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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Der May-athon im Forum ist lange her. Und wenn in Hollywood doch nur noch Remakes und Legacy Sequels produziert werden, warum nicht auch in diesem Forum? Vodka und ich haben uns heute mal den Spaß gemacht, und zusammen "Der Schatz im Silbersee" angeschaut, den Auftakt der elfteiligen Reihe, die von 1962 bis 1968 erschienen ist. Elf Filme in sechs/sieben Jahren. So sah deutsche Effizienz mal aus. Aber ich schweife ab.
Jedenfalls: Ich hatte "Der Schatz im Silbersee" als guten Film abgespeichert, aber nicht als Highlight der Reihe. Ich erinnere mich, dass ich ihn als Kind sogar fast am wenigsten mochte, und laut unseren alten May-athon Texten missfiel mir damals, dass durch die Einbindung der Utah in der zweiten Hälfte des Films zu sehr vom eigentlich Plot der Schatzsuche abgelenkt wird. Nun gut: wir waren alle mal jünger und dümmer. Was schert es mich also, was ich da irgendwann mal fabuliert habe?
Heute, immerhin beinahe 10 Jahre nach dem May-athon, hat mich der Auftakt der Winnetou-Reihe ganz prächtig unterhalten. Das ist richtig tolles, buntes Abenteuerkino. Die Farben sind ein Traum, allein das Blau des Silbersees ist unglaublich. Reinls Heimatfilmherkunft kam ihm beim Wilden Westen Faschingsumzug in Jugoslawien sehr zu gute, denn er hat ein prächtiges Auge für Landschaften und was er da teilweise an Aufnahmen bietet, ist wahnsinnig schön und beeindruckend. Ganz toll gefiel mir eine kurze Szene, als Old Shatterhand und seine Mannen auf die Farm von Karin Dor und ihrem Vater zureiten und im Hintergrund einerseits unfassbar schöne Berge und Landschaften zu sehen sind, zugleich aber auch eine ganze schwarze Wand an Widersachern ihnen auf den Fersen ist. Super gefilmt ist auch der Anfang, der Überfall auf die Postkutsche. Das sieht sehr modern aus, ohne das ich konkret beschreiben kann, wieso eigentlich.
Ich langweile jetzt mal niemanden damit, wie punktgenau Pierre Brice aus Winnetou eine fast mystische Figur macht, wie unironisch ehrenhaft Lex Barker als Old Shatterhand auftritt oder wie sehr die eh schon schwelgerischen Bilder durch die romantisch-majestätische Musik von Martin Böttcher verewigt werden, denn: ihr wisst das alles! Ich möchte daher nochmal drauf hinweisen, was für eine Freude es macht, Karin Dor und Götz George zuzuschauen. Im Falle Karin Dors liegt das sicherlich daran, dass sie einfach eine wahnsinnig hübsche Frau war, die zudem eine große Ausstrahlung hatte. Beim Götz hat es noch mehr damit zu tun, was für einen Star-Appeal der Mann hatte. Er schmeißt sich mit vollem Körpereinsatz in jeden Kampf, wirkt dabei ungemein charismatisch und darf im Finale noch etwas oben ohne posieren (zum Glück habe ich den Film ohne meine Freundin geschaut!) - ein richtiger deutscher Leading Man!
Ansonsten ist das bemerkenswerte an den Winnetou-Filmen im Allgemeinen, und "Der Schatz im Silbersee" ist da tonangebend, dass sie eine tatsächlich uneingeschränkt deutsche Perspektive auf den Wilden Westen einnehmen und gar nie versuchen, die "Originale" zu kopieren. Von den Subtexten, die in US-Western verhandelt werden (oft geht es um Männlichkeit, Wehmut, Rassismus oder den Frontier-Mythos) oder den zynischen politischen Untertönen, die sich später im Italowestern finden lassen, ist nix zu spüren. Man schaut diesen Darstellern eher so dabei zu, wie man Kindern im Garten zuschaut, wenn sie Cowboy und Indianer spielen. Die gängigen Western-Tropen werden zelebriert, gefeiert, und sind absolut ernstgemeint. Winnetou ist der noble Wilde, Shatterhand der freiheitliche Westler, die Bösen sind raffgierige Gauner. Teilweise ist Reinl dem Grimmschen Märchen da sogar näher als dem Western-Genre.
Das macht alles großen Spaß, weil diese Naivität von sich selbst auch absolut für voll genommen wird. Zudem gibt es richtig schicke Actionszenen (die große Schießerei in der Mitte des Films ist hervorragend arrangiert und verheizt zig Statisten) und ein sehr hübsches Finale. Absolutes Highlight ist die Schlussszene, als Winnetou und Shatterhand den Silbersee überqueren und nur noch feststellen können, was passiert ist, ehe sie wieder ihrer Wege ziehen. Sie selbst sind eigentlich nur die Nebenfiguren in dieser Geschichte, die beiden freundlichen Western-Polizisten, die "einen Fall übernehmen", und genauso funktionieren sie ganz hervorragend.
Ihr lest schon, ich hatte mächtig Spaß, werte meine damals knappen 7/10 auf glasklare 8/10 auf und schenke zudem diesem Thread zur Feier des Tages noch eine Umfrage! Der Einfachheit halber habe ich mal nur die Winnetou-Filme aufgeführt (alle Karl May Adaptionen würden den Rahmen etwas sprengen) und mich dabei nur auf die elf 60er Filme plus "Winnetous Rückkehr" mit Pierre Brice und die Karl-May-Trilogie von RTL aus 2016 beschränkt. Kritik, Anmerkungen und Wünsche gerne vermelden.
https://filmduelle.de/
Let the sheep out, kid.