Re: Mega Flops - Das Blockbuster Kino geht den Bach runter

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Ich war letztes Wochenende nach langem (ich gehe vergleichsweise selten ins Kino, nur, wenn es in meinen Augen tatsächlich ein Film ist, der auf der großen Leinwand goutiert werden muss oder spontan gefragt werde ob ich Lust habe, mitzukommen) in unserem Kino und war geschockt: Samstag Abend und das Kino war wie ausgestorben. Im Kinosaal waren wir etwa 8 Zuschauer. Im Foyer keine Menschenseele, gähnende Leere allerorten. Und das, wo Samstag hier immer die Hölle los war.
War das Zufall oder sind das wirklich die Zeichen der Zeit? Dann fürchte ich, ist es um die Zukunft des Kinos tatsächlich nicht zum besten bestellt.
You have this nasty habit of surviving

Re: Mega Flops - Das Blockbuster Kino geht den Bach runter

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Gerade hat Insidekino über die offiziellen Statistiken gepostet. Zumindest für deutsche Kinos...
(runter scrollen für die Tabelle: https://www.insidekino.de/News.htm)

Die offiziellen FFA-Zahlen

Die Filmförderungsanstalt gab die offiziellen Ergebnisse des Jahres 2024 bekannt:
Demnach gingen im vergangenen Jahr 90,1 Mio. Deutsche ins Kino, 5,8 % bzw. 5,6 Mio. weniger als im Vorjahr (95,7 Mio. Besucher).
Der Umsatz sank um 6,5 % von €929,1 Mio. auf €868,4 Mio.
Der durchschnittliche Eintrittspreis sank um 0,7 % von €9,71 auf €9,64.
Der deutsche Marktanteil sank von 24,3 % im Vorjahr (22,4 Mio.) auf 20,6 % (17,7 Mio.).
Der Anteil der Besucherzahlen der 3D-Filme sank von 12,0 % (11,0 Mio.) auf 7,1 % (6,1 Mio.)
Die Anzahl der Kinosäle sank um 59 auf 4.842, die Anzahl der Standorte stieg um 4 auf 951.

Soweit die nackten FFA-Zahlen.

Die Besucherzahlen liegen innerhalb der Erwartungen. Ich hatte eher mit 86-90 Mio. Besuchern gerechnet, 90,1 Mio. sind also - Gottseidank - an der Oberkante. Zwölf Monate zuvor hatte ich mit einem Jahresrückgang von 5 % gerechnet, geworden sind es dann 5,9 % - also auch mehr oder weniger im Rahmen der Erwartungen.

Am Doppelstreik der Autoren und Schauspieler, der Hollywood sechs Monate lahm gelegt hat, lag es nur zu einem geringen Teil, schließlich gab es 2024 115 Filme, die in mindestens 300 Kinos zu sehen waren - nur vier weniger als 2019 und sieben mehr als 2023. Insgesamt wurden sogar 622 Filme gestartet - 4 % mehr als 2023 (598)

Hauptschuld am Rückgang trägt der deutsche Film mit dem niedrigsten Marktanteil seit zwölf Jahren. Hätte der deutsche Film genauso viele Besucher wie 2023 gehabt, dann würde der Rückgang auf 0,9 % schrumpfen.

Wie schon in den beiden Vorjahren lag die Ticket-Inflation wieder deutlich unter der allgemeinen Inflation - im Gegenteil - ohne einen Avatar-Film sanken sogar die Ticketpreise um 0,7 %.

Und das Fehlen von Avatar erklärt natürlich auch den Rückgang beim 3D-Anteil...


Meine Sicht:
90 Mio Zuschauer ist mit großem Abstand das schlechteste Ergebnis ever - mit Ausnahme der Corona Jahre. Vor Corona hatten wir 20 Jahre lang so 120 bis 150 Mio, mit abnehmendem Trend.
Der durchschnittliche Ticketpreis ist seit 2 Jahren bei 9,70EUR - fast doppelt so hoch wie Ende der 90er.
Meine persönliche Beobachtung bei den letzten 4 Kinobesuchen in 2025 war noch schlimmer.
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Mega Flops - Das Blockbuster Kino geht den Bach runter

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Stichwort Überlangenwahnsinn. Für Kinobesuche, die mit Werbung dreieinhalb Stunden dauern, fehlt mir schlicht die Zeit bzw. kann ich es mir nicht leisten, erst um Mitternacht zuhause zu sein. Praktisch jeder Film, der mich in jüngster Zeit interessiert hätte, hatte Minimum 140 Minuten. Der Brutalist, Licht, Graf von Montechristo, Kinds of Kindness etc. Unterschätzt das nicht.
"Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen."

Re: Mega Flops - Das Blockbuster Kino geht den Bach runter

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Es fehlen einfach die Filme, die gesellschafts- und generationenübergreifend begeistern - echte Hits eben, von denen das ganze Land dann Wochen oder Monate lang spricht.

Ein Grund könnte sein, dass die großen Studios Filme heute nicht mehr Filmkunst sein lassen, sondern zielgruppengerecht Marktanalysen durchführen. Hab grad ein Interview gesehen, in dem davon gesprochen wurde, dass einige Studios ihre Regisseure und Castingdirektoren beauftragen nur Schauspieler zu casten, die eine vorgegebene Mindestreichweite auf Social Media haben. Nach dem Motto: wenn dein gesamter Cast zusammen nicht mindestens 50 Mio Insta-Follower hat, dann darfst du den Film nicht drehen etc.

Mit solchen Methoden kommt nie das bestmögliche Werk raus, sondern eben irgendwas, was angeblich den größten Umsatz bringen könnte. Aber ob das dann auch so kommt?

Mein Punkt ist also: Abgesehen von einigen Ausnahmen ist der Großteil der Filme, die produziert werden, einfach nicht gut genug, um nach dem Startwochenende durch gute Mundpropaganda zu einem langlebigen Hit zu werden.

"gut" definiere ich hier als "für den Moment die Massen begeisternd". Das heisst nicht, dass so ein Kinoerfolg dann Jahre später gut gealtert sein wird oder nach cineastischen Maßstäben ein "guter" Film sein muss.

Ich erinnere mich wie damals auf dem Schulhof Monate lang über Jurassic Parc gesprochen wurde. "Hast du den schon gesehen?", "Was ist deine Lieblingszene?", "Gehen wir nochmal rein?" etc.
Und das war nicht nur auf Schulhöfen so, auch an den Unis und in den Büros. Und auch nicht nur bei Jungs.

Okay. JP ist jetzt natürlich ein spezielles Beispiel.
Aber eine Stufe weiter unten gab es früher einfach viel mehr Angebot an Filmen, die nicht das große Effektspektakel waren, aber einfach gute Stories mit guten Charakteren erzählt haben. Aber eben einfach zugänglich. Kein Arthouse, keine Barriere, die die Leute davon abgehalten hat, sich den Film anzuschauen. Im Grunde sowas wie aktuell "Konklave". Solche Filme, die gut unterhalten, dich aber nicht für dumm verkaufen, gab es in den 80ern, 90ern und 00ern zuhauf.

Ich selbst gehe ja dennoch dutzende Mal pro Jahr ins Kino. Denn für mich ist das Angebot mehr als genug. Aber ich verstehe, dass Viele sehr wählerisch sind.

Dieses Jahr wird es in Deutschland kommerziell auch erstmal öde anlaufen.
Aber das zweite Halbjahr 2025 könnte ein paar größere Hits aufweisen:

- Avatar 3
- Das Kanu des Manitu
- Zoomania 2
- Die Schule der magischen Tiere 4
- Wicked: For Good
- Michael
- Jurassic World
- Superman

Wie man sieht: alles Filme, die Teil eines Franchises sind, oder auf bekannten Vorlagen basieren.
Ich hoffe natürlich, dass mindestens genaussoviele Originalstoffe kommen, und zu Hits werden.

Re: Mega Flops - Das Blockbuster Kino geht den Bach runter

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vodkamartini hat geschrieben: 15. Februar 2025 09:50
Gernot hat geschrieben: 15. Februar 2025 09:21
danielcc hat geschrieben: 14. Februar 2025 22:25 Der neue Captain America startet schon nicht mal mehr auf Platz 1 der deutschen Charts.
Es gibt einen neuen Captain America? ;)
Dann warst du aber schon ewig nicht mehr im Kino oder hast Kino-relevante Seiten besucht. Sonst wüsstest du das schon seit Minimum einem halben Jahr.
Uhh Ironie kommt hier wohl nicht so gut an. ;)
Also keine Sorge, ich wusste schon, dass da ein Film kommt (und ich hatte vor ein paar Wochen auch mal einen Trailer gesehen), aber dass der gerade jetzt startet, war mir tatsächlich nicht bewusst. Früher hat man so etwas schon alleine über die Trailer im TV mitbekommen, aber die Zeit ist vorbei... Ich hätte ihn mir aber sowieso nicht angesehen, also alles gut. :)
Bond... JamesBond.de

Re: Mega Flops - Das Blockbuster Kino geht den Bach runter

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Invincible1958 hat geschrieben: 16. Februar 2025 19:27 Es fehlen einfach die Filme, die gesellschafts- und generationenübergreifend begeistern - echte Hits eben, von denen das ganze Land dann Wochen oder Monate lang spricht.
Nein, es fehlen die Filme dazwischen. Es gibt nur noch die großen echten Hits und der Rest floppt. Das ist das Problem.
Filme, die man "gesehen haben muss", gibt es immer noch jedes Jahr: 2022 hatte "Top Gun: Maverick" und "Avatar: The Way of Water", 2023 hatte "Barbie" und "Oppenheimer", 2024 hatte "Deadpool & Wolverine" und "Alles steht Kopf 2". Das spiegelt sich dann auch entsprechend am Box-Office wieder.
https://filmduelle.de/

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Re: Mega Flops - Das Blockbuster Kino geht den Bach runter

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Casino Hille hat geschrieben: 17. Februar 2025 12:08
Invincible1958 hat geschrieben: 16. Februar 2025 19:27 Es fehlen einfach die Filme, die gesellschafts- und generationenübergreifend begeistern - echte Hits eben, von denen das ganze Land dann Wochen oder Monate lang spricht.
Nein, es fehlen die Filme dazwischen.
Über die habe ich ja auch geschrieben, und das Beispiel "Konklave" gebracht.
Ein Film, der in Deutschland am Ende um die 1 Mio Kinotickets verkauft haben wird. In den 90ern hätte derselbe Film 3 Mio Leute ins Kino gelockt.

Für Filme wie "Cool Runnings", "Besser geht's nicht", "Rush Hour", "Verrückt nach Mary", "Der Staatsfeind Nr. 1", "Philadelphia", "Das fünfte Element", "Der englische Patient", "Knockin' On Heaven's Door", "Der Soldat James Ryan" ... (die Liste könnte noch lange weitergehen) wurden in Deutschland über 3 Mio Tickets verkauft.

Ähnliche Filme schaffen heute mit Glück die eine Million-Grenze.

All diese Filme, die eine gewisse Qualität haben - aber nicht Teil einer großen Marke sind.

Neben "Konklave" wären letztes Jahr auch Filme wie "Der wilde Roboter" (kam nur auf 845.340 Besucher) solche gewesen, die in früheren Zeiten deutlich mehr Leute abgeholt hätten.

Es ist eine Mischung aus "Es gibt zu wenig solcher Filme" und "Die Filme dieser 'Größenordnung' finden ihr Publikum nicht".
Denn ich glaube, dass es unter den 84 Mio Menschen, die in Deutschland leben, bestimmt 3 Mio gibt, die "Konklave" gut fänden, wenn sie von der Existenz wissen würden. Da sind wir natürlich schnell beim Thema Marketing. Früher wurde eine große Masse über die selben Kanäle erreicht. Heute ist alles zerfasert in viele kleine Bubbles.
Es geht auch nichtmal darum, ob jemand einen bestimmten Film im Kino gesehen hat. Es geht eher darum, ob man von der Existenz eines Films etwas mitbekommen hat. In den 90ern haben viele Leute von "Cool Runnings" gehört, auch wenn sie den Film nie gesehen haben. Bei "Konklave" stoße ich schon in meinem teils schon cinephilen Freundeskreis auf fragende Augen.

Re: Mega Flops - Das Blockbuster Kino geht den Bach runter

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In deinem cinephilen Freundeskreis hat niemand von einem der Oscar-Anwärter dieses Jahr gehört? :D

Ich will das alles gar nicht in Abrede stellen, aber a) ist "Konklave" nun sicher nicht der massentauglichste Film (mich wundert eher, dass der Stoff als Roman wohl ein Hit gewesen ist) und b) heißt das vielleicht auch nicht, dass diese Filme fehlen, sondern sich die Kulturlandschaft eben im Allgemeinen verändert und das Kino somit mittlerweile einen anderen Stellenwert hat.
https://filmduelle.de/

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Re: Mega Flops - Das Blockbuster Kino geht den Bach runter

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Casino Hille hat geschrieben: 17. Februar 2025 13:44 In deinem cinephilen Freundeskreis hat niemand von einem der Oscar-Anwärter dieses Jahr gehört? :D

Ich will das alles gar nicht in Abrede stellen, aber a) ist "Konklave" nun sicher nicht der massentauglichste Film (mich wundert eher, dass der Stoff als Roman wohl ein Hit gewesen ist) und b) heißt das vielleicht auch nicht, dass diese Filme fehlen, sondern sich die Kulturlandschaft eben im Allgemeinen verändert und das Kino somit mittlerweile einen anderen Stellenwert hat.
Ist "Philadelphia" massentauglich?

Wenn 3 Mio Leute ins Kino gehen, dann gehen immer noch 81 Mio nicht ins Kino.

"Konklave" scheint ja in Deutschland immerhin "massentauglicher" zu sein als Fortsetzungen zu "Planet der Affen", "Alien", "Godzilla" oder "Twister".
"Konklave" fällt doch genau in die Kategorie Film, die früher dreimal soviele Leute angelockt hätte. Mainstreamig, unterhaltsam, ohne erhobenen Zeigefinger, Starbesetzung. Tut niemandem weh.

Natürlich hast du Recht mit der veränderten Kulturlandschaft.
Aber die Kulturlandschaft ist immer im Wandel.
Das Kino hatte in den 80ern mit dem Aufkommen von VHS und Privatfernsehen einen kommerziellen Tiefpunkt. In den 90ern und 00ern gingen dann aber wieder mehr Leute ins Kino, obwohl es viel mehr Alternativen im Filmsegment gab.
Und dass es immer noch Filme gibt, die über 10 Mio anlocken (Avatar) oder über 4 Mio (Oppenheimer), zeigt ja, dass es mit den richtigen Filmen zur richtigen Zeit möglich ist.

Es ist ja auch nicht so, dass es überall so "schlimm" aussieht wie in Deutschland. Und da muss man gar nicht nach China oder Südkorea blicken, wo das Kino boomt.
In Frankreich hatten letztes Jahr zwei einheimische Produktionen 10.823.168 (Was ist schon normal?) und 9.429.939 (Der Graf von Monte Christo) um die 10 Mio Besucher. Und große Hollywood-Hits wie "Alles steht Kopf 2" hatten 8.564.110 Besucher, fast 3 Mio Besucher mehr als in Deutschland - und das bei 15 Mio weniger Einwohnern.
Und auch wenn man sagt, dass Frankreich ebenfalls kein gutes Beispiel ist, weil es eben das cinephilste Land in Europa ist, kann man in weitere westliche Länder schauen, in denen es ebenfalls deutlich besser läuft als in Deutschland.
Und all diese Länder haben Streaming etc. - das kann nicht die Erklärung für das Abebben des Interesses am Kino in Deutschland sein.

Ich glaube eher, dass es ein Marketing-Problem ist. Nicht nur von den Verleihern, sondern vor allem auch von den Kinos selbst.
Viele Kinos werden noch so betrieben wie vor 25 Jahren. Einmal pro Woche aktualisieren sie ihr Programm auf der Website und fertig. Heute ist aber mehr nötig, um Aufmerksamkeit zu erhalten.

Re: Mega Flops - Das Blockbuster Kino geht den Bach runter

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Casino Hille hat geschrieben: 17. Februar 2025 14:14 Keine Ahnung, ob "Konklave" früher dreimal so viel Leute angelockt hätte. Das ist ein sperriges Kammerspiel um irgendwelche alten Halbglatzen, die die nächste Papstwahl ausknobeln. Da sehe ich wenig Mainstream-Appeal. Ralph Fiennes ändert daran wenig.
So unterschiedlich sind die Wahrnehmungen.
Ich finde daran gar nichts sperrig.

Wir können aber auch andere Beispiele nehmen:
"Knives Out" (2019) - 1.216.854 Besucher in Deutschland.

Da bin ich mir auch sicher, dass der vor 30 Jahren mehr durchgestartet wäre.

Die Gegenfrage ist ja:
Würden "Philadelphia" oder "Der englische Patient" (um bei Ralph Fiennes zu bleiben) etc. heute auch noch die 3 Mio-Marke knacken?

Und was ist mit Filmen wie "Gladiator II"?
In Frankreich (68 Mio Einwohner) hat der 3,1 Mio Menschen ins Kino gelockt, in Großbritannien (ebenfalls 68 Mio Einwohner) waren es auch knapp 3 Mio.
in Deutschland (84 Mio Einwohner) sind es nur 1,2 Mio.

Wie gesagt: es scheint im ehemaligen Land der "Dichter und Denker" insgesamt einen Einbruch von Kulturbegeisterung zu geben.
Und auch wenn das Kino weltweit nicht auf den Erfolgswellen von früher surft, ist es in Deutschland vergleichsweise nochmal extra schlimm.