Hille blickt zurück, Teil 2 – Rubrik "weder Fisch noch Fleisch"

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Ich mach mal weiter. Die ganz große Gülle habe ich schon hinter mich gebracht, jetzt kommt ein weiter Teil des Mittelfelds. Wie angekündigt: Einiges lasse ich einfach weg, weil viele Filme dabei sind, zu denen ich nichts zu sagen habe oder die ich wirklich nur der Arbeit wegen geschaut habe und zu denen ich daher nicht unbedingt nochmal Lust habe, mich zu äußern.
Spoiler
Megan (Gerard Johnstone) – 4/10
– Barbie war dieses Jahr nicht das einzige Püppchen, das in den Kinos für Aufsehen sorgte. Bei "Megan" handelte es sich aber eher um eine "Chucky"-Kopie der einfallsloseren Sorte. Richtig gute Erschreck-Momente hatte der Film keine zu bieten, was auch damit zu tun hatte, dass die Figuren alle so schablonenhaft oberflächlich waren – wenn man nicht um sie bangt, dann fehlt die Immersion und somit auch der Gruselfaktor. Der größte "Kniff", den der geneigte Mörderpuppen-Connaisseur hier entdecken kann, ist wohl, dass über die 'Natur von Megan' eine KI-Geschichte erzählt wird, von denen es 2023 ja so einige gab; nicht nur auf der großen Leinwand, sondern auch in der Tagesschau. Woher aber bei diesem Film nun grade der Hype um die Veröffentlichung kam, bleibt offen.

Perfect Days (Wim Wenders) – 4/10
– Feel-Good-Cinema für die vermeintlich kulturelle Bourgeoisie. Dieses ach-so-meditative Märchen um einen japanischen Toilettenreiniger ist eine romantisierte Fetischisierung der Arbeitergesellschaft, erzählt aus der Wunschperspektive der herabschauenden Aristokratie. "Seht nur, auch der Kloputzer hat ein schönes Leben, denn er liebt 'die kleinen Dinge', er liest gerne seinen Faulkner, er hört seine Avantgarde-Musik." Warum sollte der nur jemals aufbegehren? Es geht ihm doch gut … Wie zynisch der neue Film von Wim Wenders in seiner Naivität gelesen werden kann, hat er wahrscheinlich selbst gar nicht bedacht – und irgendwie liegt da auch das Problem. Wer sich schon an "Paterson" von Jim Jarmusch rieb, wird dieselbe Erfahrung jetzt noch einmal machen.

Ghosted (Dexter Fletcher) – 4/10
– Eigentlich ist Netflix mit Produktionen wie "Red Notice" und "The Grey Man" mittlerweile berüchtigt für diese sündhaft teuren und zugleich absurd billig aussehenden Action-"Blockbuster", über die sich alle Filmfans in schöner Regelmäßigkeit für zwei Wochen beömmeln können. Ausnahmsweise ist jetzt auch Apple TV+ in das Game mit eingestiegen und schickt Ana de Armas als taffe Spionin und Chris Evans als verliebten Volltrottel in eine geneische Agentensoße, deren Computereffekte ganz schauderhaft und beschissen aussehen. Besonders drollig ist das komplette Chemie-Vakuum zwischen den beiden Hauptdarstellern, die als Liebespaar ja mal wirklich so gar nicht glaubhaft wirken – allerdings sorgt gerade das dann auch für einen netten Trash-Faktor, der der Netflix-Ware oft fehlt.

You People (Kenya Barris) – 4/10
– A propos Netflix: Die haben offenbar ein Team an Social-Media-Managern gebeten, aus einem Haufen trendender Twitter-Kommentare ein Filmdrehbuch zu schreiben und dann Eddie Murphy gedroht, ihm "Beverly Hills Cop 4" zu verbieten, sollte er nicht bei dieser lauwarmen Suppe mitmachen. An sich wird in diesem Comedy-Versuch nur sehr viel diskutiert, und zwar über jedes Hot-Topic, dass einem spontan einfällt. Black Lives Matter, #MeToo, Gendersprache, Woke-People etc. stehen allesamt zur Diskussion und so richtig witzig wird das eigentlich nie. Ein Lob bleibt mir aber: Dieser Film müsste in einer fairen Welt den Oscar für 'Bester Schnitt' gewinnen, denn dem Editing gelingt der Kunststück, Jonah Hill beim Basketballspielen gut aussehen zu lassen.

Gran Turismo (Neill Blomkamp) – 4/10
– Regisseur Neill Blomkamp hat offenbar noch nie Rennsport gesehen. Im großen Le Mans 24 Stunden Rennen am Ende seines "Gran Turismo"-Films rammen sich die Kontrahenten teilweise mit voller Absicht in die Seite und wollen sich von der Straße drängen. Wenn du das in einem echten Rennen machst, bist du natürlich SOFORT disqualifiziert. Aber das wissen die Macher dieses Films nicht, weil die von Rennsport null Ahnung haben – was für so einen Film keine so dolle Voraussetzung ist. Als (wenn auch schlampig inszenierte) Aufsteiger-Story ist das Biopic einigermaßen kurzweilig, vor allem dank der aufgekratzten und absurden Performance von Orlando Bloom als Coach. Aber wer "Tage des Donners" oder "Ford v Ferrari" kennt, braucht hier nicht reinschauen.

Transformers: Aufstieg der Bestien (Steven Caple Jr.) – 4/10
– Krass: Wenn man bei einem "Transformers"-Film diese ganzen grässlichen Michael-Bay-Stilmittel entfernt, dann ist das Ergebnis immer noch langweilig. Wer hätte das nur gedacht? Auch im … siebten ? … Aufguss der Robo-Karren ist alles wie immer: Irgendein dolles Space-Objekt liegt seit Ewigkeiten auf der Erde. Die Decepticons wollen es. Die Autobots auch. Und letztere haben ein paar Menschen als Freunde, allerdings sind die halt nur Menschen, und die Transformer riesige Kampfroboter, weshalb diese Menschen dann auch schnell wieder ziemlich egal sind. "Aufstieg der Bestien" ist Berieselungskino aus der Exzesswelt Hollywood. Als nächstes ist ein "GI Joe"-Crossover angekündigt. Ich hoffe persönlich ja noch auf eines mit "Fast & Furious".

Saltburn (Emerald Fennell) – 4/10
– Von einer sehr sexuellen Lesart des Kampf-Ausdrucks "Eat the Rich" mal abgesehen, hat Emerald Fennell kaum mehr als einen Studentenfilm gedreht, der sich in prätentiösen Anspielungen an der Welt der Reichen und Schönen abarbeiten, diese dabei aber nie ernsthaft kritisiert, sondern unverhohlen in ihren Gebaren abfeiert. Die Wohlstandskritik, die sie anzubieten hat, kann ihren spießbürgerlichen Kern nicht verheimlichen. Die Parallelen, die viele zu "Der talentierte Mr. Ripley" geschlossen haben, liegen auf der Hand, allerdings war der tatsächlich mehr als nur ein Parasit in der High Society des Kapitals, er war auch ein Geschmacksverstärker. "Saltburn" hat dem nur provokante erotische Derbheiten entgegenzusetzen, die aber nur prüde Gemüter schocken dürften.

Barbie (Greta Gerwig) – 4/10
– Ein Ausstattungstraum in Pink ist "Barbie" fraglos, aber gleichzeitig auch locker der heuchlerischste Film des Jahres. Gerwig mag zwar glauben, ihren Film mit feministischen Botschaften aufgeladen zu haben, eigentlich handelt es sich im Ergebnis aber um einen (manchmal zugegeben immerhin ganz witzigen) albernen Mattel-Werbefilm, der neben Kalendersprüchen, Influencer-Weisheiten und sonstigen Plattitüden zum "Humor" noch ein gutes Gewissen mitliefert. Frauen aller Welt, die ihr Barbie und die sexualisierenden Klischees der Marke stets verdammt hat: Kauft Barbies! Selbst Feministen dürfen Barbies kaufen, denn Barbie ist jetzt auch feministisch. Oder so. Was weiß ich schon? Als Mann habe ich im Barbie-Plastikland ja eh kein Recht auf eine eigene Meinung.

Blue Beetle (Ángel Manuel Soto) – 4/10
– Wow, ein Superheldenfilm. Endlich mal was Neues! Okay, Spaß beiseite: Irgendwie sieht dieser DC-Held optisch aus, wie eine Mischung aus "Iron Man" und "Deadpool", und viel mehr gibt es schon nicht zu sagen. Am Ende sind die Origin-Geschichten dieser Figuren und ihre speziellen Fähigkeiten schon in den Comics nicht unterschiedlich genug, damit es auf der großen Leinwand dann wirklich verständlich wird, warum jetzt jede Comicfigur ihr eigenes Franchise braucht. "Blue Beetle" ist eine 08/15-Kreuzung zahlreicher Superheldenfilme, aber die Hauptfigur ist dieses Mal ein Latino und das muss offenbar schon reichen, damit man in Hollywood Potenzial sieht. Ist natürlich krachend gefloppt. Wie hätte man das nur ahnen können? Jetzt bitte endlich mal was Neues!

No Hard Feelings (Gene Stupnitsky) – 4/10
– Jennifer Lawrence ist zurück und entweder bekommt sie keine tollen Angebote mehr oder sie ist aus ihrer Jugendzeit so großer "American Pie"-Fan, dass sie diesen schalen Neuaufguss des End-Neunziger-Humors unbedingt machen wollte. Die Geschichte um eine Blondine mit Geldproblemen, die sich von reichen Eltern dafür bezahlen lässt, den Sohnemann (sozial und sexuell unerfahren) mal ein wenig auf den Geschmack zu bringen, hat nur Schenkelklopfer für Pubertierende zu bieten. Sicher: Es ist schon irgendwie amüsant, wie gaga und anarchisch es teilweise wird, spätestens wenn Lawrence in einer Szene komplett nackt ein paar Teenies verdrischt. Aber da am Ende die spießbürgerliche Moral siegt, ist selbst das nur ein sehr kurzes Aufbäumen von Freizügig… äh, Freigeistigkeit.

Fall (Scott Mann) – 4/10
– Der Überraschungs-Indie-Hit um zwei Frauen, die auf einen 600 Meter hohen Funkturm mitten in der Wüste klettern und dann einen tödlichen Abstieg beginnen, hat einige nett inszenierte Spannungsmomente, ist aber so überdeutlich als theistische Parabel aufgezogen, dass es ihn leider vollkommen vorhersehbar werden lässt. Gerade den großen "Twist" können selbst ungeübte Zuschauer dadurch mindestens eine Stunde lang kommen sehen. Merkwürdig auch die sehr kuriose qualitative Mischung der Spezialeffekte: Bei einigen Einstellungen konnte man wirklich glauben, dass hier in schwindelerregender Höhe gedreht wurde. Bei anderen Szenen erlebten alle, die einst noch an der Playstation 2 gedaddelt haben, ein paar Momente der wohligen Pixel-Nostalgie.

Sound of Freedom (Alejandro Gómez Monteverde) – 4/10
– Wegen diesem Film der ganze Aufstand? "Sound of Freedom" war die Diskussionen um ihn nicht wert. Mit QAnon-Verschwörungstheorien oder sonstigem Quark hat das biografische Actiondrama um einen US-Agenten, der Kinder aus den Händen von Menschenhändlern in Südamerika befreit, wenig zu tun. James Caviezel mag ein Verschwörungsheini sein, spielt die Hauptfigur aber mit einer irren Intensität. Leider wird der Film ihm ansonsten nicht gerecht: Die Action ist viel zu übertrieben und unglaubwürdig inszeniert für eine angeblich "wahre Geschichte", und der Versuch, aus allen Rohren feuernd die Wichtigkeit des Themas zu betonen, sorgt für peinlichen Pathos. Für den Skandal gilt also wie für das Geschehen auf der Leinwand: Sehr viel Lärm um Nix.

Beau is Afraid (Ari Aster) – 4/10
– Ein Film wie dieser ist schwer zu bewerten. Kann man einer dreistündigen ödipalen Reise in die von Schuldgefühlen zerfressene Psyche eines Mannes, die als Experimentalfilm munter durch zig Genres springt und so die subliminalen Verstandesebenen nachstellen will, kann man so einer irren Show vorwerfen, dass ihr teilweise der Fokus fehlt? Es ist natürlich Absicht, wenn man Ari Aster in seinen kreativen Verrenkungen nicht immer vollends intellektuell folgen kann, aber die Vergleiche mancher Kritiker zu Filmen von David Lynch und Charlie Kaufman sind dennoch fehlplatziert. Aster ist aggressiver und dadurch leider auch dumpfer in seinem Schaffen. Fürs einmalige Ansehen also mit Sicherheit durchaus interessant, aber gleichzeitig auch nix für eine zweite Runde.

Creed III – Rocky's Legacy (Michael B. Jordan) – 4/10
– Die Geschichte vom jungen Boxer Creed mag mal eine Zeit ganz interessant gewesen sein, aber hauptsächlich deshalb, weil die Figur es aus ihrer Position als Box-Lehrling ermöglichte, nochmal eine neue Perspektive auf seinen Mentor Rocky Balboa zu erlangen. Da Stallone mittlerweile aber raus ist, müssten die "Creed"-Filme eigentlich auf eigenen Füßen stehen. Die kitschige Geschichte, die Elemente aus "Rocky 3" und Rocky 5" recycelt, ist dazu nicht geeignet, denn Jordan gelingt es weder als Darsteller noch als Regisseur, Interesse für die flach geschriebenen Figuren zu entwickeln. Die "Rocky"-Filme waren auch immer grade dann interessant, wenn die Figuren nicht im Ring standen. "Creed III" kann nur mit den Fights in CGI-Arenen überhaupt noch ein wenig zünden.

Die Aussprache (Sarah Polley) – 4/10
– Im Drehbuch von "Die Aussprache" (bzw. passender der englische Titel "Women Talking") wird vieles richtig gemacht. Auf dem Papier ist das eine kraftvolle Geschichte um weibliche Selbstermächtigung und Solidarität in unfairen und brutalen Zeiten. Allerdings hat Sarah Polley keine Ahnung, wie sie eine visuell interessante Draufsicht auf das sehr introspektive Skript gestalten soll. Die meiste Zeit sitzen die talentierten Darstellerinnen (Jessie Buckley, Claire Foy, Rooney Mara) also eben herum und reden, in flachen und langweiligen Bildeinstellungen. Das Color Grading ist so übel, dass jede Szene wie eine Werbung für Antidepressiva anmutet. Vielleicht wäre ein Theaterstück für diese Erzählung das ungleich kraftvollere Medium gewesen.

Der Super Mario Bros. Film (Michael Jelenic, Aaron Horvath) – 4/10
– Ein riesiger Erfolg! 2023 ist es Hollywood offenbar gelungen, endlich eine Erfolgsformel für Videospieladaptionen zu formulieren. Man darf nur enttäuscht sein, dass diese Erfolgsformel nicht das Schreiben eines tatsächlichen Drehbuchs beinhaltet. Es fällt schwer, im animierten Kinoausflug des Nintendo-Klempners überhaupt eine Handlung zu entdecken. Eigentlich werden hier nur Momente, die auf verschiedene Videospiele (von "Mario Party" bis "Mario Kart") aneinandergereiht. Kann ein Film wirklich nur aus Fanservice bestehen? Offenbar ja. Und kann er damit wahnsinnig viel Geld einspielen, über eine Milliarde Dollar gar? Ebenfalls ja. Mehr als bestenfalls kurzweilige und vor allem hyperaktive Cross-Promotion ist das aber eigentlich nicht.

Wonka (Paul King) – 4/10
– 2023 wurde bekannt, dass einige Romane von Roald Dahl in einer Neuauflage zensiert werden (aus "fetten Kindern" wurden zum Beispiel "kräftige Kinder"). Auch betroffen: "Charlie und die Schokoladenfabrik". Da passt es doch ins Bild, dass das Musical-Prequel "Wonka" wie eine politisch korrekt gebügelte Version von Dahls einstiger Fantasie anmutet, in der nichts weh tun oder anecken darf und alles so niedlich und brav und unauffällig bleiben muss, dass man beim Komponieren der Songs gar vergessen hat, ihnen Identität zu verleihen. Timothée Chalamet ist fehlbesetzt und "glänzt" durch Autotune-Gesang, Hugh Grant nervt als orangener Wicht. Nur Gastauftritte von Rowan Atkinson, Olivia Colman und anderen Briten sorgen gelegentlich für Schmunzler.

Roter Himmel (Christian Petzold) – 4/10
– Das deutsche Kino muss in einer schweren Krise stecken, wenn sowas wie "Roter Himmel" ernsthaft ein Highlight sein soll. Das Romantikdrama von Christian Petzold lässt vereinzelt erkennen, dass der Regisseur ein paar inszenatorische Ideen hat, doch alleine die Kameraführung ist so ungelenk und der Bildaufbau so bieder … eigentlich soll das Auge doch mitessen können. Auch inhaltlich ist nicht viel los: Ziellos und prätentiös wird jedes Ereignis mit Symbolen und Metaphoriken überladen, um den Anschein von Tiefe zu wecken; natürlich ein Versprechen, das nie eingelöst wird. Immerhin die Darsteller machen einen durchweg guten Job, insbesondere Paula Beer rettet mal wieder so manch vergeigte Szene. Das Gesamtwerk bleibt aber arg vergessenswert.

Oppenheimer (Christopher Nolan) – 4,5/10
– Ein Christopher Nolan kann einfach nicht aus seiner Haut. Selbst wenn er die Biografie einer so bekannten Persönlichkeit wie J. Robert Oppenheimer verfilmt, zeigt er sich null an seinen Figuren und stattdessen nur an erzählerischen Mätzchen interessiert. Na klar wird alles in zerstückelter Chronologie ohne erkennbaren erzählerischen Mehrwert erzählt, natürlich reden alle Charaktere exakt gleich im durchgehenden Trailer-Sprech, selbstverständlich wird jede noch so kleine Anekdote bedeutungsschwanger aufgeladen ("John F. Kennedy") usw. Man kennt ja seine Pappen- und Oppenheimer. In Größe und Präzision (vor allem beim Trinity-Test) ist dieses überlange Epos schon beeindruckend, doch wann immer der großartige Robert Downey Jr. nicht im Bild ist, bleibt die Seherfahrung kalt.

Paradise (Boris Kunz) – 5/10
– Erinnert sich noch jemand an "In Time", diesen Sci-Fi-Thriller mit Justim Timberlake, in dem Zeit selbst zur Währung wurde? … Wie jetzt "Nein"? Aber dann war es ja eine total blöde Idee, ein Quasi-Remake davon für teuer Geld als deutsche Netflix-Eigenproduktion umzusetzen … Uppsi. Naja, wollen wir nicht unfair sein. Die erste halbe Stunde ist richtig packend und emotional so toll aufgebaut und entwickelt, dass es danach nur bergab gehen konnte. Teilweise geht es etwas tiefer als nötig, und wäre Iris Berben nicht, müsste man dem ganzen Cast ein Zeugnis mit der Note mangelhaft ausstellen. Aber die sozialkritischen Ansätze sorgen im typischen Sci-Fi-Sumpf für ein paar nette Denkanstöße. Starker Anfang, schwaches Ende: In Summe ein durchschnittliches Drama.

Jeanne du Barry (Maïwenn) – 5/10
– Johnny Depp vs. Amber Heard: Part 1! Depp ist in Hollywood im Zuge seiner Scheidung eher unsanft heraus komplimentiert worden und dreht jetzt in einer französischen Kostümklamotte einen der Ludwig-Könige, der sich auf eine Mätresse aus armen Verhältnissen einlässt und mit ihr über die Hofgemeinschaft lästert. Dabei amüsiert vor allem, dass Regisseurin Maïwenn sich selbst in der weiblichen Hauptrolle als Typ Frau besetzt hat, die so attraktiv ist, dass alle Männer für sie tun was immer sie will. Irgendwie ist dieser inhaltlich unentschlossene und mal witzige, mal so gar nicht witzige harmlose Film wohl vor allem ein Ego-Projekt zweier Alphatiere geworden. Für einen verregneten Samstagnachmittag sehr amüsant, sofern man eine niedrige Erwartungshaltung mitbringt.

Aquaman: Lost Kingdom (James Wan) – 5/10
– Johnny Depp vs. Amber Heard: Part 2! Frau Heards Rolle soll Gerüchten zufolge im zweiten "Aquaman"-Film deutlich zusammengeschnitten worden sein. Da sie im spaßigen Gaga-Vorgängerspektakel aber schon das schwächste Glied der Kette war, wäre das eigentlich zu verschmerzen gewesen. Leider ist die Fortsetzung des Wassermanns vor allem mehr vom selben und jeder weiß, dass ein Witz beim zweiten Mal nur noch halb so zündet. Die freidrehende Kamera in den Actionszenen sieht immer noch schick aus, Jason Momoa ist als rotziger Biker-Aquadude immer noch amüsant, aber es fehlt der Überraschungseffekt, den all das beim ersten Anlauf hatte. Kein Bauchklatscher, nur eben auch kein Heilmittel gegen die allgegenwärtige Superhelden-Müdigkeit.

Peter Pan & Wendy (David Lowery) – 5/10
– Als Filmemacher ist David Lowery wirklich rätselhaft. Auf ein Genre, eine Tonalität oder einen spezifischen Stil lässt er sich nicht festlegen und so ist es trotz seiner Indie-Wurzeln gar nicht so überraschend, dass er nach "Elliot the Dragon" nun zum zweiten Mal einen Disney-Trickfilmklassiker als Realfilm-Remake umgesetzt hat. Sein "Peter Pan" ist nicht mal so schlecht umgesetzt und hat ein paar hübsch gefilmte Momente, allerdings sticht er aus dem riesigen Fundus an "Pan"-Verfilmungen auch nicht unbedingt heraus. Es ist zwar schön und respektabel, dass man sich offensichtlich bemüht hat, dem 1953er Zeichentrickoriginal neue Facetten abzugewinnen, allerdings schwächelt das Drehbuch in entscheidenden Szenen zu arg, um die Neuansätze richtig zu landen.

Babylon – Rausch der Ekstase (Damien Chazelle) – 5/10
– Was für ein extrem selbstverliebter Film! Damien Chazelle hat in "Babylon" eine völlig überzogene dreistündige Aneinanderreihung von Sketchen aneinander gereiht, die in ihren besten Momenten tatsächlich sehr packend und nahezu virtuos von der Amoralität der Traumfabrik erzählt. In ihren dümmsten Momenten macht sie den Regisseur aber zum großen zynischen Apologeten der Filmgeschichte. So nah standen sich grandiose und grottige Szenen 2023 sonst nie. Wie wenig Chazelle aber eigentlich zum Medium Film, zur Liebe zum Bewegtbild und zu den Missbrauchsstrukturen hinter den Kulissen zu sagen hat, zeigt er im absurden Schluss, in dem er einfach mehrere Minuten ein Highlight-Reel mit Impressionen dutzender Filmklassiker präsentiert. Ambition ist nicht gleich Qualität.

Wochenendrebellen (Marc Rothemund) – 5/10
– Florian David Fitz und Fußball: Was will der Deutsche mehr? Gut, zugegeben: Die wahre Geschichte um ein Vater-Sohn-Gespann, das quer durch die Republik fährt, um in jedem Stadion Bundesliga-Spiele zu sehen, ist schon irgendwie drollig und erstaunlicherweise viel besser inszeniert als man es nach dem furchtbaren Trailer erwartet hätte. Zudem sitzen ein paar Gags und der Kinderdarsteller hat was drauf. Nicht schlecht! Ärgerlich ist nur, dass in dieser seichten Dramedy Autismus mal wieder völlig verharmlost wird und man sogar den Eindruck bekommt, man könne Autismus mit ganz viel Willen und Hilfe von anderen einfach so abschalten, frei nach dem Motto: "Ach, du hast Depressionen? Das tut mir leid. Aber hast du denn mal versucht, einfach glücklich zu sein?"

Elemental (Peter Sohn) – 5/10
– Haben sie bei Pixar nicht mal eine Weile die kreativsten Filme der US-Filmindustrie im Jahrestakt rausgeballert? Erinnert sich noch jemand an wirklich geniale und allegorisch brillant aufgedröselte Konzepte wie einst bei "Ratatouille", "Wall E", "Alles steht Kopf" und "Die Monster AG"? Mittlerweile ist davon nicht mehr viel übrig. "Elemental" ist "Romeo & Julia" mit den Elementen, soll heißen: Es gibt die Wasser-, Feuer-, Luft- und Erdenwesen, und die Feuerwesen werden von den anderen ausgegrenzt, bis sich eine Wasser- in eine Feuerkreatur verliebt. So richtig schlüssig ist die gezeigte Welt nicht, und die Geschichte nie annähernd originell. Ein netter Kinderfilm – was für sich in Ordnung ist, für eine Pixar-Produktion aber schon eine vernichtende Kritik darstellt.

Fair Play (Chloe Domont) – 5/10
– Bitte entschuldigt die etwas doofe Bemerkung, aber "Fair Play" wäre automatisch so viel interessanter, wenn man das Geschlecht der beiden Hauptfiguren tauschen würde. Es geht um einen Mann und eine Frau (sie sind ein Paar), die beide im Beruf erfolgreich sind und sich auf die gleiche Stelle bewerben. Als sie die Stelle bekommt und mehr verdient als er, verträgt sein Ego das nicht und ihre Beziehung wird immer gefährlicher und letztlich gewalttätig. Das ist als psychologischer Thriller durchschnittlich gelungen inszeniert und recht gut gespielt, aber es ist auch so gewöhnlich, so erwartbar, weil so alltäglich. Mit umgekehrten Geschlechtsteilen wäre das Teil wenigstens kontrovers und vielleicht böse und ein bisschen "edgy" und keine Allerweltsbestandsaufnahme.

Knock at the Cabin (M. Night Shyamalan) – 5/10
– Ohne großen Schlusstwist kann M. Night Shyamalan eigentlich nicht, aber der größte Twist ist bei seinem neuen Weltuntergangs-Home-Invasion-Drama wohl, dass es genauso endet, wie es sich von Anfang an angekündigt hat. Zumindest zeigt der einstige Wunderkind-Regisseur mal wieder in Ansätzen, warum er früher noch in einem Atemzug mit Alfred Hitchcock genannt wurde. Wie er hier teils mit einfachsten Mitteln maximale Suspense generiert, ist mustergültig und aufregend – mit Dave Bautista als mysteriösem Schurken auch toll besetzt. Leider kann Shyamalan nach wie vor keine vernünftigen Figuren schreiben und so sind vor allem die Dialoge nur schwer anzuhören. Vielleicht wären richtig tolle Schlagabtausche mal ein guter "Twist" für seinen nächsten Film.

Shazam! Fury of the Gods (David F. Sandberg) – 5/10
– Ich habe einen verrückten Vorschlag: Wir gehen alle geschlossen als Gesellschaft mal ein Jahr in keinen einzigen Superheldenfilm. Ich kann das alles langsam nicht mehr. Ja, der zweite "Shazam" ist auch wieder ganz okay und macht ein paar Sachen richtig, gerade Zachary Levi ist immer noch cool als Kind im Erwachsenenkörper. Aber diese Filme wiederholen sich alle so immens, dass man sich auch beim "Über sie reden" nur noch wiederholen kann. Die Action ist generisch und zu krawallig, die Witze sind eigentlich gut, es gibt nur viel zu viele von ihnen, der Plot ist Nonsense und wie so oft um irgendwelche Fantasy-Artefakte gestrickt … Wir wissen das doch eigentlich alle. Also: 2024 einfach mal ein Jahr Superhelden-Detox machen. Wer möchte dabei sein?

Maestro (Bradley Cooper) – 5/10
– Diese tatsächlich hin und wieder schick inszenierte Filmbiografie schafft es wunderbar, einen gebrochenen (Ehe)Mann zu zeigen, der sich nicht nur mit seinem Jüdischsein und Antisemitismus, sondern auch mit seiner Homosexualität und der Liebe, die er dennoch für seine Frau empfindet, auseinandersetzen muss. Wer sich mit dem dargestellten Leonard Bernstein aber etwas besser auskennt, wird sich irgendwann fragen: "Hat der nicht auch beruflich was mit Musik gemacht?" Warum genau Bradley Cooper einen Film über den vielleicht bedeutendsten Musiker des 20. Jahrhunderts auf ein (ganz gutes) Ehedrama verknappen musste, bleibt wohl ewig sein Geheimnis. Dem "Maestro" wird er so nicht gerecht. Fairerweise hat er es halt (warum auch immer) eh nicht wirklich versucht.

Infinity Pool (Brandon Cronenberg) – 5/10
– Auf eine Art ist Brandon Cronenberg seinem Vater nicht so unähnlich. Wie er den Fiebertraum aus Sex und Drogen, der sich im "Infinity Pool" abspielt, bebildert und dabei immer Einstellungen finden, die im Gedächtnis bleiben, hat tatsächlich Ähnlichkeit zur Vorgehensweise seines Papas. Erzählerisch fehlt ihm aber dessen Radikalität, denn selten wird klar, worum es eigentlich zwischen diesen fiebrigen Momenten geht. Der Plot mäandert ziellos umher und selbst die Darsteller seinen sich nicht immer im Klaren zu sein, was genau sie da eigentlich verkörpern. Witzig ist aber natürlich, dass Mia Goth mal wieder als eine Frau zu sehen ist, die psychisch vollkommen in Rambazamba-Gefilde abdriftet. Ihr Name alleine reicht mittlerweile schon aus, um Interesse zu erzeugen.

The Boogeyman (Rob Savage) – 5,5/10
– Quasi die Horrorfilm-Variation von "Die Monster AG". Ein großer Pluspunkt ist, dass das Monster im Schrank zwar einerseits schlüssig als Metapher für Traumata und verdrängte seelische Narben fungiert, andererseits aber auch pulpy genug auftreten darf, um abseits von intellektueller Thesenhaftigkeit zu schockieren. Die Jumpscare-Momente sind richtig effektiv und schön gesetzt. Warum dann nur 5,5/10? Tja: Das ganze dauert leider zu lang. Es festigt sich irgendwann der Eindruck, dass dieser Film in eine Reihe von Horrorfilmen der letzten Jahre ("It Follows", "Don't Breathe") gehört, die als Kurzfilm eigentlich viel effektiver gewesen wären. Das Konzept ist irgendwann durchgenudelt, und wird so repetitiv, dass viele Stärken sich selbst aufheben dürfen.
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Re: Hille blickt zurück, Teil 2 – Rubrik "weder Fisch noch Fleisch"

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Casino Hille hat geschrieben: 8. Januar 2024 22:47 Beau is Afraid (Ari Aster) – 4/10
– Ein Film wie dieser ist schwer zu bewerten. Kann man einer dreistündigen ödipalen Reise in die von Schuldgefühlen zerfressene Psyche eines Mannes, die als Experimentalfilm munter durch zig Genres springt und so die subliminalen Verstandesebenen nachstellen will, kann man so einer irren Show vorwerfen, dass ihr teilweise der Fokus fehlt? Es ist natürlich Absicht, wenn man Ari Aster in seinen kreativen Verrenkungen nicht immer vollends intellektuell folgen kann, aber die Vergleiche mancher Kritiker zu Filmen von David Lynch und Charlie Kaufman sind dennoch fehlplatziert. Aster ist aggressiver und dadurch leider auch dumpfer in seinem Schaffen. Fürs einmalige Ansehen also mit Sicherheit durchaus interessant, aber gleichzeitig auch nix für eine zweite Runde.
Den habe ich genau 15 Minuten durchgehalten, bevor ich entnervt das Handtuch geworfen habe. Fand ich nahezu unerträglich zu schauen in seiner undurchsichtigen Langsamkeit. Vielleicht tue ich dem Film damit unrecht, weil er danach viel besser wird bzw. der ultrasperrige Anfang konzeptionsbedingt Notwendigkeit ist. Aber ich hielt den Film wirklich keine Minute länger aus...

...immerhin bis zur 30-Minute-Marke hat es bei mir das vielzitierte Meisterwerk Everything Everywhere All at Once geschafft, dann habe ich auch hier entnervt abgebrochen. Was der in meinen Augen mit Beau is afraid gemein hat ist diese wie eine Monstranz vor sich hergtragene Attitütde "ich-bin-ein-anspruchsvoller-Film-bin-ich-nicht-toll-also-her-mit-den-Preisen". Wahrscheinlich bin ich aber auch hier wieder ungerecht, weil mir der intellektuelle Zugang fehlt.
Casino Hille hat geschrieben: 8. Januar 2024 22:47 Maestro (Bradley Cooper) – 5/10
Warum genau Bradley Cooper einen Film über den vielleicht bedeutendsten Musiker des 20. Jahrhunderts auf ein (ganz gutes) Ehedrama verknappen musste, bleibt wohl ewig sein Geheimnis.
Ebenso wird es wohl auch für immer sein Geheimnis bleiben, warum er die Notwendigkeit verspürte seinen Film im 4:3-Format zu drehen. Um mehr Intimität zu verdeutlichen? Die bekommt man nachweislich auch in einem nicht-antiquierten Format hin. Hat mich irgendwo schon geärgert, weil wieder mal ein so sinnbefreites Gimmick.


Ich habe auch noch einen Nachtrag für meinen Rückblick, den ich im Eifer ganz vergessen hatte (und als ich ihn dann in einigen anderen Rückblicken sah dacht ich: "komisch, dass ich auch mal einen Film ein ganzes Jahr vor den geschätzten Mitforisten sehe ist aber auch eine Seltenheit" :) )

The Banshees of Inisherin (Martin McDonagh)
Stark gespielter und entwickelter Zwitter irgendwo zwischen schwarzer Komödie und Charakterdrama. Dabei ist der Wandel, den der Film überzeugend hinlegt immer mehr in Richtung düsteres Drama schon bemerkenswert angesichts des launigen Einstiegs.
8 / 10
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Hille blickt zurück, Teil 2 – Rubrik "weder Fisch noch Fleisch"

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AnatolGogol hat geschrieben: 9. Januar 2024 08:29 ...immerhin bis zur 30-Minute-Marke hat es bei mir das vielzitierte Meisterwerk Everything Everywhere All at Once geschafft, dann habe ich auch hier entnervt abgebrochen. Was der in meinen Augen mit Beau is afraid gemein hat ist diese wie eine Monstranz vor sich hergtragene Attitütde "ich-bin-ein-anspruchsvoller-Film-bin-ich-nicht-toll-also-her-mit-den-Preisen". Wahrscheinlich bin ich aber auch hier wieder ungerecht, weil mir der intellektuelle Zugang fehlt.
Sehr interessant, dass du das sagst, Anatol! Ich habe den in meinem 2022er Jahresrückblick gehabt, er wird in diesem Thread also nicht nochmal auftauchen. Total verstehen kann ich sicherlich jeden, dem "Everything Everywhere All at Once" auf die Nerven gegangen ist, weil das auch ein wirklich hyperaktiver und alberner Film ist. Aber dass den als Preis-Bait wahrnimmst, finde ich erstaunlich. Ein solcher Film ist dieser multiversale Kampfsport-Irrsinn ja eigentlich nicht gewesen, weil er vollkommen überraschend erst zum Festival- und dann zum Publikumsliebling wurde und daher auch vergleichsweise unerwartet mit Vollgas in die Award-Season geschickt wurde.

Hast du den wirklich als "anspruchsvoll" beziehungsweise "darauf angelegt, als anspruchsvoll wahrgenommen zu werden" gesehen? Das war doch eigentlich einfach ganz großer Quatsch, mit viel Kung Fu Gekloppe, mit ausgeflippten Ideen (die man entweder schräg oder zu gewollt schräg finden kann), mit schrulligen Momenten, Dialogen und Charakteren etc. Ich fand es eher sehr überraschend, dass so ein im positiven Sinne bekloppter und schwachsinniger Film so viele Preise gewonnen hat, und dann sogar sieben Oscars. Es war zwar für mich in dem Jahr auch nicht der beste von den nominierten Filmen, aber das sowas auch mal gewinnt, hat mich dann doch gefreut.
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Hille blickt zurück, Teil 3 – Endlich gute Filme aus 2023

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So, ich halte mich mal ran. Ich möchte ja fertig, werden, bevor ich schon den Rückblick für 2024 schreiben muss. Hätte ich meine kleine etwas unfreiwillige Gewalterfahrung vor kurzer Zeit nicht gehabt, wäre ich locker längst fertig, aber wie wir wissen, sind Probleme nur dornige Chancen. A propos: Die Problem-Filme haben wir hinter uns, jetzt kommt nur noch das gute Zeug.
Spoiler
Guardians of the Galaxy Vol. 3 (James Gunn) – 5,5/10
– Allein seiner visuellen Spielfreude wegen waren James Gunn und seine "Guardians of the Galaxy" immer eine freudige Ausnahme im recht eintönigen Marvel-Kosmos, allerdings verrennt er sich im späten großen Finale an vielen Ecken und Enden. Viele Figuren haben in ihrer Entwicklung längst einen Endpunkt erreicht und so ist früh klar, dass es über Gamora, Star-Lord, Drax, Groot und Mantis abseits durchaus unterhaltsamer und kreativer Actionszenen nicht mehr allzu viel zu erzählen gibt. Unschön ist der Plot rund um Waschbär-Mutant Rocket, in dem auf billigste Weise Emotionen dadurch erzeugt werden sollen, zahlreiche Tiermissbräuche und -quälereien zu zeigen. Das letzte Drittel stimmt Fans der Galaxie-Guardians aber einigermaßen versöhnlich. Florence + the Machine rockt die Hütte!

A Haunting in Venice (Kenneth Branagh) – 6/10
– Herr Branagh, es geht doch! Beim dritten Anlauf verfilmt er endlich einen Hercule-Poirot-Krimi von Agatha Christie, der nicht schon sehr würdig fürs Kinoformat adaptiert wurde und schlagartig kommt ein wenig Leben in die Detektivbude. Der Spuk in Venedig ist weniger Rätselfilm und mehr eine Art Geisterbahn-Rummelplatzfahrt, aber diese vergleichsweise spielerische Herangehensweise an den schon in der Romanvorlage enorm quatschigen Fall macht durchaus Laune. Branagh selbst ist als Poirot leider nach wie vor mehr Karikatur als ernstzunehmender Ermittler, aber der Kampf gegen die Redundanz wurde im dritten Anlauf gewonnen. Und man hat sogar wirklich in Venedig gedreht, nachdem Orient-Express und Nildampfer reinste Digitalkulissen waren. Chapeau, Monsieur Poirot!

Pearl (Ti West) – 6/10
– Mia Goth ist für das Horrorkino wirklich eine Entdeckung. Es hat ja seinen Grund, dass sie oft quasi alleinig damit in Verbindung gebracht wird, diesen nur auf den ersten Blick erwartbaren Slasher von Ti West zum Überraschungshit gemacht zu haben. Hinter der Oberfläche versteckt sich einiges in dieser verstörenden Antithese zu "Der Zauberer von Oz". Man könnte "Pearl" als Südstaatenmärchen beschreiben, welches familiäre Traumata und die kulturell gewollte sexuelle Ausbeutung junger Frauen vorführt. Lange Zeit gelingt dieser Ansatz in cooler Retro-Optik (endlich wieder Split-Screen!) vorzüglich. Im letzten Drittel wird es dann allerdings sehr geschwätzig und vielleicht doch etwas zu sehr der erwartbare Slasher, mit dem man eingangs gerechnet hatte. Trotzdem ein fieses kleines Psychogramm.

Tetris (Jon S. Baird) – 6/10
– "Argo" für Videospiel-Nerds! Natürlich ist der langerwartete "Tetris"-Film nicht wirklich ein Film, der im Bauklotzstapeln eine Handlung sucht, sondern erzählt von der Entstehungsgeschichte von "Tetris", die – u.a., weil sie es mit der Realität nicht immer ganz so genau nimmt – zu einem waschechten Kalter-Kriegs-Thriller wird, wenngleich immer leichtfüßig erzählt. Gefallen tut hierbei gerade die musikalische Untermalung, die das berühmte "Tetris"-Gedudel gerne zitiert und auch visuell werden Referenzen auf so manche 8-Bit-Spieleklassiker gestreut. Nichts weltbewegendes, aber doch ganz liebenswert putzig. Allerdings: Zum x-ten Mal ist der musikalische Einsatz von Bonnie Tylers "Holding Out For a Hero" zu vernehmen. Sagt mal, liebe Hollywood-Menschen, kennt ihr keine anderen Lieder?

Operation Fortune (Guy Ritchie) – 6/10
– Echt jetzt? Der Film war von Guy Ritchie? Sah irgendwie nicht wirklich so aus. Okay, gut, Hugh Grant spielt wieder diese witzige schmierige Type, die er die letzten Jahre häufiger – gerade im Zusammenspiel mit Guy Ritchie – ausprobiert hat. Aber sonst? Klar: Es handelt sich um einen unterhaltsamen Agentenfilm, in dem Jason Statham an sehr schönen Orten mit einigen attraktiven Menschen (Aubrey Plaza, Josh Hartnett) Schabernack treibt. Tatsächlich ist das jenes Element, welches am positivsten heraussticht: Alle Beteiligten scheinen bei dieser Spezial-Operation einfach eine Menge Spaß gehabt zu haben. Und so schließt sich der Kreis: Wenn Guy Ritchie schon Urlaub am Mittelmeer mit ein paar Kumpels und Kumpelinen macht, dann kann er natürlich nebenbei auch einen Film drehen.

Chevalier (Stephen Williams) – 6/10
– Vom Geiger und Komponisten Joseph Bologne, Chevalier de Saint-Georges, dürften die wenigsten je gehört haben. Der schwarze Zeitgenosse von Wolfgang Amadeus Mozart feierte (trotz seiner Hautfarbe) einen sagenhaften Aufstieg in seiner Zeit, stolperte dann aber vor allem über seine eigene Arroganz – zumindest wenn man dieser losen Filmbiografie glaubt, die in prächtigen Bildern für schöne Kostümfilm-Stimmung sorgt. Charakterlich bleibt vieles an der Oberfläche, zumal die Geschichte selbsthaft spunghaft erzählt wird, dafür ist der Cast anständig. Kelvin Harrison Jr. in der Hauptrolle ist fesselnd, noch besser sind seine Co-Stars Samara Weaving als Marie-Josephine und Lucy Boynton, die sich gut und gerne die beste filmische Marie Antoinette seit Kirsten Dunst schimpfen darf.

Nimona (Troy Quane, Nick Bruno) – 6/10
– Netflix etabliert sich als eine Größe im Animationsfilm-Sektor. Zurecht, denn Filme wie "Klaus" oder "Die Mitchells gegen die Maschinen" und Serien wie "Arcane" und "Blue Eye Samurai" gehören zu den bislang besten animierten Produktionen der 2020er. Visuell kann "Nimona", die in einer futuristischen Mittelalterwelt spielt, locker mit diesen Werken konkurrieren und hat teilweise richtig faszinierende Design-Einfälle. Daher ist es durchaus schade, dass die Geschichte sich nach starkem Auftakt als ziemlich generisch entpuppt und als Allegorie auf rücksichtslose Politiker und Queer-Menschen eher dünn ausfällt. Warum sind ausgerechnet Plots über den Wert der Nonkonformität immer so erschreckend gleich? Wie dem auch sei: Ein unterhaltsamer kleiner Film, nur eben kein großer Wurf.

Fallen Leaves (Aki Kaurismäki) – 6/10
– Irgendwann in dieser kurzen finnischen Romanze geht das zentrale Liebespaar gemeinsam ins Kino und schaut sich – sehr passend für ein leidenschaftliches Date – den lakonischen Zombiefilm "The Dead Don't Die" von Jim Jarmusch an. Es sind kleine schräge und eigentümliche Momente wie diese, in denen die in Cannes in höchsten Tönen bejubelte Beinahe-Tragikomödie angenehm menschelt. Erfreulich unkritisch in der Präsentation lässt es sich leicht in diese Affäre fallen. Störend sind jedoch Szenen, in denen auf Teufel komm raus das aktuelle Weltgeschehen kommentiert wird oder zumindest als Background eingebracht werden muss; vor allem, weil sie den etwas ärgerlichen Verdacht nähren, nur enthalten zu sein, um irgendwie gerade so die 80 Minuten Marke vollzumachen.

Dead for a Dollar (Walter Hill) – 6/10
– Der Kolorist dieses Films gehört nackt vor aller Öffentlichkeit ausgepeitscht und fachmännisch hingerichtet. Da macht Walter Hill endlich mal wieder einen Western und dann sieht das Bild so beschissen braun gefärbt aus! Eintöniger kann man einen Film nicht gestalten. Der Einsatz von Komplementärfarben ist nicht optional! Abgesehen davon: Walter Hill ist zu Glanztaten sicher nicht mehr fähig, und auch die Stars (Christoph Waltz, Willem Dafoe, Rachel Brosnahan) verrichten eher Dienst nach Vorschrift, allerdings kann Hill einfach Wildwest-Stimmung. Seine Saloons sind staubige Spelunken, seine weite Prärie ist immer ein bisschen weiter als in heutigen Genre-Vertretern. Ein durchaus angenehmer Altersnachklapp, kommt man über den buchstäblichen Scheiß-Look hinweg.

Talk to Me (Michael Philippou, Danny Philippou) – 6/10
– Der riesige Erfolg von "Hereditary" ist im Horrorkino an vielen Ecken und Enden spürbar. Ari Aster hat mit seinem sehr langsamen und kontemplativen Psychodrama einen Stil vorgegeben, der sich jetzt in allerlei "geistigen Ablegern" wiederfindet. In diesem Fall ist "Talk to Me" nicht einfach irgendein Film, bei dem ein Studioboss das Aufspringen auf diesen Stil von oben befohlen hat, sondern von zwei YouTubern inszeniert, die erstaunliches Gespür für Bildaufbau und Atmosphäre beweisen. Sie verstehen es, die Kamera ruhig zu halten und den wahren Horror in die Antizipation zu verlagern. Zum Ende übertreiben sie damit zu arg und lösen viele vorher aufgemachte Versprechen nicht mehr zufriedenstellend ein. Als deutlich inspiriertes Debüt ist "Talk to Me" aber zumindest vielversprechend.

Cocaine Bear (Elizabeth Banks) – 6/10
– Trotz wahrer Geschichte als Vorlage ist die Prämisse um einen Bären, der versehentlich geschmuggelte Kokain-Ware frisst und daraufhin Amok läuft, eigentlich so bekloppt, dass der Trash-Fan sich auf richtig schönen Quatschkram freut. Seltsamerweise liefert die Verfilmung das aber nur teilweise ein: Wenn der wild gewordene Drogenbär einem Krankenwagen nachjagt oder auf die leiseste Prise Koks im Umkreis von 300km reagiert wie Haie auf frisches Blut, hat das einen erwähnenswerten Fun-Faktor, aber mit sehr vielen Charakteren und Plots bestückt, darf es – warum auch immer – nie so crazy und abgefahren werden, wie der Titel verspricht. Man darf aber hoffen, dass dieses Einzelwerk zum Franchise ausgebaut wird. Wie wäre es mit "Heroine Squirrel", "Cannabis Badger" oder "Acid Monkey"?

Indiana Jones und das Rad des Schicksals (James Mangold) – 6/10
– Irgendwie traurig, wenn der größte Erfolg eines über 300 Millionen teuren Blockbusters der ist, bei vielen nur folgende Reaktion ausgelöst zu haben: "Immerhin haben sie es nicht komplett vermasselt." In einigen wenigen Momenten blitzt gar die alte Spielberg-Magie auf, die meiste Zeit ist der (hoffentlich) letzte Ausflug von Uropa Indy aber bloß ein harmloses Abenteuerfilmchen, mit mal mehr, mal weniger guter Action, die aber grundsätzlich immer zu lang ist und im letzten Drittel in sehr schwachen Krawall der Marvel-Marke ausartet. Die Nebenfiguren, allen voran Phoebe Waller-Bridge, machen Spaß, Harrison Fords Augen funkeln noch und somit war das in Summe alles irgendwie okay. So nachsichtig sind wir Fans aber kein zweites Mal. Indy gehört in ein Museum, nicht mehr ins Kino.

Spider-Man: Across the Spider-Verse (Joaquim Dos Santos, Justin K. Thompson, Kemp Powers) – 6/10
– Der erste animierte Ausflug ins "Spider-Verse" gehört zu den schönsten Superheldenfilmen, seit Marvel jedem ein Begriff ist. Nicht nur war der Look des Erstlings originell und aufregend, auch die Erzählung bewies sich in ihrer Metamodernität als kindlich verspielt und zugleich emotional ausgereift. Im zweiten Teil funktioniert all das kaum noch: Viel zu viele Nebenschauplätze werden für eine Laufzeit weit über zwei Stunden aufgemacht, eine klare Erzählstruktur fehlt, die Meta-Kommentierung zu Comicfiguren bleiben diesmal platt und oberflächlich. Dafür ist der Look gar noch visionärer und bietet eine regelrecht einzigartige, rauschhafte Animationserfahrung, die ihrer Sinnesüberwältigung wegen einiges wettmacht. Für den angekündigten dritten Teil muss aber wieder mehr Fleisch an die Knochen.

Dumb Money (Craig Gillespie) – 6/10
– Craig Gillespie scheint großer Fan von "The Big Short" zu sein, also hat er sich den absurden GameStop-Vorfall von 2021, als Nutzer der Plattform Reddit die Aktie in die Höhe trieben, vorgenommen, um mal sowas ähnliches zu machen. Obwohl Paul Dano bärenstark auftritt, ist es nicht wirklich gelungen, den kongenialen Mix aus Pop-Entertainment und Aufklärungsvideo von Adam McKays Finanzkrisen-Collage zu wiederholen, für sich ist dieser Fall aber amüsant genug, um zwei Stunden lockere Unterhaltung zu sichern. Zumal es selten passiert, dass eine große US-Filmproduktion so authentisch den Ausdruck und die Form verschiedener Online-Portale einfängt. Eingeblendete Reddit-, Twitter- und TikTok-Postings wirken in der Tat stilecht und "wie aus dem Netz gegriffen".

Die letzte Reise der Demeter (André Øvredal) – 6/10
– Im originalen "Dracula"-Roman wird die Reise des Schiffes Demeter, durch welches der berühmte Vampir von Rumänien nach London schippert, auf gerade einmal sechs Seiten erzählt. Irgendwie hat man für diese Adaption trotzdem volle zwei Stunden draus gemacht. Wie? Nun: Man nehme die übliche Abzählreim-Formel, ein paar ganz markante Typen (sehr brummig: "Game of Thrones"-Star Liam Cunningham) und spule die übliche Horror-Nummer ab. Klingt negativer als gemeint: André Øvredal hat richtig garstige Gewaltspitzen zu bieten und spielt gelungen mit Schatteneffekten, sodass die Monsterjagd nie so generisch aussieht, wie sie auf dem Papier konstruiert ist. Und das Ende ist so harter Pulp, so komplett übers Ziel hinausgeschossen, dass es irgendwie wieder Respekt abverlangt.

Driving Madeleine (Christian Carion) – 6/10
– Der große Wurf ist diese niedliche Komödie um eine alte Dame, die auf dem Weg per Taxi ins Heim ihren Fahrer bittet, noch an ein paar schönen Orten aus ihrer Vergangenheit vorbeizufahren, gewiss nicht; dafür artet es die Reise zu oft in Kitsch aus. Allerdings ist dieses französische Kleinod vor allem explizit auf seine beiden Hauptdarsteller Dany Boon und Line Renaud zugeschnitten, deren Chemie zuckersüß anzuschauen ist. Beide harmonieren wunderbar vor der Kamera und lassen dadurch sofort Erinnerungen an "Miss Daisy und ihr Chauffeur" aufkommen. Ein schöner kleiner Einfall: Die noch in der Rekonstruktionsphase steckende Notre-Dame dient in der besten Szene als Metapher dafür, dass die Welt immer im Wandel ist, sich die Zeiten ändern und einiges doch stets erhalten bleiben sollte.

Air (Ben Affleck) – 6,5/10
– Irgendwie war dieser Film um Michael Jordans Werbedeal für Nike-Schuhe komischerweise der Crowdpleaser 2023. Erstaunlich, denn das eigentlich trockene Thema wird von Affleck auch auf Figurenebene ziemlich banal erzählt, wenngleich Matt Damon und Viola Davis sich bemühen, es nicht so aussehen zu lassen. Interessant ist, dass dieses "Biopic" (?) einen Wendepunkt in den 80er Jahren illustriert, als der Kapitalismus zum Turbo-Kapitalismus wurde und dem Kommunismus hinterm eisernen Vorhang den Todesstoß versetzte. "Air" handelt von der vernichtenden Superwaffe des Kapitals, der personalisierten Werbung, die eine Mentalität hervorbrachte, in der später Soziale Netzwerke erstarken konnten. Alles nicht uninteressant. Vielleicht ist es aber auch nur ein Feel-Good-Drama über kluge Schuhverkäufer.

Die drei ??? – Erbe des Drachen (Tim Dünschede) – 6,5/10
– Hat lang genug gedauert, aber beim dritten Anlauf wird der Charme der drei Jungdetektive aus Rocky Beach endlich vernünftig auf die Kinoleinwand transportiert. Der Kriminalfall, der sie an ein rumänisches Filmset (und natürlich zu Spukerscheinungen) führt, mag nicht zu dem besten gehören, mit dem Justus, Peter und Bob je konfrontiert worden, bietet aber viele schöne Möglichkeiten, die drei Fragezeichen vernünftig zu charakterisieren. Und wer hätte ausgerechnet Gudrun Landgrebe in so einem Film erwartet? "Erbe des Drachen" ist für Fans der Bücher und Hörspiele die erste im Tonfall gelungene visuelle Adaption, bleibt aber hinter ihren Möglichkeiten. Ausgerechnet Spannung kommt nämlich so gar nicht auf. Dafür hätte es wohl – in Justus' Worten – einen spezialgelagerten Sonderfall benötigt.

To Catch a Killer (Damián Szifron) – 6,5/10
– Warum haben Serienkiller-Krimi/Thriller eigentlich immer dieselben drei Plottwists und warum werden sie jedes Mal als große Überraschungen präsentiert, obwohl sie doch (für jeden, der mehr als drei dieser Filme kennt) gar keine mehr sind? Es ist richtig ärgerlich, dass dieses Drehbuch nur selten originelle Ideen hat, denn auf der visuellen Ebene legt man sich mächtig ins Zeug, die Morde, die Spurensuche etc. interessant und aus ungewöhnlichen Perspektiven zu zeigen. Ben Mendelsohn und besonders Shailene Woodley sind zudem beide richtig klasse und retten den Film damit – so hart es vielleicht klingen mag – knapp davor, nur wenig mehr als eine besonders gelungene Doppelfolge von "Criminal Minds" oder "CSI: Den Tätern auf der Spur" zu sein.

Das Lehrerzimmer (İlker Çatak) – 6,5/10
– Der deutsche Auslandsoscar-Beitrag 2023 ist eine Art Anti-Version von "Club der toten Dichter", denn dieses Mal sucht man inspirierende Lehrer, die ihre Schüler zur intellektuellen wie empathischen Entwicklung anspornen, vergeblich. Eher wird der Schulalltag so gezeigt wie er wohl aussähe, würde Michael Haneke den Stundenplan schreiben. Nüchtern und konzentriert folgt die Kamera der exzellenten Hauptdarstellerin Leonie Benesch durch den Mikrokosmos Schule und gewinnt so ein paar schmerzhafte Einblicke, die den Idealismus der Protagonistin mächtig bröckeln lassen. Überzeugend wird die Eskalationsspirale vorangetrieben. Der betont graue Look und die strenge Kadrierung ins 1,37:1 Format schreien aber dann doch etwas arg nach deutschem Problemkino.

The Flash (Andy Muschietti) – 7/10
– Okay, die CGI-Effekte sehen fast durchweg richtig erbärmlich aus, aber ansonsten ist der bislang einzige Solo-Film des schnellsten aller DC-Superhelden eine ziemlich launige Zeitreise-Tobuwabohu-Multiversumsgeschichte, die diesen ganzen Kanon-Bohei erfreulich weit weniger ernst nimmt als die Marvel-Konkurrenz und vor allem dann an Witz dazu gewinnt, als Michael Keaton wieder die Flatter macht und seinen Batman aufwärmt. Das ist alles laut und drüber, und sicher von allem zu viel, aber es war eben auch der einzige Superheldenfilm des Jahres, der tatsächlich daran erinnert wie es ist, ein Comicheft in der Hand zu haben und sich das neueste Abenteuer der kostümierten Supermänner einzuverleiben. Wirr und albern? Mag sein. Aber eben auch unterhaltsam und selbstbewusst "poppig".

Boston Strangler (Matt Ruskin) – 7/10
– Obwohl True Crime im Trend liegt und Keira Knightley immer noch Star-Power hat, wurde "Boston Strangler" nur bei Disney+ veröffentlicht. Dabei ist der wahre Fall dank "Der Frauenmörder von Boston" (mit Tony Curtis, komplett gegen sein Image besetzt) bekannt und die Geschichte um jene Journalistinnen, die durch ihre klugen Recherchen überhaupt erst für polizeiliche Ermittlungen sorgten, ein spannender Reporter-Thriller in der Tradition von "Die Unbestechlichen" oder "Spotlight". Insbesondere die sehr engagierte Keira Knightley und die bestechend bzw. bedrückende "trübblaue" Farbgestaltung sorgen für einen Sogfaktor, der sich über die gesamte Laufzeit hält. Sowas hätte gerne im Kino laufen dürfen. Vermutlich war zwischen den ganzen Effekt-Spektakeln kein Platz mehr frei.

Sisi & Ich (Frauke Finsterwalder) – 7/10
– Ein "Was wäre wenn"-Szenario: Kaiserin Sisi macht Erholungsurlaub auf Korfu und verliebt sich dabei in ihre Hofdame, Irma Gräfin Sztáray. Diese eigenwillige Interpretation fängt richtig stark an. Die erste Stunde ist glänzend bebildet, sehr unterhaltsam und erstklassig besetzt (Sandra Hüller brilliert als Gräfin). Später (nach Korfu) geht es zurück ins höfische Leben und so verschiebt sich der Fokus nicht ganz überzeugend zurück zur tragischen Monarchin und die Sisi-Erzählung wird klassischer, was teilweise zu vermeidbaren Längen führt. Es fehlt der Schaum vorm Mund, den der spöttische Unterton zuvor so eindeutig erkennbar werden ließ. Dennoch ist es spannend, wie Sisi hier als moderne Popkultur-Persönlichkeit erst präsentiert und dann minutiös dekonstruiert wird.

Napoleon (Ridley Scott) – 7/10
– Irgendwie seltsam von Ridley Scott, schon im Vorfeld anzukündigen, dass er eine deutlich längere und bessere Version seines Films bei Apple TV+ veröffentlichen wird. Wozu dann im Kino die schwächere Schnittfassung anschauen? Was auffällt: In der Kinofassung geht es vor allem um Napoleons private Beziehung zu Josephine (exzellent: Vanessa Kirby) und um die Psychologisierung des großen Taktikers als sexuell frustrierter und teilweise impotenter Pantoffelheld. Eine spaßige Herangehensweise, unabhängig ihres historischen Wahrheitsgehalts. Alle anderen Facetten der historischen Napoleon-Persona müssen zugunsten von famosen Schlachtszenen weichen. Das volle Bild kann man dann dafür also 2024 streamen. Es dürfte sich lohnen, da schon der unvollständige Eindruck insgesamt überzeugt.

Die drei Musketiere: D'Artagnan (Martin Bourboulon) – 7/10
– Einer heutigen "Die drei Musketiere"-Verfilmung schlägt leicht der Vorwurf entgegen, man kenne die Geschichte mittlerweile in- und auswendig und brauche eigentlich keine neue Adaption. Dem ersten Part dieses Zweiteilers gelingt es aber erfreulich, eigene Akzente zu setzen und sich in richtig dreckigem Schlamm zu wälzen. Die Geschichte mag trotz Abwandlungen dieselbe bleiben, die durchweg düstere und fast schon unangenehm bedrückende Inszenierung erdet den klassischen Abenteuer-Stoff aber auf eine interessante Weise und entlockt so den Charakteren ungeahnte Facetten. Sehr unrund ist aber der seltsame Cliffhanger, der ein wenig an TV-Vorabendserien erinnert. Die in Frankreich wenige Monate später erschienene Fortsetzung lässt in Deutschland zudem noch auf sich warten.

Killers of the Flower Moon (Martin Scorsese) – 7/10
– Ein düsterer Liebesfilm, eine Studie der Gewalt, eine Sezierung des amerikanischen Frontier-Mythos, die wahre Geschichte der Osage-Morde … all das und viel mehr will Meisterregisseur Martin Scorsese erzählen, und bei knapp dreieinhalb Stunden Laufzeit hat er auch massig Zeit dafür. Sensationell ist sein Epos dann, wenn es sich auf die beiden Hauptfiguren konzentriert, famos gespielt von Leonardo DiCaprio und Lily Gladstone, die um ihr Leben schreien und kämpfen, und dieser absurden und doch wahrhaftigen Beziehung Leben einhauchen. Leider bleibt das Moralsystem dieses Films stets binär, weshalb der tolle Robert De Niro nur einen banalen Cartoon-Schurken abgeben darf. Kein neues Meisterwerk von Scorsese, aber ein gewichtiges Mammutwerk mit einigen irren Höhepunkten.

Die Frau im Nebel (Park Chan-wook) – 7/10
– Park Chan-wook macht in Interviews keinen Hehl daraus, dass niemand ihn so beeinflusst hat wie Alfred Hitchcock, und sehr schnell ist klar, dass sein neuestes Werk um eine mysteriöse Femme Fatale ganz stark in den Fußspuren von "Vertigo" wandelt. Der schwelgerische Stil, den er dafür verwendet, atmet ganz viel kraftvolle Suspense. In den besten Momenten entsteht gar die fiebrige sexuelle Spannung, die man aus dem anderen "Vertigo"-Quasi-Nachfolger "Basic Instinct" kennt, auch wenn Park andesrs als Hitchcock und Paul Verhoeven seine betörende ästhetische Verzückung nicht über die gesamte Laufzeit aufrechterhalten kann. Das wendungsreiche Skript sorgt dafür für echte Überraschungen und bleibt trotz allem Hin und Her psychologisch erstaunlich stimmig.

The Creator (Gareth Edwards) – 7/10
– Was musste man alles über den Sci-Fi-Cyberpunk-Blockbuster "The Creator" lesen? Unsubtil, emotionslos, natürlich fiel zudem die böse rhetorische "Style over Substance"-Floskel … Das ist ja nicht mal alles unbedingt falsch, aber es ist gleichzeitig auch ziemlich egal. "The Creator" rockt, weil dahinter ein Regisseur sitzt, der selbstbewusst eine audiovisuelle Erfahrung sondergleichen abliefern will und daher bei jeder einzelnen Kameraeinstellung die epischste und kolossalste Position und Bildgestaltung regelrecht sucht. Irgendwann wirkt das erschöpfend und erschlagend, und natürlich sind die vielen Kritikpunkte nicht falsch. Aber wer ins Kino geht, um mal die eigene Brust vor lauter Wummerei vibrieren zu spüren, war haargenau an der richtigen Adresse. Kino als Experience.

The Pope's Exorcist (Julius Avery) – 7/10
– Der Trash-Kracher des Jahres! Russell Crowe fährt als persönlicher Chef-Exorzist des Vatikans selbstbewusst lässig mit seiner Vespa durch Rom, exoziert nach allen Regeln, die William Friedkin einst für dieses Genre aufstellte, was das Zeug hält, und entdeckt nebenbei verborgene Geheimnisse des Vatikans, die bis zur Spanischen Inquisition zurückreichen – immerhin erwartet die nie einer, wie wir von Monty Python gelernt haben. Im total bekloppten Gaga-Finale erscheint der Teufel dann in Gestalt nackter vollbusiger und blutbeschmierter Frauen, die von Pater Crowe gehörig verdroschen werden … oder so ähnlich. Herrlicher Schwachsinn, der sich nie ernst nimmt und den blutigen Pulp vollends auskostet. Ach ja, und Franco Nero taucht kurz auf und spielt den Papst. Ist das nicht geil?

65 (Scott Beck, Bryan Woods) – 7/10
– Bei der Fachpresse ist "65" komplett durchgefallen, obwohl die Latte für Dinosaurier-Filme quasi im Keller liegt. Mit der richtigen Erwartungshaltung macht es aber viel Spaß, Adam Drivers Überlebenskampf auf der urzeitlichen Erde zuzuschauen. Als Astronaut dort abgestürzt, muss er schlicht zu seinem Raumschiff zurück und sich dabei möglichst von nichts fressen lassen. Mehr Narrativ gibt es nicht, dafür aber ganz viele effektive Ideen, kleine und größere Actionszenen durch ungewöhnliche Einfälle zu erzählen. Auf den puren Survival-Trip reduziert hat "65" so einiges vom zurecht vielfach geschmähten "After Earth", übertrifft dessen aber auf handwerklicher Ebene spielerisch. Ein Vergleich mit den letzten paar Filmen, die das Wort "Jurassic" im Titel hatten, verbietet sich ohnehin.

Renfield (Chris McKay) – 7/10
– Die Trailer versprachen Nicolas Cage im besten Overacting-Kultmodus als Dracula und Nicholas Hoult als seinen gebeutelten Gehilfen Renfield, doch nie hätte man ahnen können, dass es sich bei dieser blutigen schwarzen Horror-Komödie um eine inhaltliche Fortsetzung des Ur-"Dracula"-Films von 1931 handelt (sogar Szenen des Originals werden direkt wieder aufgegriffen und "abgewandelt"). Der Clou, die Zusammenarbeit zwischen Vampir und Lakaien als toxische Beziehung zu interpretieren und so eine Art therapeutische Schlachteplatte zu inszenieren, ist prima und sorgt für gehörig viele Lacher. Zum neuen Kultfilm mag es ganz knapp nicht reichen, aber "Renfield" ist für alle ein Tipp, die es so richtig deftig, albern und gleichzeitig experimentell und schräg mögen.
Zum Abschluss gibt es dann im nächsten Posting (hoffentlich sehr bald) meine Top 20 des vergangenen Filmjahres.
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Re: Hille blickt zurück, Teil 3 – Endlich gute Filme aus 2023

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Casino Hille hat geschrieben: 15. Januar 2024 17:20 Napoleon (Ridley Scott) – 7/10
– Irgendwie seltsam von Ridley Scott, schon im Vorfeld anzukündigen, dass er eine deutlich längere und bessere Version seines Films bei Apple TV+ veröffentlichen wird. Wozu dann im Kino die schwächere Schnittfassung anschauen?
Wie Eingeweihte wissen ist länger bei Ridley nicht immer besser, sondern eigentlich nur länger. Von daher wäre ich vorsichtig, nur weil Old Riddle mal wieder was von besserer Wunschfassung erzählt - Eingeweihte sollten hier eigentlich ein Deja-vu haben. :D
Casino Hille hat geschrieben: 15. Januar 2024 17:20 The Pope's Exorcist (Julius Avery) – 7/10
– Der Trash-Kracher des Jahres! Russell Crowe fährt als persönlicher Chef-Exorzist des Vatikans selbstbewusst lässig mit seiner Vespa durch Rom, exoziert nach allen Regeln, die William Friedkin einst für dieses Genre aufstellte, was das Zeug hält, und entdeckt nebenbei verborgene Geheimnisse des Vatikans, die bis zur Spanischen Inquisition zurückreichen – immerhin erwartet die nie einer, wie wir von Monty Python gelernt haben. Im total bekloppten Gaga-Finale erscheint der Teufel dann in Gestalt nackter vollbusiger und blutbeschmierter Frauen, die von Pater Crowe gehörig verdroschen werden … oder so ähnlich. Herrlicher Schwachsinn, der sich nie ernst nimmt und den blutigen Pulp vollends auskostet. Ach ja, und Franco Nero taucht kurz auf und spielt den Papst. Ist das nicht geil?
Bei Papa Franco bin ich vor lauter Begeisterung fast vom Sessel gefallen! Das war fraglos der besetzungstechnische Coup des Filmjahres 2023. Leider war ich vom Rest, vor allem der zweiten Hälfte, von Russells Exorzismus weit weniger begeistert. Ich bin mir auch nicht so wirklich sicher, ob das alles pulpig sein sollt, wirkte auf mich eher wie gewollt, aber nicht gekonnt (und eben ernst gemeint).
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Hille blickt zurück, Teil 3 – Endlich gute Filme aus 2023

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AnatolGogol hat geschrieben: 15. Januar 2024 17:44
Casino Hille hat geschrieben: 15. Januar 2024 17:20 The Pope's Exorcist (Julius Avery) – 7/10
Leider war ich vom Rest, vor allem der zweiten Hälfte, von Russells Exorzismus weit weniger begeistert. Ich bin mir auch nicht so wirklich sicher, ob das alles pulpig sein sollt, wirkte auf mich eher wie gewollt, aber nicht gekonnt (und eben ernst gemeint).
Kennst du andere Filme von Julius Avery? Der steckt ja auch hinter dem (ziemlich guten) Berserker-Genremix "Operation: Overlord", der ebenfalls ein reines Pulp-Fest ist. Niemals meint der diesen Film oder jetzt des Papstes Exorzist ernst. :)
Spoiler
Allein die finale Texteinblendung war für mich so ein debiler Lacher, für den es mir wert war, die Blu-ray zu kaufen: "Gabriele Amoth schrieb noch XYZ weitere Bücher über seine Kämpfe gegen Dämonen und das Böse. … Die Bücher sind übrigens gut." :mrgreen: Großartig. Ich hab im Kino (keine PV, sondern reguläre Vorstellung) mehrfach im Film sehr laut gelacht und bin damit glaube ich einigen Zuschauern richtig auf den Geist gegangen, die für ein "richtiges" Horrorfilm-Erlebnis gekommen waren. Aber ich hab mich gut amüsiert. Allein dieses Ende im Vatikan, als Crowe und sein Kollege von 199 weiteren Fällen erfahren und dann bedeutungsschwanger murmeln: "Let's go to work." – "No, let's go to hell!" :lol: Viel witziger wird es nicht.
Selbst wenn ich erfahren würde, dass das alles ernst gemeint war, wäre ich dem Film nicht böse, dafür hat er mich als Spaßfilm zu gut unterhalten und immerhin nur knapp meine Top 20 des Jahres verfehlt.
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Hille blickt zurück, Teil 4 – Die Top 20 des Jahres

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Viel zu spät, ich weiß, keiner interessiert sich mehr für 2023. Aber trotzdem habe ich noch meinen Kram fertig gemacht und präsentiere jetzt die Top 20 Filme des Jahres – zumindest meiner unbedeutenden Meinung nach. Über einiges habe ich mich ziemlich ausgekotzt und überwiegend war 2023 ein mediokres Filmjahr, an der Spitze gab es aber tolle Highlights (und schon mal zur Info: Platz 1 und 2 sind beliebig austauschbar, beide haben mich im Kino zutiefst bewegt). Nun kann die Spitze natürlich nie breit genug sein, aber für 2024 wünsche ich mir vor allem ein breiteres Mittelfeld und mehr Experimente. Nun aber kein weiteres Gelaber: Endspurt!
Spoiler
Platz 20: Anatomie eines Falls (Justine Triet) – 7/10
– Für dieses komplizierte Justizdrama gab es in Cannes die Goldene Palme. Eine Frau soll ihren Mann ermordet haben, der einzige Zeuge ist der 11-jährige und blinde Sohn, der nun vor Gericht miterlebt, wie die Ehe seiner Eltern minutiös seziert wird. Spannend ist dann jedoch, dass aus dieser Geschichte kein Whodunnit wird, keine Rätselstunde. Es geht um die "Wahrheit", aber nicht um eine objektive Wahrheit, um eine binäre "Schuld/Unschuld"-Gegenüberstellung. Stattdessen wird aufgezeigt, wie unterschiedliche Wahrnehmungen und Interpretationen dazu verleiten, dass sich jeder seine eigene Wahrheit bildet. Das mag dank Überlänge und sparsamer Inszenierung teils anstrengend sein, ist aber nicht zuletzt dank der brillanten Sandra Hüller in der Hauptrolle auch ausreichend intensiv.

Platz 19: Sisu (Jalmari Helander) – 7/10
– Eine Finne sieht rot. Als die Nazis sein Dorf auslöschen, zieht der Elitesoldat Aatami los, um so viele Hakenkreuzler wie möglich so brutal wie möglich abzuschlachten. Und es suppt gewaltig: Die expliziten und unbequemen Gewaltdarstellungen dürften das Herz von Gore- und Splatterfans erfreuen. In den impressionistisch eingefangen kargen Landschaften Lapplands wird der durchgängig stumm bleibende Rächer zu einer mystischen Figur installiert, zum Unsterblichen – von einem "Terminator"-Kampfroboter unterscheidet ihn am Ende nur noch wenig. Die kompromisslose und zynische Kaltschnäuzigkeit der Bilder ist beeindruckend. Beim Anschauen dieses Rachetrips können in einigen Szenen gar "Phantomschmerzen" auftreten. Eine ungewöhnliche Action-Erfahrung.

Platz 18: No One Will Save You (Brian Duffield) – 7,5/10
– Eine Home-Invasion-Geschichte auf das aller Notwendigste reduziert. Eine junge Frau, gespielt von dem vielversprechenden Ausnahmetalent Kaitlyn Dever, wird in ihrer Waldhütte von außerirdischen grauen Männchen angegriffen, die direkt aus einer "Twilight Zone"-Episode stammen könnten, und muss um ihr Überleben kämpfen. Nahezu ohne eine Dialogzeile geht das vonstatten, ohne eine Vorgeschichte für die wortkarge Heldin, ohne narrative Twists. Regelrecht erfrischend, wenn Genrekino einfach mal genau das sein darf – und so aufzeigt, wie überflüssig vieles vom üblichen Drumherum eigentlich ist. Leider ist "Genrekino" allerdings das falsche Wort. Der starke 90-Minüter lief nur im Streaming bei Disney+ und nicht auf der großen Leinwand.

Platz 17: Die Tribute von Panem: The Ballad of Songbirds and Snakes (Francis Lawrence) – 8/10
– Erstaunlich, wie nuanciert und differenziert das Prequel zur "Hunger Games"-Reihe geschrieben ist. Newcomer Tom Blyth ist große Klasse als junger Student, der als Mentor die junge Lucy Gray durch das dystopische System moderner Gladiatorenkämpfe anleiten soll, sich dann aber in sie verliebt und für ihr Überleben jegliche Skupel verliert – oder schlummerte der Soziopath schon immer in ihm? Es gibt dieses Mal keine einfachen Antworten und keine Katniss, die mit Pfeil und Bogen ein Regime zum Einsturz bringt. Das Prequel ist eine kluge Charakterstudie, sensibel erzählt, spannend in ihrer Ambiguität. Man könnte auch provokant behaupten: Hier ist die Origin-Geschichte eines Schurken entstanden, die "Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith" einst hätte werden müssen.

Platz 16: Past Lives (Celine Song) – 8/10
– Ein bezaubernder "Nicht-Liebesfilm", der vor allem über seine drei Hauptdarsteller funktioniert, die alle sehr authentisch miteinander umgehen und dadurch einen Anschein der Wahrhaftigkeit aufkommen lassen. Richtig schön ist, wie gekonnt Regie- und Drehbuchdebütantin Celine Song zielsicher Genre-Klischees umschifft und dadurch Erinnerungen an die großartige "Before"-Trilogie von Richard Linklater weckt. Auch an "In the Mood for Love" von Wong Kar-Wai oder "Begegnung" von David Lean fühlt man sich erinnert, denn Song ist in erster Linie eine kluge Beobachterin und erfasst so das Wesen der zwischenmenschlichen Miteinanders. Ganz an die genannten Vorbilder kann "Past Lives" nicht heranreichen, doch wer aufrichtiges romantisches Kino schätzt, sollte sein Herz für den Film öffnen.

Platz 15: Der Killer (David Fincher) – 8/10
– Auf inhaltlicher Ebene ist im neuen Film von Regie-Maestro David Fincher wenig los: Die meiste Zeit passiert überhaupt nichts, obwohl die Hauptfigur immerhin ein Auftragsmörder ist. "Der Killer" handelt aber nicht von Mord- und Totschlag, sondern von der alltäglichen Langeweile, die dieser Beruf mit sich bringt, wenn man stundenlang in seinem Versteck ausharrt, Musik der Band The Smiths hört und auf sein Opfer wartet. Michael Fassbender ist grandios als stoischer Perfektionist und das filmische Gesamtwerk fast ein Selbstporträt seines Machers, dem der präzise Entstehungsprozess immer mindestens genauso wichtig war wie das Endergebnis. Ein kühles, ungewöhnliches Psychogramm, in Teilen sperrig, gleichzeitig unerwartet witzig. Die oft gewünschte "Wundertüte" also.

Platz 14: Sonne und Beton (David Wnendt) – 8/10
– Manchmal werden deutsche Fördergelder doch für tolle Produktionen ausgegeben. Dem zu großen Teilen autobiografischen Roman von Komiker Felix Lobrecht über seine Jugendzeit im Jahr 2003 als kiffender Schulschwänzer in Berlin-Neukölln gelang es schon wunderbar, sowohl selbstkritisch als auch zärtlich das Milieu abzubilden. Diese ausgewogene und authentische Darstellung wird in der Adaption durch enorm begabte Jungdarsteller aufgewertet. Soziale Brennpunkte sind des deutschen Problemfilm-Regisseurs liebster Schauplatz, aber in "Sonne und Beton" ist alles anders. Dieser Film imitiert die Straße nicht, er kommt von der Straße und zeigt diese ungeschönt, aber mit unverhohlener Sympathie. Ein großer, für das deutsche Kino in allen Belangen ungewöhnlicher Wurf.

Platz 13: Missing (Nicholas D. Johnson, Will Merrick) – 8/10
– 2018 begeisterte "Searching" schon als Kriminalthriller, der ausschließlich den Desktop eines Laptopbenutzers zeigte. Mit "Missing" liefert man nun eine Fortsetzung im Geiste nach: Dieses Mal sucht zwar ein Mädel ihre Eltern (und nicht ein Vater seine verschwundene Tochter), doch der Desktop-Thrilleransatz bleibt erhalten und sorgt erneut für hochspannende kreative Einfälle, zumal Nachwuchstalent Storm Reid beweist, dass sie einen stilistisch so ungewöhnlichen Film locker schultern kann. Anders als "Searching" übertreibt man es sicherlich ein wenig mit den Twists und der große Wow-Faktor mag verflogen sein, umso erstaunlicher ist jedoch, wie packend das Konzept selbst im zweiten Anlauf noch gerät. Der bissige Seitenhieb auf den derzeitigen True-Crime-Hype trifft zudem ins Schwarze!

Platz 12: Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem (Jeff Rowe) – 8/10
– Cowabunga, die Turtles sind zurück auf der großen Leinwand – und zum ersten Mal macht ein Kinoausflug der Schildkröten-Ninjas richtig Laune. Der aufwendige und enorm ausgetüftelte, teilweise mit Abstraktionen spielende "Grunge"-Animationsstil ist das interessanteste, was in dem Genre seit dem ersten "Spider-Verse" passiert ist und lässt vor allem in den Actionszenen kein Zweifel an seiner Rasanz. Toll ist aber auch, dass die Turtles erstmals wirklich die im Titel behaupteten Teenager sein dürfen. Generation TikTok dürfte sich im betont unreifen Gebaren der Mutantenkröten wiedererkennen. Wahnsinnig sympathisch ist die spürbare Liebe zu den Turtles-Originalen, die aber nicht nur nostalgisch ausgeschlachtet, sondern immer um neue, eigene Ideen ergänzt werden. Ein großer Spaß.

Platz 11: Saint Omer (Alice Diop) – 8/10
– Ein französisches, sehr konzentriertes Gerichtsdrama um eine Mutter, die ihr 15 Monate altes Baby ertränkt haben soll – betrachtet aus den Augen einer schwangeren Autorin, die dem Prozess als Zuschauerin beiwohnt, weil sie über die Angeklagte einen Roman schreiben will. Dokumentarfilmerin Alice Diop verfilmt dabei einen wahren Prozess unter leicht veränderten Vorzeichen. Ihre anfangs ruhige, später enorm experimentierfreudige Regie fokussiert sich stets auf scheinbar nebensächliche Details, sucht verzweifelt die Menschlichkeit in dieser unmenschlichen Tat. Ganz stark die beiden Hauptdarstellerinnen Kayije Kagame und Guslagie Malanda, die das Melodram beiseite legen und in kleinen Regungen versuchen, ihre schwierigen Charaktere zu erforschen.

Platz 10: Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben (John Francis Daley, Jonathan Goldstein) – 8/10
– Ein richtig toller und unterhaltsamer Blockbuster, der seine Pen-and-Paper-Wurzeln nicht verleugnet, oft aber noch mehr wie die Actionfilm-Variation von Monty Pythons "Die Ritter der Kokosnuss" daherkommt. Die unbändige Spielfreude aller Akteure vor und hinter der Kamera ist direkt miterlebbar. Chris Pine war nie zuvor so charismatisch und charmant, lange durfte ein Fantasy-Spektakel nicht mehr so selbstironisch und quatschig arrangiert sein. In vielen sehr witzigen Szenen gelingt dem Kreativduo Daley und Goldstein herrlicher Blödsinn, der dann aber durch die Hintertür doch so viel Bindung zu den Charakteren erzeugt, dass er einen am Ende unerwartet trifft. Da stört selbst die CGI-Künstlichkeit der Kulissen nicht. Ausnahmsweise trotz all der Franchise-Müdigkeit: Bitte mehr davon!

Platz 09: Rye Lane (Raine Allen-Miller) – 8,5/10
– "Notting Hill" Reloaded; nur spielt "Rye Lane" eben nicht im gentrifizierten weißen Londoner Stadtteil Notting Hill, sondern in Peckham, dem Schmelztiegel der englischen Hauptstadt, die in dieser enorm witzigen Liebeskomödie als Multikulti-Utopie gezeigt wird. Die beiden schwarzen Turteltauben treffen sich auf einer Unisex-Toilette, verbringen den Tag zusammen und leisten sich gegenseitig je einen Freundschaftsdienst. In flotten 81 Minuten erzählt gefällt daran vor allem der positive Einblick in eine Subkultur, die noch zu selten porträtiert wird. Mustergültige Situationskomik gepaart mit smarten Dialogen, in denen das Hipstertum ordentlich auf die Schippe genommen wird, und etwas Romantik: Was will man mehr? Zu sehen gab es auch das leider nur bei Disney+ und nicht im Kino.

Platz 08: Scream VI (Matt Bettinelli-Olpin, Tyler Gillett) – 8,5/10
– 2022 gelang mit dem fünften "Scream"-Film schon, die Reihe ohne den verstorbenen Kultregisseur Wes Craven würdig fortzuführen. Für Teil 6 wird aber richtig aufgedreht: So brutal und schonungslos war Ghostface noch nie auf Menschenjagd. Von der Eröffnungsszene an bietet die mörderische Flucht durch den Big Apple feinsten Slasher-Horror, der in vielen Momenten die Spannung prächtig auf die Spitze treibt. Alleine die Szene mit der Leiter dürfte allen, die unter Höhenangst leiden, mehrere Schauer über den Rücken gejagt haben. Den sonst prominenten Meta-Ansatz verwirft man jetzt fast gänzlich, und bietet dafür astreinen Terror für die bemitleidenswerten, aber grund sympathischen Figuren. So einen starken sechsten Film schaffen nur sehr wenige Filmreihen.

Platz 07: Godzilla: Minus One (Takashi Yamazaki) – 9/10
– Für die Japaner ist "Godzilla" seit seiner Leinwandgeburt die Manifestation eines Traumas, ausgelöst durch die Atombombenabwürfe 1945. Nie zuvor wurde die Riesenechse aber mit solcher Wucht und Bedrohlichkeit dargestellt. In erster Linie ist "Minus One" kein Monsterfilm, sondern ein packendes Kriegsdrama über sogenannte "Survivor's Guilt". Takashi Yamazaki nimmt sich viel Zeit, um glaubhafte und tragische Charaktere zu zeichnen, deren Schicksal schon zutiefst berührt, ehe Godzilla dann seine vernichtenden Auftritte hat. Im letzten Drittel erhebt sich der Kampf der japanischen Arbeiterklasse gegen den gewaltigen Koloß zur nationalen Therapiesitzung. Ein in seiner emotionalen Komplexität schier unfassbarer Film, zurecht ein großer Hit an den Kinokassen.

Platz 06: Evil Dead Rise (Lee Cronin) – 9/10
– Der schwarzhumorige Mix aus Bodyhorror und Slapstick der "Tanz der Teufel"-Filme lebt von Sam Raimis Ikonographie und es ist eine große Überraschung, dass in "Evil Dead Rise" diese schwierige Gradwanderung ebenfalls vollkommen zündet, man sogar einige Stilmittel von Raimi klug adaptiert und zudem viel eigenes bieten kann. Es handelt sich um einen richtig bösartigen Horrorfilm, dessen Gewalt sich fast ausschließlich gegen eine schwangere Frau, Teenager und Kinder richtet, der von der Küchenreibe über den Industriehäcksler bis zur Tatöwierer-Nadel alles als Waffe für Verstümmelungen nutzt. Ein astreines Splatter-Fest, das erst aufzeigt, welche Komfort-Zonen es im Horrorgenre bis heute gibt – nur um sie dann alle mit großer Lust am Morbiden abzuschlachten.

Platz 05: Asteroid City (Wes Anderson) – 9/10
– Natürlich ist der verschrobene und exzentrisch-akribische "Asteroid City" in all seinen kleinen Vignetten meist irre witzig, denn er ist ja von Wes Anderson. Aber auf einer zweiten Ebene ist seine neue schräge Meta-Komödie auf unerklärliche Art von tiefer Traurigkeit geprägt. Der Umgang mit Trauer und den Verlust des Glaubens an einen tieferen Zusammenhang in der Welt und der Kunst dominiert die verschiedenen, kunstvoll arrangierten Ebenen, in denen sich der vollgepackte Star-Cast (besonders stark: Scarlett Johansson und Tilda Swinton) austoben darf. So radikal hat Anderson die Wirklichkeit der filmischen Illusion noch nie gebrochen. Sein Wahnsinn hatte dabei schon immer Methode, doch mittlerweile ist erst recht seine Methode Wahnsinn. Vielleicht das Epitom eines Wes-Anderson-Films.

Platz 04: The Banshees of Inisherin (Martin McDonagh) – 9/10
– "Ich mag dich einfach nicht mehr", sagt auf einer kleinen irischen Insel der eine Freund zum anderen. Ein grausamer Satz, wie sich zeigen soll. Das düstere Drama, welches Martin McDonagh eigentlich in den 90ern für das Theater schrieb, gewinnt auf der Leinwand mit jeder Minute mehr an Kraft und Wucht, nicht zuletzt dank der vorzüglichen Leistungen von Colin Farrell und Brendan Gleeson. Eine große Prise von Samuel Beckett weht durch die existenziellen und scharfzüngigen Dialoge – und das nicht nur, weil die, die für alles eine Erklärung brauchen, hier buchstäblich auf Godot warten. Die Eigendynamik dieser lakonischen Figuren ist in ihren besten Momenten reine Kinomagie. Ein folkloristisches Anti-Märchen, das sich auch als brutale Allegorie zum Nordirlandkonflikt lesen lässt.

Platz 03: Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil eins (Christopher McQuarrie) – 9,5/10
– Tom Cruise ist der filmische Erbe von Buster Keaton, und das nicht nur, weil er im neuesten "Mission: Impossible" einen von dessen berühmtesten Stunts aus "Sherlock Jr." persifliert. Genau wie im perfekten Vorgänger "Fallout" präsentiert er erneut ein famoses Kino der Beschleunigung und damit allerbeste Popcorn-Unterhaltung. Sein Ethan Hunt chargiert mühelos zwischen pathetischer Märtyrerattitüde und trotteliger Jedermann-Qualität, das virtuose Timing der Actioninszenierung von McQuarrie ist längst über jeden Zweifel erhaben. Kinetisch und kinematographisch ein Meisterwerk. Dieses Niveau im abschließenden achten Teil ein drittes Mal in Folge zu erreichen, scheint ausgeschlossen. Aber unmögliche Missionen sind ja in diesem Fall das Kerngeschäft.

Platz 02: Die Fabelmans (Steven Spielberg) – 10/10
– Keine Scheidung hat die US-amerikanische Popkultur so geprägt wie die von Steven Spielbergs Eltern. Nach über fünfzig Jahren als Regisseur liefert Spielberg mit einer autofiktionalen Biografie zu seiner eigenen Kindheit quasi einen Interpretationsschlüssel für sein Lebenswerk – und damit einen seiner besten Filme überhaupt. "Die Fabelmans" ist ein zutiefst persönliches Familiendrama, das eigentlich bis auf seinen Erzähler niemandem etwas bedeuten dürfte. Aber gleichzeitig ist es auch pure Filmmagie, wie empathisch und kunstvoll der Meisterfilmemacher sich selbst und sein Werk zu ergründen versucht und dabei letztlich doch vollkommen universell und allgemeingültig bleibt. Spielbergs Kino machte schon immer assoziative Angebote. Das ist sein Zauber und der wirkt noch heute.

Platz 01: Tár (Todd Field) – 10/10
– Ein virtuoses, intellektuell ausgeklügeltes, metafiktionales Meisterwerk. Was als Dirigentinnendrama beginnt und so wirkt, als wolle man alle Trendthemen der vergangenen Jahre (Wokeness, Machtmissbrauch, Tod-des-Autors-Debatte, Cancel Culture etc.) eintüten, entwickelt sich stetig zu einem abstrakten seelischen Parforceritt, der mit filmischen Mitteln gänzlich die unzuverlässige und verstörende Perspektive der Titelfigur einnimmt. Je tiefer die Abwärtsspirale führt, umso klarer wird dabei, dass "Tár" nicht nur aus Provokationen in Ultrazeitlupe besteht, sondern die kulturellen Fallstricke der Gegenwart auf eine Personalebene herunterzubrechen versteht, ohne das Publikum dabei zu trollen oder zu bevormunden. Eine Studie in Grautönen also. Die famose Cate Blanchett war zudem nie besser.
https://filmduelle.de/
https://letterboxd.com/casinohille/

Let the sheep out, kid.

Re: Hille blickt zurück, Teil 4 – Die Top 20 des Jahres

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Casino Hille hat geschrieben: 18. Januar 2024 18:52 Platz 01: Tár (Todd Field) – 10/10
Wirklich? Den fand ich ja ziemlich unbefriedigend, vor allem nach hinten raus. Nichts wird aufgelöst, keiner der Konflikte geklärt, alles nur angeteasert, die Grenzen der Realität verschwimmen, oder auch nicht - hat sie sich tatsächlich auf dem Podium der Berliner Philharmonie geprügelt??? - und dann hört der Film einfach so auf. Mittlerweile in Asien, warum auch immer. Nee, das war mir nichts. Viel zu lang war er auch.
"Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen."

Re: Hille blickt zurück, Teil 2 – Rubrik "weder Fisch noch Fleisch"

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Casino Hille hat geschrieben: 8. Januar 2024 22:47 Ich mach mal weiter. Die ganz große Gülle habe ich schon hinter mich gebracht, jetzt kommt ein weiter Teil des Mittelfelds. Wie angekündigt: Einiges lasse ich einfach weg, weil viele Filme dabei sind, zu denen ich nichts zu sagen habe oder die ich wirklich nur der Arbeit wegen geschaut habe und zu denen ich daher nicht unbedingt nochmal Lust habe, mich zu äußern.
Spoiler

Die Aussprache (Sarah Polley) – 4/10
– Im Drehbuch von "Die Aussprache" (bzw. passender der englische Titel "Women Talking") wird vieles richtig gemacht. Auf dem Papier ist das eine kraftvolle Geschichte um weibliche Selbstermächtigung und Solidarität in unfairen und brutalen Zeiten. Allerdings hat Sarah Polley keine Ahnung, wie sie eine visuell interessante Draufsicht auf das sehr introspektive Skript gestalten soll. Die meiste Zeit sitzen die talentierten Darstellerinnen (Jessie Buckley, Claire Foy, Rooney Mara) also eben herum und reden, in flachen und langweiligen Bildeinstellungen. Das Color Grading ist so übel, dass jede Szene wie eine Werbung für Antidepressiva anmutet. Vielleicht wäre ein Theaterstück für diese Erzählung das ungleich kraftvollere Medium gewesen.

Der Super Mario Bros. Film (Michael Jelenic, Aaron Horvath) – 4/10
– Ein riesiger Erfolg! 2023 ist es Hollywood offenbar gelungen, endlich eine Erfolgsformel für Videospieladaptionen zu formulieren. Man darf nur enttäuscht sein, dass diese Erfolgsformel nicht das Schreiben eines tatsächlichen Drehbuchs beinhaltet. Es fällt schwer, im animierten Kinoausflug des Nintendo-Klempners überhaupt eine Handlung zu entdecken. Eigentlich werden hier nur Momente, die auf verschiedene Videospiele (von "Mario Party" bis "Mario Kart") aneinandergereiht. Kann ein Film wirklich nur aus Fanservice bestehen? Offenbar ja. Und kann er damit wahnsinnig viel Geld einspielen, über eine Milliarde Dollar gar? Ebenfalls ja. Mehr als bestenfalls kurzweilige und vor allem hyperaktive Cross-Promotion ist das aber eigentlich nicht.

Wonka (Paul King) – 4/10
– 2023 wurde bekannt, dass einige Romane von Roald Dahl in einer Neuauflage zensiert werden (aus "fetten Kindern" wurden zum Beispiel "kräftige Kinder"). Auch betroffen: "Charlie und die Schokoladenfabrik". Da passt es doch ins Bild, dass das Musical-Prequel "Wonka" wie eine politisch korrekt gebügelte Version von Dahls einstiger Fantasie anmutet, in der nichts weh tun oder anecken darf und alles so niedlich und brav und unauffällig bleiben muss, dass man beim Komponieren der Songs gar vergessen hat, ihnen Identität zu verleihen. Timothée Chalamet ist fehlbesetzt und "glänzt" durch Autotune-Gesang, Hugh Grant nervt als orangener Wicht. Nur Gastauftritte von Rowan Atkinson, Olivia Colman und anderen Briten sorgen gelegentlich für Schmunzler.

Roter Himmel (Christian Petzold) – 4/10
– Das deutsche Kino muss in einer schweren Krise stecken, wenn sowas wie "Roter Himmel" ernsthaft ein Highlight sein soll. Das Romantikdrama von Christian Petzold lässt vereinzelt erkennen, dass der Regisseur ein paar inszenatorische Ideen hat, doch alleine die Kameraführung ist so ungelenk und der Bildaufbau so bieder … eigentlich soll das Auge doch mitessen können. Auch inhaltlich ist nicht viel los: Ziellos und prätentiös wird jedes Ereignis mit Symbolen und Metaphoriken überladen, um den Anschein von Tiefe zu wecken; natürlich ein Versprechen, das nie eingelöst wird. Immerhin die Darsteller machen einen durchweg guten Job, insbesondere Paula Beer rettet mal wieder so manch vergeigte Szene. Das Gesamtwerk bleibt aber arg vergessenswert. Ich war schon früher ein Mario-Fan. Und kürzlich habe ich auch Mario Party gespielt. Der Mario-Charakter ist allgemein legendär, er ist überall. Besonders oft traf ich ihn beim Glücksspiel. Ich habe neulich auf https://gamblizard.de/einzahlungsbonus/ vom einzahlungsbonus gelesen und es wäre lustig, wenn es Spiele damit gäbe. Aber ich bin nicht sehr wählerisch, ich verstehe, dass es schwierig ist, so etwas zu schaffen. Ich freue mich auf den nächsten Teil von Mario!

Oppenheimer (Christopher Nolan) – 4,5/10
– Ein Christopher Nolan kann einfach nicht aus seiner Haut. Selbst wenn er die Biografie einer so bekannten Persönlichkeit wie J. Robert Oppenheimer verfilmt, zeigt er sich null an seinen Figuren und stattdessen nur an erzählerischen Mätzchen interessiert. Na klar wird alles in zerstückelter Chronologie ohne erkennbaren erzählerischen Mehrwert erzählt, natürlich reden alle Charaktere exakt gleich im durchgehenden Trailer-Sprech, selbstverständlich wird jede noch so kleine Anekdote bedeutungsschwanger aufgeladen ("John F. Kennedy") usw. Man kennt ja seine Pappen- und Oppenheimer. In Größe und Präzision (vor allem beim Trinity-Test) ist dieses überlange Epos schon beeindruckend, doch wann immer der großartige Robert Downey Jr. nicht im Bild ist, bleibt die Seherfahrung kalt.
Ich muss etwas verpasst haben, aber wann kam der Super Mario-Film heraus? Ich hoffe, es ist nicht schlimmer als das Spiel.