Inglorious Basterds
Quentin Tarantino, 2009
Das Urteil von Nürnberg (1961), Holocaust (1978), Schindlers Liste (1993).... Diese Filme stellen die Extremen ihrer Zeit in der filmischen Konfrontation der Gesellschaft mit den Grausamkeiten der Nazis dar. Die Grausamkeiten an die Welt - speziell die Juden.
Tarantino jedoch dreht den Spieß um, indem er im Laufe seines Films die historischen Fakten in einem Maß ignoriert, wie es nie ein Film vor diesem tat, was ihm nur die oben genannten Filme ermöglichten und die Tatsache, das die Gewalt - abgesehen vom Anfang - sich nur gegen die Nazis richtet. Das hatte für Tarantino einen Vorteil, wegen dem er sich wahrscheinlich jetzt noch verstohlen die Hände reibt. Er konnte seine Gewaltausbrüche in einem sich selbst übertreffenden Maß für Zuschauer unter 18 Jahren und ohne den Folgen ethischer Kritik auf die Leinwand fabrizieren. Seine Gewaltausbrüche sind ein Grund, warum ich ihn mit einem kritischen Blick betrachte. Aber nie waren sie gerechtfertigter als in diesem Film. Während ich mich bei einem seiner Gangster-Filme eher geekelt hätte, habe ich hier mich hier amüsiert…
Glücklicherweise sucht man diesmal pseudo-coole Dialoge vergeblich. Sie sind sogar richtig gut, wenn auch oft lang, was sich jedoch bei zwei Stellen mit der bösen Vorahnung eines Konflikts dermaßen aufsaugt, das das Herz schneller pocht.
Eine Passage zählt für mich zu einer der Besten überhaupt. Es ist Landaus Juden-Ratten Vergleich. Auf simple Weise wird hier perfekt die Ideologie der Nazis erklärt. Jede Nation schlachtet massenweise etwas ab, was sie als niedere Lebensform ansieht (Tiere) und somit die Tat als absolut gerechtfertigt sieht. Warum ist dann das massenhafte Töten von etwas, was die Nazis aus gleicher Überzeugung als untere Lebensform ansehen, nicht gerechtfertigt? Landaus Gesprächspartner antwortet hier genau richtig: „interessanter Vergleich“. Diese Frage stellte man sich zu Zeiten der Nürnberger Prozesse ebenfalls. Kann man Menschen für eine Untat an den Galgen bringen, die ihre eigene Ideologie aus Überzeugung als absolut gerechte Tat bezeichnet? Zum Glück haben die Amerikaner darüber nicht allzu lange nachgedacht. Und Tarantino auch nicht, wenn er seinen Basterd die nächste richtige Antwort geben lässt: „….Deshalb werden wir sie auch nicht wie menschliche Wesen behandeln“. Sie werden quasi mit ihrer eigenen Ideologie bekämpft.
So etwas Tiefgründiges, das noch offensichtlicher als der sehr ähnliche Vergleich in der Story von Camerons Aliens ist, hatte ich Tarantino gar nicht zugetraut.
Was ich ihm jedoch umso mehr zutraute, waren endlose Szenen mit denen er wohl die seines Vorbilds Sergio Leone in den Schatten stellen wollte. Trotzdem leidet das Pacing über die drei Stunden wenig, das aber nur, weil die Szenen mit Christoph Waltz von einer intensiven Grundspannung beherrscht sind. Hanz Landa elektrisiert Dialoge und Situation dermaßen, das man nicht zu blinzeln wagt, da man mit allem Rechnen muss. Neben dem jüngsten Joker einer der best geschriebenen und gespielten Schurken der Filmgeschichte. Ohne ihn wäre der Film in sich zusammengefallen wie ein Kartenhaus.
Aber auch Brad Pitt spielt den amerikanischen Draufgänger überzeugend. Hier wird deutlich, dass sich Tarantino an Leones „Zwei glorreiche Halunken“ orientiert. Brad Pitt ist wie Clint Eastwood der einzige Charakter dem man die Rolle des Protagonisten zuschreiben kann und Inglorious Basterds hat ähnlich wie Zwei glorreiche Halunken über eine weite Strecke kein Rückgrat. Erst wenn das Kino ins Spiel kommt „geht es um etwas“.
Das Kino und die Premiere von Goebbels Film ist ein raffinierter und amüsanter Einfall, zunehmend spannend (Grandios ist die Erwürgungsszene!) und am Ende sehr überraschend, doch gerät durch das Maschinenpistolenmassaker ins lächerliche.
Umso stärker ist dann aber die Endszene mit Pitt und Waltz im Wald, dessen sehr intensive Inszenierung einzig und allein Landas sonst ungeschorenes Davonkommen vor dem Publikum rechtfertigt.
Tarantino inszeniert das Ganze mit ein paar guten ästhetischen Griffen, wie die gekippte Bildkomposition in der Keller-Bar, Hitchcocksche Aufnahmen aus der oberen Ecke eines Raums und arbeiten mit dem Off-Screen für Schockmomente. Wieder aber schustert er Musik zusammen die zwischendurch einfach nicht passt, obwohl mir dieser Western-?Wiener-Walzer? in der Eröffnungsszene gefiel. Trotzdem hätte mehr original komponierte musikalische Untermahlung zur Atmosphäre beigetragen die durch das schöne Setting vorhanden ist.
Genauso hätte er die ganze Szene mit den Basterds in dem Graben entfernen und ersetzen können, die vor allem durch dem „Bärenjuden“ wieder typisch unreal und effekthaschend wirkt, sowie das „Brett vorm Kopf“ Spiel mit den deutschen Flitzpiepen in der Keller-Bar kürzen können.
7,5 von 10 Punkten
PS: Den Holzhacker Establishing-Shot gibt es auch in Eastwoods wesentlich lahmeren Unforgiven.
