Re: Zuletzt gesehener Film

11146
Was ich in der Hinsicht "Wake Up Dead Man" positiv anlaste, was ich so bei den Vorgängerfilmen nicht kann, ist, dass er zwar über die Institution Kirche und die republikanische Auffassung von Christentum herzieht, aber den Glauben selbst sehr respektvoll behandelt. Der ganze Film dreht sich um einen Priester auf dem Weg zu seiner Priesterwerdung, der seine innere Heiligkeit entdeckt, gewissermaßen. Der Film ist seine Glaubensprüfung, seine finale Taufe. Das finde ich schön austariert in Verbindung mit der (immer notwendigen) Kritik am fundamentalistisch-republikanischen Christo-Faschismus Amerikas.
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Re: Zuletzt gesehener Film

11147
Ja das ist so! Besonders stark sind dabei zwei Szenen. die erste die zunächst als Gag daher kommt, wo der Priester mit der Frau von der Baufirma telefoniert - und Benoit Blanc dann schon erkennt, dass der Junge wirklich eine Berufung hat. Die zweite dann die finale Beichte, wo der Close Charakter meint, sie haben dem falschen Priester gebeichtet
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Re: Zuletzt gesehener Film

11148
Wake up dead man

Dritter Fall aus dem „Knives Out“-Universum für den dandyhaften Poirot-Epigonen Benoit Blanc. Beim Mord um einen herrischen Priester geht es wieder etwas geerdeter zu, ohne dass Autor und Regisseur Rian Johnson auf seine gewohnt bissige Gesellschaftskritik verzichten müsste.

Sind wir ehrlich. Seit Peter Ustinov vor beinahe 40 Jahren zum letzten Mal als Hercule Poirot den besonders schlauen Mördern das Fürchten lehrte, ist auch gleich der Vorhang für den stilvollen Whodunit als relevantes Genre gefallen. Dieser unfreiwillige Dornröschenschlaf sollte bis 2019 dauern, als ein gewisser Benoit Blanc in die übergroßen Fußstapfen von Agatha Christies berühmtester (Ermittler-)Figur treten sollte. Auch hier wurde ein großer Star - James Bond-Darsteller Daniel Craig - für den Part eines ebenso verschrobenen wie genialen Detektivs engagiert sowie eine erkleckliche Zahl weiterer großer Namen aufgerufen, um den recht umfangreichen Kreis der Verdächtigen so illuster wie möglich zu gestalten. Fehlte nur noch ein undurchsichtiger und scheinbar unlösbarer Mordfall. KNIVES OUT - Mord ist Familiensachelieferte natürlich auch den und dank eines globalen Einspiels von über $300 Millionen war der klassische Whodunit plötzlich wieder en vogue.

Der Streamingriese Netflix erkannte am schnellsten das Potential des wiedererstarkten Genres und sicherte sich die Rechte an zwei weiteren Filmen rund um Benoit Blanc. GLASS ONION: A KNIVES OUT MYSTERY (2022) erhielt daher nur einen limitierten Kinostart, sorgte aber für enorme Zugriffszahlern unter den Streaming-Kunden. Für den dritten Film gab es dann konsequenterweise lediglich ein paar Alibi-Kinotage, schließlich gilt die Vorweihnachtszeit auf für die Streaming-Plattformen als ganz besonders lukrativ. Und WAKE UP DEAD MAN dürfte ein drittes Mal die Korken knallen lassen, schließlich sind alle bewährten Zutaten der beiden Vorgänger wieder prominent vertreten.

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Re: Zuletzt gesehener Film

11150
Findet ihr nicht auch, dass den drei "Knives Out"-Filmen eine richtig clevere überraschende Auflösung fehlt? Teil der Faszination der alten Agatha Christie Stoffe liegt ja darin, wie überraschend und unerwartet sie einen Poirot die Fälle am Ende aufdecken lässt. "Murder on the Orient Express", für mich ein bisschen die Mutter aller Whodunnits, lebt entscheidend von seiner verblüffenden und sehr raffinierten Auflösung, und wie genial da am Ende nicht nur jede kleine Frage minutiös beantwortet wird, sondern über diese Erklärung des Kriminalfalls der Film auch in seinen Motiven zum Abschluss kommt. Selbiges gilt im ähnlich genialen Maße für "Death on the Nile", und wenn wir in die Romane gucken, dann sind Geschichten wie "Alibi" (alias "The Murder of Roger Ackroyd"), "Die Morde des Herrn ABC" oder "Mit offenen Karten" so wunderbar vielschichtig und verworren, und wie ihre jeweiligen Twist-Enden konstruiert werden großer Rätsel-Spaß.

Mir kommt dieses Miträtseln bei den Filmen von Johnson entschieden zu kurz und eine richtige Hammer Pointe am Ende hatte er bislang ehrlicherweise auch nicht vorzuweisen. In "Glass Onion" ist das noch zu verzeihen, da der zentrale Witz des Films darin liegt, dass hier eben gar nichts Cleveres vorgeht und das Murder Mystery überhaupt kein echtes Mystery ist, sondern der offensichtliche Täter es war und der Meisterdetektiv sich alles viel aufregender und komplizierter vorgestellt hat. Aber in "Wake Up Dead Man" ist der/die Hauptschuldige (samt Motiv) ziemlich früh sehr klar, und Johnson zeigt so wenig Interesse in viele seiner Nebenfiguren, dass diese als Verdächtige nie wirklich entwickelt werden (und somit als Täter nicht in Frage kommen). Und auch in "Knives Out" war es so, dass die Hälfte der vermeintlich Verdächtigen kaum Profil erhielten und der Kreis der in Frage kommenden so schnell eingrenzbar war.

Was ich damit sagen will: Poirot und Columbo hätten in allen drei Filmen die Nuss erheblich schneller geknackt.
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Re: Zuletzt gesehener Film

11151
Also, ich kenne nur Filme. Ich habe ein mal eine Christie Roman versucht zu lesen (es war einer mit Miss Marple) und das war so furchtbar langweilig, dass ich nicht weitergelesen habe.
Vom Film her zu urteilen: Mord im Orientexpress zeigt doch schon sehr früh sehr deutlich, dass alle unter einer Decke stecken oder?
Generell mag ich es in Whodunnits aber auch nicht, wenn am Ende alles in einem langen Monolog aufgeklärt wird, und man als Zuschauer nicht das Gefühl hat, dass man da mitkommt oder mitraten konnte.

Knives Out empfinde ich als x mal raffinierter als die Christie Verfilmungen die ich kenne. Die Auflösung ist da nur ein Teil davon, vor allem aber ist der Weg dahin und die Wendungen unterwegs viel raffinierter. Der Kern um den Mord/Selbstmord ist absolut genial. Das sind so Dinge wo ich mich frage: wie kann man darauf kommen.

Glass Onion... naja. Der Film hat sich ja irgendwie einen Spaß daraus gemacht, den gespielten Whodunnit sofort durch Blanc auflösen zu lassen, und präsentiert stattdessen ein recht armes Finale mit einem Clue der auch gar nicht so doll ist.

Wake Up Dead Man: Ach das ist sicherlich auf Christie Niveau. Auch da gibt es ja eigentlich zig Wendungen und Umwege, die alle zur Raffinesse beitragen. Im Kern geht es oberflächlich um den unmöglichen Mord, aber es geht ja dann doch um viel mehr was aufgeklärt wird.


Ne, kann ich ehrlich nicht nachvollziehen
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Re: Zuletzt gesehener Film

11152
danielcc hat geschrieben: Heute 12:07 Vom Film her zu urteilen: Mord im Orientexpress zeigt doch schon sehr früh sehr deutlich, dass alle unter einer Decke stecken oder?
Nein, auf keinen Fall. Jedenfalls nicht das Original von 1974. Nach und nach wird die Geschichte deutlich wirrer, weil immer mehr Fahrgäste einen Bezug zu dem alten Entführungsfall haben, aber bis zur Auflösung von Poirot wird da keine Massenkomplizenschaft verdeutlicht. Das wäre ja auch völlig kontraproduktiv, denn - auch wenn es dir vielleicht eher nicht so gefällt - im klassischen Whodunnit endet nun mal alles mit dem großen Monolog des Detektivs, der lang und breit, und im Idealfall überraschend für uns Zuschauer, erklärt, wer es wie und warum gewesen ist.

Ich finde eben lustigerweise, dass sich bei "Murder on the Orient Express" und "Death on the Nile" sehr gut mitraten lässt und das macht einen Teil des Spaßes aus. Der originale Orientexpress Film besteht aus einer halbstündigen Exposition und schneidet dann in voller Länge Verhöre mit allen Fahrgästen hintereinander, ehe Poirot die Auflösung präsentiert. Noch mehr "Rätsel"-Struktur geht in einem Krimi eigentlich nicht. Das ist gewissermaßen der perfekte Mitrate-Krimi. Da finde ich Johnsons Filme weniger ausgeklügelt. Bei "Wake Up Dead Man" ist ziemlich schnell zu offensichtlich, wer es wohl gewesen sein muss - und um ehrlich zu sein hilft da die Besetzung auch nicht. Die Idee, alle Mitglieder des Ensembles mit großen Namen zu besetzen, soll ja (schon in den alten Poirot Filmen) vermeiden, dass man anhand des Casts Rückschlüsse darauf ziehen kann, wer der Täter ist. Das funktioniert allerdings nur eingeschränkt, wenn der mit Abstand größte Name die unauffälligste Rolle bekommt und damit eben hyper-offensichtlich der Täter sein muss. :wink:
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Re: Zuletzt gesehener Film

11153
Christie Krimis sollen, wie ich mal gelesen habe, so ziemlich alle gleich konstruiert sein, alle sind verdächtig, aber am Ende war es der/die Einzige der/die nicht verdächtigt wurde. Ich muß sagen bei allen Verfilmungen die ich bislang gesehen habe, war das auch so. Soll heißen es war immer klar wer der Täter war, wenn man erst einmal das Prinzip durchschaut hatte.
Einzige Ausnahmen sind Murder on the Orient Express (alle sind verdächtig, alle waren es) und 10 Little Niggers (alle sind verdächtig, aber am Ende sind auch alle tot), und diese Beiden sollen denn auch deswegen ihre berühmtesten Romane sein.

Vielleicht war es nicht immer ganz so schematisch, aber die Verfilmungen die ich kenne liefen genau so ab. Es war sogar meist noch einfacher zu enträtseln weil der Unverdächtige immer von einem eher bekannten Schauspieler verkörpert wurde, und dessen Rolle vor der Auflösung scheinbar für die Handlung unwichtig war.
Jedenfalls ist mir voll klar warum Hitchcock eigentlich keine Whodunits mochte (und sie doch in Einzelfällen gemacht hat, dann wenn es wirklich mehr brachte als nur eine vorhersehbare billige Überraschung, die eben keine ist wenn man sie schon meilenweit kommen sieht.
Zuletzt geändert von Maibaum am 17. Dezember 2025 12:42, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Zuletzt gesehener Film

11154
Sehe ich anders (P.S.: als Hille; aber genau so wie Maibaum). Spätestens wenn klar wird, dass jeder was mit dem Fall zu tun hatte, ist doch klar, dass das kein Zufall ist. Aber wie auch immer. Selbst dann finde ich die Auflösung nicht wirklich genial.

Bei Nil finde ich das ganz schlimm sogar. Poirot tut im Film nichts anderes als ständig neue absurde Varianten durchzugehen bis er - gefühlt aus Zufall - auf die Lösung kommt. Ne, finde ich gar nicht clever eher ärgerlich.
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Re: Zuletzt gesehener Film

11155
Gebe Hille schon Recht: Wirklich miträtseln ist das bei der "Knives Out-Reihe" nicht.

Im dritten Teil habe ich mir auch schon gedacht wer der Täter sein könnte, allerdings dachte ich mir auch "Nein, das wäre zu offensichtlich, so einfach werden sie es uns bestimmt nicht machen." Aber genauso war es dann auch.

Vom missratenem zweiten Teil will ich gar nicht erst reden.

Höchstens im ersten war es so ein bisschen was zum miträtseln. Wirklich überraschend war es aber auch nicht.
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