HCN007 hat geschrieben: 26. November 2022 14:39iHaveCNit: Glass Onion – A Knives Out Mystery (2022) – Rian Johnson – Netflix
Auch wenn der Plot nicht ganz so clever wie der des Vorgängers ist, hat die gläserne Zwiebel durchaus die ein oder andere interessante Wendung und Entwicklung zu bieten.
Das ist allerdings eine mittelschwere Untertreibung. "Knives Out" war sicherlich nicht ganz so genial konstruiert wie es einige der Agatha-Christie-Krimis sind (insbesondere "Tod auf dem Nil" dürfte hinsichtlich der Auflösung des Falls für mich die Königsklasse sein), aber das war ein kluger Film, der durch seinen herrlich durchdachten Genre-Twist pfiffig rüberkam. Genial an "Knives Out" war ja eben, dass wir es nicht mit einem Whodunnit zu tun hatten, sondern nach circa 30 Minuten erfuhren, wie sich die Mordnacht im Detail abgespielt hat - und von da an wurde "Knives Out" von Agatha Christie zu Alfred Hitchcock, plötzlich fieberten wir nicht mit dem ermittelnden Detektiv mit, sondern mit der vermeintlichen Mörderin, die alles gab, um ihre Spuren zu verwischen. Dass dann in den letzten 20 Minuten der (eher etwas dusselige) Ermittler plötzlich doch noch zum Erklärbärmonolog à la Poirot ansetzte, um uns einen Täter zu präsentieren (und damit wieder ins Whodunnit-Gefilde zu wechseln), war ein für mich toller Moment im Kinosaal, den ich genossen habe. Und auch wenn der Fall und seine Auflösung letztlich sicherlich extrem kompliziert und verschachtelt waren, wurde es doch in sich schlüssig und gekonnt erzählt. So geht das!
"Glass Onion" war für mich nur ein einziges Ärgernis. Der Film wirkt gar wie eine Parodie auf all das, was in "Knives Out" noch wunderbar organisch wirkte und präsentiert wurde. Der Cast an Charakteren bekommt dieses Mal gar nichts zu tun und die Hälfte von ihnen sind so furchtbar eindimensional gezeichnet, dass kein Zweifel daran besteht: Sie sind einzig im Film, um die Verdächtigenzahl in die Höhe zu treiben. Dann versucht Johnson in der Mitte des Films einen ähnlichen Twist wie damals nach dem ersten Akt von "Knives Out", nur das er dafür dieses Mal einerseits das Pacing opfert (weil der Film quasi noch einmal von vorne anfängt) und andererseits (ich versuche es, halbwegs spoilerfrei zu halten) dermaßen viele Zufälle und Unwahrscheinlichkeiten aneinanderreihen kann, dass ich mich als Krimi-Zuschauer betrogen fühlte. Mehrfach belügt Johnson sein Publikum einfach zugunsten eines banalen Twists (an einer Stelle so schludrig und doof, dass ich es ihm übelnehmen muss), und die letztliche Auflösung des Falls ergibt überhaupt keinen Sinn. Die eine Person, die einfach nicht der oder die Mörder/in sein kann, weil dann der gesamte Plot in sich zusammenfallen würde, stellt sich als der oder die Täter/in heraus - und wie Johnson dann all die Logiklücken und offensichtlichen Dummheiten rechtfertigt, ist - entschuldigt die Härte meiner Wortwahl - faules und selbstverliebtes Storytelling. "Glass Onion" ist nämlich kein Krimi und auch nicht - obwohl er sehr lustig ist und extrem gute Pointen setzt - eine Komödie, sondern eigentlich eine Satire, ein Message-Film, der in den letzten 20 Minuten seine Botschaft so aggressiv mit dem Holzhammer auf das zahlende Kinopublikum einprügeln will, dass ihm auch egal ist, ob er dafür jede Integrität seiner Handlung mit in Stücke schlägt.
Hab ich mich gut unterhalten gefühlt? Teilweise schon. Viele Dialogwitze sind tatsächlich zum brüllen. Daniel Craig ist hier nochmal viel besser als in "Knives Out" und ehrlich gesagt vielleicht so gut wie noch nie. Janelle Monáe spielt ihren Part wunderbar (auch wenn sie mit Ana de Armas aus dem Vorgänger nicht konkurrieren kann, weil der Film ihr weniger Platz einräumt) und sowohl Dave Bautista als auch Kate Hudson und Jessica Henwick machen Spaß. Zumal vieles in "Glass Onion" dann eben doch klug ausgearbeitet ist, aber ironischerweise vor allem die kleinen Details, die cleveren späten Rückbezüge auf Dialoge zu Anfang etc., während der eigentliche Plot, das tatsächliche Drehbuch, eine Katastrophe darstellt - die ich in ihrer Absurdität verzeihen könnte, käme sie am Ende nicht mit dieser ultra belehrenden Botschaft aus der Hölle um die Ecke.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 28. November 2022 22:19
von Patrice
The Ice Road (2021)
Lausiges Drehbuch, das von einem Zufall nach dem anderen gestützt wird. Dazu teils miese Dialoge und durchschnittliche bis schlechte Effekte. Die titelgebenden Ice Roads sieht man max. 30 Minuten der 109 Minuten Laufzeit. Zusätzlich nimmt sich der Film zu lange Zeit, um in Schwung zu kommen, bzw. behandelt in dieser Zeit Themen, die für den weiteren Verlauf irrelevant sind. Von Minute 30 bis ca. Minuten 90 wird 60 Minuten lang, quasi pausenlos sehr mittelmäßige Action abgeliefert.
Ein paar Gnadenpunkte gibts für den größtenteils guten Cast, der aus dem Gegebenen rausholt was möglich war.
Mit dem Thema wäre doch noch mehr möglich gewesen…
3/10
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 29. November 2022 12:28
von ollistone
Der 11-jährige Nachwuchs hat irgendwie ein Händchen für ältere Filme (ja, es gibt ein Leben außerhalb des MCU), nach "Die Hard", "Indiana Jones", "Top Gun" und sämtlichen "Ghostbusters" wollte er am Wochenende "Rocky" sehen. Dafür, dass dieser Film eigentlich mehr Milieustudie als Sportfilm ist, hat er ihn erstaunlich positiv und interessiert aufgenommen. Da die "Rocky"-Filme bei mir wirklich ewig her sind: Sind die Fortsetzungen aus eurer Sicht empfehlenswert? Teil 2 und 3 habe ich glaube ich mal gesehen, und bis "Eye of the Tiger" wollten wir eigentlich kommen. Oder sollten wir lieber nach Teil 1 Schluss machen?
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 29. November 2022 12:31
von Casino Hille
Teil 2 ist klasse, wenn auch mehr eine Ergänzung zum ersten Film als ein für sich stehendes starkes Sequel. Teil 3 hat Wumms, ist aber nur eine laue Luftnummer gegen das brachiale Trash-Epos, welches Teil 4 darstellt. Die restlichen Fortsetzungen sind zu vernachlässigen.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 29. November 2022 12:37
von HCN007
iHaveCNit: Shattered (2022) – Luis Prieto – Leonine
Deutscher Kinostart: 24.11.2022
gesehen am 28.11.2022
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 2 – Reihe 16, Platz 20 – 21:15 Uhr
Der klassische Erotikthriller, bei dem für mich vor allem Paul Verhoevens „Basic Instinct“ und John McNaughtons „Wild Things“ die filmischen Favoriten sind, ist ein Genre, dass quasi nur noch ein Schattendasein fristet und es ab und an nur noch wenige Titel sowohl ins Heimkino als auch Kino schaffen. Einer dieser Filme, der bereits im Januar in den USA gestartet ist, sollte erst hierzulande einen Start im Heimkino erhalten, bis man sich für eine Kinoauswertung entschieden hat – und durchaus mit einer groß angelegten Plakat-Kampagne und einem prozyklischen Auftritt von Produzentin Veronica Ferres, ihrer Tochter und Hauptdarstellerin Lilly Krug und der Schauspielgröße John Malkovich beim TV-Erfolgsformat „Wetten dass …?“ scheint man ein wenig Hoffnung darin zu haben. Da ein Erotikthriller durchaus ein wenig Erfrischung in meinen Filmkalender bringen kann und der Trailer sowie die Werbung bei „Wetten dass …?“ mein Interesse geweckt hat, war ich einfach mal gespannt, was mich erwartet.
Der sich in Scheidung befindliche Tech-Millionär Chris lebt einsam und zurückgezogen in seiner stilvoll eingerichteten Villa. Bei einem Einkauf in der Nacht trifft er auf die attraktive Sky, die er bei m Weinkauf berät und ihr eine Fahrgelegenheit anbietet. Da Sky scheinbar Probleme mit ihrer Mitbewohnerin in einer Motelanlage hat bietet er ihr an, in seine Villa mitzukommen. Es entbrennt eine leidenschaftliche Affäre der Beiden, die eine extreme Richtung einschlägt, als Sky bei Chris einzieht, um ihn nach einem bei einem Angriff zerschmettertes Bein zu pflegen und kurze Zeit später auch die Mitbewohnerin von Sky tot aufgefunden wird.
Eingangs war ich bei „Shattered“ durchaus interessiert und fasziniert und gespannt, wohin die Reise des mit 92 Minuten kompakten Erotikthrillers hingeht, denn das doch recht minimalistische Setting, die Konzentration auf wenige Charaktere und auch die doch sehr einnehmende, attraktive, manipulative und geheimnisvolle Performance von Lilly Krug geht eingangs für mich noch sehr gut auf. Bis der Film dann im Verlauf inmitten seiner recht offensichtlichen Referenzen an filmische Vorbilder sehr rudimentäre, nicht immer glaubwürdig herausgearbeitete und unzufrieden stellende Auflösungen präsentiert, denn hier wäre durchaus mehr Potential drin gewesen. Denn so interessant auch die Gastauftritte von John Malkovich und Frank Grillo sind – da wäre mehr drin gewesen.
„Shattered“ – My First Look – 6/10 Punkte.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 29. November 2022 13:30
von AnatolGogol
Casino Hille hat geschrieben: 29. November 2022 12:31
Teil 2 ist klasse, wenn auch mehr eine Ergänzung zum ersten Film als ein für sich stehendes starkes Sequel. Teil 3 hat Wumms, ist aber nur eine laue Luftnummer gegen das brachiale Trash-Epos, welches Teil 4 darstellt. Die restlichen Fortsetzungen sind zu vernachlässigen.
Da muss ich intervenieren, das ist deutlich zu wenig euphorisch!
Teil 2 = Teil 1 in nicht ganz so gut, aber halt immer noch richtig gut 9 / 10
Teil 3 = kürzer, weniger Dramaanteil, aber dafür auch knalliger 7,5 / 10
Teil 4 = König aller Videoclips, cool as cool can und nebenbei wird noch schnell der Kalte Krieg gewonnen 9 / 10
Teil 5 = Laue Quasi-Rückbesinnung zu den Wurzeln, aber auch nicht so schlecht wie immer dargestellt 6 / 10
Teil 6 = Gelungene Wirklich-Rückbesinnung zu den Wurzeln mit deutlich mehr Charaktertiefe 8 / 10
In Kürze: es lohnt sich alle zu sehen, Rocky rockt in jedem Teil
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 29. November 2022 13:42
von Casino Hille
Naja, Teil 5 fällt ja auch bei dir ordentlich ab, also sind wir uns nur beim sechsten Film nicht einig.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 29. November 2022 13:45
von danielcc
AnatolGogol hat geschrieben: 29. November 2022 13:30
Da muss ich intervenieren, das ist deutlich zu wenig euphorisch!
Teil 2 = Teil 1 in nicht ganz so gut, aber halt immer noch richtig gut 9 / 10
Teil 3 = kürzer, weniger Dramaanteil, aber dafür auch knalliger 7,5 / 10
Teil 4 = König aller Videoclips, cool as cool can und nebenbei wird noch schnell der Kalte Krieg gewonnen 9 / 10
Teil 5 = Laue Quasi-Rückbesinnung zu den Wurzeln, aber auch nicht so schlecht wie immer dargestellt 6 / 10
Teil 6 = Gelungene Wirklich-Rückbesinnung zu den Wurzeln mit deutlich mehr Charaktertiefe 8 / 10
In Kürze: es lohnt sich alle zu sehen, Rocky rockt in jedem Teil
Das ist jetzt total witzig. Ich habe hier nur diesen Post gelesen ohne zu wissen um welche Serie es geht. Erst keine Ahnung, dann bei Teil 6 dachte ich "es geht wohl um Rambo" - aber es ist Rocky
(allerdings habe ich mich auch verzählt denn von Rambo gibt es nur fünf Teile oder)
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 29. November 2022 13:46
von Casino Hille
Yes, bei "Rambo" sind es nur fünf Filme. Und unser Anatol hat die Creed-Filme im Falle "Rocky" radikal unterschlagen.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 29. November 2022 13:47
von ollistone
Gibt es nicht sogar acht Teile? (Edit, okay, die "Creed"-Filme...)
Die Synchro fand ich interessant. Auf Jürgen Prochnow für Rocky wäre ich im Leben nicht gekommen. Und Hans Hessling als Rockys Trainer Mickey - lange überlegt, aber klar, Charlie Chaplin im "Großen Diktator"! Tolle Stimme.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 29. November 2022 14:21
von AnatolGogol
ollistone hat geschrieben: 29. November 2022 13:47
Die Synchro fand ich interessant. Auf Jürgen Prochnow für Rocky wäre ich im Leben nicht gekommen. Und Hans Hessling als Rockys Trainer Mickey - lange überlegt, aber klar, Charlie Chaplin im "Großen Diktator"! Tolle Stimme.
Asterix!
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 29. November 2022 14:45
von Casino Hille
"Dein liebes Näschen ist süß, Scampis sind auch süß vom Spieß!" – Sucht euch jemanden, der euch solche Komplimente macht!
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 29. November 2022 14:59
von vodkamartini
Natürlich unbedingte Empfehlung
Rocky: Klassiker, Drama, Milieustudie und trotz simpler Geschichte famos gespielt.(9,5/10)
Rocky II: Gelungene Fortsetzung und entgegen vieler Nörgler kein Remake, sondern eine Weiterentwicklung der Figuren. (8/10)
Rocky III: Launiger Zwitter zwischen 70er-Drama und 80er-Action. Ikonischer Titelsong und im letzten Drittel ein Knaller. (8,5/10)
Rocky IV: Top Gun im Ring, Testosteron und MTV, ein superber Song-Score, perfektes Entertainment und Zeitdokument. (9,5/10)
Rocky V: Überraschender Schlag ins Wasser, Rocky nur Trainer, was hier noch nicht funktioniert, belanglos (5/10)
Rocky Balboa: Tolles Alterswerk, besser als John Rambo, näher am ersten Film als alle anderen (9/10)
Creed I und II auch empfehlenswert, aber hauptsächlich wegen Stallone.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 29. November 2022 15:44
von ollistone
AnatolGogol hat geschrieben: 29. November 2022 14:21
Asterix!
Natürlich!
Meine erste Assoziation mit der Stimme war in der Tat Zeichentrick oder Comic, aber auf Asterix bin ich nicht gekommen. Obwohl ich damals sogar die Hörspielkassetten hatte.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 30. November 2022 13:27
von HCN007
iHaveCNit: Zeiten des Umbruchs (2022) – James Gray – Universal
Deutscher Kinostart: 24.11.2022
gesehen am 16.11.2022 in OmU in der Spotlight-Sneak
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 4, Platz 9 – 21:00 Uhr
gesehen am 29.11.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Petit – Reihe 1, Platz 5 – 16:15 Uhr
Irgendwie kommt es mir so vor, als ob wir sowohl am Anfang des Jahres als auch am Ende des Jahres 2022 zwei Filme auf die Leinwand bekommen haben, die sich thematisch ähnlich sind und zeigen, dass es durchaus Trend ist, dass Regisseure sich gerne an ihre Kindheit zurück erinnern und dies im besten Sinne von Coming-Of-Age-Filmen mit einem gesellschaftlichen Zeitporträt verbinden. So erging es mir bei Kenneth Branaghs „Belfast“, an den ich irgendwie denken musste, als ich mir James Grays „Zeiten des Umbruchs“ angesehen habe.
Kurz vor der Wahl von Ronald Reagan zum US-Präsidenten verbringt der junge Paul den Spätsommer im New York des Jahres 1980. Paul, der unter seiner vielbeschäftigten Mutter, seinem strengen Vater und seinem mobbenden Bruder leidet und bei dem scheinbar nur der Großvater einen Zugang zu dem Jungen findet, lernt zu Beginn des Schuljahres den wiederholenden, afroamerikanischen Jonathan kennen und freundet sich mit diesem an. Inmitten seines Umfeldes bringt diese Freundschaft jedoch einige Konflikte hervor, die für Paul zu prägenden Ereignissen und Erkenntnissen sorgen.
Für mich ist ein aktuelles Problem vieler Filme, dass man grundsätzlich thematisch viel zu viele Themen auf einmal verhandeln möchte und damit einiges wesentlich auf der Strecke bleibt und nur oberflächlich abgehandelt wird. So ist es leider auch bei James Grays „Zeiten des Umbruchs“ beziehungsweise „Armageddon Time“. Denn das Familiendrama einer jüdisch-ukrainischen Familie, indem das Ensemble aus Anne Hathaway, Jeremy Strong und vor allem Anthony Hopkins großartig spielt, hat mir sehr gut gefallen. Auch die Dynamik zwischen dem von Banks Repeta gespielten Paul mit Anthony Hopkins als auch die Dynamik mit dem von Jaylin Webb gespielten Jonathan hat mir sehr gut gefallen. Da steckt sehr viel Herz, Wärme, aber auch im weiteren Verlauf ein bitterer Beigeschmack darin, der dem Coming-Of-Age-Drama das gewisse Etwas gibt. Der Film bildet gesellschaftlich hier eine Zeit wieder, die durchaus prägend für die Entstehung eines Staates ist, indem zum Beispiel ein Donald Trump Präsident werden konnte. Da passt es durchaus, dass sowohl sein Vater als auch seine Schwester (hier mit einem interessanten Cameo von Jessica Chastain dargestellt) einen filmischen Auftritt haben. Darüber hinaus bekommen wir durchaus mit, welche unterschiedliche Formen und Härten der Alltagsrassismus mit seinen Ressentiments in den vereinigten Staaten gegenüber jüdisch-ukrainischen Einwanderern als auch afroamerikanischen Bevölkerungsgruppen existieren und dass hier durchaus keine Chancengleichheit besteht.
„Zeiten des Umbruchs“ - My First Look – 8/10 Punkte.
iHaveCNit: Bones and All (2022) – Luca Guadagnino - Warner
Deutscher Kinostart: 24.11.2022
gesehen am 29.11.222
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 4, Platz 9 – 20:45 Uhr
Zu Regisseur Luca Guadagninos Werken pflege ich ein sehr bipolares Verhältnis. Ungeachtet der qualitativen Komponente seiner Filme schlagen seine Filme immer eine andere Richtung ein. Während mich „A Bigger Splash“ und „Suspiria“ eher gelangweilt haben, hat mich „Call Me By Your Name“ fasziniert und emotional mitgerissen. So sehr sogar, dass „Call Me By Your Name“ am Ende in meiner Jahres-Top-10 gelandet ist. Gerade da einige Komponenten von „Call Me By Your Name“ nun auch in „Bones and All“ enthalten sind, war bei mir eine gewisse Hoffnung vorhanden, dass er auch in die gleiche Richtung ausschlägt wie „Call Me By Your Name“. Auch wenn er nicht ganz die emotionale Faszination bei mir ausgelöst hat, geht er wieder in die richtige positive Richtung.
Die junge Maren führt gemeinsam mit ihrem Vater ein einsames, isoliertes Leben, denn ihr Vater möchte sie weitestgehend von ihrem Umfeld abschotten bis sich Maren eines Abends aus dem Haus schleicht und einen Abend bei ihren Freundinnen verbringt. Dort kommt es zu einem folgenschweren Zwischenfall, der Maren und ihren Vater dazu zwingt, das Haus und die Stadt zu verlassen. Kurze Zeit später wird Maren auf sich alleine gestellt sein, denn ihr Vater verlässt sie und hinterlässt ihr Hinweise auf ihre Vergangenheit, so dass sich Maren auf die Reise nach ihrer Mutter begibt. Dabei trifft sie nicht nur auf den verrückten Sullivan, sondern auch auf den charismatischen Lee, die scheinbar ähnliche Gelüste teilen wie sie selbst.
Luca Guadagninos „Bones and All“ ist eine faszinierende, aber auch gemächliche, fast meditative Mischung aus Road-Movie, Coming-Of-Age und Romanze mit Horror-Elementen. Inszenatorisch hat mir die Umsetzung des Filmes sehr gut gefallen. Auch wenn es um die Horror-Elemente geht, geht der Film nicht ganz unzimperlich mit einer visuellen Darstellung um. In welche Horror-Richtung es hier geht, möchte ich dieser Stelle nicht sagen, aber die Richtung im Allgemeinen kann man hier durchaus auch mit Suchterkrankungen gleichsetzen und auch die filmische Zeichnung der Gesellschaft wie mit diesen Menschen umgeht und Menschen mit diesen Suchterkrankungen entsprechend normalisiert und menschlich dargestellt werden mit ihren Ängsten, Hoffnungen und auch Bedürfnissen, zu denen natürlich auch körperliche Nähe und Liebe dazugehört. Während zum einen Mark Rylance als auch Michael Stuhlbarg für zwei extrem prägnante und großartige Nebenrollen sorgen, ist das nach ihrer großartigen Performance in „Waves“ nun ein weiterer starker Eintrag für Taylor Russell und Timothee Chalamet ist hier natürlich als Leinwandpartner eine großartige Ergänzung. Schade fand ich hingegen, dass im Soundtrack für meinen Geschmack etwas gefehlt hat – wenn man bereits im Trailer mit einem Stück von Leonard Cohen nutzt, hätte ich gerne durchaus auch etwas Cohen im Film vermutet. Unabhängig davon ist der Film dennoch ein großartiges Erlebnis, das mit Knochen, Blut und Allem meinen Geschmack getroffen hat.