Ähm ja, meine Kritik zu NTTD hatte und hat natürlich auch etwas mit meinen eigenen Erwartungen zu tun, die ich bei einem Bondfilm habe, ich glaube das habe ich in den letzten Jahren auch immer wieder hier ausgeführt. Dessen bin ich mir absolut bewusst - zusätzlich gibt's aber gerade bei NTTD auch noch andere Probleme, die ich genauso bei jedem anderen Film kritisiere.
Der Tolkien-Vergleich war nicht auf Vorlage/Verfilmung bezogen, hier hast du schon recht, aber was die Erwartungshaltung per se betrifft passt das schon. Ich denke dass nur die wenigsten vor Oppenheimer gezielt noch das Buch durchgeackert haben und den meisten völlig egal ist, welche Vorlage Nolan für seinen Film hatte. Bereitest du dich denn auf alle größeren Filme so vor oder war das bei Nolan etwas Besonderes wegen der Interviews usw.?
Dass du jetzt irgendwelche Filmkritiken ausgräbst, damit habe ich ehrlich gesagt gerechnet und genau das war ja mein Punkt - Nolan hier problematische Frauendarstellungen vorzuwerfen, halte ich für absolut lächerlich.
Erinnert mich ein wenig an den Spiegel oder FAZ? Redakteur der damals Barbara Broccoli Rassismus vorwarf, weil Bond in CR einem schwarzen Bombenbauer nachrannte...
Re: Grasp for resonant symbols – Die Filme des Christopher Nolan
1772Kannst du auch gerne, aber das macht es für andere nicht mehr oder weniger zu einem richtigen Kritikpunkt. Deine oder meine oder unsere Kritik am Ende von NTTD finden andere in diesem Forum auch absolut lächerlich, das macht es nicht mehr oder weniger zu existierenden Kritikpunkten. Du interpretierst da zu viel rein. Ich habe immer mal wieder davon gelesen, dass Nolan gerade seine Frauenfiguren vorgeworfen werden, und bei "Oppenheimer" saß ich zum ersten Mal wirklich mit in Boot, denn ja, Florence Pugh ist nur weniger mehr als Sexobjekt zum Angucken in dem Film. Für mich jedenfalls.Gernot hat geschrieben: 9. August 2023 11:17 Nolan hier problematische Frauendarstellungen vorzuwerfen, halte ich für absolut lächerlich.
Grundsätzlich auf jeden Film, aber logischerweise variiert der Umfang. Aber ich versuche (wenngleich es nicht immer klappt), vor jedem Film und jeder Serie, die auf einem Roman beruht und die ich beruflich schauen muss, auch die Vorlage zu lesen und mich so viel wie möglich über die Autoren zu informieren. Bei wahren Geschichten ist die Recherche i.d.R. aufwendiger. Genauso informiere ich mich im Vorfeld aber auch so weit wie möglich über den Entstehungsprozess, über die entscheidenden Personalien, über deren Werdegang, Filmografie etc. Bei "Oppenheimer" war die Recherche vergleichsweise einfach, weil ich mich da schon verhältnismäßig gut auskannte und mich die Biographie ohnehin interessiert hätte. Ich habe jetzt auch, allerdings im Nachhinein, den von Anatol hier empfohlenen "Die Schattenmacher" angesehen von 1989, in dem es ebenfalls um die Entstehung der Atombombe geht, und fand den ganz ausgezeichnet.Gernot hat geschrieben: 9. August 2023 11:17 Bereitest du dich denn auf alle größeren Filme so vor oder war das bei Nolan etwas Besonderes wegen der Interviews usw.?
Mag sein, aber dann verstehe ich deinen Erwartungshaltung-Punkt noch weniger. Jeder, der im Kino sitzt, hat irgendeine Form von Erwartungshaltung, geprägt durch tausende verschiedene Umstände. Und da jeder die hat, spielen sie für mich keine Rolle. Ich denke nicht, dass ich den Nolan-Film auch nur einen Millimeter anders sehen würde, hätte ich das Buch vorher nicht gelesen. Das würde an der in meinen Augen schwachen Dramaturgie, an den leeren Charakteren, an der sprunghaften unfokussierten Erzählung keinen Deut ändern. Ich bin sogar überzeugt davon, dass ich den Film ohne die Lektüre noch schlechter gefunden hätte, da ich ihm dann inhaltlich weniger hätte folgen können.Gernot hat geschrieben: 9. August 2023 11:17 Der Tolkien-Vergleich war nicht auf Vorlage/Verfilmung bezogen, hier hast du schon recht, aber was die Erwartungshaltung per se betrifft passt das schon. Ich denke dass nur die wenigsten vor Oppenheimer gezielt noch das Buch durchgeackert haben und den meisten völlig egal ist, welche Vorlage Nolan für seinen Film hatte.
Aber wenn Erwartungshaltung so wichtig ist, kann man den Spaß ja umdrehen und sagen: Vielleicht kommt "Oppenheimer" bei vielen deshalb so gut an und wird reflexartig als Meisterwerk bezeichnet, weil der Hype um ihn so groß ist und weil die Menschen mit dem Namen Christopher Nolan unangreifbares und fantastisches Filmemachen verbinden – und sie dadurch die Schwächen des Films nicht sehen können oder wollen. Würde ich nie so sagen, halte ich auch für Quatsch, denn wie gesagt: Aus meiner Sicht ist die individuelle Erwartungshaltung krass überschätzt. Ich habe selten hohe Erwartungen und werde wenn dann genauso oft enttäuscht wie begeistert, und meine Empfindungen bei Kinofilmen sind ungeachtet meiner Vorfreude viel zu unterschiedlich und unvorhersehbar für mich selbst.
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Re: Grasp for resonant symbols – Die Filme des Christopher Nolan
1773Nachdem du mehrmals hier auf die Unterschiede zum Buch und vor allem auf die Darstellung der Pugh eingegangen bist, war das mit der Erwartungshaltung für mich irgw. augenscheinlich, aber natürlich kann ich mich irren und du kannst das vielleicht wirklich völlig trennen (ich könnte es wohl nicht).
Mir haben jedenfalls die kurzen Szenen mit Pugh sehr gut gefallen aber ich kenne ja auch das Originalbuch nicht und vielleicht bin ich einfach nur ein sexistischer, frauenfeindlicher Dinosaurier, ein Relikt des kalten Krieges - wie Nolan.
Mir haben jedenfalls die kurzen Szenen mit Pugh sehr gut gefallen aber ich kenne ja auch das Originalbuch nicht und vielleicht bin ich einfach nur ein sexistischer, frauenfeindlicher Dinosaurier, ein Relikt des kalten Krieges - wie Nolan.
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Re: Grasp for resonant symbols – Die Filme des Christopher Nolan
1774Ich finde es gefährlich aber auch geradezu beispielhaft zu sagen
Von irgendeinem anderen Regisseur, wäre dies ein Film der keine 100 mio weltweit einspielt.
Das ist auf die Spitze getrieben der Grund warum überhaupt viele in den Film gehen und ihn dann auch gut bewerten. Es ist ein Nolan als "muss man" den sehen. Es ist ein Noland also "der ist schon echt gut"."Dem Nolan seine Drehbuch- oder Storytellingfähigkeiten abzuschreiben, ist schon etwas gewagt, würde ich behaupten."
Von irgendeinem anderen Regisseur, wäre dies ein Film der keine 100 mio weltweit einspielt.
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Re: Grasp for resonant symbols – Die Filme des Christopher Nolan
1775Nö, das wollte ich damit auch nicht sagen. Hab ich aber eigentlich auch nicht. War meine Kritik überhaupt explizit anti-sexistisch? Na gut, vielleicht, weil ich das mit den Frauenrollen hervorgehoben habe, obwohl das nur eine Nebenbemerkung war.Gernot hat geschrieben: 9. August 2023 11:40 vielleicht bin ich einfach nur ein sexistischer, frauenfeindlicher Dinosaurier
Die Unterschiede zum Buch sind ja eigentlich die Unterschiede zur Realität. Das ist für mich der Knackpunkt. Es sind in Nolans Film eben einige Punkte drin, die nicht ganz der historischen Wahrheit entsprechen und bei der ich für mich nüchtern feststelle, dass eine "richtigere" Nacherzählung von Oppenheimers Leben der etwas spannendere Film gewesen wäre. Tatsächlich sind aber viele der – für mich – Probleme des Films auch schon in dem Buch drin. Das Buch arbeitet in der Tat sehr viel besser heraus, dass Jean Tatlock eine sehr große Bedeutung für Oppenheimer und sein restliches Leben hatte und man bekommt den Eindruck, sie war die eigentliche Frau seines Lebens, jedenfalls mehr als Kitty, und andere Zeitzeugen, die im Buch nicht zitiert werden, haben sich ähnlich geäußert. Im Film ist sie nur eine Bettgespielin, die er faszinierend und sexy findet, aber da Nolan in meinen Augen wenig mehr mit ihr anfängt, könnte man die Frage stellen, warum sie überhaupt drin ist.Gernot hat geschrieben: 9. August 2023 11:40 Nachdem du mehrmals hier auf die Unterschiede zum Buch und vor allem auf die Darstellung der Pugh eingegangen bist, war das mit der Erwartungshaltung für mich irgw. augenscheinlich,
Was im Buch aber auch zu kurz kommt ist Los Alamos und die ganze Geschichte der Stadt, die vielen fehlgeschlagenen Experimente beim Bombenbau, die Konstruktion einer Wüstenidylle, um die Frauen und Kinder der Wissenschaftler zu beruhigen etc. Bei Nolan ist das alles recht artifiziell für mich geblieben, wenig menschelnd, eher ein Konzept, das spannend klingt, aber nicht genau verfolgt wird. Im Buch ist es ähnlich. Das wäre zum Beispiel ein Aspekt gewesen, der den Film für mich hätte verbessern können, denn hätte man mehr von den Frauen und Kindern gesehen und von dem "neuen Leben" in Los Alamos, dann wäre die nötige Portion Menschlichkeit erkennbar geworden, die ich so schmerzlich vermisst habe, in einem immerhin drei Stunden langen Film, in dem eigentlich nur viel über diese ganzen Leute und ihre Beweggründe geredet wird, ich aber niemanden von denen näher kennenlernen durfte.
Ich habe wie gesagt nicht nur das eine Buch gelesen, sondern mir mehrere Quellen zu Oppenheimer angeschaut, zu seiner Rezeption, zu seiner Verarbeitung in späteren Medien, ich habe auch in das Theaterstück "In der Sache J. Robert Oppenheimer" reingelesen, welches wie erwähnt den heutigen Blick auf Oppenheimer (wie wir ihn auch bei Nolan gezeigt bekommen) entscheidend geprägt, aber eben auch maßgeblich verfälscht hat und und und …Gernot hat geschrieben: 9. August 2023 11:40aber natürlich kann ich mich irren und du kannst das vielleicht wirklich völlig trennen (ich könnte es wohl nicht).
Wenn ich nur Filme gucken und dann Daumen hoch und Daumen runter geben würde, wäre das ganze etwas "zu" einfach …
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Re: Grasp for resonant symbols – Die Filme des Christopher Nolan
1776Tenet war nicht gut und seine Dünkirchen-Verfilmung erst recht nicht. Hier hat er aber gezeigt, dass er es offenbar doch noch kann.
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Re: Grasp for resonant symbols – Die Filme des Christopher Nolan
1777Und ich fand Dunkirk nicht so toll, dafür hat mir Tenet gut gefallen... tja?
Dementsprechend und auf Daniels Beitrag oben bezogen finde ich es wieder gefährlich oder sogar beispielhaft zu sagen, viele mögen seine Filme nur, weil es eben ein "Nolan" sei.
Sorry, das ist Quatsch.
Dementsprechend und auf Daniels Beitrag oben bezogen finde ich es wieder gefährlich oder sogar beispielhaft zu sagen, viele mögen seine Filme nur, weil es eben ein "Nolan" sei.
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Re: Grasp for resonant symbols – Die Filme des Christopher Nolan
1778Ja, genau, das ist Blödsinn, aber genauso ist es die umgekehrte Ansicht auch, dass es "gewagt" sei, Nolan für überschätzt oder eben nicht herausragend zu halten. Beides ist Käse und beides überschätzt völlig, wie gewichtig die Erwartungshaltung letztlich wirklich ist.Gernot hat geschrieben: 9. August 2023 12:27 Dementsprechend und auf Daniels Beitrag oben bezogen finde ich es wieder gefährlich oder sogar beispielhaft zu sagen, viele mögen seine Filme nur, weil es eben ein "Nolan" sei.
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Re: Grasp for resonant symbols – Die Filme des Christopher Nolan
1779Meine aktuelle Top 3 der Nolan-Filme:
1. The Dark Knight
2. Interstellar
3. Oppenheimer
1. The Dark Knight
2. Interstellar
3. Oppenheimer
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Re: Grasp for resonant symbols – Die Filme des Christopher Nolan
1780„Oppenheimer“ erinnert mich an ein Geschichtshandbuch, das eine (durchaus unterhaltsame) Überblicksdarstellung über alle relevanten Lebensstationen Oppenheimers bietet, dabei aber nur selten tiefer geht. Ich hatte öfters das Gefühl, dass Nolan mehr an einer Skizze von Oppenheimers Werdegang interessiert war als daran, sich tatsächlich mit dem Physiker und seinem Schaffen auseinanderzusetzen. Der Film hat mich drei Stunden lang durchaus bei der Stange halten können (obwohl das letzte Drittel dann doch teils sehr konfus ist), weil er stark inszeniert ist, aber gleichzeitig ist er narrativ dann doch selten mehr als eine teils etwas verklärende Darstellung der Ereignisgeschichte um Oppenheimer und sein Werk.
Die fehlende Bindung gerade an Oppenheimer selbst sehe ich auch so, gerade weil der Film (wie die meisten Nolans) die Charakterisierung seiner Figuren nahezu ausschließlich in psychologisierenden Dialogen präsentiert. Nolan erklärt viel, aber zeigt kaum. Besonders sauer aufgestoßen ist mir das in der ersten Szene zwischen Matt Damons General Groves und Oppenheimer, in der Groves einen Haufen Adjektive nennt, mit denen das Wesen Oppenheimers erklärt werden soll. Vor allem, weil das einer der wenigen Momente ist, in denen der Film versucht, etwas zu Oppenheimer als Person zu sagen. Dazu trägt auch bei, dass die Handlung der Zeit nach Ende des Krieges, für den Charakter Oppenheimer eigentlich die wichtigste Zeit, als eine Art Justizdrama aufgezogen wird, in dem viel über Oppenheimer geredet, aber nur wenig gesagt wird. Wäre es hier nicht sinnvoller gewesen, den Fokus auf den persönlichen Umgang Oppenheimers mit seinen Handlungen zu legen, anstatt nur zu erzählen, wie intrigante Staatsleute den armen Mann auszuschalten versuchen? Das wird der Komplexität dieser Persönlichkeit bei weitem nicht gerecht.
Dazu muss ich aber auch sagen, dass ich den Film nicht wirklich schlecht finde. Technisch ist das alles einwandfrei, die Schauspieler sind durch die Bank toll, ganz besonders Robert Downey Jr., und die gesamte Sequenz rund um den Trinity-Test gehört zum Besten, was ich in diesem Jahr im Kino erleben durfte – und dürfte für mich sogar ein Höhepunkt in Nolans bisherigem Schaffen sein. Schade, dass der Rest des Films für mich nicht auf diesem Niveau bleibt.
Die fehlende Bindung gerade an Oppenheimer selbst sehe ich auch so, gerade weil der Film (wie die meisten Nolans) die Charakterisierung seiner Figuren nahezu ausschließlich in psychologisierenden Dialogen präsentiert. Nolan erklärt viel, aber zeigt kaum. Besonders sauer aufgestoßen ist mir das in der ersten Szene zwischen Matt Damons General Groves und Oppenheimer, in der Groves einen Haufen Adjektive nennt, mit denen das Wesen Oppenheimers erklärt werden soll. Vor allem, weil das einer der wenigen Momente ist, in denen der Film versucht, etwas zu Oppenheimer als Person zu sagen. Dazu trägt auch bei, dass die Handlung der Zeit nach Ende des Krieges, für den Charakter Oppenheimer eigentlich die wichtigste Zeit, als eine Art Justizdrama aufgezogen wird, in dem viel über Oppenheimer geredet, aber nur wenig gesagt wird. Wäre es hier nicht sinnvoller gewesen, den Fokus auf den persönlichen Umgang Oppenheimers mit seinen Handlungen zu legen, anstatt nur zu erzählen, wie intrigante Staatsleute den armen Mann auszuschalten versuchen? Das wird der Komplexität dieser Persönlichkeit bei weitem nicht gerecht.
Dazu muss ich aber auch sagen, dass ich den Film nicht wirklich schlecht finde. Technisch ist das alles einwandfrei, die Schauspieler sind durch die Bank toll, ganz besonders Robert Downey Jr., und die gesamte Sequenz rund um den Trinity-Test gehört zum Besten, was ich in diesem Jahr im Kino erleben durfte – und dürfte für mich sogar ein Höhepunkt in Nolans bisherigem Schaffen sein. Schade, dass der Rest des Films für mich nicht auf diesem Niveau bleibt.
"East, West, just points of the compass, each as stupid as the other."
(Joseph Wiseman in Dr. No)
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Re: Grasp for resonant symbols – Die Filme des Christopher Nolan
1781Kenneth Branagh ist für mich auch ein Schwachpunkt des Films, der den Zuschauer ähnlich herausreißt wie das bei Schweighöfer der Fall ist. Aber der musste als Nolan-Stammpersonal wohl mit rein und es hat sich wohl auch keine andere Rolle für ihn gefunden.
Yorick van Wageningen wär da die interessantere Wahl gewesen.
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#London2024
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Re: Grasp for resonant symbols – Die Filme des Christopher Nolan
1782So nachdem auch ich endlich Oppenheimer in 70mm IMAX sehen konnte, möchte ich kurz meinen Senf zu Nolans Film abgeben.
Alles in allem hat mir der Film gefallen, ganz besonders jedoch die zerfaserte Erzählstruktur, die selbst eine Art Kernspaltung versinnbildlicht - ein durchaus interessanter formalistischer Ansatz, um sich dem Themenkomplex Oppenheimer anzunähern. Über Oppenheimer selbst, weiß ich bis auf wenige wesentliche Eckdaten seines Werdeganges und Lebens nicht sonderlich viel. Was ich jedoch weiß, ist, dass Nolan stets zu Pathos und Überhöhungen neigt, die oftmals in Sentimentalitäten münden, was auch hier bis zu einem gewissen Grad anzutreffen ist, wenn auch nicht ganz so gefällig wie in Interstellar und Dunkirk.
Es ist vielleicht Nolans ambivalentestes Werk, selten schien das Vertrauen des Regisseurs in Staat und Institutionen so erschüttert und brüchig wie hier, was mich zu folgendem Schluss bringt: Oppenheimer sagt sehr viel mehr über die Haltung seines Regisseurs denn zu Oppenheimers Motivationen aus, und das ist vielleicht das, was den Film besonders macht. Hinzu kommt eine handwerkliche Virtuosität, wie wir sie selten zu sehen bekommen. Oppenheimer ist ein Film, dessen Kraft sich auf der größtmöglichen Leinwand am besten entfaltet, jedoch nicht unbedingt durch die Wucht des Bildes, wie wir sie von Nolan als Überwältiguingsregisseur kennen, schätzen und verdammen, sondern erstmals auch durch das nuancierte Spiel der DarstellerInnen, die hier - man mag es kaum glauben, mal nicht hinter einem Wirrwarr aus technischen Tricks und aufwendigen Setpieces verschwinden, sondern selbst zum Schauwert und Fokus werden. Denn Oppenheimer ist durch und durch ein Ensemble-Film, und ich wage zu behaupten, schon lange keinen derart stimmigen Cast mehr auf der Leinwand vereint gesehen zu haben.
Hinzu kommt, dass es Nolan erstmals gelingt, seine Rhetorik selbstreflexiv zu dekonstruieren. So wird der Moment des Tests, auf den ein Großteil des Filmes hinarbeitet, letztlich recht antiklimatisch und ohne Ton in Szene gesetzt, während die eigentliche Detonation sehr viel später einsetzt, als Oppenheimer vor versammeltem Saal von seinem Gewissen heimgesucht wird - ein schöner narrativer Kniff.
Besonders gefallen hat mir Ludwig Göranssons Soundtrack, ebenfalls ein zerfaserter, in seine Einzelteile zerfallender Klangteppich. Das wiederkehrende Motiv hat etwas unheilvoll steriles an sich und erinnerte mich an Abigail Meads Arbeit für Full Metal Jacket.
Alles in allem hat mir der Film gefallen, ganz besonders jedoch die zerfaserte Erzählstruktur, die selbst eine Art Kernspaltung versinnbildlicht - ein durchaus interessanter formalistischer Ansatz, um sich dem Themenkomplex Oppenheimer anzunähern. Über Oppenheimer selbst, weiß ich bis auf wenige wesentliche Eckdaten seines Werdeganges und Lebens nicht sonderlich viel. Was ich jedoch weiß, ist, dass Nolan stets zu Pathos und Überhöhungen neigt, die oftmals in Sentimentalitäten münden, was auch hier bis zu einem gewissen Grad anzutreffen ist, wenn auch nicht ganz so gefällig wie in Interstellar und Dunkirk.
Es ist vielleicht Nolans ambivalentestes Werk, selten schien das Vertrauen des Regisseurs in Staat und Institutionen so erschüttert und brüchig wie hier, was mich zu folgendem Schluss bringt: Oppenheimer sagt sehr viel mehr über die Haltung seines Regisseurs denn zu Oppenheimers Motivationen aus, und das ist vielleicht das, was den Film besonders macht. Hinzu kommt eine handwerkliche Virtuosität, wie wir sie selten zu sehen bekommen. Oppenheimer ist ein Film, dessen Kraft sich auf der größtmöglichen Leinwand am besten entfaltet, jedoch nicht unbedingt durch die Wucht des Bildes, wie wir sie von Nolan als Überwältiguingsregisseur kennen, schätzen und verdammen, sondern erstmals auch durch das nuancierte Spiel der DarstellerInnen, die hier - man mag es kaum glauben, mal nicht hinter einem Wirrwarr aus technischen Tricks und aufwendigen Setpieces verschwinden, sondern selbst zum Schauwert und Fokus werden. Denn Oppenheimer ist durch und durch ein Ensemble-Film, und ich wage zu behaupten, schon lange keinen derart stimmigen Cast mehr auf der Leinwand vereint gesehen zu haben.
Hinzu kommt, dass es Nolan erstmals gelingt, seine Rhetorik selbstreflexiv zu dekonstruieren. So wird der Moment des Tests, auf den ein Großteil des Filmes hinarbeitet, letztlich recht antiklimatisch und ohne Ton in Szene gesetzt, während die eigentliche Detonation sehr viel später einsetzt, als Oppenheimer vor versammeltem Saal von seinem Gewissen heimgesucht wird - ein schöner narrativer Kniff.
Besonders gefallen hat mir Ludwig Göranssons Soundtrack, ebenfalls ein zerfaserter, in seine Einzelteile zerfallender Klangteppich. Das wiederkehrende Motiv hat etwas unheilvoll steriles an sich und erinnerte mich an Abigail Meads Arbeit für Full Metal Jacket.
Re: Grasp for resonant symbols – Die Filme des Christopher Nolan
1783"Stark inszeniert" finde ich ihn nicht, eher sogar im Gegenteil, ansonsten bin ich bei dir. Nolan betreibt in "Oppenheimer" ein erschütterndes Maß an "Tell, don't show", die ultimative Kardinalsünde im Storytelling. Oppenheimer als Mensch wird mir in vielen Dialogen tot erklärt, gleichzeitig findet sich aber das allermeiste davon nie in den Bildern wieder. Irgendwann wird er mal als Womanizer beschrieben, da hätte ich fast aufgelacht. Der Typ war ein Womanizer? Wow, den Film hätte ich gerne gesehen.00T hat geschrieben: 9. August 2023 12:57 „Oppenheimer“ erinnert mich an ein Geschichtshandbuch, das eine (durchaus unterhaltsame) Überblicksdarstellung über alle relevanten Lebensstationen Oppenheimers bietet, dabei aber nur selten tiefer geht. Ich hatte öfters das Gefühl, dass Nolan mehr an einer Skizze von Oppenheimers Werdegang interessiert war als daran, sich tatsächlich mit dem Physiker und seinem Schaffen auseinanderzusetzen. Der Film hat mich drei Stunden lang durchaus bei der Stange halten können (obwohl das letzte Drittel dann doch teils sehr konfus ist), weil er stark inszeniert ist, aber gleichzeitig ist er narrativ dann doch selten mehr als eine teils etwas verklärende Darstellung der Ereignisgeschichte um Oppenheimer und sein Werk.
Die fehlende Bindung gerade an Oppenheimer selbst sehe ich auch so, gerade weil der Film (wie die meisten Nolans) die Charakterisierung seiner Figuren nahezu ausschließlich in psychologisierenden Dialogen präsentiert. Nolan erklärt viel, aber zeigt kaum. Besonders sauer aufgestoßen ist mir das in der ersten Szene zwischen Matt Damons General Groves und Oppenheimer, in der Groves einen Haufen Adjektive nennt, mit denen das Wesen Oppenheimers erklärt werden soll. Vor allem, weil das einer der wenigen Momente ist, in denen der Film versucht, etwas zu Oppenheimer als Person zu sagen. Dazu trägt auch bei, dass die Handlung der Zeit nach Ende des Krieges, für den Charakter Oppenheimer eigentlich die wichtigste Zeit, als eine Art Justizdrama aufgezogen wird, in dem viel über Oppenheimer geredet, aber nur wenig gesagt wird. Wäre es hier nicht sinnvoller gewesen, den Fokus auf den persönlichen Umgang Oppenheimers mit seinen Handlungen zu legen, anstatt nur zu erzählen, wie intrigante Staatsleute den armen Mann auszuschalten versuchen? Das wird der Komplexität dieser Persönlichkeit bei weitem nicht gerecht.
Die meiste Zeit ist "Oppenheimer" für mich mehr eine Montage als ein Film, die ersten 70 Minuten halte ich für komplett daneben. Da hetzt Nolan in einem Affenzahn durch die Lebensstationen des Physikers, da werden Figuren wie Niels Bohr, Jean Tatlock etc. in Mini-Szenen gequetscht, damit man möglichst schnell zum nächsten Punkt kommt. Ich fand das hinsichtlich Erzähltechnik und Inszenierung langweilig und unsinnig überkompliziert. Ein guter biografischer Film lebt immer von Verdichtung und Zuspitzung, und einen guten Regisseur erkennt man nicht selten noch mehr an dem, was er nicht erzählt, als an dem, was in seinem Film landet. Bei "Oppenheimer" ist aber der ganze Wikipedia-Artikel im Film gelandet, jeder verlinkte Name bekommt eine Szene, jede Anekdote muss irgendwie reingequetscht werden.
Übrigens zum Cast: Da sind viele tolle Leute besetzt worden, aber die wenigsten konnten auf mich wirken, weil der Film einfach zu zerhackstückelnd erzählt ist. Casey Affleck zum Beispiel hat einen sehr kurzen starken Auftritt, aber weil seine Szene bloß eine von vielen in der nichtendenden Montage aus Namen und Gesichtern ist, verpuffte sein Effekt schnell wieder. Jason Clarke und Emily Blunt bekommen eine von beiden toll gespielte Szene geschrieben, die aber für mich "zu wenig und zu spät" blieb, weil beide Figuren vorher zweieinhalb Stunden keinerlei Profil erhielten. Die wunderbare Florence Pugh nur für ihre nackten Brüste zu besetzen ist zudem eine Frechheit. Richtig stark fand ich eigentlich nur Robert Downey Jr. (er wird dafür einen Oscar gewinnen), Tom Conti und Gary Oldman. Letzterer bekommt zwar auch nur eine Szene, darf sich dabei aber wieder als das menschliche Chamäleon beweisen, das er zweifellos ist.
Die Trinity-Szene, ja, die ist stark, aber die ist vor allem deshalb so ein klimaktischer Höhepunkt für den Film, weil für 20 Minuten "Oppenheimer" tatsächlich ein Film wird, und keine Montage mehr ist. Weil tatsächlich etwas erzählt wird, weil es eine dramaturgische Verdichtung gibt, eine richtigen Szenenfolge. Diese 20-25 Minuten sind ein Film im Film und da blitzt auf, dass Nolan ja doch eigentlich ein sehr guter Regisseur ist, der in der Vergangenheit mit tollen Filmen wie "The Dark Knight" und "Inception" sich gleich zweimal in der jüngeren Popkultur verewigt hat.
Je mehr ich über "Oppenheimer" nachdenke, umso mehr verärgert er mich.
Spoiler
Besonders hart: In den letzten 15 Minuten kommt "Oppenheimer" plötzlich mit einem Gedanken um die Ecke, den ich so viel interessanter fand, als eigentlich alles, was der Film zu bieten hatte. Da hält Strauss seinen letzten großen Monolog und sinniert darüber, dass Oppenheimer in Wahrheit nur gegen die Wasserstoffbombe war, weil er nicht wollte, dass ihm jemand seinen Ruhm als Vater der Atombombe nimmt. "He would do it again", brüllt Downey Jr. da, und was er in diesem kurzen Moment über Oppie sagt, hätte ein wahnsinnig spannender Film sein können, der sich kritisch mit Legendenbildung und unserer zeitgenössischen weichgespülten Sicht auf Oppenheimer auseinandersetzt. Ein Film, der den Geniekult hinterfragt und das Bild vom tragischen, gebrochenen Genie aufbricht. Leider meint Nolan diesen Monolog aber nicht ernst, sondern sieht es als die Wortäußerungen eines gekränkten Strauss'. Die Schlussszene zeigt Oppenheimer dann wieder so, wie die Welt ihn gerne sehen möchte. Schade. In diesem Monolog liegt ein spannender Film drin, er muss nur irgendwann gedreht werden.
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Re: Grasp for resonant symbols – Die Filme des Christopher Nolan
1784Wer beschreibt ihn denn als "Womanizer"?Casino Hille hat geschrieben: 21. August 2023 09:06 Irgendwann wird er mal als Womanizer beschrieben
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Re: Grasp for resonant symbols – Die Filme des Christopher Nolan
1785Dem stimme ich zu, ich habe mich schon zu Beginn gefragt, welchen Mehrwert diese Ausbildungsmontage für den Rest des Films hat, vor allem weil Nolan hinterher nur in wenigen Szenen überhaupt wieder auf diese Zeit eingeht. Das hätte in wenigen Dialogen genausogut erzählt werden können. Nolan hätte sich vielleicht lieber mehr auf die Ereignisse in Los Alamos konzentrieren sollen (warum bekommt man eigentlich so wenig davon zu sehen? Die haben da immerhin eine ganze Stadt aufgebaut und alles, was der Zuschauer zu sehen bekommt, sind dieselben drei Locations). Ich halte auch die Rahmenhandlung dieser Bösewicht vs. Held-Konstellation beim Konflikt Strauss vs. Oppenberg für unglücklich gewählt, weil das dem Geschehen automatisch einen Haufen Komplexität raubt.Casino Hille hat geschrieben: die ersten 70 Minuten halte ich für komplett daneben. Da hetzt Nolan in einem Affenzahn durch die Lebensstationen des Physikers, da werden Figuren wie Niels Bohr, Jean Tatlock etc. in Mini-Szenen gequetscht, damit man möglichst schnell zum nächsten Punkt kommt. Ich fand das hinsichtlich Erzähltechnik und Inszenierung langweilig und unsinnig überkompliziert.
Ich musste bei dem Namedrop von JFK fast laut auflachen, das war so unorganisch in den Dialog implementiert, nur um den Zuschauern einen Aha-Moment zu bescheren, der für den Plot absolut unerheblich bleibt.Casino Hille hat geschrieben: Bei "Oppenheimer" ist aber der ganze Wikipedia-Artikel im Film gelandet, jeder verlinkte Name bekommt eine Szene, jede Anekdote muss irgendwie reingequetscht werden.
Was die Schauspieler betrifft, fährt Nolan da sicher eher den Kurs, den meisten von ihnen höchstens ein oder zwei starke Momente zu bieten, aber das stört mich eher nicht, weil diese Momente wirklich zünden. Das Problem ist da vielleicht höchstens, dass durch den Fokus auf alle möglichen Charaktere der Fokus auf die zentrale Figur Oppenheimer etwas verschwimmt, weil der an vielen Stellen eher zum Beiwerk wird und Cillian Murphy so wenige Gelegenheiten bekommt, sich wirklich auszuspielen. Das ist aber halt dieser Zielsetzung des Films geschuldet, ein Querschnitt durch Oppenheimers gesamtes Leben zu bieten.
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