Füller hinaus und verstärkt den mit Macro eingeläuteten Hänger eher noch. Gefällig, aber relativ belanglos. (5/10).

(Introspective - Instrumental)


Nothing´s impossible
Dave-Song Nr. 3. Auch nicht schnell, aber dennoch eine deutliche Steigerung. Monoton, aber auf eine hypnotische Art. Ein absoluter Grower. In der Strophe düster, öffnet sich der Chorus und wird moderat optimistisch, was die Instrumentierung sehr geschickt fördert. Am Ende ein schönes elektronisches Finish. Stark. (8,5/10)

Damaged People
Martin zum Zweiten. Leider auch keine neue Großtat, aber besser als Macro. Ein wenig zu Lounge-mäßig in der Strophe, dann aber ein toller, sich langsam entwickelnder Chorus. Leider finden die beiden Teile nicht so recht zueinander. Das dritte getragene Stück in Folge, mehr dürfte es aber auch nicht sein. (6/10)

Lilian
Und ... es geht wieder ab. Fast schon aufreizend an die 80er angelehnt. Hat die Bands gespalten. Ich liebe den Song, ist wie eine frische Sommerbrise nach dem doch sehr getragenen Vorgänger-Trio. Klar, Text banal, Harmonien auch, aber der Song macht einfach Spaß in seiner augenzwinkernden Retro-Attitüde. (9/10)

The Darkest Star
Finale. Würdiger Abschluss. Zwar Mid-Tempo, aber sich geschickt aufbauender und steigernder Klang-Bogen. Kann nicht ganz mit den ähnlich gelagerten „Higher Love“ (SOFAD) und „Insight“ (Ultra) mithalten, aber viel fehlt nicht. (7,5/10)


Fazit:
Gutes, wenn auch nicht superbes Album mit 4 starken Singles und dem Überhit Precious. Ben Hillier lässt es ein wenig zu sehr knarzen und Martins Solo-Songs schwächeln etwas. Dave durfte erstmals 3 Songs beisteuern und setzte schon mal ein Ausrufezeichen. (7,7/10)
http://www.vodkasreviews.de


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Re: Depeche Mode - cult in black

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"Spirit" ist ein außergewöhnliches Album. Man braucht wirklich eine Weile, bis man "drin" ist. Meine Favoriten sind "Scum", "Cover me" und "Going Backwards", aber auch die anderen Songs kann man gut hören. Mit einer Einordnung ins Gesamtwerk tue ich mich schwer.
#Marburg2025

Früher war mehr Atombombe

Re: Depeche Mode - cult in black

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Freut mich, dass du einen Zugang gefunden hast. Das sind die besten Voraussetzungen für einen dauerhaften Genuss. :wink: Ich habe mich immer schwer getan ein neues DM-Album einzuordnen, da sie nie sofort ins Ohr gehen (was psoitiv ist) und immer anders klingen wie der unmittelbare Vorgänger. Mit einer Gesamteinordnung muss ich meist bis zum nächsten Album warten.

Hier mal ein paar Gedanken, die ich als Rezension eingestellt hatte:

Songs of Maze and Emotion (19. März 2017)

Depeche Mode war nie eine gute Laune Band im Sinne fluffigen Wohlfühlpops. Gut, das neue Album ist mal wieder etwas düsterer ausgefallen, aber es gab schließlich auch Ultra und Black Celebration. Vor allem aber war Depeche Mode nie eine Band, die sich irgendwelchen Trends anbiederte, oder die eigene Historie verwaltete indem sie sich in Dauerschleife wiederholte und zunehmend langweilte (wie beispielsweise so einige überlebende Dekade-Kollegen wie U2 oder Bon Jovi). Nein, Depeche Mode klangen immer anders und waren bestrebt sich weiter zu entwickeln. Natürlich gefällt das nicht allen Fans der 80er Großtaten, zumal Bombast und druckvolle Beats immer mehr dem Blues und sperrigeren Songstrukturen wichen.
Aber mal ehrlich. Ein Depeche Mode-Album nach dem ersten Hördurchgang als Ohrwurmbrett abzufeiern, war schon immer eine Herkulesaufgabe. Die Songs entfalteten erst nach und nach ihre Sogwirkung und offenbarten ihr Gänsehautpotential. So gesehen ist "Spirit" ein klassisches Mode-Album und reiht sich wunderbar in die Discographie ein. Sicher hat man früher, vor allem unter der Ägide von Entdecker, Mentor und Mute-Chef Daniel Miller, etwas deutlicher auf 1-2 potentielle Single-Hits hingearbeitet, sich allerdings beim restlichen Songmaterial wieder recht deutlich von dieser Attitüde entfernt.

Viel wird dieser Tage auch über die neu entdeckte politische Seite der Band diskutiert, als hätte es "Everything Counts" oder "People are People" nie gegeben. Das wirklich Interessante an "Spirit" sind weniger die teilweise politischen Anspielungen, sondern der Sound. Nach drei Alben mit Ben Hillier hatte sich eine klangliche Stagnation eingeschlichen, die weniger vordergründig (die Alben sind klar unterscheidbar), als vielmehr von den Arrangements erkennbar wurde. Mit James Ford klingen Depeche Mode wieder klarer, mehr auf den Punkt und strukturierte in der musikalischen Progression innerhalb der Songs. Man könnte auch sagen, Ford hat die Songs wieder spannender und kantiger gemacht. Vor allem aber ist es ihm gelungen einen roten Faden emotional zu erzeugen und nicht wie Hillier diesen soundtechnisch zu kreieren. Das verbindet "Spirit" mit den Alben "Songs of Faith and Devotion" und "Ultra", beides inzwischen erklärte Fanlieblinge und beide bei Erscheinen äußerst kritisch aufgenommen.

Klar, ein schräges, Sound-verzerrtes Monstrum wie "Scum" will erst einmal verdaut werden. Das war auch bei "I feel you" und "Barrel of a Gun" keine leichte Aufgabe gewesen. Entschlackte, fast schon spartanisch anmutende Finsterlinge wie "The worst Crime", oder "Eternal" werden nicht sofort umarmt. Die Single "Where's the Revolution" ist noch am eingängigsten, aber bestimmt keine Hymne, die sofort packt. Und die Melodien? Gibt es wirklich keine? Hat Martin Gore sein Händchen verloren und wäre ohne Gahans immer besser werdenden Input völlig aufgeschmissen? Doch!, Doch! und Nein!, Nein!. Unter der schwarz schimmernden Oberfläche verbergen sich mal wieder äußerst hartnäckige Melodien, wenn man sie erst einmal erschlossen hat. Bei dem kraftvollen Gore-Opener "Going backwards" geht dieser Prozess sehr schnell, genauso wie bei Gahans "No more". Bei anderen Songs dauert es etwas länger. Es braucht also Zeit, um den Spirit hinter den 12 Songs zu erspüren, aber er ist da. Versprochen.
Für das 14. Studioalbum einer seit fast 40 Jahre bestehenden und erfolgreichen Band ist "Spirit" eine beeindruckende Leistung. Wuchtig, düster, packend, berührend und mutig. Ein musikalischer Irrgarten der besonderen Art, bei dem der Weg hinaus nicht nur akustisch, sondern vor allem emotional spannend ist wie lange nicht mehr. Danke, Depeche Mode. Ihr habt nichts verlernt.
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Re: Depeche Mode - cult in black

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Wow, "Delta Machine" ist ja auch klasse, erst zwei mal gehört und schon im Ohr. Ist das jetzt gut oder schlecht? :mrgreen:
Schöne Sounds, "Heaven" und "Should Be Higher" haben Hitpotential. "Should Be Higher" schafft es locker in meine Top 10.
Komischerweise wird auf der Global Spirit Tour nichts von der "Delta Machine" gespielt?!

Edit: Gerade gelesen, dass "Should Be Higher" von Gahan ist. Das hätte ich nicht gedacht! Nach dem dritten mal hören des Songs bin ich schon in der Top 5 angekommen. Ein unglaublich schöner Song!

Edit, Edit: Hier mal eine Auflistung meiner Lieblingssong, ohne Reihenfolge und spontan:

Personal Jesus
World In My Eyes
Never Let Me Down
Stripped
Shake The Disease
My Secret Garden
See You
Should Be Higher
Walking In My Shoes
In Your Room
Black Celebration
Home
Useless
The Landscape Is Changing
Blasphemous Rumors
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Re: Depeche Mode - cult in black

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Toll! :wink: Auch die Liste deiner Lieblingssongs. Ging mir übrigens seinerzeit genauso, alos das untypische Gefühl, das Album sofort sehr gut zu finden. Und "Should be Higher" ist auch einer meiner Favoriten, war dann auch die dritte Single des Albums.

Hier mal meine damalige Rezension kurz nach dem Kauf:

Die Maschine brummt
Nach den zwar gelungenen aber nicht überragenden Alben "Playing the Angel" (2005) und "Sounds of the Universe" (2009) haben Depeche Mode schon viele im gemütlichen Rolling Stones-Modus gesehen. Hört man das neue Album, muss man das klar verneinen. "Delta Machine" ist sperrig, wuchtig, bluesig und sehr elektronisch. Es klingt wie kein anderes Album vorher und wirkt dennoch sehr vertraut. Definitiv muss man das Album laut, mit Muße und vor allem öfter hören. Erst dann entfaltet sich seine ganze Größe.

Welcome to my world 9/10
Seltsam anmutender Anfang, der aber neugierig macht und sofort Atmosphäre erzeugt. Das Versprechen wird dann mit einem großartigen Chorus eingelöst, der an vergangene Hymnen-Zeiten erinnert, ohne diese einfallslos zu kopieren. Starker Opener, der in dieser Hinsicht m.E. nur noch von BC und WIME auf Violator getoppt wird.

Angel 7/10
Von der PK bereits bekannt. Interessante Songstruktur mit einem Break-Refrain, der aber Tempo und Stimmung etwas zu sehr ausbremst, vor allem bei der Wiederholung.

Heaven 8/10
Funktioniert auf dem Album super, ist aber als erste Single zu verhalten. Baut auch keine Spannung auf, da er aus zwei praktisch identischen Teilen besteht.

Secret to the end 9,5/10
Klingt in den Strophen von der Instrumentierung her nach den frühen DM (1983). Gahan singt mit seinem unverkennbaren Bariton und macht den Song zum einzigen "Zeitreise-Song" der Platte. Harmoniewechsel beim zweiten Chorus. Von Gahan geschrieben und trotzdem der DM-typischte Song seit langem. Tolles "Outro". Ganz stark.

My little Universe 6/10
Erster kleiner Hänger. Sehr experimenteller Song, bei dem man das Gefühl hat hier wollten DM möglichst weit weg vom Mainstream. Sparsame Instrumentierung, die auch an die Construction Time-Phase erinnert.

Slow 7/10
Das Tempo wird nun noch etwas langsamer. Erinnert an die OWILM-EP und hätte auch auf ULTRA gepasst. Der Blues ist deutlich zu hören. Könnte sich bei wiederholtem Hören entwickeln.

Broken 8/10
Es wird deutlich flotter. Der zweite Gahan-Track und wieder trifft er den typischen DM-Ton überraschend treffsicher. Dichte und gleichzeitig entspannte Atmosphäre mit einem etwas simplen Chorus.

The Child inside 5/10
Schlechtester Song. Martin verzettelt sich bei den von ihm selbst gesungene Liedern inzwischen seit geraumer Zeit (seit Exciter 2001) in belanglosem Lounge-Sound. Im wahrsten Wortsinn dahinplätschernd.

Soft touch 8/10
Fast schon fröhlicher Pop-Rock-Song, der sofort zum Mitwippen animiert. Simpel, aber effektiv. Dringend nötiger Weckruf nach dem einschläfernden "The child inside".

Should be higher 9,5/10
Gahan die dritte und wieder ein Volltreffer. Könnte am ehesten die dritte Single werden. Melodisch und musikalisch toll aufgebauter Song, der - untypisch für DM und vor allem dieses Album - sofort ins Ohr geht, ohne dabei zu poppig zu klingen. Der Chorus überrascht mit einer Falsetto-Einlage von "Bariton-Dave", hätte man auch Martin singen lassen können. Der Halleffekt - früher ja ein sehr beliebtes Stilmittel der Band - beim Letterman-Auftritt hat imo den Song noch besser gemacht.

Alone 9/10
Superb instrumenter Song der klanglich gleich an mehrere Schaffensperioden von DM erinnert - ja, auch die ganz frühen. Immer wieder werden andere Synth-Passagen eingestreut, was den Song bis zum Ende spannend und abwechslungsreich hält. Die Tempoveränderung im Chorus ist hier erheblich besser umgesetzt als bei "Angel".

Soothe my Soul 8/10
Stampfender Beat und eine PJ-ähnlcihe Stimmung machen den Song zum Singletauglichsten des Albums. Wäre imo als 1. Single und Album-Teaser besser geeignet gewesen als "Heaven". Der Chorus ist mit zunehmender Dauer ob seiner Simplizität etwas ermüdend, dafür ist die Bridge klassischer DM-Sound par excellence. Auch für die Tanzfläche bestens geeignet.

Goodbye 9/10
Starker und überaus runder Abschluss des Albums. Ähnlich dem Opener fängt alles sehr verhalten und unaufgeregt an, bis dann ein hymnenartiger Chorus regelrecht hereinkracht. Klingt zu Beginn wir Johnny Cashs PJ-Variante, ob das Zufall ist? Dann wird es schnell elektronisch, bis dann mit einem an die Beatles-erinnernden Chorus nochmal ein völlig anderes Element kommt. Alle drei Parts harmonieren perfekt und machen den Abschluss zu einem der interessantesten Beiträge auf DM.

Fazit:
Für mich bereits nach einmaligem Hören das beste Album seit "Ultra". Es wird einem schmerzlich bewusst wie - im direkten Vergleich!- unausgegoren und tw belanglos SOTU eigentlich war, das ich keineswegs für schlecht halte.
Die angekündigte Kombination aus Soul, Blues und Synth- bzw. Electro-Sound wurde stimmig umgesetzt. Das war schon bei "Songs of Faith and Devotion" (1993) der Fall, nur klingen Depeche Mode 2013 noch einen ordentlichen Tick bluesiger und kombinieren dies mit glasklaren Synth-Sounds die nicht wie auf den beiden Vorgängern eher bemüht bzw. uninspiriert draufgeklatscht wurden, sondern die Stimmung der jeweiligen Songs unterstreichen und interessanter machen. Das Album wirkt gleichzeitig retro und modern und klingt wie aus einem Guss.

Leider gibt es tatsächlich - wie schon einige bemängelt haben - auch imo eine kleinen Hänger im Mittelteil. My little universe, Slow und v.a. Martin Gores "The Child Inside" plätschern etwas zu entspannt dahin.
Ob es nun an Christopher Berg, Flood oder Ben Hilliers Reifeprozess liegt, klanglich ist "Delta Machine" wesentlich überzeugender als die beiden direkten Vorgänger. Das Album klingt voll, druckvoll und homogen, die vielen elektronischen Frickeleien fallen nicht negativ oder störend auf, sondern dienen den Songs. Man muss die Platte sicherlich öfter hören, das ist definitiv keine leichte Kost.
Wer sich aber darauf einlässt wird mit der Erkenntnis belohnt, dass die Band definitiv nicht zum alten Eisen zählt und (noch) nicht die Bon Jovi bzw. Rolling Stones der Synth-Musik sind. Die wenigen Schwachstellen finden sich in der Mitte und erwecken nicht den Eindruck von PTA und SOTU, dass den Herren nach der Hälfte ordentlich die Puste ausging.

8,5/10
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Re: Depeche Mode - cult in black

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Nein, nur zu einigen, da ist schon noch Nachholbedarf. Veröffenltivht wäre in dem Fall zu großspurig, ist nur bei amazon (das ich nicht bewerben wollte). Für ein Online- oder Printmedium würde ich noch etwas an den Formulierungen feilen.

Allerdings schreibe ich gern Leserkommentare an meinen Intimus bei der AZ (Herrn W. Schütz). So auch wieder zu seinen beiden letzten "Ergüssen".

http://www.augsburger-allgemeine.de/bay ... 91906.html

Das war mir dann doch "ein paar" Zeilen wert:

Schütz(en)-Fest in München: Fehlschuss mit Ansage

Berechenbarkeit kann etwas gutes, beruhigendes sein. Bei einem Musikjournalisten sieht das ein klein wenig anders aus. Objektivität und Unvoreingenommenheit bleiben da schnell auf der Strecke, von einem spannenden, weil überraschenden Artikel mal ganz zu schweigen. Jetzt ist es natürlich längst kein Geheimnis mehr, dass Herr Schütz mit eher melancholisch und düster angehauchter Musik so seine Probleme hat. Die letztjährigen, in Fankreisen äußerst positiv aufgenommenen Konzerte der Szene-Größen „Placebo“ und „The Cure“ fanden bei ihm wenig Gegenliebe, der er mit teils kruden Argumenten Nachdruck verleihen wollte. Wem dieser Beleg noch nicht genügt, der muss sich nur - quasi als Umkehr-Beweis - die Doppel!-Eloge auf das Coldplay-Konzert vom vergangenen Mittwoch zu Gemüte führen. Dort zeigte er sich ekstatisch euphorisiert von einer kunterbunten Lichtershow, mit der die längst im Familien-Mainstream angekommenen Briten ihre zunehmend belangloser gewordenen Liedchen ins weite Rund des Olympiastadions trällerten. Gut, Chris Martin mag eine netter Kerl sein, aber eine Rampensau des Rockzirkus, oder zumindest ein charismatischer Frontman war er nie und wird er auch nie mehr werden. Spricht man mit der Band wohlgesonnen Besuchern des München-Gigs hört man häufig das nicht gerade enthusiastische „nett“ und das vielsagende „geile Lightshow“. Ansonsten lies man sich in gemütlicher Atmosphäre von der deutlich mehr Schlager- als Rock-affinen Musik durch den regnerischen Abend schunkeln. Klar, Geschmäcker sind halt verschieden und manchen reicht auch das.

Nun weilte unser Autor nur zwei Tage später an gleicher Stelle, nur ging es diesmal weit weniger gemütlich und gefällig zu. Die gern als Synthie-Pop-Götter bezeichneten Depeche Mode - in Wirklichkeit haben sie ihr eigenes Genre kreiert, das sich in keine Schublade stecken lässt - sind in jeder Hinsicht ein ganz anderes Kaliber als Coldplay (die sich übrigens schon mehrfach als eingefleischte Fans „outeten“ und auch schon wiederholt als Konzertbesucher gesichtet wurden). Die neben U2 inzwischen einzig relevante Band der 80er Jahre verfügt über einen solchen Fundus an evergreenartigen Hymnen, dass sie auch fünf Stunden spielen könnten und noch immer den ein oder anderen Hit schuldig bleiben müssten. Vor allem aber sind sie trotz ihres Synthie-Fundaments eine fulminante Liveband, die ihm wahrsten Wortsinn „rockt“. Dieses Phänomen zeigte sich auch gestern wieder in München, als sich bereits zum Auftaktsong „Going Backwards“ die Zuschauer von ihren Sitzen erhoben. Es zeigte sich auch daran, dass selbst die brandneuen Songs des aktuellen Albums „Spirit“ textsicher mit intoniert wurden und die deutlich ruhiger gehaltene erste Konzerthälfte bejubelt, beklatscht und betanzt wurde. Sänger Dave Gahan war selbst für seine Verhältnisse enorm in Fahrt und bewies erneut, dass die häufig kolportierten Vergleiche mit Freddie Mercury und Mick Jagger nicht von ungefähr kommen, obgleich er dieser gar nicht bedarf. Spätesten ab Konzertmitte - eingeläutet mit der aktuellen Single - „Where´s the Revolution“ - gab es dann kein Halten mehr. Mit „Wrong“, „Everything Counts“, „Stripped“, „Enjoy the Silence“ und „Never let me down again“ knallten Depeche Mode eine Breitseite von Stadionkrachern ins beglückte Rund, deren 34-jährige Spannbreite so ganz nebenbei auch dem letzten Nörgler/Zweifler klar machte, warum der inflationär missbrauchte Begriff „Kult“ an dieser Stelle sprichwörtlich ins Schwarze trifft.

Und Herr Schütz? Tja, den ikonenhaften Status der Band, die energetische Rock-Show ihres Frontmannes, Martin Gores grandiose Songwriting- und Balladen-Qualitäten, die Vielzahl zeitloser Pop-Hymnen, die innige Liebe der „Devotees“, all dies lässt sich nicht ohne Blamage klein schreiben. Der Autor ist klug genug, um diesen Treibsand zu umgehen. Aber irgendwas muss gefunden werden, also kommt er auf das pseudo-geniale Wortspiel „Die verzwergten Pop-Riesen“ und zieht an dieser bemüht-verkrampften Fabulierungskunst seinen ganzen Text auf. Natürlich kann man kritisieren - und in Fankreisen wird das schon seit mindestens 2009 diskutiert -, dass der Bühnenaufbau für ein Stadionkonzert grenzwertig überschaubar ist. Auch die extra wieder neu von Haus- und Hof-Art Director Anton Corbijn erstellten Projektionsvideos sind erneut teilweise etwas merkwürdig und zeigen die kreativen Grenzen des holländischen Multitalents, dem allerdings auch U2 seit Jahrzehnten vertrauen. Man kann all dies aber genauso als klares Statement pro Musik und gegen Technikshow verstehen bzw. interpretieren. Depeche Mode - anders als eben Coldplay - brauche keinen technischen Schnickschnack, um die Massen zu begeistern, oder von wenig aufregenden Songs abzulenken. Und Herr Schütz, „Cover me“ - was übrigens bereits viele Global-Spirit-Tour-Konzerte bewiesen hatten - war nach „World in my Eyes“ kein Stimmungs-Drossler, ganz im Gegenteil. Das sich steigernde Elektrogewitter nach dem ruhigeren Gesangsteil ist ein wahres Tanz- und Rhythmusbrett. David Bowies „Heroes“ passte wunderbar in den Zugabenteil, wurde stimmig in den Band-typischen Sound übertragen und von Bowie-Bewunderer Gahan inbrünstig vorgetragen. Klar ein Höhepunkt des Abends. Und die „ungelenke musikalische Umgestaltung“ von „A Pain that I´m used to“ ist der unter Fans extrem beliebte Goldfrapp-Mix - übrigens ebenfalls eine Band, die von Mute-Chef Daniel Miller entdeckt worden war -, der bereits auf der Delta Machine-Tour 2013/14 zu sehr gelenkigen Auswüchsen beim tanzgeneigten Publikum geführt hatte.

Vielleicht sollte sich der Autor einfach mal in den Front of Stage-Bereich vorwagen, anstatt ständig von der kilometerweit entfernten Pressetribüne aus, zumal unter garantiert nicht abfeiernden Schreiberling-Kollegen, das Haar in Konzertsuppen zu suchen, die für seien Geschmack zu scharf gewürzt sind. Ansonsten, liebe AZ, erkläre ich mich gern bereit hin und wieder für den gestressten/(genervten?) Kollegen einzuspringen. Aber nur, wenn ich im Gegenzug nicht zu Coldpaly oder Aerosmith muss, denn totale Unvoreingenommenheit - das wissen wir ja -, ist so leicht nicht. In diesem Sinne nichts für ungut Herr Schütz. Ihr Artikel ist wie immer gut geschrieben und launig formuliert, die Essenz des hervorragenden Depeche Mode-Konzerts vom Freitag trifft er allerdings leider nicht.
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Re: Depeche Mode - cult in black

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Ich denke schon :wink: , denn sein Artikel in der Printausgabe war folgender:

http://www.augsburger-allgemeine.de/kul ... 03976.html

Da hat er doch recht deutlich "umformuliert". Dasselbe Spiel gab es übrigens letztes Jahr bei "Placebo". :wink:

Dazu "bekam" er dann natürlich einen weiteren Kommentar, ist wie der obige auch unterhalb des Artikels zu sehen/lesen:



Nun also Depeche Mode-Konzertkritik die Zweite. Wie schon letztes Jahr bei Placebo hat Herr Schütz seinen Text für die Printausgabe entschärft. Was auch immer seine Motivation dafür gewesen sein mag, dem München-Auftritt der britischen Kultband wird er nun eher gerecht. Zwar kommen dieselben Kritikpunkte aufs Tablett, aber mit einem erkennbaren Schwenk der Argumentationslinie. Die für ein Stadionkonzert recht kleine und zudem spartanisch ausgestattete Bühne kulminiert nun nicht mehr in der polemischen Metapher der „verzwergten Popriesen“, sie ist nicht einmal mehr der den Text durchziehende rote Faden. Sehr richtig arbeitet er nun heraus, dass Depeche Mode trotz dieser definitiv diskutablen Mankos ihr Publikum begeistern konnten und mehr noch, dass so ein Primat der Musik sichtbar wurde, der in vielen modernen Konzerten immer häufiger einer sämtliche Inhalte zukleisternden Effektshow weicht.

Hier wäre die Chance gewesen eine Brücke zum aktuellen Entertainment-Zeitgeist zu schlagen, denn das Hollywoodsche Mainstreamkino der untoten Piraten, Blech absondernden Kinderspielzeuge und immer unübersichtlicher werdenden Superhelden-Trupps funktioniert exakt nach diesem Motto. Aber da hätte er natürlich die verehrten Coldplay in ein ungünstigeres Licht rücken müssen, was bei den vorangegangen Lobeshymnen nicht zu erwarten war und natürlich auch nicht eintrat. Es ist ohnehin fraglich, ob die erneute Gegenüberstellung - zumal mit der anvisierten Aussage - in diesem Fall so sinnig ist.

Will man kritisch sein, böte sich zudem auch mal eine Analyse der Arbeit des holländischen Multitalents Anton Corbijn an. Seit er Depeche Mode Ende der 1980er Jahre durch seine Photographien und Cover-Designs einen unverkennbaren Look verpasst hatte, zeichnet er ganz allein für das optische Gesamtbild der Band verantwortlich, zu dem eben auch Stage-Design und Bühnen-Visuals zählen. In den letzten Jahren offenbarte der Meister allerdings eine zunehmende Einfallslosigkeit und Redundanz - insbesondere auch bei der Covergestaltung von Alben und Singles -, die die Bühnenpräsenz der Band mindestens nicht steigerte. Vor allem die eigens für die Konzert-Screens gedrehten Kurzfilme wirken lieblos und nicht selten deplatziert. Wie leicht wäre es gewesen, so innig geliebte und atmosphärische Hymnen wie „Enjoy the Silence“ oder „Walking in my Shoes“ durch entsprechende Bilder in ihrer Wirkung noch zu steigern, zumal Corbijn seinerzeit dazu zwei fantastische Musikvideos gedreht hatte. Auf der aktuellen Tour fiel ihm dazu nichts Besseres ein, als ein paar Nutz- und Kuscheltiere ins Publikum starren zu lassen („Silence") sowie einem androgynen Jüngling bei der Verwandlung in eine Frau zuzusehen („Shoes"). Beides stellte nicht einmal ansatzweise einen Bezug zur Musik her. Der Autor spricht hier zu Recht von „inszenatorischen Schwächen“, ohne allerdings das Kind beim Namen zu nennen, oder eine tiefer gehende Analyse anzugehen.

Man bekommt den Eindruck, dass Herr Schütz vor allem ungewöhnliche Vergleiche liebt, wobei er sich da häufig im metaphorischen Gestrüpp verfängt. Diesmal muss der FC Bayern zum Fabulierungs-Showdown antreten. Und selbstverständlich nicht zum Wohle des Angeklagten. So vergleicht der Autor den Depeche Mode-Gig mit einem Spiel des Branchenführers, bei dem sich der Zuschauer wohlig einem Spektakel hingibt, das eigentlich nur in wenigen intensiven Augenblicken ein solches bietet. Das wirkt etwas ungelenk, zumal im Anschluss das Freilegen des eigentlich Wesentlichen - der Musik - als rares Positivum heraus gearbeitet wird. Hier gelingt dem Autor eine in seinen Konzertkritiken leider nicht immer erkennbare Dramaturgie, die in dem nicht nur schön, sondern auch treffend formulierten Fazit gipfelt:

„Hier aber darf sich noch zeigen, dass im Herzen des Spektakels eigentlich ein Wunder wohnt, das Musik heißt, das diese Herren immer wieder vollbracht haben – eine Erhabenheit, dem Allzumenschlichen abgerungen und dadurch darüber hinaus gewachsen, vor der bei Konzerten nicht nur der Fan staunend stehen kann.“

Schade, dass Herr Schütz damit nicht zu schließen vermag, dass er seine bemühte Fußball-Metapher vom Beginn wieder aufgreifen muss. Weil man das in einem geschliffenen Deutsch-Aufsatz einfach so macht? Oder, weil man es doch nicht fertig bringt, einen Artikel über Depeche Mode rundum positiv enden zu lassen? Sei es wies sei, der Primat des Sprachlichen über den Inhalt wird hier jedenfalls erneut sehr deutlich. So gesehen dann wieder auch ein absolut konsequentes Ende.
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Re: Depeche Mode - cult in black

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Schwer zu sagen :D , muss ihm mal ne persönliche e-mail schreiben, schließlich haben wir die Klingen schon öfters gekreuzt.

Mich stört vor allem, dass er verliebt in seine (imo oft bemühte) Metaphorik gar nicht mehr das Wesentliche eines Konzerts erkennt, bzw. auf teufel komm raus irgendetwas Kritisches finden muss. Wie gesagt, da gibt es immer was und das Stagedesign ist für einen Stadionauftritt schon etwas spartanisch. Aber er sitzt auf der Pressetribühne auch meinelnweit weg und jeder weiß ja, dass man im Stadium meist nur die STimmung der unmittelbar um einen herum stehenden Fans beurteilen kann. Das Album hatte er übrigens gelobt gehabt, was mich scon etwas gewundert hatte.

http://www.augsburger-allgemeine.de/kul ... 06121.html
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Re: Depeche Mode - cult in black

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Ja, die Rezension von Spirit ist ihm gelungen, gefällt mir.

Mal was anderes, zur Setlist der Global Spirit Tour: Glaubst Du, dass sie bei der Hallentour die gleichen Songs spielen werden? Bin sehr gespannt, Frankfurt ist ja meines Wissens nach das erste Konzert.

Schade, dass von der "Delta Machine" kein Song dabei ist. Ist vielleicht noch zu "frisch".
#Marburg2025

Früher war mehr Atombombe

Re: Depeche Mode - cult in black

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Also ich bin mir sehr sicher, dass es Setlist-Änderungen geben wird, war immer so. Allerdings gibt es sogenannte "Unverzichtbare" wie.: ETS, PJ, World in my Eyes (Violator), Walking in my Shoes, I feel you (das ich nicht mehr bräuchte) von SOFAD, Never let me Down von MFTM. Sie haben so viele Hits und Fanlieblinge, dass immer was fehlen wird. Hätte mal gerne People are People, aber das mögen sie nicht mehr.

Das mit Delta Machine ist schade, aber hat Tradition. 2013 gab es keinen Song von SOTU live, diesmal gleich zwei (Wrong und Corrupt). Should be Higher war auf der letzten Tour ein Highlight, der kommt wieder.
Von Spirit bleiben garantiert "Backwards", "Revolution" und "Cover me". "So much love" ging auch sehr gut ab. Hoffe nun auf "Scum".

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