Der beste Film von David Lynch?

Eraserhead
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (6%)
The Elephant Man
Insgesamt abgegebene Stimmen: 5 (31%)
Dune
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (6%)
Blue Velvet
Insgesamt abgegebene Stimmen: 3 (19%)
Wild at Heart (Keine Stimmen)
Twin Peaks
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (6%)
Fire Walk with me (Keine Stimmen)
Lost Highway
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (6%)
The Straight Story (Keine Stimmen)
Mulholland Drive
Insgesamt abgegebene Stimmen: 3 (19%)
Inland Empire (Keine Stimmen)
Twin Peaks: The Return
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (6%)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 16

Re: Die Filme des David Lynch

226
Eigentlich habe ich gerade so richtig fett Lust mir alles von Lynch anzuschauen.

Für alle Novizen, am nächsten Mittwoch kommt auf Arte um 20:15 sein wahrscheinlich großartigster Film, längst auch von Vielen (mich included) als einen der "besten" Filme aller Zeiten angesehen. Ja ja, doch, schon ...
Desweiteren jede Menge mehr interessantes bei Arte über den Lyncher:

https://www.arte.tv/de/videos/072401-01 ... vid-lynch/

Re: Die Filme des David Lynch

227
Maibaum hat geschrieben: 19. Januar 2025 18:25 Eigentlich habe ich gerade so richtig fett Lust mir alles von Lynch anzuschauen.
Ich bin dir weit voraus: Ende 2024 Twin Peaks (die komplette Originalserie, zum dritten Mal) plus Fire Walk With Me und Eraserhead. Diese Woche natürlich einen der "besten" Filme aller Zeiten, ja, doch, aber ganz sicher, stimme zu. Weitere folgen demnächst...
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Re: Die Filme des David Lynch

229
AnatolGogol hat geschrieben: 18. Januar 2025 18:27 Ich habe heute Blue Velvet zum zweiten mal geschaut. Leider bleibt es dabei, dass mich der Film nie so ganz in seinen Bann zieht. Die durchgängige Dualität mit der Lynch spielt ist dabei schon spannend, der Film ist toll gedreht und die Darsteller machen ihre Sache ebenfalls gut. Dennoch ist die Grundhandlung für meinen Geschmack etwas zu dünn - wobei das natürlich auch überhaupt nicht die Essenz des Films ist. Aber am Ende stelle ich fest, dass der Film für mich nur ganz ok funktioniert, da es mir nicht gelingt in die von Lynch hier eindrucksvoll eröffnete Erlebniswelt tief einzutauchen.
Ich hab ihn jetzt auch nochmal geschaut, müsste das vierte Mal gewesen sein bei mir.

Zu Blue Velvet war ich immer ein bisschen auf Distanz - in Relation zu anderen Lynch-Werken und gemessen an seinem Ruf jedenfalls. Ganz einfach aus dem Grund, dass ich ihn nicht vor, sondern nach einigen der späteren gesehen habe, und da war er mir dann doch irgendwie zu "normal" verglichen mit Mulholland Drive und zu sehr Blaupause verglichen mit Twin Peaks (in dem viele ähnliche Themen, Stimmungen und sogar Bilder auftauchen). Das ist im Kern immer noch ein bisschen so, auch wenn er mir heute wieder mal sehr gut und vielleicht sogar bislang am Besten gefallen hat. Wie gesagt, ich rede hier in erster Linie davon, dass die Frage nach dem besten Lynch-Film zwischen den beiden üblichen Verdächtigen BV und MD für mich nie eine Frage war, ich würde trotzdem noch locker 9 Punkte vergeben.

Es kommen zwar keine surrealen Handlungssprünge, Traumwelten oder fantastische Elemente vor, aber der ganze Film ist durchsetzt mit lupenreinem Lynch-Stil in visueller und akustischer Form. Von dem so typischen Sounddesign über sparsam verwendete, seltsame metaphorische Einschübe bis hin zu skurrilen Details und inszenatorischen Entscheidungen. Und das hebt den Film, der mit diesem Drehbuch in den Händen eines anderen Regisseurs auch leicht ein billiger, schleimiger Sex-Thriller hätte sein können, für mich gehörig an. Auch die exzellente Fotografie und Badalamentis Score sind mir noch nie so positiv aufgefallen.
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Re: Die Filme des David Lynch

230
GoldenProjectile hat geschrieben: Gestern 23:30
AnatolGogol hat geschrieben: 18. Januar 2025 18:27 Dennoch ist die Grundhandlung für meinen Geschmack etwas zu dünn
Es kommen zwar keine surrealen Handlungssprünge, Traumwelten oder fantastische Elemente vor, aber der ganze Film ist durchsetzt mit lupenreinem Lynch-Stil in visueller und akustischer Form.
Ich habe mit geschaut und kann nur sagen: Peak-Noir!

In "Blue Velvet" ist alles, wirklich alles drin, was Lynch ausmacht(e), in seiner ursprünglichen Form. Das idyllische 50s-Melodramen Americana, der Vorstadt-Himmel, in dem er aufgewachsen ist, ist zwar mit Nostalgie verbunden, aber mit einer trügerischen. Diese Welt hat nie existiert, sie war bloß eine Kindheitsfantasie – die Sentimentalität feiert nicht ihre Existenz, sondern trauert darüber, dass sie gar nicht existieren kann. Die Welt der Erwachsenen verdirbt alles: Alles Süße scheint vergiftet, pervertiert, zerstört zu werden. Bei Lynch ist die Wahrheit, die jeder kennt und immer verzweifelt zu verbergen versucht, am Anfang und am Ende, dass der Albtraum nie endet.

Lynch versteht, dass wir alle böse sind oder zumindest die Fähigkeit zu großem Bösen in uns tragen. Das Böse liegt tief unter der Oberfläche, ist verankert in unserem Fundament, wie die Würmer, die sich aus dem Boden winden. Lynchs Konzept "Ein Hardy Boy und Nancy Drew entdecken die wahre Dunkelheit der Welt“ ist der große Antrieb des ersten Akts, ehe Hopper auftritt, der als völlig wahnsinniger Frank Booth diese Düsternis in uns allen gänzlich auf die Spitze treibt. Er ist der möglicherweise gefährlichste und gewalttätigste Ausdruck des freudianischen Es in der gesamten Filmgeschichte.

Nach 12 Minuten oder so taucht erstmals Laura Dern auf und schreitet einfach aus der Dunkelheit ins Licht. Ihre Sandy ist eine Figur der Unschuld; strahlend, mutig, hilfsbereit. Sie unterstützt bei der Aufdeckung der Geheimnisse, bleibt aber an die Kleinstadtperspektive gebunden, klammert sich unbewusst an die Fassade. Sie ist die perfekte Spiegelung von Protagonist Jeffrey ("Du bist ein nettes Mädchen." - "Du auch... ich meine, du bist ein netter Kerl."), denn er hat gesehen, wovon sie nur hört, was sie sich gar nicht vorstellen kann, und er fühlt sich zu ihr hingezogen, um die strahlende Reinheit wiederzuerlangen, die Sandy symbolisiert, aber er kann nicht umkehren von dem, was er gesehen, und getan hat, von dem was er jetzt weiß.

Es ist also auch ein Film über das Erwachsenwerden, und ein verdammt raffinierter. Und als Dern da aus der Dunkelheit kam und Angelo Badalamenti seine beste Herrmann-Variation darunterlegt, dachte ich: Wie klein müssen sich so viele Filmemacher fühlen, da sie doch wissen, dass ihnen nie ein "Blue Velvet" gelingen wird?
https://filmduelle.de/

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Re: Die Filme des David Lynch

231
Casino Hille hat geschrieben: Heute 01:07 Das idyllische 50s-Melodramen Americana, der Vorstadt-Himmel, in dem er aufgewachsen ist, ist zwar mit Nostalgie verbunden, aber mit einer trügerischen. Diese Welt hat nie existiert, sie war bloß eine Kindheitsfantasie
Und eigentlich noch nicht mal das, da Lynchs Vorstadtidylle ja bewusst Elemente aus den 50s und den 80s kombiniert und so eine unmögliche Welt schafft. Lynch lässt die scheinbar heile Welt der 50er mit ihrem perversen 80er Pendent kollidieren und schafft so einen größtmöglichen Kontrast. Und so gesehen könnte man die BV-Welt dann doch auch irgendwie als Traumwelt ansehen, da es ja gerade einer der Wesenszüge von Träumen ist eigentlich unmögliche Dinge miteinander zu verschmelzen.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme des David Lynch

232
Blue Velvet ist, nach ein paar Irrwegen, der Film mit dem Lynch endgültig zu sich selbst findet, indem er die surrealen Gruselwelten aus Eraserhead von nun an in eine Krimi- oder Thrillerhandlung verpackt, in gezügelter Form.
Selten waren Abgründe hübscher anzuschauen als in Lynchs bebilderten Alpträumen.

Re: Die Filme des David Lynch

233
Casino Hille hat geschrieben: Heute 01:07 Lynch versteht, dass wir alle böse sind oder zumindest die Fähigkeit zu großem Bösen in uns tragen.
Letzteres vielleicht, ersteres würde dir Lynch, der sich selber als Optimist bezeichnete und wohl einer der "herzensgutesten" Menschen im Filmgeschäft war, wohl widersprechen.

Hatte ich euch das hier schon mal gezeigt? Das Video bringt den Mann und Künstler wohl auf den Punkt wie kein zweites und ist einfach nur ein Genuss:


Maibaum hat geschrieben: Heute 10:36 Blue Velvet ist, nach ein paar Irrwegen, der Film mit dem Lynch endgültig zu sich selbst findet, indem er die surrealen Gruselwelten aus Eraserhead von nun an in eine Krimi- oder Thrillerhandlung verpackt, in gezügelter Form.
Genau, aber ist trotzdem noch relativ "normal" verglichen mit späteren Werken, weil das Fantastische und das Unerklärliche nicht oder kaum erzählerisch einfliesst. Das surreale Element ist vielleicht nicht nur kosmetisch, aber es greift auf jeden Fall weniger tief in die Geschichte ein als zum Beispiel in Lost Highway oder auch Mulholland Drive. Anatol hat schon angemerkt dass auch die Handlungszeit bzw. -welt nicht wirklich greifbar ist, das hat Lynch ja auch immer wieder gemacht, aber in BV ist das wohl tatsächlich noch etwas dominanter.
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Re: Die Filme des David Lynch

234
GoldenProjectile hat geschrieben: Heute 15:08
Casino Hille hat geschrieben: Heute 01:07 Lynch versteht, dass wir alle böse sind oder zumindest die Fähigkeit zu großem Bösen in uns tragen.
Letzteres vielleicht, ersteres würde dir Lynch, der sich selber als Optimist bezeichnete und wohl einer der "herzensgutesten" Menschen im Filmgeschäft war, wohl widersprechen.
Da er ja in seinen zehn Filmen immer auch die düsteren Abgründe gezeigt hat, zu denen Menschen fähig sind, bezweifle ich das sehr stark. :) Selbst in "Blue Velvet" wird ja herausgearbeitet, dass es Parallelen zwischen Jeffrey und Frank gibt, und betrachtet man die geschnittenen Szenen, wäre Jeffrey um Haaresbreite eine noch viel abgründigere Figur geworden. Am Ende ist es bei Lynch immer so, dass die "Verführungen des Bösen" auf die Protagonisten einwirken und sie, wenn sie stark genug sind, sich davon abwenden. Es passt ja auch zu einem Optimisten, zu sagen: Wir können uns immer entscheiden, nicht von unseren niederen Instinkten kontrolliert zu werden.

Das Ende von "Blue Velvet" ist auch nicht unbedingt etwas, was ich als "optimistisch" bezeichnen würde.
AnatolGogol hat geschrieben: Heute 07:59
Casino Hille hat geschrieben: Heute 01:07 Das idyllische 50s-Melodramen Americana, der Vorstadt-Himmel, in dem er aufgewachsen ist, ist zwar mit Nostalgie verbunden, aber mit einer trügerischen. Diese Welt hat nie existiert, sie war bloß eine Kindheitsfantasie
Und eigentlich noch nicht mal das, da Lynchs Vorstadtidylle ja bewusst Elemente aus den 50s und den 80s kombiniert und so eine unmögliche Welt schafft. Lynch lässt die scheinbar heile Welt der 50er mit ihrem perversen 80er Pendent kollidieren und schafft so einen größtmöglichen Kontrast. Und so gesehen könnte man die BV-Welt dann doch auch irgendwie als Traumwelt ansehen
Sicher, diese direkte Dualität steckt da drin und man kann das mit Träumen vergleichen (was bei Lynch immer naheliegt) oder mit verklärten Erinnerungen, die Lynch bedienen will, wenn die damals gegenwärtige Vorstadt mit Elementen von "früher" gekreuzt werden.

Jedenfalls - und da sind wir uns sicher alle einig, da die Aussage nicht kontrovers ist - ist "Blue Velvet" neben John Carpenters "Halloween" der wohl beste Film über das Leben in den US-amerikanischen Suburbs.

Und übrigens - und auch da sind wir uns sicher alle einig, da auch diese Aussage nicht kontrovers ist - zeigt "Blue Velvet" wunderbar auf, wie perfekt David Lynch als Regisseur für einen "Scooby Doo"-Film gewesen wäre.
https://filmduelle.de/

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