photographer hat geschrieben: Belustigender Nachtrag zur Diskussion um Oliver Reed
Wäre der Londoner Filmstar statt George Lazenby 1968 wirklich Bond geworden, wäre die Wahrscheinlickeit, dass Diana Rigg und Telly Savalas in ihren Rollen in ON HER MAJESTY'S SECRET SERVICE betätigt worden, um einiges unwahrscheinlicher gewesen, da alle drei kurz vorher in Basil Deardens Verfilmung The Assassination Bureau (dt. Verleihtitel MÖRDER GMBH) zu sehen waren, der seine Weltpremiere am 10. März 1969 in London feierte.
Der Bond-Bezug der launigen Mörder GmbH wird durch die geballte TSWLM-Schurken-Troika bestehend aus Curd Jürgens, Vernon Dobtcheff und Milton Reid sogar noch verstärkt.
A propos, ich finde Cubbys Aussage bezüglich Oliver Reed als in Erwägung gezogener OHMSS-Hauptdarsteller…
photographer hat geschrieben:"With Reed we would have had a far greater problem to destroy his image and re-mold him as James Bond. We just didn't have the time or money to do that."
…zeugt eindeutig von dem Wunsch der Produzenten ihren Hauptdarsteller zu kontrollieren. Dass ein Freidenker und „Rüpel“, wie es Reed sein ganzes Leben mit höchstem Gusto war, nicht zu der Wunschvorstellung der Herren Broccoli und Saltzman gepasst hat liegt natürlich auf der Hand. Es ist daher auch verständlich, dass sie sich nach den zunehmend an Schärfe gewonnenen Auseinandersetzungen mit Sean Connery nicht das gleiche nocheinmal antun wollten bzw. ja sogar Gefahr laufen mussten, eine noch wesentlich weniger kontrollierbare Situation einzugehen.
Zum anderen zeigt das Broccoli-Zitat auch eindeutig, wie eng die Bond-Macher das Rollenkorsett Bonds mit dem Image ihres Hauptdarstellers verknüpften. Auch hier wollte man ganz offensichtlich das Risiko nicht eingehen, das Publikum könnte einem Darsteller mit privat konträrem Image die Rolle nicht abnehmen und war daher darauf erpicht weitgehend auf Nummer Sicher zu gehen. Da gerade Broccoli Zeit seiner Karriere immer sehr darauf bedacht war auf bewährte Erfolgsmuster zu setzen wundert es nicht, dass man die durch Terence Young vollzogene Transformation der rauen, ungehobelten Connery in den suaven, kultivierten James Bond auch bei der Neubesetzung genau so wieder haben wollte. Zudem liegt der Verdacht nahe, dass Broccoli einen Teil der „Schuld“ an Connerys „Aufmüpfigkeit“ und zunehmender Rollenmüdigkeit auch in des Schotten von Anfang an sehr breit aufgestellten Rollenwahl außerhalb der Serie begründet sah.
All diese Probleme schienen sich duch die Rollenbesetzung mit dem Newcomer Lazenby elegant umschiffen zu lassen. Die von photographer schon angeführte Ironie des Schicksals ist, dass der Schuß am Ende genau in die entgengesetzte Richtung losging. Statt eines kontrollierbaren Hauptdarstellers bekam man ziemlich genau das, was man hatte vermeiden wollen. Statt eines Schauspielers, der auch privat mit Rolle verschmolz hatte man einen zotteligen Bartträger, der mit Hippie-Idealen kokettierte und die Bondrolle öffentlich als antiquiert abstrafte. Und auch die Tatsache, dass man sich praktisch einen Klon des beliebten Vorgängers schuf konnte nicht verhindern, dass das Publikum Lazenby in der Rolle nicht akzeptierte. Man kann daher also durchaus schlussfolgern, dass die mangelnde Risikobereitschaft der EON-Macher bei der Neu-Besetzung der Bondrolle zumindest nicht der uneingeschränkt ideale Weg war.
Das bedeutet natürlich im Umkehrschluss nicht automatisch, dass eine diesem „Sicherheitsdenken“ widersprechende Rollenbesetzung, wie z.B. mit Reed, der bessere Weg gewesen wäre. Aber ich will dennoch einmal versuchen diese Möglichkeit durchzuspielen. Sehr interessant an Reeds Karriere ist, dass trotz seiner zahllosen Eskapaden und (häufig alkoholbedingten) Ausfälle er immer sehr beliebt beim Publikum war. Die Engländer liebten ihren „Ollie“, egal was er sich wieder einmal geleistet hatte nicht zuletzt da Reed immer bodenständig und damit „einer von ihnen“ blieb. Auch zeigt die enorme Rollenvielfalt von Reeds Karriere, dass er erstens problemlos seinem privaten „Hellraiser“-Image widersprechende Rollen glaubwürdige spielen konnte und zweitens es auch nie ein ernsthaftes Problem damit gab, dass ihm das Publikum diese nicht abnahm. Ich schlussfolgere daher, dass zumindest eine begründete Möglichkeit bestand, dass das Publikum ihm auch die Bondrolle abgenommen hätte – und zwar auch ohne, dass man sein privates Image hätte „zerstören“ müssen. Da er Ende der 60er Jahre bereits eine beachtliche Beliebt- und Bekanntheit erreicht hatte (ohne jedoch bereits ein echter „Star“ zu sein) ist es ebenfalls durchaus denkbar, dass sich dieser Status positiv auf die Rezeption des Films ausgewirkt hätte und das Publikum ihn daher auch eher als „den neuen Bond“ akzeptiert hätte als es beim völlig unbekannten Lazenby der Fall war, der (zumindest äusserlich) eher einer Kopie des „alten Bonds“ entsprach.
Der dieser Annahme zu grunde liegende Gedanke ist der, dass bei einer so engen Identifikation des Darstellers mit einer Rolle durch das Publikum (wie es in den 60er Jahren bei der Kombination Connery/Bond der Fall war) es durchaus einfacher und effektiver sein kann, wenn man sich bei einer Neubesetzung bewusst davon entfernt statt dass man versucht diese zu kopieren.Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass man bei der folgenden Rollenneubesetzung durch Roger Moore in LALD sehr auffallend diverse klassische, durch Connerys Interpretation geprägte Elemente im Film vermied (Moore trägt den ganzen Film über nie Smoking, man verzichtet auf das klassische Missionsbriefing in Ms Büro zu Gunsten einer Szene in Bonds Wohnung, auf Q und die obligatorische Gimmick-Szene wird gleich komplett verzichtet wie man auch eine Casinoszene vergebens sucht. Selbst wenn es um Bonds Dienstwaffe geht wird dieser neu ausgestattet: statt der gleich zu Beginn seiner Mission von Teehee höchst unsanft derangierten Walther PPK darf er den Showdown großkalibrig mit einer 44er Magnum bestreiten).
Der bereits angeführte The Assassination Bureau/Mörder GmbH zeigt wie ich finde auch sehr schön, wie hervorragend Reed eine sehr kultivierte Rolle verkörpern konnte und vor allem auch wie mühelos er mit einer hochkarätigen Besetzung interagieren konnte. Letztlich bleibt alles Spekulation und ich persönlich bezweifle auch, dass Reed ernsthaftes Interesse gehabt hätte an wiederkehrenden Auftritten als James Bond, da er dann eben doch viel zu sehr „Freigeist“ war, als dass er sich über Jahre das vergleichsweise enge Rollenkorsett des britischen Geheimagenten hätte überstülpen wollen. Dennoch bleibt es für mich eine reizvolle Vorstellung eben ausgerechnet Oliver Reed als Hauptdarsteller im „Ausnahme-Bond“ OHMSS zu sehen – auch wegen der verblüffenden Parallele zum Assassination Bureau.