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von AnatolGogol
Agent
Moonfall (Roland Emmerich)
Nach seinem qualitativ sehr erfreulich ausgefallenen Kriegsfilm-Ausflug Midway bewegt sich Deutschlands erfolgreichster Regisseur Roland Emmerich mit seinem jüngsten Film Moonfall wieder innerhalb seiner Paradedisziplin des von ihm maßgeblich geprägten Neo-Katastrophengenres – allerdings fällt das Endresultat trotz aller (oder vielleicht auch gerade aufgrund von übermäßiger) Routine zwiegespalten aus. Ja, Moonfall bietet so ziemlich alles, was man mit einem typischen Film des „schwäbischen Spielbergle“ gemeinhin in Verbindung bringt: eine grossangelegte Weltuntergangsgeschichte, ein Aufgebot an (zugegebenermaßen nicht mehr ganz so) namhaften Stars, die üblichen Figurenklischees mit ihren privaten kleinen Hintergrunddramen und natürlich jede Menge Destruktions-Action.
Im Gegensatz zu den meisten seiner Vorgängerwerke will diese bewährte Mixtur in Moonfall aber trotz ihres „Best-Of-Emmerich“-Charakters - so sind große Teile des Films unverkennbar Variationen früherer Werke von Roland, insbesondere ID4 und 2012 aber nicht so recht zünden. Und das hängt sicherlich auch mit dem Wiederkäuen alter Ideen zusammen, wodurch der Film vor allem in der zweiten Hälfte mehr und mehr zur weitgehend überraschungsfreien Routine-Veranstaltung wird (so ist des Subplot um die flüchtenden Kinder nahezu eine 1:1 Kopie von John Cusacks Flucht vorm Weltuntergang in 2012). Das ist schade, denn eigentlich macht Moonfall in seiner ersten Hälfte erstaunlich viel richtig. So sind dann auch die anfänglichen 5 Minuten um den Erstkontakt mit den mysteriösen Schwarmwesen mit das beste, was Roland in seiner Karriere inszeniert hat. Hier ist die Mixtur aus Spannung, effektgeladenen Actionelementen und mühelos von locker-leicht ins unheilschwangere wechselten Stimmung ausserordentlich gut gelungen.
Ebenso erweist sich die Besetzung der beiden Hauptrollen mit Patrick Wilson und John Bradley-West als gute Wahl, da nicht nur die Chemie zwischen den beiden ungleichen Typen bestens passt, sondern beide auch über die notwendige Mischung aus Charisma und Sympathiefaktor verfügen, welche gerade für die üblicherweise sehr klischeehaft angelegten Emmerich-Figuren unentbehrlich ist (was z.B. der ID4-Fortsetzung folgenschwer zum Verhänginis wurde, also das Fehlen dieser Mischung). Schön auch, dass mit Donald Sutherland eine echte Leinwand-Legende mit an Bord ist, wenngleich sein kurzer Auftritt kaum mehr als ein Cameo ist. Weniger schön sind dagegen aufdringliche, den Geldgebern/Co-Produzenten geschuldete Konzessionen in Form von Holzahammer-Schleichwerbung und überflüssigen Figuren (das chinesische Au-Pair, welche seltsamerweise auf den typisch chinesischen Namen Michelle hört) bzw. anbiederndem Plot (wie das Mondlande-Modul, selbstlos zur Weltenrettung zur Verfügung gestellt „von unseren chinesischen Freunden“). Diese verharmlosende Heile-Welt-Posse ist ähnlich unangenehm anzuschauen wie der Handlungsstrang um den „coolen“ Warlord in der ID4-Fortsetzung. Gerade von dem gemeinhin so reflektiert denkenden Emmerich sollte man da eigentlich ein wenig mehr Fingerspitzengefühl erwarten können, aber letztlich muss auch er wohl wenn er weiter Filme drehen will das Lied seines Brotgebers singen.
Die Effektqualität ist leider sehr unterschiedlich ausgefallen, wobei hier die Faustregel gilt: alles im Weltraum ok, alles andere oje. Wenn man bedenkt, dass Emmerichs frühere Filme immer auch für state-of-the-art-Effekte standen, dann ist der unnatürliche, nach Computerspielen aussehende Effektoverkill irgendwo schon ein trauriger Abstieg. Diesbezüglicher Tiefpunkt ist eine komplett digitale Autoverfolgung in den Rocky Mountains, welche derart schlecht und künstlich ausschaut, dass man es kaum glauben mag. Das in Kombination mit einem immer löchriger und einfallsloser werdenen Handlungfaden ist dann mit zunehmender Dauer eine echte Belastung für den Film, welcher am Ende eigentlich nur einigermaßen von den bereits erwähnten sympathischen Hauptdarstellern und allen Effektwidrigkeiten zum Trotz dennoch oftmals gekonnt und originell inszenierten Actionszenen halbwegs gerettet wird.
Moonfall ist qualitativ sicherlich nicht der Tiefpunkt in Emmerichs Schaffen, auch nicht innerhalb seiner Paradedisziplin Katastrophenfilm (das bleibt nach wie vor der ID4-Fortsetzung vorbehalten), insgesamt halten sich dann tatsächlich die positiven und negativen Elemente sogar die Waage. Allerdings muss man schon konstatieren, dass Emmerich längst nicht mehr in der ersten Liga spielt. Die oftmals mangelhafte Effektqualität in Kombination mit vielen inhaltlichen Wiederholungen lassen Emmerichs jüngsten Film zum reinen Durchschnitt verkommen, dem letztlich vor allem auch eines abgeht: der in seinen frühreren Film oft so selbstverständliche, hohe Unterhaltungswert.
Wertung: 5,5 / 10
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"