Filmbesprechung: FRWL

1/10 Punkte (Grauenhaft) (Keine Stimmen)
2/10 Punkte
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (1%)
3/10 Punkte
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (1%)
4/10 Punkte
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (1%)
5/10 Punkte
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (1%)
6/10 Punkte
Insgesamt abgegebene Stimmen: 4 (4%)
7/10 Punkte
Insgesamt abgegebene Stimmen: 16 (17%)
8/10 Punkte
Insgesamt abgegebene Stimmen: 19 (20%)
9/10 Punkte
Insgesamt abgegebene Stimmen: 32 (34%)
10/10 Punkte (Genial)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 19 (20%)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 94

Re: Filmbesprechung "From Russia with Love (FRWL)"

680
Wie erwähnt schaue ich jetzt mit einem Freund, der noch nie einen Bond-Film gesehen hat, gemeinsam alle Filme chronologisch durch. Direkt im Anschluss an DN folgte FRWL und bei dieser direkten Gegenüberstellung strahlt der glänzende FRWL-Stern am Bond-Firmament gleich umso heller. Ist das ein Top-5-Bond? Ja, ja und nochmal ja! Es ist geradezu unverschämt, wie grandios allen Beteiligten und allen voran Terence Young dieser erst zweite Bond-Film gelungen ist. Als Vorlage diente der in den Augen vieler beste Roman von Ian Fleming, immerhin ist es sogar jenes literarisches Bond-Abenteuer, welches von John F. Kennedy höchstpersönlich einst auf eine Liste seiner 10 Lieblingsromane des damaligen Jahres gesetzt wurde. Jedenfalls ist 60 Jahre später bloß erstaunlich, dass es sich bei Film Nr. 2 der Reihe schon um einen perfekten Eintrag im Franchise handelt, der alles, was Bond ausmacht, bereits ideal ausbuchstabiert – und das, bevor einige Franchise-Ikonografien vollends manifestiert waren. Schon DN musste man loben, wie selbstsicher er seinen Helden vorstellte, so als wüsste er bereits, dass da gerade ein über 60-jähriger Kinomythos entsteht. FRWL versteht sich fraglos schon als Teil dessen.

Obwohl das große Schurkenhauptquartier fehlt, obwohl das einzige Q-Gadget ein Koffer mit Tränengaskapsel ist, obwohl man auf richtige Actionszenen die meiste Zeit vergeblich wartet und dann alles nur in den letzten 20 Minuten stattfindet: FRWL verkörpert für mich alles, was Bond in seinen besten Momenten ausmacht. Martin Scorsese hat vor ein paar Jahren die Marvel-Superheldenfilme abwertend als "Theme Park Rides" bezeichnet, aber in wertschätzender Weise beschreibt das für mich das Bond-Kino perfekt: Es sind aufregende Spionage-Themenparkveranstaltungen, irgendwo auf der Schwelle zwischen Pulp und Mystery, mit einer Prise Nervenkitzel, wann immer es sich anbietet. Terence Young, Albert R. Broccoli und Harry Saltzman haben das von Beginn an verstanden und schon beim zweiten Anlauf perfektioniert. Die ersten fünfzehn Minuten zeigen das genauestens auf: In insgesamt vier Szenen wird nicht nur der Plan der Schurken (und somit der Plot des gesamten Films) vorgestellt, sondern auch im Schnellverfahren einmal das ganze Bestehen deren Universums.

Den brutalen Killer Red Grant, der den ganzen Film über das finale Ziel verfolgt, James Bond zu töten, wird eingeführt, in dem er – genau – erstmal James Bond tötet (oder zumindest einen Mann mit James Bond Maske). Der geniale Terroristen-Pläneschmieder, der dank seines brillanten Verstands schon um mehrere Züge die Reaktionen seiner Gegner vorhergesehen hat, wird beim Schachspielen eingeführt (er hätte aber auch Strippenzieher im Marionettentheater sein können). Das Mastermind im Hintergrund wird nie direkt gezeigt, sinniert nur über die Brutalität seiner gezüchteten Kampffische und verfüttert diese gemütlich an die Katze auf seinem Schoß. Die ausführende russische SPECTRE-Omi watschelt auf dem Rekrutierungsgang ihrer Terroristensuche wohlwollend nickend an einer Schussmauer vorbei, an der die Attentäter-Azubis am lebenden Objekt Schießübungen vollziehen. All das ist eigentlich ziemlich gaga, komplett drüber und in seiner Natur einem Comic Strip näher als einem Agentenfilm. Aber genau das ist eben das Konzept: Young versucht gar nicht erst, diese Elemente als geerdet zu präsentieren, nimmt sie in ihrer überzogenen Darstellung aber auch ernst.

Ein großer Triumph der der Bond-Reihe besteht darin, sich immer sehr effektiv in einem filmintern eigenen Universum aufgehalten zu haben, dessen Wiedererkennungswert hoch ist. Young rückblickend dabei zuzuschauen, wie er im ersten Akt diese überkandidelte, in sich aber stimmige Glamour-Spionagewelt etabliert, ist, als schaue man ihm dabei zu, wie er allein den Filmmythos Bond vor den eigenen Augen zusammenbastelt – ohne Sean Connery überhaupt auftreten zu lassen. Wenn der dann ins Bild kommt, ist gar keine Einführung à la Casino aus DN mehr nötig. Schmusend hockt er da in seinem kleinen Boot, eine hübsche Frau an seiner Seite, und das Büro muss zugunsten eines gemeinsamen Schäferstündchens nochmal eine halbe Stunde länger warten. Connery agiert mit schlafwandlerischer Gelassenheit, ist dabei aber eben unverschämt cool. Die Spionagemission, auf die James Bond in FRWL geschickt wird, lässt sich übrigens wie folgt zusammenfassen: "Mr. Bond, es gibt irgendwo in Istanbul eine russische Blondine, die einmal ein Foto von Ihnen gesehen hat und jetzt mit Ihnen direkt in die Kiste hüpfen will. Fahren Sie doch einfach mal hin und schauen Sie, was da los ist." :mrgreen: Genial auch, dass M gegenüber Bond diese wirklich idiotische Geschichte ausführlich erzählt und Bond nur reagiert mit: "Das Ganze ist so absurd, dass es beinahe wahr sein könnte." – Mensch, da ist aber einer wirklich von sich überzeugt …

In der Horizontalen ermittelt es sich jedenfalls am angenehmsten und so verschlägt es Bond nach Istanbul, und spätestens hier ist FRWL ein Gedicht von einem Bond-Film. Die orientalische Kulisse wird dermaßen stimmungsvoll, atmosphärisch und sogar spannend eingeführt, das es eine Freude ist. Neben der Hagia Sophia ist vor allem die Kanalisation von Kaiser Konstantin für mich persönlich ein großes Schmankerl. Bond-Filme sind in ihren stimmigsten Momenten zumeist ironisches Kino und somit könnte es kaum passender sein, dass Bonds Fahrer auf dessen Bemerkung, sie würden verfolgt und ob dies denn in Istanbul so üblich sei, ganz gelassen entgegnet: "Klar, so machen wir das hier. Die Bulgaren verfolgen uns, wir verfolgen sie. Das tut der Freundschaft keinen Abbruch." :lol: Das Ensemble von FRWL ist fantastisch. Mit Kronsteen, Rosa Klebb und Red Grant hat man drei famose Gegenspieler etabliert, die alle auf ihre Art funktionieren – insbesondere Grant als stiller Verfolger im Hintergrund hat über die gesamte Laufzeit eine immense Präsenz, was auch dem Umstand geschuldet ist, dass wir seine Rolle im Plot von Beginn an kennen und Bond fast 100 Minuten lang dabei zuschauen, wie er auf unseren Wissensstand aufholt. Wenn das dann passiert, und Bond und Grant und damit auch Sean Connery und Robert Shaw sich gegenseitig endlich reinen Rotwein einschenken, ist das Dialogduell der beiden nicht mehr oder weniger spannend wie der direkte brutale Faustkampf, der folgt, und bei dem sich beide Schauspieler spürbar mit vollem Körpereinsatz ineinander werfen. Der fraglose Höhepunkt des Films!

Aber auch abseits von SPECTRE ist der Cast großartig: Ali Kerim Bey ist der wohl beste Verbündete, den man Bond je an die Seite stellte und wird von Pedro Armendáriz mit Lebensfreude und viel Charme verkörpert. Seine Figur ist deshalb so prägend für den Film, weil er als "Kenner" der vertrackten Istanbul-Welt Bonds einzige echte Anlaufstelle ist. Besonders hervorheben sollte man noch Daniela Bianchi, denn Tatjana Romanova ist für mich in der absoluten Bond-Girl-Topliga. Sie sieht nicht nur absolut phänomenal aus, sie ist auch integraler Teil der Schurken-Scharade und es ist beinahe tragisch, wenn sie von Bond an Bord des Orient-Expresses geohrfeigt und angebellt wird, obwohl sie ja selbst gar nicht mehr weiß, was hinter den Kulissen eigentlich gespielt wird. Bonds Machogehabe und sein Sextrieb stellen eine wesentliche Komponente des Plots da – so würde man das heute wohl nicht mehr machen. Der ganz fantastische Vorspann (einer der besten der Reihe) etabliert aber schon als Motiv, wie Sex in Bond-Filmen funktioniert: Auf die nackten Beine und Bäuche orientalischer Tänzerinnen werden die Namen der Beteiligten projiziert. Ein Hingucker, sicher, aber dann doch so präsentiert, dass man alles gut und in Ruhe durchlesen kann. Im Vordergrund steht nämlich der Text. Angedeutete Erotik bringt nur die gewisse Würze.

A propos Vorspann: John Barrys Soundtrack ist fantastisch, eingängig, explosiv und dramatisch. Der Bond-Sound, den kein Komponist mehr prägte als er, tönt hier aus jedem Stück heraus; ein immenses Upgrade zum direkten Vorgänger. Genau das gilt auch für die Regie von Terence Young: Wieder verzichtet der Filmemacher bei jeder Gelegenheit auf Nahaufnahmen und sorgt damit für "große" Bilder, die gerade in den Actionszenen mächtig was hermachen. So passt es zu seinem Stil, dass er beim großen Geballer im Zigeunerlager nicht nur zwischen schießenden Menschen auf beiden Seiten hin und her schneidet, sondern mit der Kamera Bond folgt, der einen Rundgang über das Schlachtfeld macht und sich beinahe scharmützelnd an den Kämpfen beteiligt. Actionhighlights hat FRWL auch ansonsten reichlich: Die Schlacht im Zigeunerlager und die abschließende Bootsjagd mit gehörig Explosionen sind dabei genauso beeindruckend wie die vergleichsweise "kleineren Kämpfe", einmal die zweier Zigeunerinnen auf Leben und Tod und natürlich die erwähnte brutale Auseinandersetzung zwischen Bond und Grant an Bord des Orient-Express'. Unbedingt hervorheben sollte man noch den Helikopter-Angriff, bei dem die Kufen mehr als einmal wirklich gefährlich nah am Stuntmann (oder war es gar Connery selbst?) vorbeirasen, ehe die Szene selbst durch einen hübschen Witz abgerundet wird.

An dieser Stelle mal ein Einwurf meines Mitguckers: "Helikopter sahen in den 60ern irgendwie ulkig aus, so, als sollten die Dinger eigentlich nicht fliegen können." Recht hat er, allzu lange fliegt das Ding dann ja auch nicht. Übrigens auch in echt nicht: Terence Young hatte bei einem Helikopter-Flug während der Dreharbeiten einen heftigen Unfall. Das Teil stürzte überraschend ins Meer, Young wurde gerettet, blutete aber an beiden Beinen. Weitergedreht wurde dennoch nur 35 Minuten nach dem Beinahe-Unglück, Young soll an dem Abend schon Witze über das Ereignis gemacht haben: Bei solchen Vorfällen wohl kein Wunder, dass FRWL selbst in seinen halsbrecherischsten Momenten noch pointiert sein kann und sich dadurch seinen Platz an der Bond-Sonne verdient. Die Welt der Bond-Filme ist eine Welt des ungehemmten und ganz wichtig bedingungslosen Spaßes. Ohne ein wenig Gefahr ist der einfach nicht möglich. Da passt dann auch wieder der Themenpark-Vergleich. Eine Achterbahn macht nur Spaß, wenn man sich zumindest kurz der Illusion des Waghalsigen hingibt. Wer sich drauf einlässt, wird bei der Fahrt garantiert geschüttelt, nicht gerührt.

PS: Warum kommen die Liebesgrüße eigentlich "from Russia" bzw. "aus Moskau"? Müssten sie nicht "from Türkiye" bzw. "aus Istanbul" stammen?
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.

Re: Filmbesprechung "From Russia with Love (FRWL)"

682
Stimme allem zu, finde den Film aber nach mehrmaligem Sehen heute in Summe eher langweiliger als den direkten Vorgänger. Vor allem der abschweifende Zigeuner Camp Part langweilt mich immer etwas. So bin ich halt: Action finde ich bei Bond oft lanfweilig, vor allem wenn sie groß ist. Dagegen ist die kleine Episode mit den beiden Damen herrlich Bond. DAS ist Bond! Vielleicht müsste ich ihn mal wieder sehen.

Hille: Warum nur die ersten Drei? Wäre TB nicht der logischere Abschluss um ein komplettes Bild der Bond Bandbreite zu vermitteln?
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Filmbesprechung "From Russia with Love (FRWL)"

684
Casino Hille hat geschrieben: 19. September 2023 20:54 PS: Warum kommen die Liebesgrüße eigentlich "from Russia" bzw. "aus Moskau"? Müssten sie nicht "from Türkiye" bzw. "aus Istanbul" stammen?
Hier kommt wieder meine Romankenntnis zum Zuge: Das Buch handelt erstmals ausführlich von der UdSSR als Gegenspieler - die Sowjets waberten bei Fleming zwar schon zuvor immer im Hintergrund herum, liessen aber immer französische Gewerkschaftssaboteure, haitianische Gangster oder wahnsinnige Nazis für sich arbeiten, hier ist es zum ersten Mal SMERSCH, also die sowjetische Spionageabteilung selber, die voll und ganz in Aktion tritt und Bond einen kleinen Gruss, also einen ausgeklügelten Plan zur Ermordung und Denunzierung zukommen lassen will. Und dieses Handlungselement ist für den Titel wesentlich wichtiger als das "neutrale" Setting in Istanbul. Im Film wurde dann natürlich Spectre als zusätzliche (und handlungstragende) Partei reinjongliert, womit der Titel wieder etwas weniger Sinn macht.
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Filmbesprechung "From Russia with Love (FRWL)"

685
GoldenProjectile hat geschrieben: 19. September 2023 22:24 Im Film wurde dann natürlich Spectre als zusätzliche (und handlungstragende) Partei reinjongliert, womit der Titel wieder etwas weniger Sinn macht.
Das finde ich noch nicht einmal. Denn der Titel wird ja im ersten Drittel schön in der Moneypenny-Szene erklärt und zu diesem Zeitpunkt muss Bond ja davon ausgehen, dass die Russen hinter dem Lektor-Angebot stecken und nicht Phantom/Spectre. Der Zuschauer weiss da zwar schon mehr, aber wenn man den Titel direkt von Bonds Spass mit dem Bild von Tanja ableitet, dann passt das in meinen Augen auch im Film.

Ansonsten Gratulation an unseren Grossmeister Hille, ganz vorzügliche und wie immer sehr vergnüglich zu lesende Einschätzung zu einem meiner absoluten Lieblings-Bondfilme. Einzig bei Tanja als Top-Bondgirl bin ich nicht ganz bei dir, für Bianchi konnte ich mich irgendwie nie so recht begeistern. Sie stört nicht weiter und ich mag sie eigentlich auch ganz gern in der ersten Filmhälfte, in der zweiten Hälfte (eigentlich alles, nachdem sie im Hotel mit Bond ins Bett geht) nervt sie mich teilweise aber ganz schön als anhänglicher Ballast für unsere Doppelnull. Klar, das ist inhaltlich beabsichtigt, aber trotzdem denke ich immer wenn Grant Bond vorschlägt, sie im Zug zurückzulassen: gute Idee! :D Und bzgl. der Q-Gadgets: zumindest das zusammenbaubare Scharfschützengewehr, die versteckten Goldmünzen und das Springmesser kommen da auch noch zu der explodierenden Tränengaskapsel dazu und wenn man den Begriff "Q-Gadget" nicht ganz wörtlich nimmt, dann ja eigentlich auch noch Grants Strangulier-Uhr und der Spectre-Giftschuh. Von daher wird diesbezüglich in FRWL schon einiges geboten.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Filmbesprechung "From Russia with Love (FRWL)"

686
Danke für die klaren Worte. Für die Top 5 reicht es bei mir nicht, in die Top 10 kann er es aber je nach Stimmung sehr wohl schaffen.

Früher mochte ich den Film nicht sonderlich. Als jemand, der durch solche Filme wie die Brosnans oder auch TSWLM/MR zu Bond gekommen ist, habe ich einfach etwas anderes von einem Bondfilm erwartet. Mittlerweile hat sich das aber geändert. Die Differenzen zu meinen obigen Beispielen sind natürlich da, aber stört mich das? Ein solcher Film kann doch genau so gut unterhalten.

Ich mag es auch, dass man dem Film sein Alter ansieht. Der Film kommt aus dem Anfang der 60er und das sieht ihm ihm auch an. Dieses etwas 'angestaubte Feeling' sagt mir zu und gefällt mir auch besser als solche 'zeitlosen', oder besser gesagt in zeitlicher Hinsicht deutlich neutraleren Filme wie zB. TB oder GF. Wenn ich einen Film aus den 60ern schau, dann will ich eben auch einen Film aus den 60ern schauen. Und das bekommt FRWL gut hin. Bei DN sieht es übrigens ganz ähnlich aus.

Re: Filmbesprechung "From Russia with Love (FRWL)"

687
AnatolGogol hat geschrieben: 20. September 2023 07:33
GoldenProjectile hat geschrieben: 19. September 2023 22:24 Im Film wurde dann natürlich Spectre als zusätzliche (und handlungstragende) Partei reinjongliert, womit der Titel wieder etwas weniger Sinn macht.
Das finde ich noch nicht einmal. Denn der Titel wird ja im ersten Drittel schön in der Moneypenny-Szene erklärt und zu diesem Zeitpunkt muss Bond ja davon ausgehen, dass die Russen hinter dem Lektor-Angebot stecken und nicht Phantom/Spectre.
Die Frage nach dem Grund des Titels war auch nicht zu hundert Prozent so ganz ernst gemeint meinerseits. :wink: Klar, das passt schon. Bond denkt ja, die Falle, die ihm da gestellt werden soll, stamme von der Partei und nicht vom unabhängigen Dritten SPECTRE, also stammen die gefälschten Liebesgrüße aus "Russland". Wobei der Dialog mit M ja auch die Möglichkeit eröffnet, dass Bond die ganze bescheuerte Geschichte tatsächlich glaubt und doch nicht für eine Falle hält, denn wie könnte irgendeine blonde Konsulatsmitarbeiterin in der Türkei sich NICHT direkt beim ersten Blick in sein Passfoto verlieben? :mrgreen:
AnatolGogol hat geschrieben: 20. September 2023 07:33 Einzig bei Tanja als Top-Bondgirl bin ich nicht ganz bei dir, für Bianchi konnte ich mich irgendwie nie so recht begeistern. Sie stört nicht weiter und ich mag sie eigentlich auch ganz gern in der ersten Filmhälfte, in der zweiten Hälfte (eigentlich alles, nachdem sie im Hotel mit Bond ins Bett geht) nervt sie mich teilweise aber ganz schön als anhänglicher Ballast für unsere Doppelnull. Klar, das ist inhaltlich beabsichtigt, aber trotzdem denke ich immer wenn Grant Bond vorschlägt, sie im Zug zurückzulassen: gute Idee! :D
Ach doch, ich mag die Tanja. Irgendwie hat Bianchi etwas an sich. Wie sie in der ersten Szene alleine mit Klebb interagiert, ist schon ziemlich klasse. Als Klebb sie zum Beispiel bittet, sie solle sich einmal umdrehen und ihr dann ein Kompliment zu ihrem Aussehen macht, hat sie so ein herrlich verwirrtes Gesicht. In der Bettszene mit Connery ist sie richtig groß und danach mag ich es, wie sie zusehends immer verwirrter von der Scharade ist, bei der sie immerhin im Mittelpunkt spielt. Auch in der letzten Szene des Films, wenn sie zum ersten Mal wieder Klebb trifft und sich plötzlich daran erinnert, in wessen Auftrag sie eigentlich agiert, ist sie überzeugend für mich. Und das Ende hat mir bei dieser Sichtung auch besser gefallen denn je: Es ist schon gut gemacht, dass sie letztlich Klebb tötet und sich damit ihren "Weg in den Westen" vollends verdient - und das sie auch noch einmal kurz hin und her gerissen ist, da sie ursprünglich wirklich nur Dienst nach Vorschrift verrichtet hat, aber dann mehr und mehr von Bond und der verlockenden Freiheit des Westens verzückt wurde. Beim abschließenden Bootgeschmuse mit 007 wirkt sie dann auch richtig entspannt und gelöst - als sie ihm den Ring zurückgibt, bekomme ich sofort den Eindruck, wie der ganze Stress der letzten Tage von ihr abgefallen ist.

Einen Schauspielpreis würde sie nun sicher für ihren Auftritt nicht bekommen, aber für das, was die Rolle erfordert, finde ich sie typmäßig sehr passend besetzt. Ja, du hast recht, spätestens im Orient-Express ist sie für Bond kaum mehr als Ballast, aber ich mag die Szenen, in denen sie ganz begeistert Kleider anprobiert und sich richtig in der "Illusion" verliert, jetzt ein Leben an Bonds Seite zu führen. Sie ist ja den ganzen Film über das eigentliche Opfer der SPECTRE-Scharade und steht dadurch für ein frühes Bond-Girl ungewöhnlich stark im Mittelpunkt, auch das finde ich ordentlich geschrieben und insgesamt gut entwickelt. Und ich halte es Young zu gute, dass Tanja in den beiden großen Schluss-Actionszenen nicht explizit in Gefahr schwebt oder von Bond gerettet werden muss, sondern der sich einfach ganz auf seine Verfolger konzentrieren kann. Das hält den Nerv-Faktor für mich sehr gering. Nach Grants Tod ist sie nur noch für die abschließende Szene mit Klebb dabei, und das wird vernünftigerweise auch genauso gehandhabt.

Mein Top-Bond-Girl der Reihe ist sie nicht ganz, aber sie spielt im obersten Viertel eine große Rolle.
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.

Re: Filmbesprechung "From Russia with Love (FRWL)"

688
Casino Hille hat geschrieben: Auch in der letzten Szene des Films, wenn sie zum ersten Mal wieder Klebb trifft und sich plötzlich daran erinnert, in wessen Auftrag sie eigentlich agiert, ist sie überzeugend für mich.
Meinst du mit "sie" jetzt Tatjana oder Klebb? Erfährt Tanja überhaupt von SPECTRE?
Casino Hille hat geschrieben: Und das Ende hat mir bei dieser Sichtung auch besser gefallen denn je: Es ist schon gut gemacht, dass sie letztlich Klebb tötet und sich damit ihren "Weg in den Westen" vollends verdient - und das sie auch noch einmal kurz hin und her gerissen ist, da sie ursprünglich wirklich nur Dienst nach Vorschrift verrichtet hat, aber dann mehr und mehr von Bond und der verlockenden Freiheit des Westens verzückt wurde.
Diese Szene habe ich bis heute nicht so ganz verstanden. Ist die wirklich hin- und hergerissen, wen sie töten soll? So hatte ich das beim ersten mal auch verstanden, aber danach sagt sie ja offenbar aus voller Überzeugung und sehr deutlich etwas wie "was für eine furchtbare Frau". Dann ergibt eigentlich keinen Sinn, dass sie in Betracht gezogen hat, statt Klebb Bond zu töten.

Ich dachte eher, Tanja wirkt etwas ungeschickt vor der Schussabgabe und verändert die Position der Waffe immer wieder, da der Kampf von Bond und Klebb ziemlich chaotish ist und sie absolut sicher gehen muss, auch ja Kleb zu töten und Bond nicht zu verwunden. Ist eben etwas schwierig, in diesem chaotischen Kampf die richtige zu killen, ohne den anderen zu verletzen. Sie will Bond schützen (indem sie Klebb tötet), hierbei aber natürlich nicht versehentlich Bond töten.

Man muss ja auch sehen: Tanja hat das Chaos erst angerichtet. Sie hat Klebb angegriffen, nachdem sie das Zimmer verlassen hat und Klebb schon dabei war, das Zimmer zu verlassen. Hätte sie wirklich (beabsichtigt) Bond erschossen, da hätte sie auf jeden Fall Probleme mit Klebb bekommen.
Zuletzt geändert von Henrik am 3. August 2024 17:35, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Filmbesprechung "From Russia with Love (FRWL)"

689
Henrik hat geschrieben: 20. September 2023 11:51 Diese Szene habe ich bis heute nicht so ganz verstanden. Ist die wirklich hin- und hergerissen, wen sie töten soll? So hatte ich das beim ersten mal auch verstanden, aber danach sagt sie ja offenbar aus voller Überzeugung und sehr deutlich etwas wie "was für eine furchtbare Frau". Dann ergibt eigentlich keinen Sinn, dass sie in Betracht gezogen hat, statt Klebb Bond zu töten.
Ja, sie zögert, auf wen sie schießen soll. Sie schwingt die Waffe von links nach rechts, hin und her, das ist eine bewusste Regieanweisung. Für mich funktioniert das sehr gut, denn erst dadurch, dass sie Klebb tötet und damit selbst die Verbindung nach Russland kappt, hat sie sich das neue Leben im freien Westen wirklich verdient. Zuvor ist sie nur ein Spielball im Plan Kronsteens und handelt streng nach Anweisung von Mütterchen Russland (denkt sie jedenfalls), gerät aber mehr und mehr in Konflikt damit, dass sie tatsächlich echte Gefühle für James Bond entwickelt und sich dann auch nach einem Leben im Westen sehnt (siehe die Szene im Zug, wenn sie ganz verzückt von ihrem Kleid ist). In der Szene steht Klebb plötzlich wieder vor ihr und alles ist wieder da: die Vaterlandstreue, der Auftrag, ihr "altes Leben". Sie muss selbst aktiv entscheiden, all das zurückzulassen, ehe sie sich ihr Happy End verdient und so lässt Young sie dann Klebb töten. Ist jetzt nicht Shakespeare, aber erfüllt in FRWL seinen Zweck vollkommen.

Eine tolle Szene, und ich finde, es ist einer dieser Momente, in denen Daniela Bianchi besser ist, als ihr Fans oft zugestehen:



Der Blick zu Klebb, als plötzlich ihr ganzes Leben in Russland wieder vor ihren Augen aufblitzt, ist schon gut gespielt. Gerade für eine Nicht-Schauspielerin, die sie ja war, wenngleich sie vor FRWL immerhin schon ein wenig Erfahrung in französischen Produktionen gesammelt hatte. Und ganz toll ist auch natürlich die wunderbare Lotte Lenya. Ihr Tod ist besonders hübsch dargestellt und realistischer als in vielen anderen Filmen: Sie hat einfach nur plötzlich einen starken Schmerz, den sie aber kaum richtig "spüren" kann, da bei ihr vorher schon alles versagt.

Der Satz mit der "furchtbaren Frau" passt, immerhin ist sie von Klebb schon bei deren ersten Begegnung im Film gewaltig "irritiert", um es mal vorsichtig auszudrücken. Die olla Rosa hat die gute Tanja ja ganz schön plump angegraben, ihr gegenüber empfindet sie also so oder so keine allzu warmen Gefühle. :wink:
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.

Re: Filmbesprechung "From Russia with Love (FRWL)"

690
AnatolGogol hat geschrieben: 20. September 2023 07:33
GoldenProjectile hat geschrieben: 19. September 2023 22:24 Im Film wurde dann natürlich Spectre als zusätzliche (und handlungstragende) Partei reinjongliert, womit der Titel wieder etwas weniger Sinn macht.
Das finde ich noch nicht einmal. Denn der Titel wird ja im ersten Drittel schön in der Moneypenny-Szene erklärt und zu diesem Zeitpunkt muss Bond ja davon ausgehen, dass die Russen hinter dem Lektor-Angebot stecken und nicht Phantom/Spectre. Der Zuschauer weiss da zwar schon mehr, aber wenn man den Titel direkt von Bonds Spass mit dem Bild von Tanja ableitet, dann passt das in meinen Augen auch im Film.
Schon klar, aber es ist doch wesentlich stimmiger wenn sich der Titel zynisch auf einen tatsächlichen Mordplan der Sowjetunion bezieht, als als einen anfänglichen falschen Verdacht von Bond. Um mal wieder einen plumpen Vergleich zu machen: Das ist ein bisschen als ob sich in der Mitte von TMWTGG herausstellen würde, dass Scaramanga nie eine goldene Waffe benutzt hat und dies nur ein Gerücht war, der Film aber trotzdem TMWTGG heisst.

Überhaupt haben einige Fleming-Titel im literarischen Original eine originellere und stimmigere Bedeutung. TSWLM, FYEO und OP springen noch ins Auge.
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.