Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Okay, im Finale werden ein paar Indianer totgeschossen, weil die Apachen sich dann doch noch kurz einmischen, aber über weite Strecken ist "Rio Grande" von Johnny Ford ein recht ruhiges und erstaunlich zurückhaltendes Familiendrama. John Wayne ist Colonel auf einem Militärposten der US-Kavallerie und erlebt eine ungewöhnliche Reunion, als plötzlich sein Sohn als junger Trooper vor ihm steht, und kurz darauf noch die Frau Mama eintrifft, weil sie ihre Brut wieder in den heimischen Schoß locken will. Von da an entstehen dann all die Situationen, die sich längst jeder denken kann: Der Junge muss lernen, was es heißt, ein Mann zu sein und Verantwortung zu übernehmen und ... so Zeugs halt. Und Wayne verbringt zum ersten Mal seit 15 Jahren wieder Zeit mit seiner Gattin und da die immer noch wie Maureen O'Hara aussieht, flammt alles schnell wieder auf und es gibt Liebesbekundungen. Also eigentlich irgendwie eine Schnulze, nur halt mit Cowboyhüten.

Mir hat das über weite Strecken ganz gut gefallen. Wayne hat vielleicht nicht seine darstellerisch stärksten Wochen erwischt, macht aber einen guten Job, und neben der fabelhaften O'Hara sind vor allem Victor McLaglen und Ben Johnson (letzterer vollführt gleich noch ein paar hübsche Kunststücke auf den Hottehüs) in Nebenrollen stark besetzt. Und auch in Schwarz-Weiß-Aufnahmen, für die sich hier aus Kostengründen entschieden wurde, weiß Ford sein geliebtes Monument Valley in Szene zu setzen. Die Erzählung von der seelischen Heilung einer Familie auf der Suche nach einem Gleichgewicht zwischen männlichem Abenteurertum und einem geregelten domestizierten Leben funktioniert überzeugend und Ford führt das über ein paar simple Motive zu einem schönen Ende. Obwohl ich mich eigentlich nur ganz nett unterhalten fühlte, habe ich in den Schlussszenen gemerkt, dass ich doch an ein paar der Figuren hing und gerne Zeit mit ihnen verbracht hatte.

Allerdings ist "Rio Grande" meines Erachtens wirklich kein großes Highlight unter den Westernfilmen von John Ford. Tatsächlich wollte der den Film eigentlich gar nicht machen, und drehte ihn nur, damit das Studio sein Traumprojekt (das in Irland angesiedelte romantische Komödiendrama The Quiet Man, wieder mit Wayne und O'Hara) finanzieren würde. Die fehlende Leidenschaft zeigt sich vor allem in der steifen Verwendung unzähliger Nahaufnahmen und in den Actionszenen, in denen Ford oft und uninspiriert Elemente seiner früheren Western wiederholt. Der Angriff der Apachen auf ein paar Planwagen ist wirklich nur Genre-Standard. Verglichen mit dem ästhetisch wirklich ausgeklügelten, nur ein Jahr zuvor erschienenen "Der Teufelshauptmann", ist "Rio Grande" schon spürbar eine andere, schwächere Liga. Ach ja, die mehrfachen Gesangsauftritte der Gesangsgruppe Sons of the Pioneers sind recht störend. Gar nicht des Geträlleres an sich, sondern wie albern das eingebaut ist. Alle paar Szenen wollen die Jungs Wayne und O'Hara ein Ständchen offerieren, und dann stehen die da deppert in der Gegend rumguckend vor denen und warten geduldig, bis der Plot weitergeht.

Also ich hatte alles in Allem meinen Spaß. Ich habe es genossen, mal wieder eine Westernlücke zu schließen und mich ganz gut auf diese Figuren einlassen können, aber ich hätte es jetzt auch nicht unbedingt eilig, bald zum Rio Grande zurückzukehren. 6/10.
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Let the sheep out, kid.

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Rio Grande ist schon ewig her, hab ihn als stinkgemütlichen und routinierten Western mit tollen Stars in Erinnerung. Könnte nicht mal sagen, wo ich ihn in Fords Kavallerietrilogie einreihen würde, vermutlich eher am Ende. Kleine Anekdote am Rande: hab den Film erstmals vor zig Jahren im TV gesehen und zwar in der colorierten Fassung. Bin eigentlich kein Freund der Nachcolorierungen, auch weil es oft eher nach einem Malbuch als nach echtem Farbfilm ausschaut. Aber diese Fassung habe ich eigentlich als recht stimmungsvoll in Erinnerung. Eigentlich schade, dass man mittlerweile nur noch die S/W-Fassung bekommt und die colorierte nicht zumindest als Bonus angeboten wird. Aber ja, Colorierung ist natürlich Teufelswerk! :lol:
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Und aus aktuellem Anlass eine Frage ans fraglos fachkundige Forum:
Hab diese Woche das Lied vom Tod geschaut und werde aus einem inhaltlichen Detail nicht so recht schlau:
Mundharmonika trifft am Anfang auf Franks drei Schergen. Später erfahren wir, dass Mundharmonika das über den fetten Hosenträgermann arrangiert hat, er aber eigentlich Frank treffen wollte, der gleichzeitig aber die Liga der Rothaarigen aus dem Weg schaffen musste. Soweit alles klar. Was ich mich aber frage ist, warum Frank seinen Schergen den Auftrag gegeben hat Mundharmonika umzulegen. Er weiss ja nicht, um wen es sich handelt. Man erfährt ja nicht, was Mundharmonika dem Hosenträgermann als Grund mit auf den Weg gegeben hat, warum er Frank treffen will. Aber wir können davon ausgehen, dass er ihm nicht aufgetragen hat: "mach mal einen Termin aus, damit ich Frank umpusten kann". Also warum sollte Frank den Mundharmonika umlegen lassen noch bevor er dessen Absichten kennt? Hat da irgendjemand eine Erklärung für oder kennt die Intention des Drehbuchs?
@Maibaum, ich zähle auf dich, du kennst doch die Leones aus dem FF! :D
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Toll, ähhh ... nie drüber nachgedacht ... vielleicht lässt Frank sicherheitshalber jeden umlegen der ihm verdächtig vorkommt ... uhhh, nee, oder?

Und Rio Grande in Farbe? Wozu das denn? Der hat doch eine sehr atmosphärische s/w Photographie.

Ansonsten sehe ich diesen Rio auch bei 6/10, der Schwächste der sogenannten Kavallerie Trilogie. Zuviel schmerzhafter Blödsinn, aber sicher gute Unterhaltung. Aber She Wore a Yellow Ribbon (deutscher Titel: Ein glorreicher Halunke, oder so ähnlich) mag ich auch nicht so wirklich, obwohl den ja viele zu Fords Besten zählen. 7/10
Bleibt noch Fort Apache (200 glorreiche Apachen, oder so ähnlich), und das ist einer von Fords schönsten Western. 9/10

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Maibaum hat geschrieben: Heute 12:05 Toll, ähhh ... nie drüber nachgedacht ... vielleicht lässt Frank sicherheitshalber jeden umlegen der ihm verdächtig vorkommt ... uhhh, nee, oder?
Das wäre tatsächlich meine Vermutung.
Aus Sicherheitsgründen: "Jemand, der bei der Verabredung nichtmal seinen Namen mitteilt, wird aus Vorsicht umgelegt."

Oder was würdet ihr denken, wenn jemand um ein Treffen bittet, aber nicht verrät wer er ist?

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Zugegeben, meine praktischen Erfahrungen als Schwerkrimineller sind eher überschaubarer Natur, aber ich hätte jetzt vermutet, dass gerade in diesen Kreisen bei Erstkontaktaufnahme die wahre Identität zunächst aus Gründen des Eigenschutzes eher eine untergeordnete Rolle spielt. :)

Aber da wir schon dabei sind: erfolgt die Gefangennahme von Cheyenne durch Mundharmonika eigentlich im gegenseitigen Einvernehmen? Leones Vorwerk und die Tatsache, dass die beiden am Ende des Films ja doch sehr entspannt miteinander umgehen, sprechen da eher dafür. Die Art und Weise der Befreiung spricht aber eher dagegen. Gibt der Film da in irgendeiner Form eine konkrete Antwort? Nicht, dass es wichtig wäre, aber da Mundharmonika und Cheyenne irgendwo ja die figürliche Fortführung von Blondie und Tuco sind, drängt sich dieser Gedankengang ja förmlich auf.
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Ja, Cheyenne liefert sich freiwillig aus, aber dann wird er ja entgegen seiner Erwartung nicht ins örtlich Gefängnis gesteckt, sondern per Zug verfrachtet. Seine Gang kauft ja auch ganz brav gleich Fahrkarten, aber die geplante Befreiung läuft dann nicht so glatt ab wie (vermutlich) geplant.

Es gibt ja viel im Film was nicht direkt erklärt wird.

Am Anfang wäre ja auch die Frage ob es überhaupt zu einer Schießerei gekommen wäre, wenn Harmonica nicht Anspruch auf ein Pferd erhoben hätte.
Oder Frank wusste irgendwie daß Harmonica teil seiner Vergangenheit ist, eine Vergangenheit die seiner gerade geplanten Geschäfte wegen besser im ganz Dunklen bleibt.
Nun ja, es bleibt etwas vage.