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Ich verstehe ohnehin nicht, was es immer mit den Romanen auf sich hat. Die sind eigentlich bis auf wenige geglückte, meist deskriptive Passagen - in Beschreibungen lag meines Erachtens Flemings wahre Stärke - nicht sonderlich gut.
Obgleich das Frauenbild und der Umgang mit anderen Kulturen bereits beim Erscheinen der Romane eigentlich überholt war und somit heute erst recht untragbar, so gibt es meiner Ansicht nach doch sehr viel mehr Gründe, die gegen eine Rückbesinnung auf den literarischen Bond sprechen, angefangen bei Bond selbst. Der ist in den Romanen derart grotesk charakterisiert, man bedenke z.B. nur die aberwitzige Dichotomie seines völlig ungezügelten Alkohol- und Nikotinkonsum und der erbrachten sportlichen Leistungen, dass ich hinter dieser Figur nur spätpubertäre Fantasien eines Mannes mit höchst zweifelhaftem und reaktionärem Weltbild erkenne. Das ist nicht weiter schlimm, aber es überkommt mich immer ein Gefühl der Fremdscham, wenn Beteiligte in Interviews von Fleming schwärmen, als sei er das literarische Maß der Dinge und eine Rückbesinnung auf sein Werk ein Garant für die Qualität der Filme. Eher das Gegenteil scheint mir der Fall zu sein - immer wenn sich die Filme, die enger an den Romanvorlagen gebaut sind (z.B. FRWL, OHMSS, CR), von diesen abweichen, wird es erst wirklich interessant.

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craigistheman hat geschrieben: 3. Oktober 2023 02:13 Das ist nicht weiter schlimm, aber es überkommt mich immer ein Gefühl der Fremdscham, wenn Beteiligte in Interviews von Fleming schwärmen, als sei er das literarische Maß der Dinge und eine Rückbesinnung auf sein Werk ein Garant für die Qualität der Filme. Eher das Gegenteil scheint mir der Fall zu sein - immer wenn sich die Filme, die enger an den Romanvorlagen gebaut sind (z.B. FRWL, OHMSS, CR), von diesen abweichen, wird es erst wirklich interessant.
Wieso Fremdscham? Viele Dinge, die Bond und seinen Erfolg ausmachen, stammen aus den Romanen. Die Wortspielereien mit Titeln, Figuren, Organisationen und Orten stammen fast durchweg von Fleming. Würde man ein reines Filmtitel-Ranking machen, garantiere ich, dass keine Eon-Eigenkreation unter die TOP-10 kommen würde. Die von dir genannten Filme halten sich doch recht eng an die Vorlagen im Vergleich zu anderen Adaptionen (YOLT, TSWLM, MR). Fleming zu negieren, würde bedeuten, auch alles zu negieren, was er in die Serie eingebracht hat. Und das ist gerade bei den Filmen 1-16 nicht wenig. Die Anpassungen und Verbesserungen sind auch teilweise einer Modernisierung (teils nach Jahrzehnten) und vor allem längeren Laufzeiten geschuldet.

Streng genommen wären die Fleming-Handlungen 60- oder höchstens 90-Minüter. Bei 120 oder gar 140 Minuten Laufzeit, ist doch klar, dass man kräftig ausschmücken muss und viel mehr Details einbauen kann. Und viele Fleming-Passagen, die nicht verwendet wurden, finden noch immer ihren Weg in die Filme. So stammt der Besuch von Vespers Grab aus dem letzten Film aus dem Roman OHMSS. Und auf was sollte man sich sonst rückbesinnen als auf Fleming? Es gibt keinen anderen Kanon. Es ist also auch eine gute PR-Masche zu sagen: Wir gehen zum Bond der Romane zurück. Das hat man bei Craig auch gesagt, dabei ist seine Interpretation eine, die sich am weitesten vom literarischen Bond entfernt hat.

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naja, ob jetzt die Titel ein wesentlicher Beitrag zur Filmserie sind möchte ich mal in Frage stellen.
Fakt ist: Die ersten Filme waren teilweise nah an Flemings Romanen. Das hat geholfen. Mehr jedoch hat wohl geholfen, dass man sich bei Bonds Charakter und dem Ton der Filme schnell von Fleming entfernt hat.

Ich halte dieses ständige "we are going back to the novels" zwar auch für PR-Käse, aber andererseits kann das auch wirklich manchmal hilfreich sein. Wenn man sich in Filmen wie YOLT, MR or DAD verloren hat, wahrlich vom Wege abgekommen ist, dann mag es ab und an gut sein einfach mal wieder zu checken, wie alles angefangen hat und was die Figur ausmacht
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Bond 26 - News & Gerüchte...

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Ich bin da bei Hille. Fleming war bei aller Liebe kein großer Autor, weder in der Figurenzeichnung, noch beim Erzählen. Er hat in den 50ern einen Kalter Krieg Nerv getroffen, sicher. JFKs Bettlektüre hat auch nicht geschadet. Aber heute da zurück gehen zu wollen zeugt doch von einem merkwürdigen Euphemismus hinsichtlich der Qualität der Romane. Zumal sie auch altmodisch und recht bieder sind. Hätte man die jahrelang eins zu eins verfilmt, gäbe es die Reihe heute nicht mehr. Zur Ikone wurde nicht Flemings Bond, sondern Connerys (und Youngs) Bond.
http://www.vodkasreviews.de

https://ssl.ofdb.de/view.php?page=poste ... Kat=Review

Re: Bond 26 - News & Gerüchte...

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danielcc hat geschrieben: 3. Oktober 2023 15:50 naja, ob jetzt die Titel ein wesentlicher Beitrag zur Filmserie sind möchte ich mal in Frage stellen.
Für den Erfolg sind gute und eingängige Filmtitel bestimmt nicht hinderlich. :wink:

Es war natürlich auch nur ein Beispiel für so viele Elemente: Ohne Fleming keine Vesper, Honey, Pussy oder Tracy; kein Le Chiffre, Drax, Dr. No oder Goldfinger; kein Crab Key, kein Vergeltungsplan Kronsteens, keine Fort Knox-Operation, keine Alpenfestung mit "Todesengeln" usw. Diese Listen ließen sich lange fortsetzen. Es geht gar nicht darum, Fleming als Urheber überenst zu nehmen oder die Romane 1:1 umsetzen zu wollen. Ich finde es erstmal nur wichtig, sich klar zu machen, was alles von Fleming stammt, anstatt immer zuerst zu betonen, was von Eon verändert oder verbessert wurde. Da sehe ich eine gewisse Diskrepanz in der Warnehmung. Es ist immer leichter, etwas zu überarbeiten, als selbst die Sachen alle zu erfinden. Ein Umstand, den Eon nach 1989 ja auch mehr oder minder schmerzlich lernen musste (Stichwort: Drehbuch-Chaos). Selbst heute dient man sich doch Fleming mit Namen wie "Lyutsifer Safin" an, was gar nicht nötig wäre, wenn seine Ideen und Wortspielereien doch so schlecht und unbedeutend für die Serie waren.
vodkamartini hat geschrieben: 3. Oktober 2023 15:55 Zumal sie auch altmodisch und recht bieder sind. Hätte man die jahrelang eins zu eins verfilmt, gäbe es die Reihe heute nicht mehr. Zur Ikone wurde nicht Flemings Bond, sondern Connerys (und Youngs) Bond.
Durchaus korrekt. Das die Romane insgesamt heute weder inhaltlich noch literarisch jemanden vom Hocker reißen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Trotzdem finden sich darin noch immer Elemente, die kommende Bondfilme bereichern würden. Das, was für die Reihe gerade in 1960er und 1970er Jahren wichtig war, diese skurile Mischung zwischen Agententhriller und phantastischem Unfug, Sex und Sadismus, Kernelemente, die das Bondfeeling ausmachen, stammen nun einmal von Fleming. Sowas hat vorher im Thriller-Bereich niemand anderes gemacht. Mich wundert, dass das gerne negiert und im Gegenzug Eon zum alleinigen "Schöpfer" stilisiert wird. Kurioserweise sind die Bondfans wohl die einzigen, die von ihrem Fanobjekt behaupten: Eigentlich war der, der das alles erfunden hat, der letzte Depp und künstlerisch war er - unter uns gesagt - auch ne Niete... :wink:

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Nummer4Fonda hat geschrieben: 3. Oktober 2023 16:16 Kurioserweise sind die Bondfans wohl die einzigen, die von ihrem Fanobjekt behaupten: Eigentlich war der, der das alles erfunden hat, der letzte Depp und künstlerisch war er - unter uns gesagt - auch ne Niete... :wink:
Umgekehrt gibt es aber auch Fankreise, die Fleming gerne als literarisches Genie darstellen. Das finde ich dann wiederum genauso übertrieben, nur eben in die andere Richtung.

Dein Beitrag, vor allem der erste Absatz, ist aber legendär und völlig korrekt. Mich hat das auch schon verwundert, wenn suggeriert wird, die Filme haben einfach mal von Grund auf etwas völlig Eigenes erfunden was keinen Millimeter mehr mit den Romanen gemeinsam hat. Klar haben die Filme oft von den vorgenommenen Änderungen profitiert und sind in der Ausführung zunehmend ihre eigenen Wege gegangen, aber all diese ikonographischen und für die Reihe wichtigen Figuren, Konzepte und Ideen die du da aufzählst stammen eben doch von Fleming.
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Re: Bond 26 - News & Gerüchte...

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Nummer4Fonda hat geschrieben: 3. Oktober 2023 16:16Das, was für die Reihe gerade in 1960er und 1970er Jahren wichtig war, diese skurile Mischung zwischen Agententhriller und phantastischem Unfug, Sex und Sadismus, Kernelemente, die das Bondfeeling ausmachen, stammen nun einmal von Fleming. Sowas hat vorher im Thriller-Bereich niemand anderes gemacht.
Das denke ich nicht. Gerade die ersten paar Fleming Romane sind für mich 50s pulp und nicht wirklich einzigartig oder besonders. Und ich denke, ohne die Filme wäre er zudem längst vergessen.

Natürlich haben die Filme viele von Flemings Elementen übernommen, aber selbst DN fährt den ganz großen Pulpfaktor schon deutlich zurück und schlägt eine andere Tonalität an. FRWL, GF und TB mögen noch vergleichsweise nah ab ihren Vorlagen sein, sind dann aber letztlich dennoch sehr anders.

Ansonsten leugne ich Flemings immensen Beitrag nicht, er hat den ganzen Bumms immerhin erfunden. Ich blende seine Bücher trotzdem für mich gerne aus, weil ich sie einfach überwiegend mies finde. So wie andere bestimmte Filme der Reihe auch nicht groß beachten. Oder sich Fans der Bourne-Reihe auch wenig bis gar nicht für Robert Ludlum interessieren müssen.
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Re: Bond 26 - News & Gerüchte...

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GoldenProjectile hat geschrieben: 3. Oktober 2023 18:23 Umgekehrt gibt es aber auch Fankreise, die Fleming gerne als literarisches Genie darstellen. Das finde ich dann wiederum genauso übertrieben, nur eben in die andere Richtung.
Genau. Fleming ist einfach purer pulp. Nicht mehr und nicht weniger. Aber genau das macht Bond aus: Ein irrer Superreicher will England eine Raketenwaffe schenken. In Wahrheit ist er aber ein Ex-Nazi und will London mit der Rakete ausradieren und nur der omnipotente Superagent kann ihn stoppen. Und wie nenne ich die krude Räuberpistole: Moonraker - Mondblitz. Fertig.

Umso rätsele ich - überspitzt gesagt - regelmäßig über die Fans, die nach einem hochqualitätvollen Drehbuch rufen und offenbar wie Eon der Vorstellung erlegen sind, 007 müsse unbedingt für den Academy Award nominiert werden und Kritikerpreise einheimsen. Eine tiefsinnige Handlung? Eine emotionale Entwicklung Bonds? Come on, it's Bond. Maibaum & Wilson konnten das doch in den 80er Jahren noch wirklich gut. Einfach ein paar Handlungsfetzen mit modernen Trends und spektakulären Action-Sequenzen verwoben und fertig war das neue 007-Abenteuer. :wink:
Casino Hille hat geschrieben: 3. Oktober 2023 19:40 Das denke ich nicht. Gerade die ersten paar Fleming Romane sind für mich 50s pulp und nicht wirklich einzigartig oder besonders. Und ich denke, ohne die Filme wäre er zudem längst vergessen.
Ohne die Filme sicherlich. Daraus kann man aber nicht die Bedeutung der Romane für die Filmserie ableiten. Umberto Eco hat schon in den 60er Jahren erkannt, wie wichtig Flemings Beitrag für den Erfolg der Filme war. Die Bond-Formel liegt bereits den Romanen zugrunde und hat die serielle Struktur der Filme erheblich mitbestimmt. Aber auch generell war diese Mischung aus Agentenstory, Erotik, Exotik und Glamour damals neu. Das hat in dieser Form kein anderer gemacht. Im Grunde genommen könnte man sagen: Fleming hat dem Agenten-Genre Lifesytle, Absurdität und vor allem Spaß eingehaucht. Das mag heute alles altbacken wirken und Fleming war ein schlichter Pulp-Autor, dennoch sollte man den Impact auf die Filme nicht unterschätzen.
Zuletzt geändert von Nummer4Fonda am 3. Oktober 2023 20:00, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Bond 26 - News & Gerüchte...

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Nummer4Fonda hat geschrieben: 3. Oktober 2023 19:47 Umso rätsele ich - überspitzt gesagt - regelmäßig über die Fans, die nach einem hochqualitätvollen Drehbuch rufen und offenbar wie Eon der Vorstellung erlegen sind, 007 müsse unbedingt für den Academy Award nominiert werden und Kritikerpreise einheimsen. Eine tiefsinnige Handlung? Eine emotionale Entwicklung Bonds? Come on, it's Bond.
Gibt es die denn überhaupt? Ich nehme eher das Gegenteil wahr: Es besteht der Wunsch nach Eskapismus und Spaß und weniger Charakterdrama.
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Re: Bond 26 - News & Gerüchte...

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Naja, die Purvis & Wade-Schmähungen und "Wieso bekommen die kein gutes Script gebacken?"-Rufe sind doch im Fandom keine Seltenheit. Da werden dann häufig auch "Veredler" wie Paul Haggis glorifiziert. Sprich: Man braucht Oscar-Leute und oscarreife Scripte. Auch hier gingen doch letzthin wieder einige Diskussionen in diese Richtung. Tenor: Dieses mal bitte ein richtig gutes Drehbuch mit exzellenten Dialogen und tiefgründigem Plot, weil das inhaltliche ja das "Essienzelle" bei einem Bondfilm sei.

Re: Bond 26 - News & Gerüchte...

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Ich täte mal sagen keiner aus der Marburg Gang, die hier den festen Kern bildet (sagen wir mal 40% der Hautaktiven), fordert das.
Gutes Drehbuch verstehen viele unter einer einfachen aber originellen Geschichte. Die eben so einfach ist, dass es keine Skriptretter etc. braucht.

Was sollen gute Dialoge sein?
(Ich finde die deutsche DAF Dialoge lustig / gut.)
Gute Dialoge sehe ich bei Moonraker, die bringen perfekte Mischung aus halb-subtilen Beleidigungen (Bond vs Drax), platten Anmachen (Bond vs Corinne), albernen One-Linern (Bond) und amüsanten Schlagabtauschen (Bond vs Goodhead) und…. die Freddie-, M- und Q-Dialoge bringen die Handlung voran.
❤️☮️🧘🏻‍♂️

Re: Bond 26 - News & Gerüchte...

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Nummer4Fonda hat geschrieben: 3. Oktober 2023 20:05 Naja, die Purvis & Wade-Schmähungen und "Wieso bekommen die kein gutes Script gebacken?"-Rufe sind doch im Fandom keine Seltenheit. Da werden dann häufig auch "Veredler" wie Paul Haggis glorifiziert. Sprich: Man braucht Oscar-Leute und oscarreife Scripte. Auch hier gingen doch letzthin wieder einige Diskussionen in diese Richtung. Tenor: Dieses mal bitte ein richtig gutes Drehbuch mit exzellenten Dialogen und tiefgründigem Plot, weil das inhaltliche ja das "Essienzelle" bei einem Bondfilm sei.
Sind seit CR nicht eher P&W die "Veredler"? Ohne ihnen absprechen zu wollen, dass sie durchaus in der Lage seien, funktionierende Drehbücher zu schreiben, aber wurden sie nicht immer zurückgeholt, um Script XY von Sowieso formatgerecht zu überarbeiten? Bis auf DAD sehe ich nichts eigenständiges von ihnen. Und der hat meines Erachtens die bei weitem übelsten Dialoge der Reihe.

Re: Bond 26 - News & Gerüchte...

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- Eine Handlung die logisch und flüssig ist
- Ein Bösewicht Plot, der gut erklärt wird und eine in sich stimmige Motivation aufweist
- Dialoge, die Spaß machen, die knackig sind, die uns zeigen was Bond für ein Typ ist (das kein ein Flirt sein, ein verbaler Schlagabtausch mit dem Bösewicht, oder ein wirklich treffsicherer Oneliner)
- idealerweise sogar eine gewissen Doppeldeutigkeit, eine Handlung mit Metaphern, in der es oberflächlich um X geht, aber es noch eine tiefere Bedeutung gibt

All das kann man platt und schlecht schreiben, oder geistreich und brillant. Oscar Autoren brauch man dafür nicht.
"It's been a long time - and finally, here we are"