Re: Der Hitchcock Thread

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Golden Projectile hat mich jetzt dazu gebracht mir mal wieder Shadow of a Doubt anzuschauen (DVD ja auch erst vor ca 8 Jahren erworben ;) ).

Ich finde schon immer noch daß das einer von AHs besten Filmen ist. Was ihm sicherlich fehlt ist ein richtig grandioses Ende, das hier ist zwar gut, aber es ist nicht so faszinierend daß es dem Film noch einen oben drauf setzt. Ansonsten ist da immer eine große Spannung die fast keine auffallend dramatischen Momente benötigt. Und AHs Regie ist ein Genuß.
SoaD zeigt doch durchweg warum AH so ein besonderer Regisseur war, warum seine Filme so viel besser und auch spannender sind als die meisten anderen Thriller. Was ihn von AHs meisten anderen Filmen unterscheidet ist das die Charaktere alle sehr natürlich sind, ich würde sie sogar "realistisch" nennen.
Vor allem Teresa Wright spielt das sehr stark, ganz anders als damals in Hollywood üblich.

Aufgefallen ist mir aber auch das AH hier nicht so ganz drauf verzichtet die Handlung über die Dialoge zu erklären, das heißt, wenn man will, könnte man sich eine mögliche Interpretation über die Dialoge zusammenstellen. Aber das ist hier längst nicht so aufdringlich wie das Ende von Psycho.

Sehr schöner Film. 9/10

Re: Der Hitchcock Thread

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Ich bin ein bisschen spät, aber schön, dass ich dich zum Schauen inspiriert habe. :wink:

Ich sehe das anders als du, für mich ist das Ende unter Berücksichtigung, dass mich der Film eigentlich nicht gross vom Hocker haut, ziemlich gelungen. Ich habe ja schon gesagt dass ich SoaD dann am besten finde, wenn Joseph Cottens Charlie sein wirkliches Wesen und Denken sichtbar werden lässt. Hitchcock ist zweifellos ein sagenhafter Regisseur aber hier hat er in meinen Augen nie wirklich faszinierend gedreht, haben die Bilder keine Wirkung auf mich ausser die Geschichte halt so zu erzählen, wie sie ist. SoaD ist auch kein Film, der mich sonderlich zu einer Intepretation anregt.

Interessant, was du über das Ende von Psycho schreibst, aufdringlich ist da vielleicht gar nicht mal das falsche Wort für. Ich denke, das könnte daran liegen, dass Hitch den Film in erster Linie fürs Publikum gemacht hat und nicht für die Kritiker. Er wollte bewusst schocken, und da traf es sich gut, dass er den Höhepunkt des kommerziellen Erfolgs gerade erreicht hatte. Für mich ist der Film aber unglaublich faszinierend, so wie er ist. Auch die letzten zwei Filmminuten mit Perkins in der Zelle sind sehr, sehr stark.

Wer glaubt dass mein Hitchcock-Marathon von Dezember/Januar beendet sei, der täuscht sich übrigens. Montagabend ist Hitchcock-Abend, und ich habe jetzt fast die ganze Universal-Box noch einmal mit meinem Vater durchgeschaut. Heute kommt Hitchcock im Kino und nächste Woche noch die Vögel, dann geht es weiter zu den WB-Filmen.
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Re: Der Hitchcock Thread

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Wer Filme für Kritiker macht ist selber schuld. Von den paar Leuten kann keiner leben ;)

Aber AH stand sicher nie wirklich im Verdacht für Kritiker zu drehen, aber wer nur ans Publikum denkt verwässert seine Filme bis zur Unkenntlichkeit. Künstler dagegen machen ihre Filme für sich selber, weil sie nicht anders können. Tatsächlich aber dürfte es bei den meisten Filmen zu Mischformen kommen. Frage ist was sich durchsetzt.

Das Ende von Psycho ist nur da enttäuschend wo der Psychiater uns viel zu lange den ganzen Film erklärt. Die letzten Szenen mit Perkins hätten da vollkommen gereicht. Auch wen dann sicher so mancher Zuschauer mit einem Häähh? Aus dem Kino gestolpert wäre.
Das ist ein Beispiel wo man denm zuschauer zwar hilft ,aber auf eine Art die dem Film schadet, ihm etwas von seiner Qualität nimmt. Ansonsten ist Psycho aber ein makelloses Meisterwerk.

Und die Inszenierung von Im Schatten des Zweifels ist für mich wirklich über jeden Zweifel erhaben. Das ist zwar äußerlich weniger spektakulär als in anderen, aber da sehe ich AHs Meisterschaft in fast jeder Einstellung.

Re: Der Hitchcock Thread

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Ich tu das jetzt einfach mal hier rein.

Im Kino - Hitchcock (2012)
Drehbuch: John J. McLaughlin
Regie: Sacha Gervasi
Darsteller: Anthony Hopkins, Helen Mirren, Danny Huston, Scarlett Johansson, Toni Collette, Kurtwood Smith, James D'Arcy, Jessica Biel


Als grossen Bewunderer des Meisters und seiner Kunst hat es mich gestern ins Kino gezogen, um mir den neuen Film über Hitchcock bzw. über die Produktion von Psycho anzusehen, der in obigen Beiträgen sehr treffend als makelloses Meisterwerk bezeichnet worden ist.

Anthony Hopkins leistet vor der Kamera halt immer wieder erstaunliches; der Waliser hat sich vom kultivierten Menschenfresser direkt in den Master of Suspense höchstpersönlich verwandelt, und obwohl der aufwändig modellierte Hopkins viel drolligere und markantere Gesichstzüge hat als die Vorlage gelingt es ihm, eine Figur zu schaffen, die man ins Herz schliesst und die auch viele von Hitchcocks umstrittenen Marotten geschickt und unterhaltsam in ihrem Spiel verarbeitet. Helen Mirren spielt gewohnt souverän, Scarlett Johansson legt ihre Janet Leigh sehr angenehm an und James D'Arcy sieht Anthony Perkins wirklich erstaunlich ähnlich, auch wenn es befremdlich ist, ihn als Perkins ausserhalb der Norman-Bates-Rolle zu sehen.

Die Geschichte ist Kennern eigentlich bekannt und das Pacing teilweise etwas sperrig. Aber was Hitchcock so sehenswert macht sind die für Cineasten herrlichen Anspielungen: da wird unzählige Male auf Vertigo Bezug genommen, werden Filmnamen wie The Wrong Man, Rope oder North by Northwest erwähnt, Hitchcock-Darsteller und andere zeitgenössische Schauspieler genannt und überhaupt eine Vielzahl von Anspielungen und Bezügen untergebracht, dass es für den Fan eine wahre Freude ist.

Komponiert wurde der Film übrigens von Danny Elfman, was auch durchaus passt, denn Brett Ratner und Ted Tally bezeichnen Elfman im Audiokommentar von Roter Drache als Fan von Bernard Herrmann. Elfman spielt in einigen Szenen das Psycho-Theme oder die „Hitchcock-Melodie“ (ich bin sicher jeder weiss, welche ich meine) an. In Sachen Kulissen und Frisuren leistet Hitchcock auch sehr gute Arbeit und nimmt uns mit ins Jahr 1960.

Hitchcock mag kein Kunstwerk sein, ist aber unterhaltsam und dürfte für den einen oder anderen Fan hier (Maibaum, Anatol...?) interessant sein.

Netter Film 7,5 / 10
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Re: Der Hitchcock Thread

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Da ich wieder (oder eher immer noch) total auf der Droge Hitchcock bin habe ich die Osterzeit nicht nur zur Fortführung meines Marathons genutzt, sondern auch zwei der grossen Klassiker noch einmal genossen. Auch hier gab es keine neue Offenbarung, sondern wurde der erste Eindruck, den ich damals hatte, weiter gefestigt.

Bei den Vögeln lässt sich an der handwerklichen Ausführung beziehungsweise an der visuellen Gestaltung des Films weiterhin nichts aussetzen. Was die Effekte und den Aufbau der einzelnen Szenen angeht ist das Werk eine wahre Perle. Es ist der Inhalt, der irgendwie meinen Geschmack ein bisschen verfehlt. Da rennt die gute Tippi dem ollen Mitch eine Stunde lang hinterher und es entwickelt sich zugegebenermassen eine schön aufgebaute Story um die Ankunft in Bodega Bay und das Treffen mit den dortigen Charakteren, bevor dann in der zweiten Stunde pausenlos die Vögel angreifen, was ebenfalls sehr gut inszeniert ist, aber mir zuletzt irgendwie nicht den erhofften schlüssig aufgebauten Plot liefert. Auch zum interpretieren bin ich da nicht sonderlich motiviert, auch wenn die familiale Lesart durchaus interessant ist.

Das Fenster ist einfach toll, alleine die Bilder von Grace Kelly vor dem adventsfensterhaften Innenhof in Verbindung mit der Musik ist es wert. Dazu kommen aber noch der fesselnde Plot um die Aufklärung des vermeintlichen Verbrechens im Nachbarhaus und die wunderbaren, geschliffenen Dialoge. Ein Hitchcock-Film, an dem ich praktisch nichts zu bemängeln habe. Jede Einstellung stimmt.

Heute habe ich den ersten der sechs WB-Filme geschaut, die üblichen Kurzreviews kommen dann wahrscheinlich als 2x3.
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Re: Der Hitchcock Thread

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Ich bin echt sehr, sehr gespannt. Noch bin ich ja nicht so richtig drin, in der Welt von Hitchcock. Aber 1, 2 habe ich ja schon gesehen. Die fand ich auch sehr gut. Ich werde gucken das ich mir früher oder später die Bluraybox zulege und dann auch meine Meinung kund gebe. Der Eric zwingt mich ja schon oft genug dazu :D

Komisch irgendwie, das keiner hier was zu deinen beiden Posts schreibt. Sonst war hier ja immer ne Menge los :|

Re: Der Hitchcock Thread

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GoldenProjectile hat geschrieben:@Anatol und Maibaum

Kennt jemand von euch den Roman To Catch a Thief von David Dodge? Der wurde ja auch vom Meister verfilmt... Werde mich dem mal annehmen, wen ich Hannibal fertig gelesen habe.
Ich kann immerhin damit dienen, dass ich mal "Bei Anruf Mord" als Theaterstück inszniert habe (was es ja ursprünglich ist) und in dem Zusammenhang auch "Rope" gelesen hatte, aber dann als doch zu sperrig für die Masse verworfen habe
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Der Hitchcock Thread

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GoldenProjectile hat geschrieben:@Anatol und Maibaum

Kennt jemand von euch den Roman To Catch a Thief von David Dodge? Der wurde ja auch vom Meister verfilmt... Werde mich dem mal annehmen, wen ich Hannibal fertig gelesen habe.
Nein, ich hätte in diesem Moment sogar nicht einmal gewusst das der Film einen Roman zur Vorlage hat.

Re: Der Hitchcock Thread

116
Interessanterweise basieren ja sehr viele Hitchcock-Filme auf schriftlichen Werken, z.B. auf Romanen wie Psycho von Robert Bloch, Topas von Leon Uris oder Der Fremde im Zug von Patricia Highsmith. Oder wie Daniel angemerkt hat auf Theaterstücken, manche auch auf Kurzgeschichten.
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Re: Der Hitchcock Thread

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Ich Beichte 6,5/10
Interessanter Film, Hitchs beliebtestes Handlungselement mal in eine völlig neue Thematik gekleidet. Auch ist der Ausgang der Geschichte lange unklar. Gefilmt wurde in schwarz-weiss, insgesamt sehr düster und opernhaft. Man muss dem Film auch anerkennen, dass er 90 Minuten lang konsequent und in sich stimmig bleibt. Ob's einem dann gefällt oder nicht, sei dem Zuschauer überlassen. Ich fand es spannend und irgendwie neuartig, wenn auch nicht weltbewegend.

Der Unsichtbare Dritte 9,5/10
Familiengrab meets Saboteure. Herrlicher Plot, jedes Rädchen greift hier offenbar ohne Mängel ins Nächste und mit den vielen Wendungen und dem schlüssigen Aufbau ist die Geschichte ganz nach meinem Geschmack. Auch visuell hat Hitch sehr schön gearbeitet und praktisch ohne besondere Stilmittel eine edle, frische Optik erzielt. Selbstverständlich profitiert der Film auch wieder von Herrmanns Klängen, wenn auch nicht so sehr wie der direkte Vorgänger und Nachfolger. Heraus kommt ein vortreffliches, wunderbar unterhaltsames Spektakel. Als allerbesten Hitchock würde ich Der Unsichtbare Dritte für mich persönlich jetzt zwar nicht bezeichnen, aber er spielt definitiv in einer hohen Liga.

Die Rote Lola 8/10
Stilistisch und inhaltlich wieder nahe beim düsteren, in einzelnen Szenen mit Humor bereichterten Krimi wie Ich beichte und Im Schatten des Zweifels, aber dieses Mal ist die Geschichte wirklich ausgeklügelt und raffiniert, mit ständig neuen Konflikten und Gefahren, schickt den Zuschauer auf falsche Fährten und ist somit in meinen Augen spannender und in Summe besser als die beiden genannten Filme. Auch die Schauspieler vermögen zu begeistern, besonders Alastair Sim ist klasse. Ein toller Kriminalfilm.
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Re: Der Hitchcock Thread

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Schade, dass auf die drei WB-Filme nicht eingegangen worden ist. Wie auch immer, hier sind die anderen drei:

Bei Anruf Mord 8/10
Mit viel Geschick webt Hitch die bösen Zufälle in ein clever durchdachtes Mordkomplott ein und schafft den eleganten Spagat zwischen der verschlungenen und wendungsreichen Vertuschungsgeschichte und der leichtfüssigen Art, sie zu erzählen. Wegen seier theaterhaften, aufs Wesentliche reduzierten Inszenierung wird der Film gerne mit Cocktail für eine Leiche verglichen. An den kommt er meiner Meinung nach inhaltlich und stilistisch nicht ganz heran, hat dafür aber ebenfalls ein sehr fein spielendes Ensemble mit u.a. Anthony Dawson.

Der Fremde im Zug 8,5/10
Mit dem von Robert Walker gespielten Bruno Anthony hat Hitchcock eine der beängstigenden Figuren in seinem gesamten Werk erschaffen. Undurchsichtig, unberechenbar, skrupellos und wahnsinnig. Ihm gegenüber gerät Farley Granger bereits ein zweites Mal überzeugend und eindringlich ins Schwitzen, wenn sich die Schlinge um seinen Hals allmählich zuzuziehen beginnt. Hervorragend ist auch der Soundtrack, der noch nicht von Bernard Herrmann stammt aber auf grossartige Weise die Wirkung der packend fotografierten Einstellungen verstärkt. Ein Kriminalthriller zum Mitfiebern, sehr ansprechend gefilmt und geschnitten.

Der Falsche Mann 8/10
Bernard Herrmann ist einfach unglaublich: noch ein Soundtrack, der kongenial die Bilder unterstreicht. Durch die Symbiose von Musik und Fotografie entsteht ein Albtraum aus Irrtümmern und juristischer Ungerechtigkeit, der von Hitchcock mit angebrachter Langsamkeit und Intensität umgesetzt wird. Alles in allem eine positive Überraschung.
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