Wobei ich das ja nicht unbedingt so gesagt habe. Mir ging es nicht nur um Schwerpunktsetzung, sondern um die Art und Weise, wie Cameron seine Filme aufbaut und ich finde es vollkommen legitim, wenn der Zugang zur Gestaltung einer immersiven Welt über die Konstruktion der Bilder hergestellt wird. Das entbindet Cameron nicht davon, Figuren zu zeichnen und nachvollziehbare Plots zu bauen. Ansonsten bist du im Kino von Werbefilmern wie Zack Snyder und Michael Bay, die außer dem direkten werblichen Zugang zur Bildsprache wenig bis nichts leisten, wenn also die Filme wirklich nur noch Sequenzen wie Ausstellungsstücke behandeln und nichts mehr organisch ineinandergreift. So würde ich Cameron nicht sehen.AnatolGogol hat geschrieben: 6. Dezember 2023 17:54 Denn es ist bei weitem nicht nur die Action und das Spektakel, was mich an seinen Filmen 2-4 bis heute so begeistert.
Aber ich erkenne in seinen Filmen durchaus einen Regisseur, den vor allem die Funktionsweisen seiner Charaktere interessieren, nicht unbedingt ihre Menschlichkeit selbst (was ein hübscher, spannender Widerspruch ist, da seine Handlungen immer die Menschlichkeit und den Wert des Individuums als solchen hochhalten). Die "Terminator"-Filme kreisen um Ideen (insb. Determinismus und Posthumanismus), aber nicht um Charaktere, die Kamera ist vor allem damit beschäftigt, den Terminator als Killer-Maschine begreifbar und erlebbar zu machen, während die "Menschlichkeit" von Sarah und Kyle mehr ihres Kontrasts wegen erforscht wird, als um psychologisch in die Figuren einzutauchen. Solche Feststellungen lassen sich für mich bei allen Cameron-Filmen machen, am wenigsten vielleicht beim drehbuchseitig weitgehend vergurkten "True Lies". "Aliens" etabliert das Mutter-Motiv, um Ripley eine Entwicklung und ein Leitthema zu geben, der Film ist inszenatorisch aber selten daran interessiert, sie als Figur näher zu beleuchten, und fokussiert sich auf das Technische der Action, auf die maschinellen Wehrmethoden gegen den biologisch unbesiegbaren Gegner - und das Duell der Mütter dient dann auch als eine Möglichkeit, dem angepeilten Spektakel (Powerwoman gegen Alienqueen im Kampf um die kleine Newt) eine emotionale Grundierung zu geben.
Ganz extrem sind "Titanic" und "Abyss", die in beiden Fällen ihre Charaktere zweckdienlich gestalten und (durchaus gut geschrieben) in Schauplätzen verorten, deren eigentliche Erforschung und Beleuchtung einen Großteil der filmischen Gestaltung ausmacht. Die ganze Liebesgeschichte in "Titanic" ist vor allem eine personelle Zuspitzung der Katastrophe an Bord des Schiffs. Lass es mich so sagen: Cameron wollte einen Film über das "Titanic"-Unglück machen und Jack und Rose sind die idealen "Symbolfiguren", um die großen Themen und abstrakteren Bedeutungsebenen dieses Unglücks (die dazu beitrugen, weshalb gerade dieser Schiffuntergang sich im historisch-kollektiven Gedächtnis verewigte) auf eine Personalebene runterzubrechen. Sie repräsentieren alles, was die Tragik der Titanic ausmacht. Sie sind aus unterschiedlichen Gesellschaftsständen, sie leiden unter den Repressionen ihrer Zeit hinsichtlich Herkunft und Geschlecht, an ihnen verdeutlichen sich die sozioökonomischen Strukturen und Traditionen, die anno 1912 langsam aufgebrochen wurden (usw. usf.), und das traurige Ende ihrer Liebesgeschichte ist dann der Untergang der Titanic im Kleinen (nicht umsonst ertrinkt von den beiden die Person, die beim damaligen Untergang die bedeutend schlechteren Karten gehabt hätte und nicht umsonst emanzipiert sich die Überlebende von all den "gestrigen" Regeln und Gepflogenheiten der alten Welt, die "mit der Titanic untergegangen sind", bzw. im historischen Verlauf auch aufgrund des Ersten Weltkriegs an Gültigkeit verloren haben).
Vielleicht macht das etwas deutlicher, was ich meine, wenn ich sage, dass Camerons Filme in erster Linie in Bildideen gedacht sind und erst in zweiter Linie in Figuren und Plots und sogar Szenen. Man kann das als Stärke oder Schwäche auffassen, aber in meinen Augen ist er sich da insgesamt über seine Karriere ziemlich treu geblieben, wenngleich ihm sicher nicht jeder Film gleich intensiv gelungen ist.