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Re: Filmbesprechung: "Thunderball (TB)"

Verfasst: 12. November 2024 16:19
von Nico
"Feuerball" hat mir ja noch nie so recht gefallen. Irgendwie konnte ich dem Bond in Badehose, der ständig auf Tauchgang geht, nicht viel abgewinnen. Doch wie das Leben so spielt: Manches ist doch wirklich tagesformabhängig.

Spannend finde ich nach der Sichtung ds nun vierten Bonds in diesem Marathon, wie stilistisch und inhaltlich unterschiedlich doch alle Filme bisher waren. Gibt es doch viele Leute, die sagen "Ach, Bond. Ach, Connery. Ist doch immer das gleiche in neuer Aufmachung. Erst mit Craig war das mal wirklich was anderes und hat Tiefgang!!!1!11!"
Im Gegenteil: Wir hatten mit DN einen sehr aufs elementare reduzierten Jamaica-Urlaubsfilm, der dennoch eine gewisse Bedrohlichkeit mit sich brachte, wir hatten einen handfesten Kalter Krieg-Spionage-Thriller und einen Schweiz-Texas-Comedyfilm, in dem der Hauptfigur quasi nix gelingt. Was haben wir nun? Bombast! Wirklich alles an TB ist überbordend, ausgeschmückt, lager than life und daneben auch noch erfrischend heiter. Jaja, Atombomben bedrohen die Welt. So what? Connerys Bond wischt das lässig weg und widmet sich wieder dem Vergnügen. In Badehose und lockerem Hemd spaziert er durch den Film, dass es ein Genuss ist. Nix mit schickem Smoking - wozu auch, wenn man in 5 Minuten wieder tauchen geht? Der Film nimmt sich viel Zeit, manchmal zu viel Zeit, alles genau zu erzählen. Aber erstaunlicherweise störte ich mich diesmal kaum daran. So vergeht ca. eine Dreiviertelstunde, bis Bond überhaupt mal einen Auftrag bekommt, das ist aber gar nicht schlimm, denn die Szenen im Sanatorium machen durchweg Spaß. (Auch wenn sie stilistisch für mich immer nicht so ganz zum Rest des Films passen...) Auch die wirklich tollen Unterwasserszenen sind sehr ruhig und langsam inszeniert, kaum bekommt man vermittelt, dass Bond unter gehörigem Zeitdruck steht - nein, alles verläuft ganz entspannt. Insgesamt vermittelt der Film nicht das Gefühl, dass man sich für ein Bedrohungsszenario groß interessieren würde. Alles ist leicht und locker. So kann aber leider auch der Villain des Films, Emilio Largo, gespielt von Adolfo Celi, kaum mit seinen Vorgängern mithalten. Selten vermittelt er das Gefühl einer Überlegenheit oder großen Autorität. Gerade im Vergleich zu seinen Vorgängern kann der ganze Film dann auch nicht wirklich mit einem starken Cast aufwarten. Sicher, Luciana Paluzzi ist enorm stark und neben Connery das Highlight der Besetzung und auch Claudine Auger (fantastisch, wie sie am Ende ihren Peiniger selbst erlegt und Bond rettet), kann, wenn auch bedeutend weniger, Eindruck hinterlassen, aber sonst...? Weder Rik van Nutter als Leiter noch Martine Beswick oder einer der zig Handlager bleiben wirklich hängen. Unter der "Alles egal"-Attitüde leidet dann leider auch die Dramaturgie. Nie sind mir die gefühlt wahllos aneinander gehängten Szenen so sehr aufgefallen wie diesmal. Leiter taucht schon lange auf bevor Bond ihm (völlig bescheuert) in den Magen boxt, Bond wird "morgen" zum Brunch eingeladen, dann vergehen aber erstmal Tage, etc. etc. Man interessiert sich einfach nicht für Realismus, und das ist ok. Zum Problem wird die mangelnde Dramaturgie dann aber doch endgültig im Finale. Ja, die Tauchszenen sind toll gefilmt, keine Frage. Aber sie sind einfach viel zu lang und unübersichtlich und nicht einmal John Barry (der ansonsten wieder einmal enorm abliefert) scheint zu wissen, was er da eigentlich vertont. Nach einem Massenshowdown hört sich das ganze jedenfalls nicht an... Auch die Zweiteilung des Finales, Bond sitzt zwischendurch sich langweilend in einer Höhle herum, tut dem Film nicht gut...

Was bleibt also? TB ist ein farbenfroher, heiterer Bond mit tollen Einzelszenen (Junkanoo!), tollen Zitaten ("Sie belästigt sie nicht, sie ist nämlich tot"), tollen (aber zu langen Tauchszenen) und einem vergleichsweise schwachen Cast und deutlichen Problemen in der Dramaturgie. Hatte ich Spaß? Absolut! Mehr Spaß als meist bei TB. Und ist das alles, was zählt? Denke schon.

Re: Filmbesprechung: "Thunderball (TB)"

Verfasst: 12. November 2024 16:34
von danielcc
Ja meine Meinung zu TB hat sich über die Jahre stark geändert. Lange fand ich ihn zu lang, zu langsam, zu wenig "zwingend". Heute liebe ich ihn aber auch genau dafür. Es ist für mich DER "feel good Bond" - Connery at his best. Der ultimative Eskapismus.

Der Film hat aber auch eine der für mich absolut besten Szenen der Reihe, nämlich Fionas Abrechnung über Bonds Persönlichkeit. Solche Szenen definieren für mich Bond. Nicht Action, nicht Gadgets, nicht Stunts.

Re: Filmbesprechung: "Thunderball (TB)"

Verfasst: 12. November 2024 17:20
von Nico
Völlige Zustimmung! Genau diese Szene ist mir gestern auch erstmals so richtig aufgefallen. Allerdings weniger positiv denke ich. Fiona erzählt da so über Bond, ala würde sie ihn (oder die Filme - haha) seit Jahren kennen, es wirkt sehr meta.

Re: Filmbesprechung: "Thunderball (TB)"

Verfasst: 12. November 2024 17:25
von Casino Hille
Nico hat geschrieben: 12. November 2024 17:20 Fiona erzählt da so über Bond, ala würde sie ihn (oder die Filme - haha) seit Jahren kennen, es wirkt sehr meta.
Da Bond der Erzfeind von Spectre, pardon, von Phantom ist, finde ich ihre Ansage gar nicht so weit hergeholt. Letztlich ist exakt das, was sie da sagt (eine Frau wechselt aus Liebe zu 007 die Seiten) der Plot von FRWL und somit dürften Bonds Womanizer-Qualitäten den Leuten von Phantom bestens bekannt sein.

Re: Filmbesprechung: "Thunderball (TB)"

Verfasst: 12. November 2024 21:27
von Agent 1770
Man könnte auch einfach sagen, sein Ruf ist ihm vorausgeeilt. Sehe da auch keinerlei Probleme.

Re: Filmbesprechung: "Thunderball (TB)"

Verfasst: 12. November 2024 22:07
von Revoked
Eigentlich ist das noch lustiger, wie sie das versucht haben in NSNA nochmal zu toppen. „Die Nacht meines Lebens hatte ich mit….“ 😅
Da ist Bond mal die Fic*puppe, die man (Frau) als Trophäe abschleppt. Und dazu noch eine ziemlich alte.

God, I miss the old days.

Re: Filmbesprechung: "Thunderball (TB)"

Verfasst: 13. November 2024 12:02
von Nico
Revoked hat geschrieben: 12. November 2024 22:07 Eigentlich ist das noch lustiger, wie sie das versucht haben in NSNA nochmal zu toppen. „Die Nacht meines Lebens hatte ich mit….“ 😅
Da ist Bond mal die Fic*puppe, die man (Frau) als Trophäe abschleppt. Und dazu noch eine ziemlich alte.

God, I miss the old days.
Nein, das glaube ich nicht. In den alten Filmen werden ALLE Frauen nur ausgenutzt und vergewaltigt, erst mit Craig wurde das alles vieeeel besser! ;)

Re: Filmbesprechung: "Thunderball (TB)"

Verfasst: 27. November 2024 14:47
von Casino Hille
Nico hat geschrieben: 12. November 2024 16:19 Bombast! Wirklich alles an TB ist überbordend, ausgeschmückt, lager than life und daneben auch noch erfrischend heiter. Jaja, Atombomben bedrohen die Welt. So what? Connerys Bond wischt das lässig weg und widmet sich wieder dem Vergnügen. In Badehose und lockerem Hemd spaziert er durch den Film, dass es ein Genuss ist. Nix mit schickem Smoking - wozu auch, wenn man in 5 Minuten wieder tauchen geht? Der Film nimmt sich viel Zeit, manchmal zu viel Zeit, alles genau zu erzählen. Aber erstaunlicherweise störte ich mich diesmal kaum daran. So vergeht ca. eine Dreiviertelstunde, bis Bond überhaupt mal einen Auftrag bekommt, das ist aber gar nicht schlimm, denn die Szenen im Sanatorium machen durchweg Spaß. (Auch wenn sie stilistisch für mich immer nicht so ganz zum Rest des Films passen...) Auch die wirklich tollen Unterwasserszenen sind sehr ruhig und langsam inszeniert, kaum bekommt man vermittelt, dass Bond unter gehörigem Zeitdruck steht - nein, alles verläuft ganz entspannt.
Hmmm ... ja und nein! :)

Verglichen mit Goldfinger, der sich tatsächlich für eigentlich alles sehr viel Zeit lässt, ist Thunderball für mich der aggressivere Film. Ja, es vergeht eine Dreiviertelstunde, bis Bond seinen Auftrag erhält, aber bis dahin werden schon mehrere Mordanschläge auf ihn verübt, er steckt bereits knietief in Ermittlungen, und es gab einige brutale Morde zu sehen sowie die übliche Dosis Sex. Youngs Regie ist in TB so ausgefeilt wie nie zuvor oder danach in seiner Karriere. Da ist alles auf den Punkt, es gibt eigentlich nirgendwo ein Gramm zu viel an den Szenen.

Die Sache mit dem Zeitdruck und der Bedrohung - ja, einerseits wirkt das aus heutiger Sicht absolut gemächlicher und gemütlicher, als Filme es heute inszenieren würden. Man muss sich allerdings auch in das Jahr 1965 versetzen, drei Jahre nach der Kubakrise, als in der Hochphase des Kalten Krieges die Angst vor einem Atomerstschlag durchaus präsent war. Für das damalige Publikum werden gerade die langen Unterwasserszenen, die minutiös zeigen, wie SPECTRE die Bomben entführt und abtransportiert, ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Da Bond aber launiger Eskapismus sein soll, darf diese Bedrohung zwar Nervenkitzel erzeugen (da der Einsatz hoch ist), aber nie zu präsent im Kopf der Zuschauer sein. Thunderball macht das für meine Begriffe so, wie ich das bei Bond erwarte, formuliert sein Szenario aber klar und deutlich - etwas, was in einigen späteren Filmen sehr viel schwammiger ausfallen sollte.
Nico hat geschrieben: 12. November 2024 16:19 Claudine Auger (fantastisch, wie sie am Ende ihren Peiniger selbst erlegt und Bond rettet)
Domino ist eine der besten weiblichen Hauptrollen bei Bond, und hat eine eigene, sehr schöne Entwicklung im Film (in der Connery-Ära nur getoppt durch Tatjana Romanova). Das ist auch schon bei Fleming eine der geglückteren Frauenfiguren und im Film funktioniert sie nochmal besser. Sie ist den ganzen Film über eigentlich ein Opfer. Sie darf ihr Leben nicht selbst bestimmen, sich selbst nicht ausleben oder frei entfalten. Ihr Leben wird durch ihren Vormund kontrolliert, sie hat immer einen Aufpasser dabei. Man kann davon ausgehen, dass Largo sie auch in irgendeiner Form missbraucht. Bond befreit sie dann (vor allem sexuell) und gibt ihr die Stärke und das Selbstbewusstsein, sich von dem Mann, der ihr Leben kontrolliert (Largo), zu emanzipieren. Und ja, am Ende tötet sie ihn und entledigt sie ihres Abusers selbst, rächt damit ihren Bruder und rettet Bond das Leben. Alles auf einmal! Noch cooler geht's nicht.
Nico hat geschrieben: 12. November 2024 16:19 Zum Problem wird die mangelnde Dramaturgie dann aber doch endgültig im Finale. Ja, die Tauchszenen sind toll gefilmt, keine Frage. Aber sie sind einfach viel zu lang und unübersichtlich und nicht einmal John Barry (der ansonsten wieder einmal enorm abliefert) scheint zu wissen, was er da eigentlich vertont. Nach einem Massenshowdown hört sich das ganze jedenfalls nicht an...
Ich liebe Thunderball und ich liebe den Thunderball-Showdown, ich verstehe aber sofort, wenn man vor allem das lange Unterwasser-Finale langweilig findet. Unterwasserszenen sind grundsätzlich nicht jedermanns Sache, zumal Bewegungen im blauen Nass auch per se immer etwas verlangsamt ausschauen. Aber ich finde es grandios: Was für Aufnahmen! Und genau wie bei den Zigeunern in FRWL macht Bond wieder einen Rundgang ums Schlachtfeld, weil er viel zu cool ist, um richtig mitzukämpfen. Bond darf nicht als einzelner Soldat im Getümmel untergehen, Young hat es verstanden! Er muss auf "seine Weise" teilnehmen. Also schwimmt er so durch die Gegend, schneidet dort mal einen Sauerstoffschlauch durch, zieht hier mal wem die Taucherbrille vom Gesicht etc.

Für mich ist das ein riesiges Spektakel. 40 Taucher oder so, die mit Harpunen aufeinander schießen, dazwischen Haie, ein Bootswrack, Explosionen, Mini-U-Boote ... Einige Aufnahmen könnten fast romantischen Gemälden entlehnt sein. Einfach toll und dann in der Reihe auch irgendwie einzigartig (wenngleich man in Moonraker versucht hat, sowas in die Richtung im All zu wiederholen).

Ich finde: So viel (aggressiven) Stil und (raubtierhafte) Coolness wie in FRWL und TB haben die Bond-Filme eigentlich danach nie wieder gehabt. Young war da schon extrem prägend. Connery war als Bond nie besser als in TB, er wandelt mit einer Aura der Unantastbarkeit durchs Getümmel, wie Superman, an dem Kugeln und sonstige Geschütze einfach abprallen. Selbst nach seinem Beinahe-Unglück auf der Streckband braucht er nur wenige Sekunden, um wieder Herr der Lage zu sein und sich im Dampfbad mit einer schönen Blondine zu "erholen".
Nico hat geschrieben: 12. November 2024 16:19 So kann aber leider auch der Villain des Films, Emilio Largo, gespielt von Adolfo Celi, kaum mit seinen Vorgängern mithalten.
Das kann ich nicht mitgehen! Celi mag als Schauspieler nicht so herausragend sein wie Robert Shaw und seine Figur ist sicher nicht ganz so exzellent geschrieben wie Auric Goldfinger (allerdings ist der Vergleich unfair, denn Goldfinger baut ganz zentral auf das Kräftemessen von Bond und Goldfinger auf, während Thunderball dem Schurken weniger Gewicht verleiht). Aber ich finde, Young charakterisiert ihn formidabel und er wäre immer noch einer der Top-Antagonisten der Reihe für mich. Okay, die Augenklappe hat was von einem Piraten ...

Aber ansonsten finde ich ihn stark. Sehr hübsch und effektiv ist seine Einführung beim SPECTRE-Meeting, als er als Einziger überhaupt nicht angefasst davon scheint, wie Nummer 9 in seinem elektrischen Stuhl gegrillt wird. Er nimmt es kurz zur Notiz, ist dann aber gleich wieder mit seiner anstehenden Rede beschäftigt. Er ist ein knorriger Mafiosi, der vor allem durch seine figürliche Beziehung zu Domino auf mich auch ein wenig widerlich wirkt. Mit Bond kann er in Punkto Schlagfertigkeit nicht mithalten, er ist als Mann deutlich grober und würdeloser, und das drückt sich in kleinen hübschen Szenen aus, wie etwa, als Bond ihm im Casino lachend ein paar Phantom-Sprüche ins Gesicht wirft (was der arme Celi kaum mit Fassung trägt) oder als Bond ihn arrogant grinsend beim Tontaubenschießen nass macht, woraufhin Largo sogar kurz sprachlos ist.

Für Thunderball funktioniert das gut, finde ich.
Nico hat geschrieben: 12. November 2024 16:19 TB ist ein farbenfroher, heiterer Bond mit tollen Einzelszenen (Junkanoo!)
Der Junkanoo ist super, die Farbenvielfalt von TB ist ein Genuss - sehe ich genauso. Selbst im Vergleich zum lockeren Inselkrimi Dr. No atmet Thunderball für mich noch mal sehr viel mehr Strand- und Urlaubsatmosphäre. Er ist auch als erster Bond in 2.39:1 gefilmt und nutzt das zu seinem Vorteil aus.

Bei den tollen Einzelszenen muss man meines Erachtens noch die PTS besonders lobend hervorheben. Das ist für mich in vier Minuten alles, was an Bond großartig ist. Es beginnt selbstironisch mit dem JB-Sarg, dann folgt der tolle kleine Moment, der uns verraten soll, dass etwas mit der Witwe nicht stimmt (und allgemein gilt: in einem Spionagefilm ist eine Figur, deren Gesicht wir nicht klar erkennen, sofort verdächtig). Danach bekommen wir eine schöne opulente Location gezeigt (das Schloss!), Bond ist schon da, bringt einen heiteren Spruch und sofort entsteht ein schneller, zackiger Kampf, der einen harten Tempowechsel bringt. Dann der brutale Kill; Bond flieht, nutzt ein übertriebenes Gadget, dann gleich noch eines in seinem DB5, und Tom Jones singt. Besser geht das in der Verdichtung wirklich nicht.

Re: Filmbesprechung: "Thunderball (TB)"

Verfasst: 27. November 2024 15:21
von Henrik
Der Gag mit dem Sarg am Anfang ist schon ziemlich klasse. Da habe ich (nachdem ich einige Anläufe gebraucht habe, bis ich das überhaupt gerafft habe, ähnlich wie beim 007-Atombomben-Gag in GF) tatsächlich einen kurzen Schreck bekommen. Obwohl es natürlich ziemlich unwahrscheinlich ist, dass Bond schon sofort am Anfang des Filmes beerdigt wird, und ich den Film ja auch schon kannte.

Auch bei Bonds "Ermordung" in YOLT oder Bonds echtem Tod fühlt sich das für mich nicht so an.