Als LaLaLand vor einiger Zeit in einem Nebensatz die Veröffentlichung von "On Her Majesty's Secret Service" (OHMSS) ankündigte, war auch das, ähnlich wie Moonraker eine kleine Sensation.
Im Gegensatz zum Letztgenannten, war zwar nicht unwahrscheinlich, dass da irgendwann nochmal eine Fassung kommen wird, aber dann doch so schnell?
OHMSS genießt unter den Hardcore-Bond-Fans einen sehr guten Ruf und die Musik wird von nicht gerade wenigen als John Barrys beste Bond-Musik bezeichnet. Ich gehöre definitiv zu dieser Gruppe, wenngleich ich zugebe, dass You Only Live Twice ein wunderbarer Barry-Bond-Score ist und ganz dicht an der Nummer 1.
Aber was John Barry für diesen Film geschrieben hatte (wie er mal zugab eher mit Sean Connery im Hinterkopf, zumindest beim Song) ist wirklich beeindruckend. Da ist dieses kultig, charismatische Titelthema, welches Barry vor allem für die Actionsequenzen einsetzt und dann dieses zum Niederknien schöne Thema, welches John Barry für die Romanze zwischen Bond und Tracy einsetzt.
Es gibt noch "Neben"-Themen die in der Regel einzeln vorkommen, dabei aber so wunderschöne Melodien, wie Barry sie für den Weg zum Piz Gloria schrieb und in denen die Hörner brillieren.
Nun liegt sie also seit gestern hier...die LaLaLand von OHMSS und ist mittlerweile zweimal im Player rotiert. Was soll ich sagen...ich bin begeistert.
Abermals zeichnet Neil S. Bulk als Produzent verantwortlich, es gibt wieder einen hochinformativen Booklet-Text von Jon Burlingame, den man mit Fug und Recht als einen (Bond-)Musik-Experten bezeichnen kann und der wieder mit allerlei Informationen glänzen kann, sein Bond-Musik-Buch sei hier nochmal wärmstens empfohlen!
Hinzu kommt ein Vorwort von Bond-Nachfolge-und Barry-Fan-Komponist David Arnold, der hier seine Meinung zum Score abermals kundtut und das Ganze für den besten Bond-Score hält. Hinzu kommen in der Erinnerung noch seine Worte zu einer Doku vom Ende der 1990er/Anfang der 2000er, wo er das Titelthema als einen "Killtertune" bezeichnet. Völlig zurecht.
Neil S. Bulk liefert uns auf zwei Seiten Tech-Talk...höchst interessant und wir erhalten einen Einblick darin, was für ein Genie (nicht übertrieben) dieser Mann ist! Ich verlinke am Ende auch noch seinen Block-Beitrag zur Produktion, der mit vielen weiteren Details gespickt ist!
John Barry setzte für das Historien-Drama "The Lion in Winter" ja schon den Moog-Synthesizer ein und auch im "Midnight Cowboy" kam er zum Einsatz. Hier nun wollte John Barry noch mehr damit "spielen" und so holte er sich Unterstützung vom Platten-Produzenten Phil Ramone, der im half, dass der Moog live (!) zum Orchester gespielt werden konnte! Barry gab ihm dafür drei Wochen Zeit und so kontaktierte Ramone sogar Mr. Moog höchstselbst, um das zu bewältigen.
Fakt ist, die Moog-Einsätze wurden tatsächlich live zur Orchestereinspielung in einem Neben-Raum eingespielt. Da der Moog-Synthi die Größe des, die ganze Wand einnehmenden Eiche brutal-Wohnzimmerschrankes von Oma Hildegunde hat (der Name ist frei erfunden...Ähnlichkeiten mit tatsächlich so heißenden Omas sind rein zufällig
Nun hatte Lukas Kendall ja schon 2003, wenn auch unter großen Zeit- und Budget-Druck einige Bond-Musiken verlängern können und eben auch OHMSS. Dieses Album war (und ist) eine runde Sache...79 Minuten Musik, von Douglas Schwartz remastert - was will man mehr. Kendall musste aber wohl, wenn ich mich recht erinnere, die alten Album-Programme voran stellen und dann das Bonus-Material. Nun, der Fuchs der er ist, ging er aber her und nahm einige Kürzungen im Album-Programm heraus, wodurch die 2003er OHMSS-CD durchaus ein Unikat ist, weil es eben nicht das Original-Album enthält, sondern eine expandierte Album-Fassung plus zusätzliche Tracks.
LaLaLand geht nun den Weg, dass wir hier die komplette Musik, wie von John Barry intendiert, zu Gehör bekommen, dann das Ur-Album-Programm (welches makellos klingt - inwieweit das Album rekonstruiert wurde, sprich neu geschnitten oder ob die für's Album gedachten Stücke vorlagen weiß ich ehrlicherweise nicht - sie klingen aber teils durchaus anders und haben manchmal etwas Hall oder eben, wie z. B. in der Album "Ski Chase" eine mit Flatterzunge gespielte Flöte mit Hall in der Mitte, während die Filmfassung ohne Hall ist und die Flöte links platziert wurde) und einige Alternates.
Ich muss wohl nicht sagen, dass der Klang makellos ist! Es gibt ein, zwei Stellen an denen z. B. eine mit Hall spielende Flöte etwas verzerrt...aber das scheint der Aufnahme selbst geschuldet zu sein, aber ansonsten? Großartiger, sehr direkter und trockener Klang, der im Prinzip kein Detail vermissen lässt. Douglas Schwartz hat hier wirklich hervorragend gearbeitet (aus meiner Laiensicht).
Schon bei der 2003er war ich zwar verwundert, dass die Musik "trockener" klingt, als das Album oder die Musik im Film. Fälschlicherweise ging ich davon aus, dass man den Hall weggenommen hat, der natürlicherweise eine Eigenart der CTS-Studios gewesen war und man nach dem Umbau des Studios Anfang der 1980er dann den Hall künstlich hinzufügte...tja, ich weiß nun, dass es genau umgekehrt war.
Vor dem Umbau hatten die eigentlich kleinen CTS-Studios einen knochentrockenen Klang, dem man meist etwas künstlichem Hall hinzugab. Das erklärt also, warum die Musiken aus den CTS-Studios bei den 2003er-Versionen sehr trocken klangen.
John Barry hatte allen Ernstes 88 Minuten Musik für den Film geschrieben...zum Einsatz kamen letztlich 79 Minuten. Einige Stücke wurden im Film dann doch noch gekürzt oder wurden komplett nicht verwendet.
Wer sich nun fragt: warum diese CD, wo doch dann die 2003er quasi (fast) alles hatte? Die Bonus-Stücke die wir hier erhalten, der Aufwand den Neil S. Bulk hier betrieben hat (so fand er heraus, dass der Main Title damals am Original-Aufnahme-Tape geschnitten und mit einem anderen Stück kombiniert wurde und man so, sowohl für die 2003er-CD als auch für die 5.1 Mixe des Filmes ab 2006 falsche Takes verwendete!) und das ohne das noch groß schriftliche Unterlagen existierten, die Bulk geholfen hätten, die diversen Takes zu sortieren.
All das hat dieser Mann mit seiner üblichen Arbeitsweise geordnet: die Takes gegen die Mono-Musik-Fassung zu stellen und so die Takes auseinanderhalten zu können die verwendet wurden oder später zusammengeschnitten.
Haarsträubende, intensive Arbeit, die zu einer mustergültigen Edition geführt hat.
Neben den bekannten Stücken sind es aber die Bonus-Stücke die einem diese Edition so versüßen! Da wäre die Prelude for Guitar and Strings zu nennen...Peter Hunt hat dieses wunderbare fast dreieinhalb minütige Stück auf Dracos Geburtstagsparty im Hintergrund verHun(t)zt
Man hört eine Solo-Gitarre die von Orchester begleitet wird und vom Gestus an die Romance for Guitar and Orchestra aus "Deadfall" erinnert. Wunderbares Stück!
Im wunderschönen Song "We have all the time in the World" bekommen wir hier endlich die Filmversion zu Gehör, die hier im Film-Mix mit einem zusätzlichen Gitarren-Overlay dargeboten wird.
Das wunderbar, majestätische "Journey to Blofeld's Hideway" erklingt hier gänzlich ohne Verzerrung in der Film-Version.
Zwei Stücke fehlen in der Score-Präsentation. Stück 1: Escape from Piz Gloria. Der Titel ist in der Score-Präsentation in einer anderen Einspielung enthalten. Das Original wie im Film zu hören (mit diesen wirbelnden Kontrabässen und Cellis) existierte nicht auf den Score-Bändern, sondern nur auf dem Mono-Music-Stem. Auch Stück 2: "Tracy to the rescue", die Musik wenn Bond telefonieren will und aus der Telefonzelle flüchten muss und in Tracys Auto steigt, war nur auf einem Mono-Stem zu bekommen.
Chris Malone, der Sound-Guru wurde beauftragt die Mono-Stücke, entgegen seiner eigentlich Überzeugung in Pseudo-Stereo erstrahlen zu lassen. Das hat er getan und wirklich überzeugend! Dennoch klingt es natürlich anders und so ist die Entscheidung, diese beiden Stücke in der Bonus-Abteilung zu präsentieren nachvollziehbar.
Ein weiteres Highlight sind die Alternativ-Fassungen des Songs...da ist eine instrumentale Fassung, die typisch Barry für diese Zeit leicht angepoppt klingt und mich von der zu spürenden "Wärme" an Henry Mancinis "Wait until dark" erinnert, wo auf der FSM-CD ein Alternate des Main Titel präsentiert wird, der sehr streicherbetont ist.
Das Juwel der Alternates ist aber eine nicht genutzte Film-Fassung des Songs. Der Song beginnt mit Kontrabässen und Cellis die das Thema spielen, dann setzt die Gitarre ein, eine Solo-Trompete "scharf" links und darüber dann Louis Armstrongs sehr brüchige Stimme, die dabei aber eine solche Wärme und emotionale Tiefe an den Tag legt, dass es einen richtig packt.
Man weiß, dass Armstrong zum Zeitpunkt der Aufnahmen schon anderthalb Jahre sehr krank gewesen war und er z. B. die Trompete nicht mehr spielen konnte. Da ihm das Thema gefiel willigte er dennoch ein und kam ins Studio. In Jon Burlingames - Buch wurde Phil Ramone zitiert, der meinte man hätte in New York zwei, drei Takes aufgenommen.
Aufgrund der Tatsache, dass wir hier dann "nur" noch eine Fassung des Songs haben, die hörbar anders betont ist, waren es wohl zwei Takes...aber ganz ehrlich: für mich ist dieser (für den Film gekürzte) Alternativ-Take DIE Fassung. Wie gesagt: die Art wie Armstrong hier singt packt einen sofort!
Im Bonus-Material findet sich natürlich auch noch eine "wild instrumental"-Version des schaurig, schön gruseligen Weihnachts-Song "Do you know how Christmas trees are grown?. Diese Fassung weiß tatsächlich zu gefallen.
Der von Nina gesungene Song gefällt mir ehrlich gesagt weniger. Ich weiß nicht ob es am Kinderchor liegt oder an Nina selbst...oder an Beiden. In dem Fall habe ich tatsächlich immer die Deutsche Version von Katja Ebstein bevorzugt!
Vieles von dem was mir beim Hören durch den Kopf ging ist mal wieder weg...nicht sofort notiert. Dennoch hoffe ich, dass ich die Begeisterung für diese Ausgabe ein wenig rüber bringen konnte und ich dieses Album Barry- und/oder Bond-Fans sehr ans Herz legen möchte!
Eine mustergültige Ausgabe, die die famose 2003er-Ausgabe nochmal übertrifft und auch so interessante Stücke bietet wie "Deep Hypnosis" welches in der Filmfassung gibt und als Bonus mit dem Moog-Synthie-Overlay, welches die Hypnose-Töne enthält...Herz was willst du mehr!?! Außerdem wurde für das Cover das Alternativ-Kinoplakat verwendet, welches mehr her macht, als das Original.
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