Seite 71 von 138

Re: Filmbesprechung: Skyfall

Verfasst: 29. März 2015 15:37
von Thunderball1965
Schilthorn hat geschrieben:Hab wieder einmal (zum xten Mal) Skyfall angeschaut und jedes Mal entdecke ich etwas neues, eine weitere Metapher oder Allegorie. Dieses Mal z.B. die kalt vs warm Beleuchtung im Finale (brennendes Haus und Kapelle gegen Scheinwerfer des Hubschraubers) und die Symbolik des Priesterlochs.
Also habe ich mir gedacht, einmal einen kleinen Text dazu zu schreiben:


Skyfall

We are not now that strength which in old days
Moved earth and heaven; that which we are, we are;
One equal temper of heroic hearts,
Made weak by time and fate, but strong in will
To strive, to seek, to find, and not to yield. (Tennyson, Ulysses)

Zeit vergeht. Feinde ändern. Bond bleibt. Skyfall ist ein Schmelztiegel, eine Meditation im Banne von Alter, Jugend, Vergangenheit, Hilflosigkeit und Heldentum.
Bond altert. Er ist ein Relikt des kalten Krieges, ein Relikt aus einer Zeit, in welcher Feinde noch Flaggen hatten. Doch Hammer und Sichel sind längst verschwunden. Das Schlachtfeld hat sich gewandelt. Heutige Feinde haben keine Flaggen, verteidigen kein Land, marschieren auf keinem Feld; sie verstecken sich vielmehr im Netz oder U-Bahn-Tunnels. Ja, für einmal sind es 007 und der MI6, welche sich verteidigen müssen – gegen das Neue, Unbekannte, „the shadows“. Und gegen die Zeit. Denn „fieldwork is a young man’s game.“ Das Spiel eines fitten 30-Jährigen ohne Charisma, dafür mit Ohrenstöpsel. Wie kann Bond/Craig da mithalten?
Sam Mendes zeigt einen Helden, welcher immer einen Schritt hinter dem Bösewicht ist. Alles war geplant. Silva wollte, dass man ihn fängt, er wollte, dass der MI6 sein provisorisches Hauptquartier in einem Untergrundsystem aus Churchills Zeiten einrichtet. Bond ist eine Puppe der Informatik, der neuen Technologien, der anonymen Pläneschmieder, „an old warship“, welches von jungen, digitalen Dampfern abtransportiert wird.
Warum braucht es denn Bond noch, wenn nur schon Q im Pyjama vor seiner ersten Tasse Earl Grey mehr Schaden anrichten kann, als jener in einem Jahr an der Front?

„Well, sometimes a trigger has to be pulled.“
„Or not pulled. It’s hard to know which in your pyjamas.“

Der beinahe gefallene Held zückt seinen letzten Trumpf. Skyfall. Die Vergangenheit. Das alte Schlachtfeld. Der einzige Weg weg von Pyjamas, Earl Greys, Laptops, Internet; hin zu Kapellen, Priesterlöchern, Aston Martin DB5 und eingebauten Maschinengewehren.
Die Zeit wird zurückgedreht. Kincade aufersteht förmlich von den Toten. „M“ wird zur „Emma“ – richtige Namen gefälligst! Ein Grabstein erinnert an Bonds Eltern.
Bonds Waffe ist die Nostalgie, die Erinnerung an heroische Agenten; die Gänsehaut, wenn das Garagentor bei Bond-Musik aufgeht.
Dass schliesslich ein Dreierteam mit einem Altersdurchschnitt im Rentenalter eine Horde von Profi-Killern umlegt, ist nicht etwa unlogisch, sondern die Gunst des Publikums, welches im Angesicht des hervorragenden Casts, den feinen Dialogen, der raffinierten symbolischen Mehrschichtigkeit durch Mendes und Logan und der herrlichen Bildsprache nur etwas haben will: Bond.

10/10
Neueste Erkenntnis: Skyfall aht die Gunst der Feuilletonkritik.

Re: Filmbesprechung: Skyfall

Verfasst: 29. März 2015 15:48
von Hannes007
dernamenlose hat geschrieben: @Hannes 007: Freut mich, dass sie dir gefällt. Was sind denn deine Kritikpunkte an SF? (Viele dürften es ja nicht sein, wenn du 9/10 vergibst.
Herrje, da bin ich noch eine Antwort schuldig. Also:

Es ist nicht viel, was mir nicht zusagt. Dass man die mMn stärkste Actionszene schon in der PTS zu sehen bekommt, ist eines davon. Und Bonds erneute 'Selbstfindung' anstelle einer 'normalen' Mission ein weiteres. Ansonsten gefällt mir SF richtig gut und somit hat der Film seine 9/10 bei mir absolut verdient.

Re: Filmbesprechung: Skyfall

Verfasst: 29. März 2015 16:09
von Samedi
Schilthorn hat geschrieben:Hab wieder einmal (zum xten Mal) Skyfall angeschaut und jedes Mal entdecke ich etwas neues, eine weitere Metapher oder Allegorie. Dieses Mal z.B. die kalt vs warm Beleuchtung im Finale (brennendes Haus und Kapelle gegen Scheinwerfer des Hubschraubers) und die Symbolik des Priesterlochs.
Also habe ich mir gedacht, einmal einen kleinen Text dazu zu schreiben:


Skyfall

We are not now that strength which in old days
Moved earth and heaven; that which we are, we are;
One equal temper of heroic hearts,
Made weak by time and fate, but strong in will
To strive, to seek, to find, and not to yield. (Tennyson, Ulysses)

Zeit vergeht. Feinde ändern. Bond bleibt. Skyfall ist ein Schmelztiegel, eine Meditation im Banne von Alter, Jugend, Vergangenheit, Hilflosigkeit und Heldentum.
Bond altert. Er ist ein Relikt des kalten Krieges, ein Relikt aus einer Zeit, in welcher Feinde noch Flaggen hatten. Doch Hammer und Sichel sind längst verschwunden. Das Schlachtfeld hat sich gewandelt. Heutige Feinde haben keine Flaggen, verteidigen kein Land, marschieren auf keinem Feld; sie verstecken sich vielmehr im Netz oder U-Bahn-Tunnels. Ja, für einmal sind es 007 und der MI6, welche sich verteidigen müssen – gegen das Neue, Unbekannte, „the shadows“. Und gegen die Zeit. Denn „fieldwork is a young man’s game.“ Das Spiel eines fitten 30-Jährigen ohne Charisma, dafür mit Ohrenstöpsel. Wie kann Bond/Craig da mithalten?
Sam Mendes zeigt einen Helden, welcher immer einen Schritt hinter dem Bösewicht ist. Alles war geplant. Silva wollte, dass man ihn fängt, er wollte, dass der MI6 sein provisorisches Hauptquartier in einem Untergrundsystem aus Churchills Zeiten einrichtet. Bond ist eine Puppe der Informatik, der neuen Technologien, der anonymen Pläneschmieder, „an old warship“, welches von jungen, digitalen Dampfern abtransportiert wird.
Warum braucht es denn Bond noch, wenn nur schon Q im Pyjama vor seiner ersten Tasse Earl Grey mehr Schaden anrichten kann, als jener in einem Jahr an der Front?

„Well, sometimes a trigger has to be pulled.“
„Or not pulled. It’s hard to know which in your pyjamas.“

Der beinahe gefallene Held zückt seinen letzten Trumpf. Skyfall. Die Vergangenheit. Das alte Schlachtfeld. Der einzige Weg weg von Pyjamas, Earl Greys, Laptops, Internet; hin zu Kapellen, Priesterlöchern, Aston Martin DB5 und eingebauten Maschinengewehren.
Die Zeit wird zurückgedreht. Kincade aufersteht förmlich von den Toten. „M“ wird zur „Emma“ – richtige Namen gefälligst! Ein Grabstein erinnert an Bonds Eltern.
Bonds Waffe ist die Nostalgie, die Erinnerung an heroische Agenten; die Gänsehaut, wenn das Garagentor bei Bond-Musik aufgeht.
Dass schliesslich ein Dreierteam mit einem Altersdurchschnitt im Rentenalter eine Horde von Profi-Killern umlegt, ist nicht etwa unlogisch, sondern die Gunst des Publikums, welches im Angesicht des hervorragenden Casts, den feinen Dialogen, der raffinierten symbolischen Mehrschichtigkeit durch Mendes und Logan und der herrlichen Bildsprache nur etwas haben will: Bond.

10/10
Super Kritik, der ich fast ausnahmslos zustimmen kann. Nur die 10/10 heb ich mir noch für SPECTRE auf. 8)

Re: Filmbesprechung: Skyfall

Verfasst: 29. März 2015 16:39
von Schilthorn
Samedi hat geschrieben: Super Kritik, der ich fast ausnahmslos zustimmen kann. Nur die 10/10 heb ich mir noch für SPECTRE auf. 8)
Dankeschön! Ja das wäre toll, wenn Spectre den Massstab noch einmal höher setzen würde! Bin da ganz zuversichtlich! :mrgreen:

Re: Filmbesprechung: Skyfall

Verfasst: 29. März 2015 16:46
von Samedi
Bin gespannt, ob auch in SPECTRE wieder so etwas Lyrisches auftaucht. Vielleicht vorgetragen von Waltz. 8)

Re: Filmbesprechung: Skyfall

Verfasst: 29. März 2015 22:03
von Martin007
Samedi hat geschrieben:Super Kritik, der ich fast ausnahmslos zustimmen kann. Nur die 10/10 heb ich mir noch für SPECTRE auf. 8)
Ich hoffe, das ist ironisch gemeint - man sollte ja dann doch erstmal den Film sehen bevor man bewertet. :wink:

Re: Filmbesprechung: Skyfall

Verfasst: 29. März 2015 22:47
von Samedi
Martin007 hat geschrieben:man sollte ja dann doch erstmal den Film sehen bevor man bewertet. :wink:
Ich hab SPECTRE ja auch noch nicht bewertet, aber ich halte es für möglich, dass der Film von mir eine 10/10 bekommt. :wink:

Re: Filmbesprechung: Skyfall

Verfasst: 30. März 2015 16:58
von dernamenlose
@Schilthorn: Super Kritik, das mit der Waffe (im Showdown) ist mir bis jetzt noch gar nicht aufgefallen.

Re: Filmbesprechung: Skyfall

Verfasst: 30. März 2015 17:04
von Casino Hille
Schilthorn hat geschrieben:Skyfall ist ein Schmelztiegel, eine Meditation im Banne von Alter, Jugend, Vergangenheit, Hilflosigkeit und Heldentum.
Schön geschrieben, aber so mehrschichtig ist Skyfall eigentlich gar nicht. Vieles ist einfach nur eine Anspielung auf die langlaufende Filmreihe und ein wenig Selbstbeweihräucherung, die aus vielen Szenen spricht. Alles andere (gerade diese ganze Flaggen-Terrorismus-Thematik) ist Bond-typisch eindimensional und wird mehr nebenbei behandelt, aber eigentlich noch nicht einmal wirklich. Für einen Film, der sich damit ernsthaft auseinandersetzen will, verschwendet SF zu viel Zeit mit anderen Dingen. Er schneidet diese Themen vielleicht mal kurz an, aber mehrschichtig ist da (bis eben auf all die Querverweise zum Gesamtfranchise) eigentlich nichts. Da ist noch ein bisschen der Konflikt zwischen Alt und Jung und Altmodisch und Modern (was ja auch stark zusammenhängt), aber ebenfalls nichts, was über ein paar kluge Sätze hinausgeht. Da muss ich (einige werden jetzt Maibaum sprechen hören) leider sagen, dass CR und QOS da deutlich mehr Inhalt haben und ihre Themen auch differenzierter auslegen, als SF es tut (was für mich nicht heißt, dass SF ein besserer oder schlechterer Film wäre, nur ein vielleicht wieder etwas naiverer, aber auch das sage ich damit nicht zu 100%).

Re: Filmbesprechung: Skyfall

Verfasst: 30. März 2015 17:19
von danielcc
Ansichtssache. In einem Bondfilm müssen solche Themen nicht über 120min ausgewalzt werden aber sie sind dennoch deutlich da und ziehen sich durch den Film. Deutlicher hätte Mendes diese Themen nicht behandeln können auf einer Plattform wie Bond! und wenn das dann noch gleichermaßen in Bildern und Worten thematisiert wird, direkt, indirekt oder als Metapher, dann ist das schon alles so perfekt wie es sein kann.

Was ist schon an QOS raffinierter? Da sind auch nur 2-3 weniger intelligente Sätze, die klar machen, dass die Welt nicht mehr schwarz weiß ist. Aber mehr ist doch da nicht, Zumal nicht sonderlich gut geschrieben

Re: Filmbesprechung: Skyfall

Verfasst: 30. März 2015 19:00
von Schilthorn
Casino Hille hat geschrieben:
Schilthorn hat geschrieben:Skyfall ist ein Schmelztiegel, eine Meditation im Banne von Alter, Jugend, Vergangenheit, Hilflosigkeit und Heldentum.
Schön geschrieben, aber so mehrschichtig ist Skyfall eigentlich gar nicht. Vieles ist einfach nur eine Anspielung auf die langlaufende Filmreihe und ein wenig Selbstbeweihräucherung, die aus vielen Szenen spricht. Alles andere (gerade diese ganze Flaggen-Terrorismus-Thematik) ist Bond-typisch eindimensional und wird mehr nebenbei behandelt, aber eigentlich noch nicht einmal wirklich. Für einen Film, der sich damit ernsthaft auseinandersetzen will, verschwendet SF zu viel Zeit mit anderen Dingen. Er schneidet diese Themen vielleicht mal kurz an, aber mehrschichtig ist da (bis eben auf all die Querverweise zum Gesamtfranchise) eigentlich nichts. Da ist noch ein bisschen der Konflikt zwischen Alt und Jung und Altmodisch und Modern (was ja auch stark zusammenhängt), aber ebenfalls nichts, was über ein paar kluge Sätze hinausgeht. Da muss ich (einige werden jetzt Maibaum sprechen hören) leider sagen, dass CR und QOS da deutlich mehr Inhalt haben und ihre Themen auch differenzierter auslegen, als SF es tut (was für mich nicht heißt, dass SF ein besserer oder schlechterer Film wäre, nur ein vielleicht wieder etwas naiverer, aber auch das sage ich damit nicht zu 100%).
Wenn du wüsstest, wie toll naiv sein kann! :wink:

Re: Filmbesprechung: Skyfall

Verfasst: 30. März 2015 19:05
von Casino Hille
Naiv kann großartig sein, aber meistens nichts für lange. :lol:

Re: Filmbesprechung: Skyfall

Verfasst: 1. April 2015 13:27
von ErnstStavroBlofeld
Nach einer Neuerscheinung könnte es sein, dass ein Film geschönt wahrgenommen wird. Jetzt aber, nach einigen Jahren mit SF und kurz vor SP, hat sich SF für mich in die ganze Riege der Bondfilme eingereiht und eine distanzierte Einschätzung von meiner Seite ist möglich.

Anfangs sah ich SF ganz oben, vielleicht an zweiter oder dritter Stelle der Bondfilme. Dies sehe ich mittlerweile nicht mehr so. SF ist für mich ein guter Bondfilm, der aber nicht durch die Story, sondern vielmehr durch die verschiedenen Darsteller glänzt, die durchwegs hochwertig sind. M wird herausragend in Szene gesetzt, ein würdiger Abschied für Judy Dench. Ihr Nachfolger Mallory wird durch Ralph Fiennes als gelungener neuer M eingeführt, der Darsteller macht seine Sache gut. Ben Wishaw als Q überzeugt durchwegs - ein moderner und ganz anderer Q als Desmond Llewelyn. Dennoch wird der Grundstein für die "Hassliebe" zwischen Bond und Q gelegt - und das äußerst überzeugend. Eve Moneypenny wird durch Naomi Harris neu definiert und brillant verkörpert. Über Javier Bardem als herausragenden Gegenspieler brauchen wir überhaupt nichts zu sagen, er ist große Klasse (obwohl mir ein eingängigerer Name als Raul Silva besser gefallen hätte - das klingt ja so banal wie Franz Oberhauser ;-)). Nicht vergessen sollte man Bérénice Marlohe als Sévérine, die im markanten Dialog im Casino an der, wie ich finde, stärksten Filmszene maßgeblich beteiligt war. Bewundernswert übrigens, wie man soviel Asche an einer Zigarette halten kann, ohne dass sie abfällt ;-) Nur Helmut Schmidt könnte das noch toppen ...

SF hat herausragende Szenen: Beispielsweise die eben erwähnte im Casino mit Sévérine. Auch vom blauen Lichterspiel untermalten Aufnahmen in Shanghai oder die Konferenz in London sind große Klasse (besonders als M den lyrischen Text zitiert, während Bond durch London rennt und Silva den Saal stürmt). Zugleich aber fehlt dem düsteren Film ein Stückchen Leichtigkeit, was häufig durch sonnige Strand- und Naturaufnahmen geschaffen wird. Auch wird der Humor von Daniel Craig in diesem Film nicht so positiv wie in CR oder QOS. Das sarkastische Grinsen von Craig soll wohl über die innere Zerrissenheit hinwegtäuschen, aber ich finde es einfach zu viel. Das Finale in Skyfall wirkt mehr wie in einem Western (entschuldigt den Vergleich, aber so kommt das für mich rüber). Der schwächste Teil des Filmes ist und bleibt für mich das Finale.

Die Kameraführung ist nach dem schnelllebigen QOS sehr wohltuend und beruhigend. Ich hoffe, das wird in SP beibehalten. Der von Adele gesungene Titelsong ist ebenso einzigartig wie ein gelungener Soundtrack.

Fazit: Alles in allem ist SF für mich ein mittelmäßiger Bondfilm, der Stärken und Schwächen aufweist, aber erst durch seine durchwegs hochklassigen und passend gewählten Schauspieler zu einem guten Film wird.

Re: Filmbesprechung: Skyfall

Verfasst: 1. April 2015 13:54
von DonRedhorse
Sehr schöne Beschreibung. Besonders das schwache (Western-)Ende verdirbt mir die Freude an dem Film. Hinzu kommt eine schwache Story und dass die ganze Action in der Pretitel-Sequenz verbraten wird.
SF halt wirklich starke Szenen und tolle Schauspieler, Regie, Kamera, Musik, Locations, Titel. Das passt alles. Aber in der Summe für mich leider nur ein sehr durchschnittlicher Film.

Re: Filmbesprechung: Skyfall

Verfasst: 1. April 2015 14:01
von Hannes007
Sehr schöne Zusammenfassung, ESB! Ich sehe es zwar nicht ganz so (auch nicht wie DonRedhorse), kann aber alles durchaus nachvollziehen.