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HCN007 hat geschrieben: 9. Januar 2024 00:43 iHaveCNit: Next Goal Wins (2024) – Taika Waititi – Fox Searchlight Pictures

Unglaublich wahre Geschichten, vor allem im sportlichen Bereich, bei denen eine von Misserfolg geprägte Gruppe in bester Underdog-Manier für einen wenn auch kleinen Erfolg trainiert wird und sowohl die Gruppe als auch der Trainer mit ihren eigenen Dämonen konfrontiert werden und über sich hinaus und zusammenwachsen sind wie für das Kino gemacht. Einer der letzten Filme dahingehend, der mich richtig positiv umgehauen hat was Basketballer- und Alkoholikerdrama „Out of Play“ mit Ben Affleck und das wohl prominenteste und legendärste Beispiel dieser Sorte ist die Geschichte um die jamaikanische Bobmannschaft in „Cool Runnings“. Nun steht natürlich die Frage im Raum, handelt es sich bei Waititis Film um „Cool Kickings“ oder eher „Next Movie Wins“ ? Für mich liegt die Antwort irgendwo dazwischen. Der Film, der gemessen an seiner Laufzeit die Spielzeit eines klassischen Fußballspiels von 90 Minuten ohne Nachspielzeit mit Halbzeitpause beträgt bietet auf jeden Fall eine interessante Mischung an. Diese Mischung aus Fußball- und Culture-Clash-Komödie mit ihrer klassischen Underdog-Geschichte und der Geschichte über Glück, Erfolg, Misserfolg hat durchaus in einigen Momenten etwas Humor und auch etwas Herz, spielt aber seine Möglichkeiten dahingehend nicht vollends aus. Auch wenn der Film nicht immer zielsicher ins Tor getroffen hat, so hat der Film auf jeden Fall seinen gewissen Spaß gemacht. Genau wie bei jemanden, für den Fußball auf jeden Fall im Leben einen eigentlich sehr geringen bis überhaupt keinen Stellenwert besitzt, der sich dann aber doch für einen wenn auch unbedeutenden Erfolg seiner Nationalmannschaft freuen kann.

„Next Goal Wins“ - My First Look – 6/10 Punkte
Ich mochte den sogar noch etwas mehr. Dabei sollte die Prämisse "Fussballfilm von Taika Waititi" für mich eigentlich zum Davonlaufen klingen, immerhin bin ich so desinteressiert, dass ich gar nicht weiss, wer Franz Beckenbauer ist.

Ich war zwar alleine im Saal, aber hatte meinen Spass. Du sagst es: Culture-Clash-Komödie und Underdog-Geschichte, in seiner Rezeptur eigentlich eher vorhersehbar, aber launig und mit Herz, und mit viel weniger von dem platten Humorniveau, das mir schon einige Waititi-Filme versalzen hat, als befürchtet. Richtig Freude hatte ich auch an Fassbenders Darbietung des abgehalfterten Fussballtrainers mit Aggressionsproblemen. Es gab mal eine Zeit, da ging mir der Flötenmichel eher auf die Nerven weil er gefühlt jede Woche in einem neuen Kinofilm auftrat, dabei keine allzu grosse mimische Bandbreite zeigte und in jeder Rolle die gleichen Manierismen zeigte (z.B. sein dramatisches Semi-Flüstern). Aber hier spielt er eine seiner besten Rollen seit seinen Auftritten bei Tarantino und Vaughn. 7/10 von mir.
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

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iHaveCNit: The Beekeeper (2024) – David Ayer – Leonine
Deutscher Kinostart: 11.01.2024
gesehen am 11.01.2024 in Dolby Atmos
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 1 – Reihe 14, Platz 20 – 20:25 Uhr


Jason Statham und Scam-Betrug. Irgendwie kommt mir das vor allem im Hinblick auf das letzte Kino-Jahr bekannt vor, weil sowohl „Expend4bles“ als auch „Meg 2“ purer und eher weniger guter Scam gewesen sind. Bei David Ayers „The Beekeeper“ ist zumindest das, was der Film von sich vermarktet absolut kein Scam, selbst wenn Scam eines der Themen in diesem Film ist – Am Ende einfach mal wieder ein Jason-Statham-Actioner der älteren Schule.

Auf dem ländlicheren Anwesen der ehemaligen Lehrerin Eloise Parker betreibt ein Imker namens Adam Clay seine Bienenzucht und Honigproduktion. Bis Eloise aufgrund eines Trojaners auf ihrem Laptop zu einem Fehler getrieben und um ihr gesamtes Vermögen gebracht wird, so dass ihr nur die endgültige Konsequenz bleibt. Adam Clay will den Tod von Eloise rächen und begibt sich auf einen Rachefeldzug bis in höchste Kreise und wirft sich als Honeypot direkt in den Fokus seiner Verfolger, die noch nicht wissen, was es mit „Beekeepern“ so auf sich hat.

Dieser Jason-Statham-Actioner der eher älteren Schule hat mir auf jeden Fall Spaß gemacht. Die Action konnte sich einigermaßen sehen lassen, war auch an manchen Stellen schon derb genug um die FSK18-Freigabe zu gerechtfertigen und natürlich bietet der Film alles, was man von einem Film dieser Sorte erwarten kann. Selbst wenn natürlich vieles davon schon so oft in anderen Filmen in ähnlicher Art und Weise zu sehen war. Sei es die Selbstjustiz und der Rachefeldzug eines Mannes. Sei es die Thematik von geheimen Regierungsprogrammen mit nahezu unbesiegbaren Kampfmaschinen im Untergrund. Sei es die Verschwörung bis in höchste politische Kreise. Sei es die „Einer-Gegen-Alle“-Grundidee“. Oder auch die wenn auch sehr oberflächliche Kapitalismuskritik, die hier vordergründig über die Thematik von Scam-Betrug durch Trojaner, Call-Centern und dubiosen Online-Unternehmern eingebettet wird. Vordergründig mag sich der Film in seiner Tonalität durchaus sehr ernst nehmen, wären da nicht seine Dialoge, die in der deutschen Fassung und sicherlich auch in der Originalfassung mit so vielen witzigen One-Linern und Bienenreferenzen gespickt sind, so dass der Film dadurch als unterhaltsames Action-Trash-Fest durchgehen kann. Da kann ich auch manch sehr schnell abgehandelte Handlungsentwicklung aus dem Nichts verschmerzen.

„The Beekeeper“ - My First Look – 7/10 Punkte
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iHaveCNit: Animalia (2024) – Thomas Cailley – Studiocanal
Deutscher Kinostart: 11.01.2024
gesehen am 10.01.2024 in der Spotlight-Sneak OmU
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 5, Platz 13 – 21:00 Uhr
gesehen am 13.01.2024
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 6, Platz 9 – 13:00 Uhr


Gerade auf dem Heimweg vom Kino ist mir aufgefallen, dass an diesem Wochenende in den deutschen Kinos anhand der aktuellen Kinostarts ein interessantes Double-Feature möglich ist. Und zwar geht es hier um 2 Newcomer im französischen bzw. frankophonen Filmbereich, die erst seit Kurzem im Schauspiel unterwegs sind – Paul und Samuel Kircher. Während der jüngere Samuel Kircher an diesem Wochenende in der französischen Neuverfilmung des dänischen Films „Königin“ mit dem Namen „Im Letzten Sommer“ zu sehen ist, ist sein älterer Bruder in der Hauptrolle von Thomas Cailleys „La Règne Animal“ bzw. „The Animal Kingdom“ oder hierzulande „Animalia“ zu sehen, der bereits Teil des Line-Ups des Fantasy Filmfests gewesen ist. Leider ist der deutsche Titel etwas unglücklich gewählt worden, weil es aus dem französisch-marokkanischen Raum einen Film mit gleichem Namen gibt. So gerne ich den französischen Film habe, ich finde es immer noch am interessantesten und spannendsten, wenn er sich mal aus den klassischen Gefilden begibt und im Genrekino erfrischende Ideen auf der Leinwand präsentiert, wozu der Mix bei „Animalia“ auf jeden Fall dazu gehört.

Auf der Welt ist eine mysteriöse Krankheit ausgebrochen, die bei einigen Menschen dazu führt, tierähnliche Mutationen zu entwickeln und sich sich schleichend in tierähnliche Wesen zu verwandeln. Emile und sein Vater Francois haben immer noch damit zu kämpfen, dass die Mutter und Ehefrau Lana von dieser Krankheit befallen wurde und daher unter ärztliche Sicherheitsverwahrung gestellt worden ist. Sie soll in ein Sicherheits- und Kontrollzentrum in den Süden Frankreichs gebracht werden, was Emile und Francois dazu bringt, in die Nähe zu ziehen und dort ein neues Leben zu führen. Bis es dort zu einem Zwischenfall beim Transport mehrerer Patienten kommt, was natürlich zu einem erhöhten Einsatz von Polizei und Militär und der aufgeschreckten Bevölkerung führt. Inmitten der Suche nach Lana ahnt Francois noch nicht, dass auch Emile von dieser Krankheit befallen wird und Emilie neben seiner späten Pubertät und dem Vermissen seiner Mutter nun auch noch mit den mysteriösen Veränderungen seines Körpers zu kampfen hat.

„Animalia“ ist ein interessanter Genremix geworden. Das vordergründige Familiendrama wird natürlich noch durch eine typische Coming-Of-Age-Geschichte ergänzt, bei dem vor allem die Dynamik zwischen dem von Paul Kircher gespielten Emile und seinem vom Romain Duris gespielten Vater Francois toll ist und auch noch weitere mit Paul Kircher zusammenhängende Dynamiken für mich toll gewesen sind. Sei es hier die aufkeimende, junge Liebe mit der Mitschülerin Nina, gespielt von der ebenfalls Newcomerin Billie Blain als auch die Bekanntschaft zum ebenfalls mutierten Vogelwesen Fix, der von Tom Mercier gespielt wird. In einer weiteren größeren Nebenrolle ist auch Adele Exarchopoulos zu sehen. Mit dem etwas realistischeren Ansatz von Mutationen wirkt der Film auch wie ein Bruder im Geiste von Eskil Vogts „The Innocents“. Auch wenn natürlich die sich durch die Mutationen ergebenden Effekte bedingt durch das geringere Budget französischer Produktionen nicht ganz so ausgereift wirken mag wie ähnliche Effekte aus Hollywood, so unterstützt diese rohe, nicht ganz ausgereifte Effektarbeit dieses rohe, bodenständige und naturalistische des Films, der damit als ein französischer Gegenentwurf zu den X-Men gewertet werden kann. Mit durchaus derbem Bodyhorror und auch wirkungsvollen Schockeffekten bietet der Film auch für Horrorfans und Fantasybegeisterte etwas an. Mit dem Thema der Mutationen und den damit verbundenen Veränderungen des Körpers ist natürlich die Symbolik im Hinblick auf die Coming-Of-Age-Geschichte um Emile sehr überhöht, aber der Film spart hier natürlich auch den gesellschaftlichen Kontext und etwas Kritik im Umgang mit der Situation nicht aus. Damit wirkt der Film jedoch an mancher Stelle etwas überladen und mit 128 Minuten durchaus auch länger als er sein müsste.

„Animalia“ - My Second Look – 8/10 Punkte

Durschnitt der Sneak-Preview: 2,0
Eigene Note: 2
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iHaveCNit: Im Letzten Sommer (2024) – Catherine Breillat – Alamode Film
Deutscher Kinostart: 11.01.2024
gesehen am 13.01.2024
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema – Petit – Reihe 1, Platz 5 – 18:30 Uhr


Der zweite Teil meines Doppelfeatures bezüglich der zwei schauspielerischen, französischen Newcomern und Brüdern Paul und Samuel Kircher ist nun Samuel Kircher gewidmet, der in seiner ersten Rolle nun einen nicht sehr einfachen Stoff bekommen hat. Denn Regisseurin Catherine Breillat hat in ihrem auch in der weiteren Hauptrolle mit Léa Drucker besetzten Film „Im Letzten Sommer“ eine französische Neuverfilmung des dänischen Erfolgs „Königin“ inszeniert, der sich mit dem schwierigen Thema von Machtmissbrauch und auch Affären von älteren Frauen mit wesentlich jüngeren, noch minderjährigen Jungen auseinandersetzt. Eine Konstellation, die zum Beispiel auch ähnlich gelagerte Filme mit einem Age Gap zwischen älterer Frau und jüngerem Mann wie zum Beispiel Nicolette Krebitz „AEIOU – Das Alpabet der Liebe“ ; Carine Tardieus „Im Herzen Jung“ und auch Heloise Pelloquets „Wild wie das Meer“ bieten, auch wenn dort die Thematik mit anderen Schwerpunkten verhandelt wird.

Anne beschäftigt sich als Anwältin mit dem Schwerpunkt von Missbrauchsfällen bei Jugendlichen und sie lebt gemeinsam mit ihrem Ehemann, den Unternehmer Pierre und den adoptierten Töchtern Serena und Angela in einem Vorort von Paris. Bis Pierres Sohn aus vorheriger Ehe, Theo bei ihnen einzieht und mit seiner erfrischenden und rebellischen Art die Familie und auch Anne etwas durcheinanderbringt, weil beide zueinander wohlwissend der Gefahr und der Risiken daraus eine Anziehung verspüren, die in einer folgenreichen Affäre der Beiden mündet.

„Im Letzten Sommer“ ist ein sehr feines, intimes, komplexes und ambivalentes Drama geworden, dass vor allem sehr nah an seinen Charakteren bleibt und hier vor allem von der von Léa Drucker großartig gespielten Anne ein sehr tief gehendes, komplexes und ambivalentes Bild zeichnet und damit auch fast wie eine psychologische Charakterstudie wirken kann. Vor allem wenn es um die Lebensgeschichte und Umstände ihres Charakters geht, ihren persönlichen Antrieb wenn es um den Job geht und dann auch wie sie insgesamt mit den Situationen im Film umgeht. Mit 105 Minuten ist der Film auch wesentlich kürzer als das dänische Original mit seinen 127 Minuten, so dass ich fast daran Interesse haben könnte, beide Werke miteinander zu vergleichen und dahingehend zu untersuchen, welch Potential der französische Film noch gehabt haben könnte, denn die Entwicklun g der Ereignisse wirkt ein wenig sprung- und episodenhaft, so dass hier sicherlich mehr Tiefe und mehr Kraft im Film möglich gewesen wäre. Dennoch ist das, was ich hier von sowohl Léa Drucker als auch Samuel Kircher im Film geboten bekommen habe durchaus fasziniert und im moralisch ethisch vertretbaren Sinne auch leicht verstört gewesen. Das Thema des Machtmissbrauchs, auch im sexuellen Sinne mit der Konstellation einer älteren Frau, die eine Affäre mit einem jüngeren, minderjährigen Jungen eingeht ist durchaus, Konsens hin oder her, ein sehr komplexes und ambivalentes Thema, bei dem der Film durchaus zum Nachdenken anregen kann und keine eindeutigen Antworten liefert.

„Im Letzten Sommer“ - My First Look – 8/10 Punkte
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iHaveCNit: Baby To Go (2024) – Sophie Barthes – Splendid Film
Deutscher Kinostart: 11.01.2024
gesehen am 15.01.2024
Cinestar Metropolis Frankfurt am Main – Kino 3 – Reihe H, Platz 3 – 20:15 Uhr


Am aktuellen Kino-Wochenende habe ich mich ganz spontan entschlossen, noch den von Sophie Barthes inszenierten Film „The Pod Generation“ im Kino anzusehen, der hierzulande komischerweise den sehr plumpen Titel „Baby To Go“ bekommen hat, was irgendwie plump und treffend den Film beschreiben könnte.

Das Ehepaar Rachel und Alvy lebt in einer nahen Zukunft, in der gesellschaftlich eine gewisse Abkehr von vielem natürlich erzeugten stattfindet und der gesamte Alltag von KI- und App-gesteuerten Technologien unterstützt wird. Selbst Schwangerschaften und Geburten können bereits durch sogenannte „Pods“ in einem Womb Center übernommen werden. Diese Ei-förmigen Pods sind per KI- und App-gesteuerte biochemische, portable Gebärmuttern, die es für beide Elternpaare möglich machen soll, die Schwangerschaft bis zur Geburt auszulagern und auf beide Elternteile aufzuteilen. Rachel wird durch den Druck des eigenen Kinderwunschs und eines lukrativen Angebots ihres Arbeitgebers dazu gedrängt, mithilfe eines Pods ein Kind zu bekommen. Ohne Alvy trifft sie die Entscheidung, ohne zu ahnen, welche Herausforderungen hier für Sie und Alvy entstehen.

So verrückt und befremdlich die annähernde Beschreibung der Handlung ist, so verrückt und befremdlich ist der Film. Gerade mit dem Hauptdarstellerduo aus Emilia Clarke und Chiwetel Ejiofor weckt der Film vor allem im Bezug auf Emilia Clarke unfreiwillige Assoziationen zu ihrer Paraderolle in „Game Of Thrones“ als Daenerys Targaryen und ihrem sehr speziellen Bezug zu Geburten aus Eiern. Nur mit dem Unterschied, dass wir es in „The Pod Generation“ nicht mit einer fantasy- und mittelalterlastigen Welt zu tun haben, sondern diese bereits technologisch sehr weit fortgeschritten ist. Die Sci-Fi-Satire hat sich thematisch ein wenig verhoben und kommt thematisch ein wenig zu schwanger daher, wenn er technologischen Einfluss auf die Gesellschaft, die Entwicklung von KI und Apps, Reproduktion, Fortpflanzung, Schwangerschaft, Vereinbarung von Schwangerschaft und Beruf, Work-Life-Balance, Aufteilung der Verantwortung innerhalb der Schwangerschaft, Aufbau der Bindung zwischen Baby und sowohl Mutter als auch Vater, künstliche vs. natürliche Schwangerschaft und Geburt – man sieht, diese reichhaltigen Themen sind viel zu viel, um sie in einem 108 Minuten langen Film mit der notwendigen Tiefe zu verhandeln, der hier sehr viel Potential liegen lässt, gerade im Bezug auf dieses sehr vielfältige und diskussionswürdige Thema – auch wenn Design und World-Building durchaus sehr stimmig zu einer interessanten Atmosphäre beiträgt.

„Baby To Go“ - My First Look – 5/10 Punkte
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iHaveCNit: The Royal Hotel (2024) – Kitty Green – Universal
Deutscher Kinostart: 11.01.2024
gesehen am 16.01.2024 in OmU
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 5, Platz 12 – 21:00 Uhr


Bei den aktuellen Kinostarts hat mich im Vorfeld auch der Trailer zu Kitty Greens Thriller „The Royal Hotel“ gecatcht, so dass ich mir diesen natürlich auch ansehen wollte. Wie er mir gefallen hat ? Dazu weiter unten mehr !

Ihre Reise in Australien haben sich die beiden Backpackerinnen Liv und Hanna eigentlich anders vorgestellt, als sie beim Feiern auf einem Discoboot in Sydney merken, dass ihnen das Geld ausgegangen ist. Ihre Lösung für etwas schnelles Kleingeld ist ein „Work-and-Travel-Programm“, bei dem sie an einen abgelegenen Pub mit dem Namen „The Royal Hotel“ im australischen Outback vermittelt werden. Noch ahnen beide nicht, was für ein von machismen geprägter Mikrokosmos sich dort zwischen dem betrunkenen Barbesitzer Bill und den Stammgästen aus einer nahegelegenen Mine etabliert hat. Während Liv die damit verbundenen Folgen lockerer sieht, kann sich Hanna mit der Situation vor Ort wenig anfreunden.

Kurz nach dem Kinobesuch habe ich in kurzen Worten auf letterboxd die Worte geschrieben: „Australian Outback Coyote Ugly, with less Coyote and more Ugly“. Basierend auf reellen Ereignissen und einer Dokumentation dazu inszeniert Kitty Green mit dem großartigen Duo aus Julia Garner und Jessica Henwick die Geschichte von zwei kanadischen Backpackerinnen, die im Rahmen eines Work-and-Travel-Programms zu einer heruntergekommenen Bar im australischen Outback geführt werden und sich dort inmitten des durch Männeregos und klassischen, männlichen Machismen geprägten und etablierten Mikrokosmos behaupten müssen. Anders als im erwähnten „Coyote Ugly“, bei dem in einer von Frauen geführten Bar Frauen bewusst als Kellnerinnen, Tänzerinnen und Entertainerinnen arbeiten und auch eine junge Frau aus dem Lande dort ihren Platz sucht, ist das im „The Royal Hotel“ wesentlich unköniglicher und unrühmlicher, weil dort bewusst Pubs, Bars und Kneipen als Ort alltäglichen Sexismus gegenüber den vorwiegend weiblichen Mitarbeiterinnen ausgehend von den meist männlichen Kunden präsentiert werden. Gerade aus diesen aus den Situationen heraus entstehenden Mikroaggressionen entsteht so eine unterschwellige, langsam aufbauende und fiese Gefahr sowie eine Spannung sowohl für den Zuschauer als auch für das Duo von Julia Garner und Jessica Henwick. Dabei nimmt der Film dann auch mal Richtungen ein, die der Zuschauer nicht erwartet, womit er auch mit den Erwartungen spielt und auch mal symbolisch und subtil vorgeht. Jedoch bleiben vor allem die Männer durch ihre Reduktion auf das ausnahmslos gefährlich böse sehr nebulös und nicht immer absolut nachvollziehbar in ihrem Handel und den Entscheidungen, so dass dem Film in seiner vielleicht angestrebten differenzierten Darstellung des Themas diese klassische Schwarz/Weiß – Opfer/Täter-Struktur etwas zum Verhängnis wird.

„The Royal Hotel“ - My First Look – 8/10 Punkte
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iHaveCNit: 15 Jahre (2024) – Chris Kraus – Wild Bunch Germany
Deutscher Kinostart: 11.01.2024
gesehen am 19.01.2024
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema – Petit – Reihe 1, Platz 5 – 20:45 Uhr


2006 war Chris Kraus´ „Vier Minuten“ für Hannah Herzsprung die erste große Hauptrolle. An der Seite von Monika Bleibtreu wurde Musik zum Ausdruck von Wut, Hass und Gewalt im Gewand einer Geschichte von zwei Frauen mit tragischer Hintergrundgeschichte in einem Film, der auch dunkle Seiten der deutschen Geschichte in einer harten, „Systemsprenger“-artigen Art und Weise eine Kombination von „Good Will Hunting“ und „Whiplash“ gewesen ist. Diese „Vier Minuten“ habe ich auch vor einigen Tagen als Vorbereitung auf „15 Jahre“ noch einmal nachgeholt, weil mich „15 Jahre“ auf jeden Fall interessiert hat.

Jenny von Loeben ist nach ihrer Entlassung in einer Resozialisierung Teil einer christlich orientierten Reinigungskolonne. Während eines Reinigungsauftrags trifft Sie auf einen alten Bekannten, durch den Sie auf den bei ihm aufgenommenen syrischen Flüchtling Omar trifft. Ihr alter Bekannter hat die Idee, dass Jenny und Omar gemeinsam an einer Talentshow des Popstars „Gimmiemore“ teilnehmen, ohne zu ahnen, dass sich hinter „Gimmemore“ ihre ehemalige Jugendliebe verbirgt, für den Sie 15 Jahre hinter Gittern saß.

„15 Jahre“ ist sehr viel auf einmal. Gleichermaßen die Resozialisierung als auch den Weg zwischen Rache und Vergebung für Jenny von Loeben hier mit einer Geschichte über Migration und Integration anhand eines syrischen Kriegsflüchtlings, einer Geschichte über Musik und die Sprache der Musik, eine Geschichte über eine TV-Talentshow für Menschen mit geistiger oder körperlicher Benachteiligung die in sich fast wie eine satirische Karikatur wirkt – all das macht „15 Jahre“ zu einer sehr wilden Mischung, bei der nicht immer alles zusammenpassen und ineinandergreifen mag. Etwas befremdlich wirken da auch zum Teil die Effekte, wenn es zum Beispiel um einen Löwen oder auch einen Armstumpf geht – doch viel befremdlicher als das ist, dass ein Teil des vielleicht sarkastischen Humors des Films auch unfreiwillig komisch. Dennoch liefert Hannah Herzsprung in ihrer Rolle von Jenny von Loeben in ähnlicherweise großartig ab, wie sie es bereits in „Vier Minuten“ getan hat. Das gleiche gilt auch für die sehr engagierte, erfrischende Performance von Hassan Akkouch in der Rolle des Omar und auch die durchaus vielschichtige, ambivalente Darstellung von Albrecht Schuchs „Gimmiemore“, der in gewisser Art und Weise etwas geläuterte Menschlichkeit durchsickern lässt in einer fast parodielastigen Punk-Version einer Mischung aus Florian Silbereisen und Dieter Bohlen. Und selbst wenn der Film manchmal wie ein heilloses Durcheinander wirken mag, konnte er mich emotional begeistern.

„15 Jahre“ - My First Look – 7/10 Punkte
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iHaveCNit: Poor Things (2024) – Yorgos Lanthimos – Searchlight Pictures
Deutscher Kinostart: 18.01.2024
gesehen am 20.01.2024
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema – Lumiere – Reihe 9, Platz 17 – 17:15 Uhr


Manchmal frage ich mich, wie ich meine schriftlichen Gedanken zu einem Film einleiten soll. Aber bei dem griechischen Regisseur Yorgos Lanthimos fällt mir nur ein - „The Lobster“, „The Killing of a Sacred Deer“ und „The Favourite“ - mit dem Blick auf diese 3 Filme muss man eigentlich nicht mehr sagen und nach dem ich seinen neuen Film „Poor Things“ gesehen habe, ist es eigentlich auch ein „Poor Thing“, dass ich sein früheres Werk noch nicht gesehen habe. An der Stelle bin ich auch so gewagt schamlos wie der Film genau dieses Wortspiel durchaus noch einmal an späterer Stelle zu bringen. Mit „Poor Things“ habe ich bereits das zweite große filmische Highlight des Jahres erleben können, wobei ich über das erste Highlight in 2024 erst kommendes Wochenende schreiben werde.

Der Wissenschaftler Dr. Godwin Baxter hat im Rahmen eines Experiments eine tote Frau wiederbelebt, die er Bella nennt. Bella Baxter, die sowohl körperlich als auch geistig noch auf dem Stand eines Neugeborenen ist, entwickelt sich von Tag zu Tag weiter und wird daher noch von Godwin der Öffentlichkeit vorenthalten. Bis der junge Wissenschaftler Max McCandles ebenfalls seine Forschungen an Bella Baxter vornehmen darf und sich dabei in Bella verliebt und sie heiraten möchte. Die vertragliche Seite soll der windige Anwalt Duncan Wedderburn übernehmen, der ebenfalls für die sich mittlerweile sexuell öffnende Bella eine Faszination entwickelt und mit ihr um die Welt reisen möchte. Noch ahnt er nicht, in welche Richtung sich Bella auf dieser Reise entwickeln wird.

„Poor Things“ von Yorgos Lanthimos ist eine filmische Adaption des Stoffes des gleichnamigen Buchs von Alasdair Gray, der auch Elemente von Mary Shelleys Frankenstein beinhaltet. Lanthimos Version von Frankensteins Braut ist genau der Film, der Greta Gerwigs „Barbie“ sein wollte, aber nie sein konnte. In „Poor Things“, der einen visuell fantastisch überhöhter Mix aus einer surrealistischen, viktorianischen, Steampunk-Atmosphäre bietet und bereits mit seiner Optik und Ausstattung sowie den Bildern von Robbie Ryan visuell ein Kunstwerk ist, steht vor allem die Reise der Emanzipation der von Emma Stone gespielten Bella Baxter im Vordergrund, die mit ihrer Naivität, ihrer Furchtlosigkeit, ihrer Schamlosigkeit und letztendlich ihrer sich entwickelnden Intelligenz sich ihren Platz in der Welt erarbeitet. Gerade diese gesamte Charakterzeichnung und Entwicklung ist der faszinierende Kern des gesamten Films und eine absolute Meisterleistung von Emma Stone, der ich nach ihrem ersten Oscar für „La La Land“ viel Erfolg wünsche, wenn es um ihren vielleicht zweiten Oscar in Griffweite geht. Gerade diese Reise, das naive Erkunden der Welt, die Entdeckung der eigenen Weiblichkeit und auch die Entdeckung, den eigenen Intellekt und die gewonnene Weiblichkeit als Waffe einzusetzen ist großartig, selbst wenn die Form der weiblichen Selbstermächtigung lediglich wie Feminismus an der Oberfläche wirken kann – genau wie die hier integrierten Philosophien zum Leben und der Gesellschaft, nicht zu vergessen die durchaus auch nicht immer vorteilhafte Zeichnung der männlichen Nebencharaktere, bei denen vor allem Mark Ruffalo als windiger Anwalt Duncan Wedderburn und Willem Dafoe als Dr. Godwin Baxter begeistern. Doch wenn man sich dafür entscheidet, „Poor Things“ im Kino anzusehen, sollte man sich bewusst sein, dass der Film nicht den üblichen Konventionen entspricht, weil Yorgos Lanthimos kein Filmemacher der Konventionen ist, sondern konsequent mit diesen bricht und mit den Erwartungen der Zuschauer spielt. In „Poor Things“ geht das bis in kleinste zwischenmenschliche Situationen und Dialoge, die wie gegen den Strich gebürstet wirken und damit grandios unterhaltsam und absurd sind und auch die grafische Zurschaustellung von „wildem Gehopse“, wie es in dem Film heißt, zeigt den furchtlosen und schamlosen Umgang mit Nacktheit, Sexualität und teils absurden dahingehenden Perversionen. Diesen herausfordernden Mut haben heutzutage nur noch sehr wenige Filmemacher und diesen Mut möchte ich natürlich mit meiner Höchstwertung goutieren. Ein weiterer Film, der diese Höchstwertung in 2024 bereits aufgrund einer Sneak in der eher passenderen Zeit zwischen Weihnachten und dem Jahreswechsel gesehen habe ist Alexander Paynes „The Holdovers“. Da ist es schon ein „Poor Thing“, dass „The Holdovers“ nur ein „Holdover“ für die Spitzenplatzierung geblieben ist, bis „Poor Things“ nun diesen Platz eingenommen hat und es für alles andere weitere im Filmjahr 2024 ein „Poor Thing“ sein wird, sich mit „Poor Things“ messen zu müssen.

„Poor Things“ - My First Look – 10/10 Punkte
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Re: iHaveCNit – Der HCN-Review-Sammelthread

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iHaveCNit: Leere Netze (2024) – Behrooz Karamizade – Port-Au-Prince
Deutscher Kinostart: 18.01.2024
gesehen am 21.01.2024 in OmU
Arthouse-Kinos Frankfurt – Kleine Harmonie – Reihe 4, Platz 7 – 18:30 Uhr


Abseits vom ganz großen Kinostart der Woche, dem Lanthimos-Meisterstück „Poor Things“ gibt es aus dem sehr interessanten iranischen Raum noch das Drama „Leere Netze“ in den Kinos, der mich als Kontrastprogramm definitiv interessiert hat und dieses Interesse hier auch definitiv berechtigt war.

Die beiden jungen Erwachsenen Amir und Narges lieben einander und für Amir gibt es den großen Traum um Narges Hand anzuhalten, wäre da nicht das große Problem, dass er aus einfachen Verhältnissen stammt und den finanziellen Erwartungen der gut situierten Eltern von Narges in Anbetracht einer traditionellen Hochzeit nicht gerecht wird. Und dann verliert er auch noch seinen Job als Kellner bei einer Hochzeitseventagentur. Als letzter Ausweg für ihn scheint es nur noch einen Job bei einer Fischerei zu geben, bei dem er auch nur mehr schlecht als recht verdient. Bis sich ihm eine Möglichkeit eröffnet, die sein Leben auf die eine oder die andere Art grundlegend verändern könnte.

In Anfangs noch leicht farbenfrohen Bildern inszeniert, verändert sich die Stimmung auch farblich im Laufe von „Leere Netze“ ins eher Graue, Blaue, Triste, Hoffnungslose, Unheilvolle und Raue. So rau wie das Meer, so unheilvoll wie die Wellen, so hoffnungslos wie für viele Teile der jungen Generation im Iran, denen dieser Film auch als eine Art Gesellschaftsporträt gewidmet scheint und hier vor allem auch am Beispiel des jungen, von Hamid Reza Abbasi gespielten Amir gezeigt wird, welcher tragischen Verzweiflung junge, aus einfachen Verhältnissen stammende Männer in Anbetracht klassischer, traditioneller Erwartungen ausgesetzt sind und auch welche teils eher nicht legale Wege genutzt werden müssen, um überhaupt an Geld zu kommen. Die charakterliche Entwicklung und Entfremdung, die hier Amir durchmacht ist großartig gespielt, aber auch in gewisser Art und Weise sehr tragisch und hart.

„Leere Netze“ - My First Look – 8/10 Punkte
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Re: iHaveCNit – Der HCN-Review-Sammelthread

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iHaveCNit: Wo die Lüge hinfällt (2024) – Will Gluck – Sony Pictures
Deutscher Kinostart: 18.01.2024
gesehen am 23.01.2024
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 3 – Reihe 9, Platz 17 – 19:50 Uhr


Für die Entspannung im Kino zwischendurch schaue ich ab und an gerne auch mal entspannte Rom-Coms oder auch Komödien und da hat sich an diesem Wochenende auch „Anyone But You“ beziehungsweise „Wo die Lüge hinfällt“ von Will Gluck empfohlen. Und in einem relativ gut gefüllten Saal mit entsprechend passender Zielgruppe und einer damit verbundenen guten Stimmung hat mich der Film positiv überraschen können.

Durch Zufall treffen Bea und Ben in einem Coffeeshop aufeinander, woraus sich für beide ein eigentlich großartiges Date mit Übernachtung bei Ben ergibt. Wäre es da nicht zu einem Missverständnis durch einen unüberlegten Kommentar von Ben gekommen, den zufälligerweise auch Bea gehört hat, die vorher einfach abgehauen ist. Monate später werden sich die Wege von den Beiden wieder kreuzen, denn Beas Schwester und eine gute Freundin von Ben wollen in Sydney heiraten und Bea und Ben sind als Gäste geladen. Hier wird das durch dieses Missverständnis eher disfunktionale und toxische Verhältnis der Beiden auf eine echte Probe gestellt, vor allem wenn auch noch weitere Ex-Beziehungen der Beiden unter den Gästen sind.

Ja, der Film war für mich überraschend witzig und unterhaltsam und hat mich sowohl auf der romantischen als auch komödiantischen Ebene einigermaßen überzeugen können. Der Film zieht seinen Witz aus der disfunktionalen, toxischen auf Missverständnis aufgebauten „Noch-Nicht“-Beziehung zwischen Bea und Ben und vielen durchaus skurrilen und witzigen Situationen, die man aus klassischen Wedding Crasher-Komödien kennt, auch wenn er durchaus an der ein oder anderen Stelle mit der Formel und den Erwartungen bricht. Gepaart mit auch coolen Aufnahmen von Sydney ergibt sich hier ein tolles Gesamtbild und die Chemie zwischen dem aus Top Gun: Maverick bekannten Strahlemann Glen Powell und dem Serienstar Sydney Sweeney passt auch einigermaßen. Da finde ich es schon tragisch, dass die Poster zum Film etwas unvorteilhaft sind, wenn es um Sydney Sweeney geht und ihr nicht gerecht werden. Ganz interessant finde ich auch, dass der Film durchaus mit ein paar durchaus auffällig platzierten Texteinblendungen und auch der witzigen Einbindung von Natasha Bedingfields „Unwritten“ auch ein wenig symbolischen Charakter mitbringt, der dem Film durchaus einen tiefsinnigeren Hintergrund liefern könnte, der sich bei mehrfachem Anschauen und tieferer Analyse ergeben könnte.

„Wo die Lüge hinfällt“ - My First Look – 8/10 Punkte
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Re: iHaveCNit – Der HCN-Review-Sammelthread

177
iHaveCNit: Stella.Ein Leben. (2024) – Kilian Riedhof – Paramount
Deutscher Kinostart: 25.01.2024
gesehen am 24.01.2024 in der Spotlight-Sneak
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 5, Platz 13 – 21:00 Uhr


Wie schnell kann man vom Opfer zum Täter werden und in welche moralischen Konflikte gerät man damit ? Dieser durchaus reflektionswürdigen Thematik versucht sich Kilian Riedhof in seinem Film „Stella.Ein Leben.“ zu nähern, in dem er über ein Biopic einen wichtigen Teil des Lebens von der deutschen Jüdin Stella Goldschlag zu inszenieren, für das Paula Beer in der Hauptrolle besetzt worden ist.

Die deutsche Jüdin Stella Goldschlag singt in einer Jazz-Combo und träumt genau wie ihre Elten davon, nach Amerika zu kommen und eine Karriere am Broadway zu starten. Doch wir befinden uns im zweiten Weltkrieg und die Schlinge zieht sich für jeden Juden immer enger zu, so dass Stella und ihre Eltern jeden Moment deportiert werden könnten. Bis Stella einen jüdischen Passfälscher trifft und einige Zeit später der Gestapo in die Hände fällt. Dort wird sie vor das moralische und konfliktreiche Dilemma gestellt zum persönlischen Schutz Juden an die Gestapo zu verraten.

Der Film ist relativ nüchtern und gar etwas dröge inszeniert und erzählt worden, wobei er sich bewusst eher sklavisch an eine chronologische, sprunghaft holprige Abarbeitung hält statt das Ganze durch eine nicht lineare Erzählung etwas kreativer und dynamischer werden zu lassen. Diese Dynamik wird an mancher Stelle versucht durch eine hektische, teils verschwommene, mit Bewegungsunschärfe arbeitende und auch teils suchende und heranzoomende Kameraführung auszugleichen, doch mic hat die Kameraführung und auch ein damit verbundener Schnitt eher genervt und irritiert. Trotz der nüchteren Inszenierung schafft es der Film auch, natürlich in der Darstellung der Ereignisse eine gewisse, verträgliche Härte aufzuweisen – auch bei teils brutalen Sequenzen. Der Film arbeitet auch dieses doppelte Machtgefälle (Frau und Jüdin gegenüber männlicher SS und Gestapo) und auch damit verbundene mögliche Privilegien heraus. Mit seiner Ausstattung schafft der Film natürlich auch eine stimmige Atmosphäre und auf der darstellerischen Seite hat mich Paula Beer mit dem, was ihr der Film geben konnte entsprechend überzeugen können, auch wenn das moralische Dilemma und der Konflikt in der Tiefe nicht spürbar war. Damit bleibt dieser Film, unabhängig seiner doch wichtigen und aufzuarbeitenden Thematik, etwas hinter seinen Möglichkeiten zurück.

„Stella.Ein Leben.“ - My First Look – 7/10 Punkte
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Re: iHaveCNit – Der HCN-Review-Sammelthread

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iHaveCNit: Das Erwachen der Jägerin (2024) – Neil Burger – Tobis
Deutscher Kinostart: 25.01.2024
gesehen am 25.01.2024
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 12 – Reihe 16, Platz 18 – 20:50 Uhr

Keine Ahnung, welche Entscheidungsprozesse im Marketing des neuen Films von Neil Burger vor allem im deutschen Raum gelaufen sind, als es um den deutschen Titel der Romanverfilmung „The Marsh Kings Daughter“ beziehungsweise „Die Moortochter“ gegangen ist. Denn der deutsche offizielle Titel weckt durchaus unfreiwillige Assoziationen im Hinblick auf eine im Film beteiligte Darstellerin und um ein paar Ecken auch auf einen Darsteller. Es wird schon kein Zufall sein, dass ein weiterer Film mit Daisy Ridley ausgerechnet ins deutsche mit dem Namen „Das Erwachen ...“ übersetzt wird, wobei es hier nicht um Macht, sondern eine Jägerin geht.

Helena hatte eine harte, raue Kindheit im Wald, in der sie schon früh von ihrem Vater an das Überleben in der Natur herangeführt worden ist. Doch irgendwas ist zwischen ihrer Mutter und ihrem Vater faul, denn später findet sie heraus, dass es sich bei ihrer Mutter um ein Entführungsopfer handelt und ihr Vater der Entführer ist, der beide bei sich im Wald festhält. Beiden gelingt die Flucht, doch Jahre später, Helena ist bereits verheiratet und Mutter, muss sie sich wieder mit den Dämonen ihrer Vergangenheit auseinandersetzen.

„Das Erwachen der Jägerin“ ist ein durchaus spannendes und atmosphärisches Drama, dessen Atmosphäre durch die bodenständigen und schönen Bilder der Wälder, Moor- und Sumpflandschaften und eine sich langsam entwickelnde und aufbauende Geschichte aufkommt und sich den kompletten Film über hält. Inmitten dieser Atmosphäre entfaltet sich dieses Drama, dass durch einige Action-, Spannungs- und Gewaltspitzen noch ergänzt wird. Jedoch ergibt sich ab und an etwas Leerlauf im Ganzen und das Ganze lässt etwas Tiefe vermissen. Dennoch bin ich relativ zufrieden aus dem Film herausgegangen.

„Das Erwachen der Jägerin“ - My First Look – 7/10 Punkte
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Re: iHaveCNit – Der HCN-Review-Sammelthread

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iHaveCNit: Home Sweet Home – Wo das Böse wohnt (2024) – Thomas Sieben – Constantin Film
Deutscher Kinostart: 25.01.2024
gesehen am 29.01.2024
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 2 – Reihe 16, Platz 14 – 20:20 Uhr


Bevor es für mich in das – kein Wortspiel an der Stelle – letzte Überbleibsel des Januars geht, habe ich mich noch einmal in einen kompakten deutschen Film begeben, der mich alleine vom Trailer ein wenig interessiert und auch ein wenig an „Bed Rest“ aus dem letzten Jahr erinnert hat. Auch wenn Thomas Siebens „Home Sweet Home – Wo das Böse wohnt“ sich durchaus mit seinem inszenatorischen Ansatz von „Bed Rest“ abheben kann.

Marie Welling erwartet zusammen mit ihrem Mann Viktor das erste gemeinsame Kind. Doch neben dem Kind steht auch ein Bauprojekt für Beide an. Das alte Familienanwesen von Viktor soll mit zu einem Bed and Breakfest umgebaut werden. Als Marie einmal alleine in den Abendstunden auf das Anwesen kommt, kommt es schon nach kurzer Zeit zu mysteriösen Zwischenfällen, die ihren Ursprung in einem düsteren Familienkapitel und einer Schuld von Viktors Familie hat und sowohl für Marie als auch das Kind eine Gefahr sein könnte.

Bis auf wenige (sichtbare) Schnitte zu Beginn des Films ist „Home Sweet Home – Wo das Böse wohnt“ als eine Art Plansequenz und One-Shot-Film konzipiert, der in gefühlter Echtzeit seine Handlung ablaufen lässt und mit der Begrenzung auf das Anwesen auch wie ein Kammerspiel wirkt, dass sich teils auch nur auf eine Person fokussiert und sehr minimalistisch wirkt. Dadurch mag sich auch bei mir eine gewisse spannende und interessante Sogwirkung entfaltet haben, jedoch sind die spannenden Schockmomente durchaus ein wenig vorhersehbar und auch in ihrer Umsetzung sehr klassisch für Horrorfilme gewesen. Ebenfalls interessant, aber auch befremdlich ist die Einbindung einer okkulten Familienschuld mit dem Ursprung in der Zeit deutscher Kolonialverbrechen, genau wie ein Teil des Overactings, dass einen positiven Eindruck von der Gesamtkonzeption des Films etwas geschmälert hat.

„Home Sweet Home – Wo das Böse wohnt“ - My First Look – 6/10 Punkte
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Re: iHaveCNit – Der HCN-Review-Sammelthread

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iHaveCNit: Eine Million Minuten (2024) – Christopher Doll – Warner
Deutscher Kinostart: 01.02.2024
gesehen am 31.01.2024
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 1 – Reihe 8, Platz 17 – 20:00 Uhr


Auf dem ersten Blick sah der Trailer zu „Eine Million Minuten“ gerade aufgrund der Mitwirkung von Karoline Herfurth eben wie ein Film aus, der von ihr hätte inszeniert werden können. Doch die Ähnlichkeit kommt nicht von ungefähr, denn ihr Mann Christopher Doll, der Teil von Hellinger Doll Filmproduktion ist und einige ihrer bisherigen Regiearbeiten mitproduziert hat, hat nun mit „Eine Million Minuten“ ein schönes Regiedebüt hingelegt. Ein Film, dessen Titel nur bedingt mit der Laufzeit des Films zu tun hat, dafür aber mit einem sicherlichen Herzensprojekt des Regisseurs, denn damit verfilmt er das gleichnamige Sachbuch von Wolf Küper, dass thematisch doch zu einem passenden Zeitpunkt kommt und eine schöne, filmreife Geschichte zu bieten hat.

Wolf Küper ist Umweltexperte bei der UN. Ein Termin in New York zum Thema Biodiversität sorgt dafür, dass die nächsten zwei Jahre für ihn sehr anstrengend werden könnten. Was er jedoch aus den Augen verloren hat ist neben seiner Frau Vera auch seine Tochter Nina, deren Entwicklungsverzögerung nach langem Ärztemarathon noch keine klare Diagnose zugrundeliegt und die neben dem Job von Vera, Ninas Bruder Simon und dem ganzen Haushalt Vera zunehmend überfordert. Bis ein Wunsch von Nina nach „Eine Million Minuten für die ganz schönen Sachen“ Wolf auf die Idee bringen wird, mit der gesamten Familie auf eine Reise nach Thailand und Island aufzubrechen ohne zu ahnen, welche Herausforderungen, Momente und Entscheidungen diese Reise für die Familie bereit hält.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die sogenannte „Work-Life-Balance“ ist mit all ihren komplexen Herausforderungen und Fragestellungen mittlerweile nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Über die letzten Jahrzehnte hat sich die klassische, traditionelle, durchaus auch im gemeinsamen Konsens aus unterschiedlichen Schwerpunkten getroffene und bestehende Aufgabenverteilung innerhalb von Ehen, Partnerschaften und Beziehungen schon etwas aufgeweicht, so dass die Frauen in den Bereich vordringen konnten, den Männer übernommen haben und auch Männer in die Bereiche der Aufgaben vorgedrungen sind, die Frauen übernommen haben. Und über die Generationen hat sich auch zu diesen Aufgaben so etwas wie Selbstverwirklichung und beruflicher Erfolg dazu gesellen können. Wenn dann auch noch gemeinsame Kinder die Gestaltung der eigenen und auch gemeinsamen Zukunft beeinflussen, wird daraus durchaus ein sehr komplexes Thema, für dass es keine einfache Antwort gibt. Diesem komplexen Thema gepaart mit einem Aufbruch und einer Reise ins Ungewisse und der Wirkung freigewordener Zeit zur eigenen und gemeinsamen Reflexion widmet sich Wolf Küpers Sachbuch und nun auch Christopher Dolls Verfilmung mit Tom Schilling und Karoline Herfurth in den Hauptrollen sowie einer tollen Pola Friedrichs in der Rolle der Nina. Mit dem Setting vom tristen Berlin über Thailand bishin zu Island hat der Film durchaus etwas an interessantem Reisefeeling zu bieten und vor allem schöne Bilder für die große Leinwand. Selbst wenn wir es hier im Beispiel vielleicht mit einer Familie zu tun haben, die die Herausforderungen finanziell scheinbar spielend leicht meistert und viele Familien aus finanziellen Gründen diese Herausforderungen nie angehen könnten, bleibt der Film dennoch sehr bodenständig, ambivalent und größtenteils klischeefrei, er spielt und unterläuft sogar einige Erwartungen und mag an mancher Stelle nicht immer der typische Feelgood-Film sein, aber mich hat er großartig unterhalten und auch emotional bekommen können. Nicht nur, wenn es um die durchaus ausbalancierte Darstellung und Auseinandersetzung von gleichermaßen der väterlichen als auch mütterlichen Seite geht, sondern vor allem wenn es um die eigene Tochter geht.

„Eine Million Minuten“ - My First Look – 9/10 Punkte
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