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von GoldenProjectile
'Q Branch' - MODERATOR
Exodus (2014, Ridley Scott)
Nur wenige Tage vor Silvester, wenn man denkt, dass sich das Kinojahr bereits dem Ende zugeneigt hat, kommt auf einmal Ridley Scott, der Schöpfer der berühmten Alien-Filmreihe um die Ecke, um dem Genre des Bibelfilms in einem grossangelegten, alttestamentarischen Blockbuster eine Auferstehung zu gönnen. Der Bibelfilm: eine Sparte des historischen Monumentalfilms, welche ihre Glanzzeiten in den 1950ern und 1960ern hatte. Da heisst es halt, noch einmal die 3D-Brille aufzusetzen und sich für die Dauer von zweieinhalb Stunden Scotts visueller Adaption des zweiten Buch Mose hinzugeben.
Irgendwie will es zu Beginn gar nicht zünden, was der Künstler hinter Alien, Blade Runner und Hannibal da aus dem Alten Testament heraus auf die Leinwand gezaubert hat. Flach gezeichnete Charaktere und eine verhältnismässig uninspirierte Aufrollung der Handlung auf der einen Seite, auf der anderen kommen noch merkwürdig unpassende, da nicht wirklich "antik" anmutende Banalitäten in den Dialogen und im Spiel der Darsteller dazu, was Exodus stellenweise eine unfreiwillig komische Note verpasst, die sich mit dem würdevollen, epochalen Anstrich des Films beisst. Diese manifestiert sich in erster Linie in der detailverliebten Ausstattung, den Kostümen, Setbauten und dem sinnvollen Einsatz digitaler Tricktechnik. Tatsächlich ist es oftmals schier unglaublich, wie Scott Schlachtfelder, Baustellen, Tempelanlagen und andere Szenarien in nahezu unermesslicher Grösse und Weite zeigt. Aber was hilft der Bilderrausch, wenn die altbekannte Bibelgeschichte monoton runtergeleiert wird und die Damen und Herren am ägyptischen Königshof ungewollte Kaspereien liefern? Joel Edgerton, grotesk geschminkt als Pharao, erscheint in der ersten Hälfte (und glücklicherweise nicht mehr in der zweiten) mehr wie eine Witzfigur, die nicht wirklich weiss, was sie will. Bale ist nicht schlecht als Moses, auch wenn ich mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern kann dass dieser in der Bibel als schwertschwingender Kriegsheld und Befehle brüllender Guerilla-Kommandant dargestellt wurde, wie Scott es teilweise tut. Am besten ist Bale immer dann, wenn er den zweifelnden, rebellischen Propheten geben darf. Alle anderen Figuren des Films können getrost als schmuckes Beiwerk abgehakt werden. Moses' Bruder Aaron wird von Scott auf den allerletzten Platz verbannt und hat rein gar nichts zu melden, Sigourney Weaver hat eine von zwei oder drei kurz auftretenden, redundanten Frauenrollen und der Auftritt von Ben Kingsley erscheint im historischen Genre mittlerweile wie eine obligatorische Pflicht.
Aber ich kann und will den Film auch nicht einfach schlechtreden, Exodus ist in erster Linie spektakuläres und imposantes Kino und steckt voller visueller Einfälle, atemberaubender Bilder und beeindruckender Spezialeffekte, hauptsächlich in der filmischen Umsetzung der zehn ägyptischen Plagen und der Teilung des Roten Meeres. Scott brennt mehr und mehr ein wahres Feuerwerk monumentalen Kinos ab, und siehe da, in der zweiten Hälfte erhalten die beiden Hauptrollen und ihre auf ungewohnte Weise konfliktbelastete Beziehung plötzlich viel mehr Tiefe und verknüpft sich die Erzählweise auf einmal um einiges eleganter und stimmiger mit den ausladenden Effektszenen. Nach und nach verlieren sich die anfänglichen Makel des Bibelepos in der wachsenden Qualität. Operation geglückt, Patient lebt.
Fazit: Exodus ist ein ambitionierter, spektakulärer Bibelfilm, der seinen Ansprüchen nicht immer ganz gerecht wird. Zu flach sind die Charaktere anfangs noch, zu uninspiriert und platt scheint sich die Geschichte aufzurollen. Doch wenn Scott sämtliche visuellen Register zieht und sich auf die Fahrbahn einer adäquaten und oftmals beeindruckend umgesetzten Adaption der Mosesgeschichte manövriert, sollte kein Auge trocken bleiben. Spätestens ab der zweiten Hälfte bietet Exodus eine stimmige und visuell spektakuläre Version des Alten Testaments. Noch einmal gut gegangen, Ridley.
Wertung: 7 / 10
We'll always have Marburg
Let the sheep out, kid.