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Re: Filmbesprechung: "Quantum of Solace (QOS)"

Verfasst: 27. September 2015 12:16
von Amadeus
Stimmt, es ist an der Stelle sehr wichtig, dass auf Vesper kein Verdacht fällt. Macht Sinn das Le Chiffre blufft.


Das Bond Mathis im Müllcontainer entsorgt, war für mich dagegen schon immer klar. Er gibt dem Tatort den Anschein eines Raubüberfalls. Täter stehlen Geld aus der Börse und verstecken Leiche im Müll. Dabei werden sie von den Polizisten erfolglos gestellt. Wäre für Bond keine lustige Angelegenheit in Bolivien wegen Polizistenmord verfolgt zu werden,
Es passt aber auch wieder zu Bonds momentaner Gefühlslage niemandem gänzlich verzeihen zu wollen, bzw. "ungeschoren" davonkommen zu lassen - das schafft er erst in Kazan.
Sonst schwebt auch wieder der Dialog mit Camile 'Do you treat your friends like this' in einer Leere. Bond hätte ihr ganz einfach mitteilen können, das es darum geht, die Szenerie nach einem Raubüberfall aussehen zu lassen (der Film spart an anderer Stelle auch nicht mit platten Erklärungen). Aber es geht vielmehr um Bonds geteilten Gefühlen zu Mathis.

Ich sehe keine anderen Erklärungen für die Szene. Mathis bittet Bond einfach um Vergebung dem Polizeichef vertraut zu haben passt nicht in die gefühlbeladene Schwere die hinter diesem gegenseitigen Vergeben liegt. Das man dann absichtlich den Spotlight auf die Müllentsorgung legt auch nicht, wenn dahinter nicht wieder Bonds Rache-für-Vesper-Komplex liegt.
Dann ist es aber wieder merkwürdig, warum Bond den sterbenen Mathis plötzlich durchschaut. Man hat zumindest den Anschein, dass er ihn zuvor für unschuldig hält.

Jedenfalls hat die Szene definitiv eine Bedeutung, der sich die Darsteller und Forster bewusst waren und es wird sich nicht rein zufällig, ohne jegliche Absicht über Decknamen, Vergebung, Vesper und Freunde und deren Berhandlung in diesem Zusammenhang unterhalten.
Gäbe es einen offensichtlichen Indikator, dass Mathis eben doch irgendwie mit verstrickt gewesen ist und Bond dies in der Szene durchschaut, passt der Text, Subtext und das Geschehen so wie es ist zusammen und erklärt Mathis Motivation Bond überhaupt erst zu helfen dazu.
Könnte einer der Opfer des unfertigen Scripts gewesen sein. Die Grundideen von QOS entstanden mit CR. Mathis doppeltes Spiel hätte schon immer ein Teil davon sein können, der aber im Endeffekt einfach nicht gut genug durchdacht und hineingeschrieben worden ist.

Re: Filmbesprechung: "Quantum of Solace (QOS)"

Verfasst: 27. September 2015 12:39
von Casino Hille
Bond beerdigt Mathis, der Müllcontainer steht symbolisch für einen Sarg. Es ist Bonds Art, Mathis einen Hauch von Würde zu verleihen, weil er ihn nicht, wie die Cops tot auf der kalte Straße liegen lässt, sondern ihn provisorisch bettet. Inhaltlich zusätzlich durch den Raubüberfall begründet. Und das ganze mit dem doppelten Spiel kaue ich nicht noch mal durch, es ist wirklich total offensichtlich und QOS ist an der Stelle verständlicher als in vielen anderen Szenen.

Re: Filmbesprechung: "Quantum of Solace (QOS)"

Verfasst: 27. September 2015 12:51
von Maibaum
Casino Hille hat geschrieben:Bond beerdigt Mathis, der Müllcontainer steht symbolisch für einen Sarg. Es ist Bonds Art, Mathis einen Hauch von Würde zu verleihen, weil er ihn nicht, wie die Cops tot auf der kalte Straße liegen lässt, sondern ihn provisorisch bettet.
Das finde ich zu sehr konstruiert. Müll steht niemals für Würde.

Ich sehe hier eher die Aufspaltung Bonds zwischen Emotion und Pragmatismus. Die Gefühle die Bond bei dem Sterbenden zeigt sind das erste Aufbrechen seines emotionalen Panzers, dagegen behandelt er den Körper des Toten wie ein Ding, denn das ist nicht mehr Mathis, das war Mathis. Und Bond ist ja noch nicht "geheilt", und das pietätlose Entsorgen des Toten macht klar das er immer noch innerlich kocht, das er sich von diesem Moment der Emotion unbewußt distanziert.

Handlungstechnisch dagegen sind mir die Erklärungen für das Entsorgen zu dünn. Denn auch wenn er Mathis einfach liegen gelassen hätte, oder seinen Körper mitgenommen und woanders würdig beerdigt hätte, wäre die Handlung genau so weitergelaufen wie sie läuft. Dafür ist QoS zu konzentriert, um Erzählzeit mit überflüssigem zu verschwenden, noch dazu wenn das nur zu Verwirrung führt.

Re: Filmbesprechung: "Quantum of Solace (QOS)"

Verfasst: 27. September 2015 13:00
von Maibaum
Amadeus hat geschrieben: (der Film spart an anderer Stelle auch nicht mit platten Erklärungen).
Kann mich an keine erinnern

Könnte einer der Opfer des unfertigen Scripts gewesen sein. Die Grundideen von QOS entstanden mit CR. Mathis doppeltes Spiel hätte schon immer ein Teil davon sein können, der aber im Endeffekt einfach nicht gut genug durchdacht und hineingeschrieben worden ist.
Solche Böcke erlaubt sich auch kein unfertiges Skript. Zumal es so unfertig nicht war.

Re: Filmbesprechung: "Quantum of Solace (QOS)"

Verfasst: 27. September 2015 13:01
von SirHillary
Die Diskussion haben wir vor längerer Zeit schon einmal geführt.
Ich bin ganz bei Hille.

Re: Filmbesprechung: "Quantum of Solace (QOS)"

Verfasst: 27. September 2015 14:12
von Amadeus
Maibaum hat geschrieben:
Amadeus hat geschrieben: (der Film spart an anderer Stelle auch nicht mit platten Erklärungen).
Kann mich an keine erinnern
Eben jene, welche noch stark in Verbindung zur Grundidee stehen. Wenn der Erklärbär-Minister M banal über das 1x1 der Staatsführung aufklärt, oder Greene Medrano über das Dilemma von Ausbeutung und Korruption durch die amoralischen Interessen des Kapitalmarktes, geschieht dies nur, um den einfältigen Zuschauer Informationen zu übermitteln. Das nenne ich schlechten Text. Camile und Greenes Szenen sind da auch nicht besser.
Wie gesagt, QOS profitiert vom unfertigen Script, denn gerade die von Purvis/Wade (vermutlich u. offensichtlich) unbeschriebenen Seiten werden mit einfachen Texten gefüllt, die nicht in den Mund gelegt wurden. Präzise einfach, statt banal erläuternd.
Gerade M und Bond brillieren in ihren gemeinsamen Szenen damit. Im Gegensatz zu Greene's sind sie sehr reich an tatsächlicher Vorgeschichte und Bezügen.

Re: Filmbesprechung: "Quantum of Solace (QOS)"

Verfasst: 27. September 2015 14:32
von Maibaum
Ich finde alle Dialoge mit Greene und alle seine Szenen ganz großartig. In jeder Hinsicht.

Das ein paar Szenen dazu da sind via Dialog Informationen zu vermitteln ist klar, stört mich hier aber nicht, sondern, ganz im Gegenteil, erfüllt seinen Zweck. Es geht auch nicht darum dem einfältigen Zuschauern etwas zu vermitteln, denn ohne diese paar wenigen Dialoge wüste es auch der schlau nicht.

Wieauchimmer, banal sind die jedenfalls nicht.

Und was das unfertige Drehbuch angeht. weiß ja niemand etwas genaues. Da QoS auch so schon ein Meisterwerk ist, kann es sich da meiner Meinung nach nur um Feinheiten gehandelt haben.
Laut Forster hätte er gerne am letzten Drittel noch etwas gearbeitet, also gerne noch etwa mehr Zeit gehabt. Ob es dann etwas geändert hätte bleibt Spekulation.
Letztendlich gibt es genügend exzellente Filme die auch mit einem unfertigen Drehbuch entstanden sind.

Re: Filmbesprechung: "Quantum of Solace (QOS)"

Verfasst: 27. September 2015 14:51
von Amadeus
Maibaum hat geschrieben: Und was das unfertige Drehbuch angeht. weiß ja niemand etwas genaues.
Laut Forster und Craig gab es bei Drehbeginn nur eine Grundstruktur (mit meiner Vermutung nach eben zumindest oben genannten Texten - passt zu P/W). Wärend der Dreharbeiten hat Vorort der 4.Autor gesessen und Szenen mit dem gefüllt, was Darsteller und Forster sich improvisatorisch erdachten.
Das fällt mir negativ bei Greene auf. Ich habe einfach keinerlei Bild von dieser Person. Da wurde sich etwas zusammengereimt, das nichts Wirkliches ergibt.
Und jetzt kommt mir nicht damit, das ist genauso beabsichtigt. :wink:
Greene hat einfach keine Geschichte, wie Camile sie hat. Diese muss ja auch nicht präsentiert werden, nur sollte der Darsteller eine Grundlage haben. Als Kind eine Klavierschülerin erschlagen zu haben, ist nicht gerade mehrdimensional - dahinter steckt nicht viel Psychologie. Ich meine eben zu ersehen, das Amalric sich nicht wirklich im klaren war, wer Greene ist, außer irgendwie crazy.
Deshalb ist auch so ein Text wie "(...) That's unattractive" unwillkürlich komisch.

Re: Filmbesprechung: "Quantum of Solace (QOS)"

Verfasst: 27. September 2015 14:59
von Casino Hille
Amadeus hat geschrieben:Das fällt mir negativ bei Greene auf. Ich habe einfach keinerlei Bild von dieser Person. Da wurde sich etwas zusammengereimt, das nichts Wirkliches ergibt.
Das ist genauso beabsichtigt.

Re: Filmbesprechung: "Quantum of Solace (QOS)"

Verfasst: 27. September 2015 15:06
von UNIVERSAL EXPORTS
Ich finde, dass Greene mehr "erklärt" wird und wir mehr über ihn erfahren als über die meisten Bösewichte. Was wissen wir über das Innenleben und die Vorgeschichte von Goldfinger, Largo, Blofeld, Stromberg? Und es funktioniert wunderbar so. Die einzigen, die mehr über sich preisgeben, sind Silva in GF und Francisco Scaramanga.

Re: Filmbesprechung: "Quantum of Solace (QOS)"

Verfasst: 27. September 2015 15:13
von Maibaum
Da Greene selber nicht wirklich wichtig als Person ist brauche ich da auch nicht mehr als das was ich von ihm auf der Leinwand sehe. Er wird über das charakterisiert was er tut, wie er sich verhält, auch wie er sich kleidet. Das sagt mir schon einiges über ihn. Nach mehr habe ich nie verlangt.

Die Klavierlehrergeschichte ist doch vor allem eine Drohung an Camille, ein Psycho Spielchen. Sie könnte genau so gut frei erfunden sein. Als Charakterisierung von Greene selber habe ich die nie ernst genommen. bzw sein Charakter wäre derselbe wenn er sie nicht erzählt hätte.

Camille dagegen bewegt sich im Herzen des Films, was man von den meisten Bond Girls nicht behaupten kann, Greene dagegen nur am Rand.

Und zu Drehbeginn war das Drehbuch schon fertig, nur hätte Forster vorher gerne noch an ein paar Sachen gefeilt. Ein so aufwändigen Film kann man nur schwerlich ohne ein weitgehend fertiges Drehbuch drehen.
Es gab glaube ich ein Drehbuch von Wade und Purvis, das dann von Haggis (und Forster) überarbeitet wurde, aber durch den Drehbuchstreik fiel Haggis weg bevor Forster komplett zufrieden war, so daß Forster mit einem 4. Mann, der dafür offiziell nicth genannt wird, und auch mit Craig noch weiter gearbeitet hat.
Vielleicht hat aber Haggis inoffiziell doch weiter dran gearbeitet, nur daß das aus gewerkschaftlichen Gründen keiner wissen darf, denn was hindert einen Autoren in seiner Freizeit dran zu schreiben was er Lust hat?

Re: Filmbesprechung: "Quantum of Solace (QOS)"

Verfasst: 27. September 2015 15:20
von Amadeus
Casino Hille hat geschrieben:
Amadeus hat geschrieben:Das fällt mir negativ bei Greene auf. Ich habe einfach keinerlei Bild von dieser Person. Da wurde sich etwas zusammengereimt, das nichts Wirkliches ergibt.
Das ist genauso beabsichtigt.
Sozusagen ein bloßes Symbol?
Eine leere Leinwand, die bloß dem Interesse des teuflischen Systems hinter Quantum dient. Eine Organisation voller, Farbloser Geschäftsmänner, natürlich psychisch labil, nein einfach irre, mehr aber auch nicht - sehr Wirklichkeitsgetreu. Das ist ja genial Hille!

Re: Filmbesprechung: "Quantum of Solace (QOS)"

Verfasst: 27. September 2015 15:39
von UNIVERSAL EXPORTS
Amadeus hat geschrieben:
Casino Hille hat geschrieben:
Amadeus hat geschrieben:Das fällt mir negativ bei Greene auf. Ich habe einfach keinerlei Bild von dieser Person. Da wurde sich etwas zusammengereimt, das nichts Wirkliches ergibt.
Das ist genauso beabsichtigt.
Sozusagen ein bloßes Symbol?
Eine leere Leinwand, die bloß dem Interesse des teuflischen Systems hinter Quantum dient. Eine Organisation voller, Farbloser Geschäftsmänner, natürlich psychisch labil, nein einfach irre, mehr aber auch nicht - sehr Wirklichkeitsgetreu. Das ist ja genial Hille!
Du willst eine wirklichkeitsgetreue James-Bond-Reihe?

Re: Filmbesprechung: "Quantum of Solace (QOS)"

Verfasst: 27. September 2015 15:49
von Amadeus
Maibaum hat geschrieben: Und zu Drehbeginn war das Drehbuch schon fertig, nur hätte Forster vorher gerne noch an ein paar Sachen gefeilt. Ein so aufwändigen Film kann man nur schwerlich ohne ein weitgehend fertiges Drehbuch drehen.
Es gab glaube ich ein Drehbuch von Wade und Purvis, das dann von Haggis (und Forster) überarbeitet wurde, aber durch den Drehbuchstreik fiel Haggis weg bevor Forster komplett zufrieden war, so daß Forster mit einem 4. Mann, der dafür offiziell nicth genannt wird, und auch mit Craig noch weiter gearbeitet hat.
Vielleicht hat aber Haggis inoffiziell doch weiter dran gearbeitet, nur daß das aus gewerkschaftlichen Gründen keiner wissen darf, denn was hindert einen Autoren in seiner Freizeit dran zu schreiben was er Lust hat?
Da findet man im Netz tatsächlich ein paar Widersprüchlichkeiten und einige interessante Zusatzinfos (Finale in den schweizer Alpen, Vespers Kind (anstelle des Freundes als Druckmittel?))
Ich finde das Interview mit Craig und Forster nicht, in dem Craig so etwas sagt wie "we had something you can barely call a script".
Seiten wie Wikipedia erzählen eine andere Geschichte, in denen Wilson und P/W das erste Script geschrieben haben, dieses verworfen wurde, Haggis von Beginn neugeschrieben hat und kurz vor dem Streik beendete. Klar kann auch Haggis weiterhin daran gearbeitet haben, auch wenn gerade er überhaupt nicht der Typ für solche Aktionen ist.
Ich wüsste aber auch nicht, warum Craig uns einen Bären aufbinden will? Ich bin mir ziemlich sicher, dass er es vor laufender Kamera sagt. Kann sich Jemand ebenfalls daran erinnern?

Siehe da, auf Wikipedia findet man soetwas auch in Abschrift:
According to a December 2011 interview with Craig, "We had the bare bones of a script and then there was a writers' strike and there was nothing we could do. We couldn't employ a writer to finish it. I say to myself, 'Never again', but who knows? There was me trying to rewrite scenes—and a writer I am not."[3] He said that he and Forster "were the ones allowed to do it. The rules were that you couldn't employ anyone as a writer, but the actor and director could work on scenes together. We were stuffed. We got away with it, but only just. It was never meant to be as much of a sequel as it was, but it ended up being a sequel, starting where the last one finished."

Re: Filmbesprechung: "Quantum of Solace (QOS)"

Verfasst: 27. September 2015 17:14
von Maibaum
Ja, aber da gibt es auch nüchtern gehaltene Aussagen die ganz anders klingen. Forster sagt z.B. auch daß, als er dazu stieß, der Titel und der Beginn direkt eine halbe Stunde nach dem Ende von CR bereits geplant waren. Das widerspricht Craigs Aussage, außer er meint ein nochh früheres Stadium des Films.

Wieauchimmer, QoS sieht zu keiner Sekunde nach einem Film aus der nicht gut durchgeplant war. Das muß nicht heißen das alles perfekt geworden ist, aber er wirkt niemals undurchdacht oder halbherzig. Wenn ich bei einem Bond Film ohne Vorwissen Drehbuchprobleme vermuten sollte, wäre QoS eher der Letzte für eine solche Annahme.

Und wenn QoS aus reinem Chaos entstanden wäre, dann wäre das auch cool.