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Re: Filmbesprechung: "For Your Eyes Only (FYEO)"

Verfasst: 2. Januar 2018 11:01
von Casino Hille
Aber das andere kann Bond ja gar nicht meinen, weil das im Kontext komplett unpassend wäre. Da sagt einem doch der gesunde Menschenverstand, was genau 007 nur meinen kann.

Re: Filmbesprechung: "For Your Eyes Only (FYEO)"

Verfasst: 2. Januar 2018 11:06
von Henrik
Das wirkt jetzt wohl ziemlich angeberisch. Wahrscheinlich bin ich einfach zu schlau und weiss, wovon die eigentliche Gefahr ausgeht (von den britischen Raketen, die die Feinde einsetzen könnten). Deshalb verstand ich Bonds "Alle Befehle könnten wiederufen werden" als Relativierung von dem, was ich mir selber gerade gedacht habe. Nach dem Motto "ist nicht so schlimm, dass die Russen auf Britische Raketen zugreifen können, die Briten können die Befehle ja sowieso wiederrufen!"

Re: Filmbesprechung: "For Your Eyes Only (FYEO)"

Verfasst: 2. Januar 2018 11:14
von Casino Hille
Okay, aber Moore zieht da doch gerade die Augenbrauen hoch (sein Zeichen für "Oh oh, mein lieber Scholli"), daher ist sein Satz für mich zumindest eindeutig negativ gemeint. Eine Relativierung wäre vom Film ja auch leicht sinnlos: "Oh oh, die Russen könnten das ATAC kriegen." - "Ja, aber das macht doch nichts." - "Hamse recht, James, pack ma zsam."

Re: Filmbesprechung: "For Your Eyes Only (FYEO)"

Verfasst: 2. Januar 2018 11:51
von Maibaum
An sich macht das ja auch nichts.
Wenn man weiß daß etwas in Feindeshand ist (oder sein könnte) muß man ja nur die Codes oder das System ändern, so daß den Russen die Maschine dann auch nichts mehr nützt. Gefährlich wäre es nur wenn die Russen etwas wissen ohne daß die NATO dies ahnt. Wie z.B. der Enigma Code der Deutschen in WW II.

Re: Filmbesprechung: "For Your Eyes Only (FYEO)"

Verfasst: 2. Januar 2018 12:29
von AnatolGogol
Maibaum hat geschrieben:An sich macht das ja auch nichts.
Wenn man weiß daß etwas in Feindeshand ist (oder sein könnte) muß man ja nur die Codes oder das System ändern, so daß den Russen die Maschine dann auch nichts mehr nützt. Gefährlich wäre es nur wenn die Russen etwas wissen ohne daß die NATO dies ahnt. Wie z.B. der Enigma Code der Deutschen in WW II.
Ein Austausch gegen ein anderes System ist bei einer Innovation aber nur bedingt (wenn überhaupt) möglich. Ein Austausch von Codes bringt im Falle des ATAC wohl auch nix, da die Hardware ja anscheinend analog zur Enigma die Codes erstellt, d.h. man müsste das komplette System (für alle sich im Umlauf befindlichen ATACs überarbeiten). Man kann zudem davon ausgehen, dass das ATAC schweineteuer war. Es unbrauchbar zu machen oder nicht mehr zu nutzen wäre also keine echte Option, da gleichbedeutend mit dem Verbrennen von zig Millionen (wenn nicht mehr). Hinzu käme, dass keine oder nur noch eine begrenzte Koordinierung der eigenen Atomwaffen möglich wäre.

Re: Filmbesprechung: "For Your Eyes Only (FYEO)"

Verfasst: 2. Januar 2018 12:41
von Maibaum
He he, wir wissen ja nicht wie es genau funktioniert, aber man würde ein System daß dermaßen wichtig ist ja dann auch nicht im Mittelmeer fernab eines hoch wirksamen Schutzes herumschwimmen lassen. Nee, die Weltrettungsprämisse, die ja hier nur per Dialog erfolgt, ist nicht sehr glaubhaft. Es hätte für die Handlung auch gereicht wenn es nur um die Sicherung der Technik des Gerätes geht, um einen kleinen Wissensvorsprung in der Technik zu schützen. Das hätte dann auch besser zu der Handlung und den involvierten Personen gepasst. (Zu denen dann wieder nicht die overthetop Action passt)

Aber sie so oft bei Bond, wen kümmerts ...

Re: Filmbesprechung: "For Your Eyes Only (FYEO)"

Verfasst: 2. Januar 2018 12:50
von AnatolGogol
Maibaum hat geschrieben:He he, wir wissen ja nicht wie es genau funktioniert, aber man würde ein System daß dermaßen wichtig ist ja dann auch nicht im Mittelmeer fernab eines hoch wirksamen Schutzes herumschwimmen lassen.
Die Frage ist eh, wozu ein Spionageschiff ein Atomwaffen-Koordinationsgerät benötigt. A-Waffen haben sie selber ja keine an Bord und es erscheint wenig glaubhaft, dass ausgerechnet die St. Georges Angriffsbefehle ausgibt.

Maibaum hat geschrieben:Es hätte für die Handlung auch gereicht wenn es nur um die Sicherung der Technik des Gerätes geht, um einen kleinen Wissensvorsprung in der Technik zu schützen. Das hätte dann auch besser zu der Handlung und den involvierten Personen gepasst. (Zu denen dann wieder nicht die overthetop Action passt)
Das kann man durchaus so sehen, allerdings ist der Film hier wie in vielen Dingen auch eben ein Kompromiss zwischen dem Over-the-Top-Stil der Vorgänger und dem etwas geerdeteren Ansatz von Wilson und Glen. Von daher nachvollziehbar, dass man den Jackpot schon recht hoch angesetzt hat und nicht lediglich als kleine Spionage-Fingerübung.

Re: Filmbesprechung: "For Your Eyes Only (FYEO)"

Verfasst: 2. Januar 2018 15:03
von Henrik
AnatolGogol hat geschrieben:
Maibaum hat geschrieben:He he, wir wissen ja nicht wie es genau funktioniert, aber man würde ein System daß dermaßen wichtig ist ja dann auch nicht im Mittelmeer fernab eines hoch wirksamen Schutzes herumschwimmen lassen.
Die Frage ist eh, wozu ein Spionageschiff ein Atomwaffen-Koordinationsgerät benötigt. A-Waffen haben sie selber ja keine an Bord und es erscheint wenig glaubhaft, dass ausgerechnet die St. Georges Angriffsbefehle ausgibt.
Hahah das ist wirklich ziemlich unsinnig. Wobei mir das noch nie so wirklich aufgefallen ist. Ist halt im Film Mittel zum Zweck, ich sehe darüber gerne hinweg, aber gut durchdacht ist das nicht.
Und da Atomwaffen ohnehin in erster Linie anschrecken sollen, ist es nochmals unsinnig, so ein Schiff da rumfahren zu haben, dass die Befehle ausgibt.

Re: Filmbesprechung: "For Your Eyes Only (FYEO)"

Verfasst: 3. März 2018 23:03
von Henrik
Zunächst mal: Ich respektiere die Entscheidung, M aufgrund von Lees Tod nicht zu besetzen.
Aber so ganz sinnvoll wurde das nicht umgesetzt. Zunächst sagt Moneypenny, M habe einen Tag Urlaub, aber nach Bonds Rückkehr aus Madrid wird M immer noch von Tanner vertreten. London - Madrid - London. Das kann sich doch unmöglich alles an einem Tag ereignet haben (wobei man aus dem Film tatsächlich nicht zweifelsfrei schließen kann, dass sich das nicht alles an einem Tag ereignet).

Re: Filmbesprechung: "For Your Eyes Only (FYEO)"

Verfasst: 3. März 2018 23:58
von Casino Hille
Wenn Tanner die Mission in Auftrag gegeben hat, ist es doch sinnvoll, dass er sie danach auch weiterhin betreut.

Re: Filmbesprechung: "For Your Eyes Only (FYEO)"

Verfasst: 5. März 2018 22:49
von Henrik
Ich wusste nicht so recht, was ich dazu schreiben sollte, deshalb antworte ich erst jetzt. Die Begründung macht Sinn, dann akzeptiere ich das mal.

Re: Filmbesprechung: "For Your Eyes Only (FYEO)"

Verfasst: 7. August 2018 23:13
von GoldenProjectile
For Your Eyes Only (1981, John Glen)

"Maybe I'm an open book because I know you're mine, but you won't need to read between the lines."
- Sheena Easton

Roger Moores fünfter Einsatz als James Bond wird gerne in Bezug auf die genaue Verwendung von Begriffen wie "realistisch" und "bodenständig" kontrovers diskutiert. Weitgehend unbestritten ist aber, dass FYEO die Bondreihe nach dem ausser Rand und Band geratenen MR wieder verstärkt auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hat und den Agenten ihrer Majestät ein vergleichsweise kleines und reelles Abenteuer erleben liess. Dass der Film trotz dieser gerade im direkten Vergleich mit den beiden Vorgängern relativ deutlichen Alleinstellungsmerkmale dennoch im Kern ein lupenreines Bond-Spektakel nach vertrauten Strukturen und Ingredienzen bietet, macht ihn umso sympathischer, zumal die Gratwanderung auf fast allen Gebieten sehr gut gelungen ist.

Zentraler Faktor für den partiellen Kurswechsel ist zweifelsohne Michael G. Wilsons kreative Mitarbeit als neuer Co-Autor. Wilsons Skript-Tätigkeiten lassen die gesamten 1980er-Jahre hindurch einen verstärkten Trend zu mehr Gravitas in der Handlungsentwicklung erkennen und FYEO bildet da keine Ausnahme. Der gesamte Kontext, in dem die Charaktere agieren, wirkt wesentlich greifbarer und die Art wie eine Szene zur nächsten führt ist nur schon auf dem Papier schlüssig und kohäsiv gelöst. Es sind eine ganze Menge kleinerer und grösserer Elemente, die das handfestere Szenario unterstützen. Angefangen bei der Geschichte, die absonderliche Weltbeherrschungsszenarien einem realeren Spionageauftrag vor dem Hintergrund des kalten Krieges weichen lässt, über den Verzicht auf Ken Adams üppige Setbauten, bis hin zu Bonds weitgehend alltäglicher und funktionaler Kleidung. Die ausschliesslich europäischen Locations in Cortina d'Ampezzo und auf Korfu werden zwar pittoresk eingefangen, aber deutlich weniger glanzvoll und strotzend in Szene gesetzt als etwa noch Ägypten und Brasilien in den beiden Vorgängern. All das und noch viel mehr trägt enorm dazu bei, dass sich FYEO erfrischend heimelig anfühlt, ohne dabei bieder zu sein.

Genau wie schon Peter R. Hunt vor ihm hat auch John Glen das Filmhandwerk als Editor und Second-Unit-Director der Bondfilme gelernt und durfte erstmals Regie führen. Glen wird von Fans gerne als der reizloseste aller Bondregisseure abgestempelt, was ich ein sehr hartes Urteil finde angesichts seiner durchgängig gelungenen Regie, gerade in FYEO. Die Inszenierung ist schwungvoll, grösstenteils aus einem Guss und bietet viele interessante kleine Einfälle, wie die wuchtige Totale im Zwielicht des an der Klippe hängenden Autos, die Enthüllung der schurkischen Übernahme von Melinas Schiff oder die Szene in der Bösewicht Locque Bond bei der Talstation abfangen möchte. Ungemein viel zur atmosphärischen Identität trägt auch die sehr natürliche und in den Abendszenen fast schon schummrige Lichtsetzung bei. Wenn Bond und die Gräfin sich auf dem Heimweg befinden, scheint es in manchen Einstellungen, als ob sich das Bild zu den Rändern hin ins Schwarze auflöst.

Nach LALD und TSWLM wird Stammkomponist John Barry ein drittes Mal abgelöst, dieses Mal durch Bill Conti. Ähnlich wie diejenige Glens hat es auch Contis Arbeit für die Bondreihe in der öffentlichen Wahrnehmung nicht immer leicht, aber sein Score ist gerade für einen Bondfilm erfrischend andersartig und unterstützt auf gelungene Weise das Flair des Films. Conti spielt mit folkloristisch-griechischen Klängen, treibenden Pop-Melodien, Frühachtziger-Discobeats und Synth-Drums, unterstützt passende Stellen aber auch mit der beinahe schon wehmütigen Melodie des von Sheena Easton gesungenen Titelliedes. Das ist alles mit Sicherheit nicht jedermanns Sache, hat aber eine wunderbar unverkennbare eigene Identität.

Trotz des vergleichsweise kleinen und handfesten Szenarios sind natürlich die Actionszenen weiterhin integrales Kernelement der Bondstruktur, und in FYEO bewegen sie sich auf unentwegt hohem Niveau. Die Autoverfolgung durch die spanischen Obstwälder - mit einem süssen Citroen 2CV anstelle des schnittigen Lotus Esprit - ist charmant, schmissig und gerade in Kombination mit Contis Musik trotz einiger deftiger Stunts eine prächtige Gute-Laune-Szene, die Tauchszenen zur St. Georges sind hingegen von nahezu gespenstischem Kolorit. Das Action-Highlight ist aber die abwechslungsreiche, da in mehrere kleine Teile gegliederte Ski- gegen Motorrad-Verfolgung im Wintersportgebiet Cortina d'Ampezzo und dessen olympischen Stätten. Auch hier bleibt FYEO stilistisch konsequent, indem er die Szene immer nahe an diesem belebten Skiort mit Flair der frühen Achtziger spielen lässt, elysisch bebilderte winterliche Traumlandschaften à la OHMSS, TSWLM oder später auch TWINE hätten da nicht gepasst. Erstaunlich ist der fast vollständige Verzicht auf wirkliche Action im Showdown der Handlung, Bonds Kletterei an der Klosterfelswand ist vielmehr eine Spannungs- als eine Actionszene und als solche auch stark strukturiert und in Szene gesetzt. Auch in diesem Punkt gilt, dass die Variation gut funktioniert und kontextuell passt, ohne dass der im Kern typische Bondcharakter des Films verleugnet wird.

Roger Moore fasst die Auslegung des Films sehr gut zusammen, auch er legt in erster Linie seine gewohnt entspannte und gewitzte Interpretation des Superagenten an den Tag, bereichert sie an den dafür vorgesehenen Stellen aber auch mit neuen Ecken und Kanten. Die schon in TSWLM erprobte ernsthaftere Thematisierung von Tod und Rache findet im regelmässigen Dialog mit Melina mehrfach Verwendung, der ungeschönte "Todestritt" Emil Locques ist einer der stärksten Momente. Moore zeigt unaufdringlich aber deutlich, dass er auch solche Szenen glaubwürdig ausspielen kann bietet in FYEO seine zusammen mit TSWLM beste Bonddarstellung. Carole Bouquet als Melina bleibt den ganzen Film über etwas zu kühl und distanziert, das passt zwar einerseits gut zur Rolle des abgestumpften Racheengels, ein bisschen mehr Ausdruck und Ausstrahlung hier und da hätte aber dennoch nicht geschadet. Trotzdem bleibt sie als drittes ernstzunehmendes Bondgirl in Folge in guter Erinnerung.

Ähnlich verhält es sich mit Julian Glovers Darstellung des Oberschurken Aristotle Kristatos. Selbstverständlich bleibt seine Rolle in diesem Sinne etwas blass und unscheinbar, was jedoch in erster Linie der Rolle und dem Gesamtkonzept geschuldet ist. Kristatos ist nun mal kein überlebensgrosser Schurke sondern ein kleiner und schmieriger Händler der Sowjets. Seine undurchsichtige und zwielichtige Art bleibt konsequent, die Tatsache dass er als vermeintlicher Verbündeter eingeführt wird stellt eine willkommene Abwechslung dar und passt soweit immerhin gut zur Rolle. Ein echter Höhepunkt hingegen ist Chaim Topol als Kristatos' Widersacher Columbo. Mit seinem rauen und jovialen Charme steht er in bester Tradition von Figuren wie Ali Kerim Bey und Marc-Ange Draco, seine Chemie mit Old Rog ist einfach nur herrlich anzuschauen.

Eklatante Schwachpunkte in FYEO sind eigentlich ausgerechnet nur die erste und letzte Szene. Die PTS dürfte glasklar eine der schwächsten in der gesamten Reihe sein und widerkäut das alte Blofeld-Thema gleichermassen unnötig wie uninspiriert. Höhe- oder Tiefpunkt ist dabei ein hilflos an der Helikopterkuve baumelnder Ernst, der Bond mit einer Delikatesse bestechen möchte. Die Schlussszene, die Margaret Thatcher samt Ehemann parodiert, erinnert an einen schlechten Late-Night-Satiresketch und mutet folglich mehr als merkwürdig für einen Bondfilm an. Hier hätte sich eine weitere Szene mit Columbo angeboten, der, ähnlich wie Tiger Tanaka in YOLT, zuvor etwas unehrenhaft und ohne richtigen Abschluss aus dem Film entlassen wird.

Von diesen Mängeln abgesehen ist FYEO ein wunderbar unterhaltender Bondfilm in seiner rustikalen und überschaubaren Ausprägung der gewohnten Bondformel. Die handgemachten Actionsequenzen, der etwas bodenständigere und schlüssig entwickelte Handlungsverlauf, die charakteristische Musik und Moores treffende Balance zwischen humorigem Womanizer und greifbarem Filmagenten tragen alle in nicht unerheblichem Masse dazu bei und machen aus dem zwölften Bondabenteuer einen packenden Film, der im grossen Kontext seiner Reihe oft zu Unrecht übersehen wird.

Wertung: 9 / 10

Re: Filmbesprechung: "For Your Eyes Only (FYEO)"

Verfasst: 8. August 2018 07:54
von AnatolGogol
Sehr schöne Kritik, die praktisch deckungsgleich ist mit meiner Wahrnehmung des Films.
GoldenProjectile hat geschrieben: Die PTS dürfte glasklar eine der schwächsten in der gesamten Reihe sein und widerkäut das alte Blofeld-Thema gleichermassen unnötig wie uninspiriert.
Hier bin ich dann doch noch anderer Meinung. Ich finde die PTS aus diversen Gründen gleichermaßen vergnüglich wie gelungen und bin der felsenfesten Überzeugung, dass man den Start in den zwölften EON-Bondfilm nicht besser hätte bewerkstelligen können.

Der Seitenhieb gegen die angehenden NSNA-Macher sitzt wie ich finde punktgenau, weil er einerseits den mit der Materie vertrauten Fans einen höchst amüsanten Querverweis bietet, ohne dabei in aufdringlichen Fanservice auszuarten (wie man ihn gerade in vielen Bondfilmen der letzten 2 Jahrzehnte findet), andererseits aber subtil genug ist, so dass dies Otto-Normal-Schauer gar nicht erst auffällt oder den Spass an der Szene vermiest.

Die Action finde ich ausgezeichnet, die akrobatischen Klettereien an der Heli-Kufe, die waghalsigen Flugmanöver und nicht zuletzt der atemberaubende Flug durch die beengte Lagerhalle bewegen sich allesamt auf dem höchsten diesbezüglichen Serien-Niveau.

Die Idee, eines der Kernthemen des Films – nämlich Rache – bereits in der PTS zu implementieren und zwar auf wiederum sehr subtile Weise und ohne filmischen Wegweiser für Dummies ist dramaturgisch toll, auch da es dem später mehrfach wiederkehrenden Thema deutlich mehr Gewicht verleiht. Die ganz im Stile des direkten Vorgängers gehaltene humoristische Auflösung der PTS nimmt der Szene zwar etwas Gewicht (welches bei einer ernsthafteren Version dieser Sequenz wohl noch größer ausgefallen wäre), es bleibt aber immer noch genügend, um den erwähnten Effekt zu erzielen.

Schlussendlich punktet die FYEO-PTS auch deshalb bei mir, da sie deutlich anders angelegt ist als die übrigen diesbezüglichen Szenen und somit in meinen Augen ein echtes Unikat darstellt. Passend zu dem anderen großen Thema des Films, nämlich der Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln und damit einhergehend wenn man so will der bewussten Verkleinerung des James-Bond-Kosmos, spielt die PTS nicht an exotischen Locations und springt auch nicht inhaltlich und/oder geographisch hin- und her. Gleichzeitig bietet sie eine in sich abgeschlossene Geschichte, welche sowohl die eigene filmische Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpft, als auch ein Vorgriff auf eines der innerhalb der eigentlichen Haupthandlung folgenden Kernthemen ist. Außerdem etabliert die PTS bereits den durchgängigen berührungsangstfreien Spagat zwischen einem Mehr an Erdung und dem typisch-überdrehten Spektakel.

GoldenProjectile hat geschrieben:Hier hätte sich eine weitere Szene mit Columbo angeboten, der, ähnlich wie Tiger Tanaka in YOLT, zuvor etwas unehrenhaft und ohne richtigen Abschluss aus dem Film entlassen wird.
Das sehe ich auch anders, da Columbo im Gegensatz zu dem tatsächlich einfach nicht mehr auftauchenden Tiger wie ich finde sauber aus der Handlung entlassen wird. Zum einen gesteht ihm der Film seine Rache an Kristatos und damit die Vollendung seines figürlichen Dilemmas zu, zum anderen ist der kurze Moment zwischen ihm und Bibi doch die perfekte Schlussszene, um die Figur mit einem Augenzwinkern zu verabschieden. Das passt für mich wie so vieles in Film/Drehbuch ganz wunderbar.

Mal nachgehakt: da du eine weitere Szene mit Columbo statt dem Max-meets-Maggie-Klamauk erwähnt hast, was hätte diese inhaltlich denn dann noch hinzufügen sollen? Der Papageien-Spass mag überdick aufgetragen sein (wobei die Szene zwar ein diesbezügliches Extrem, aber stilistisch keinen echten Ausreisser im Film darstellt angesichts randalierender Eishockey-Goons, en passant entsorgter Erzschurken oder schlecht bebärteter Aushilfs-Priester), funktioniert für mich aber deshalb, da er nicht nur eine nette Variation des typischen „Bond wird in flagranti erwischt“-Finals bietet (wie z.B. in TSWLM oder MR), sondern das Ende mit etwas gänzlich (oder zumindest weitgehend) Neuem und vor allem Überraschendem aufzuwarten weiss. Die Darreichungsform mag dabei diskutabel sein, aber wie in vielen Dingen geht FYEO auch hier fraglos recht eigene Wege. :)



Übrigens ist mir beim Lesen deiner Zeilen mal wieder in den Sinn gekommen, dass die bewusste Entscheidung Bond wieder etwas mehr auf den Boden der Tatsachen zu holen und das ausgerechnet auf dem damaligen kommerziellen Höhepunkt der Serie recht mutig war. In den meisten anderen Franchises hätte man sicher „Dienst nach Vorschrift“ gemacht und TSWLM noch ein drittes mal verfilmt. Andererseits frage ich mich, in wieweit die „Rückbesinnung auf den Fleming-Bond“ von der in diesem Zusammenhang gerade auch von Seiten der Macher gern die Rede ist, letztlich nicht durch die „Knauserigkeit“ des alten Sparfuchses Cubby motiviert war. MR war offiziell exorbitant teuer und inoffiziell wohl sogar nochmal ein bedeutendes Eck mehr. Das Budget von FYEO sieht auf den ersten Blick gar nicht mal so arg viel geringer aus als das (offizielle) von MR, angesichts der starken Inflation Ende der 70er kann man aber dennoch von einem merklichen Kaufkraftrückgang ausgehen. War es am Ende dann vielleicht doch weniger der Mut und der Wunsch, die Serie inhaltlich etwas anders aufzustellen als die Notwendigkeit, Kosten einzusparen, um so den eigenen Profit nicht schrumpfen zu lassen? Dieser Ansatz erinnert mich ein bisschen an den launigen Plausch im „Never change a running system“-Thread, in welchem ja auch die mutmaßlich zurückgegangenen Gewinne als Motivation die Craig-Ära auf den Weg zu bringen diskutiert wurde.

Re: Filmbesprechung: "For Your Eyes Only (FYEO)"

Verfasst: 8. August 2018 09:57
von Berufshartzer
Den Autoren ist wohl eher nichts besseres eingefallen. Eine 08/15 Story von der Stange - statt 007 - erfordert keine grosse Kreativität an Ideen und Einfallsreichtum bei der Umsetzung. Ein tauchender Lotus oder 50 Leute "schwerelos" an Kabeln aufzuhängen, ist halt nur was für Profis. Bond wieder realistischer zu machen, ist nur eine faule Ausrede, die eigene Inkompetenz zu überdecken.

Re: Filmbesprechung: "For Your Eyes Only (FYEO)"

Verfasst: 8. August 2018 18:10
von SirHillary
Ich ziehe meinen (nicht vorhandenen) Hut vor der schönen und für mich stimmigen Kritik.
Werde die Disc wohl doch in den Urlaub mitnehmen müssen. :-)

Zu den zwei kritisierten/kritischen Szenen.

Bei der PTS sehe ich vor allem den Beginn sehr stark und den Mittelteil gelungen.
Nur leider ist das Ende, ab der Verfolgung des Rollstuhlfahrers (ohne Namen), dann doch zu albern. Man kann der Szene die Anspielung auf NSNA bzw. dem 'Blofeld/TB-Streit' zu Gute halten, allerdings hätte man es auch etwas ernsthafter bzw. weniger klamaukig auflösen können.

Mit der Thatcher-Papageien-Szene habe ich mich...sagen wir mal...arrangiert. Es gab Zeiten, da fand ich diese urkomisch, dann unlustig...
Es geht schon in Richtung 'Spitting image', obwohl echte Dartseller und keine Puppen die realen Personen verkörpern.
Jetzt behandel ich die Szene relativ neutral. Und der Film entlässt den Zuschauer 'zum Glück' nicht mit dieser Szene, sondern löst sich in einer letzten Tauchsequenz auf.