Re: Zuletzt gesehener Film

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vodkamartini hat geschrieben: 3. Juni 2023 07:10 Die Comics mochte ich als Jugendlicher auch nur so la la. Asterix fand ich viel unterhaltsamer, spannender, lustiger, hintersinniger. Einfach in allen Belangen besser.
Meine kindliche Comicwelt bestand aus Tim & Struppi, Asterix und Lucky Luke. (Und hin und wieder mal Disney's Lustigen Taschenbüchern, die ich allerdings immer irritierend unlustig fand.) Insofern will ich die auch gar nicht gegeneinander ausspielen, alle Reihen sind auf ihre Weise großartig - allerdings gibt es doch einige Tim&Struppi-Bände, die im Comic-Universum ihresgleichen suchen, die sind so meisterhaft konzipiert und erzählt, dass man sich nur noch verbeugen möchte. Da hebe ich mal alle Doppel-Bände hervor, außerdem "Der Fall Bienlein", "Tim in Tibet" oder "Die Juwelen der Sängerin". Der Spielberg-Film hat mir leider gar nichts gegeben.
"Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen."

Re: Zuletzt gesehener Film

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AnatolGogol hat geschrieben: 2. Juni 2023 13:44
Denn als hochunterhaltsamer, sehr professionell produzierter Mittelalterthriller flutscht die Rose sehr gut - glaub mir. Aber mir ist halt auch das Buch komplett egal - in Unkenntnis des selbigen.

>> wobei ich dir durchaus zugestehe, dass dir Annauds Umsetzung auch ohne Bezug zur Vorlage nicht taugt. Ich glaube aber trotzdem, dass man - selbst wenn man es bewusst versucht - sich nie gänzlich frei machen kann von einer durch eine literarische Vorlage erzeugten Erwartungshaltung.
Erwartungen beeinflussen natürlich immer die Meinung, die Frage ist nur in welchem Maße.
Da ich von Filmen gar nicht erwarte, daß sie ihren Romanvorlagen entsprechen, ist es mir schon mal nicht so wichtig, daß der Film dem Buch folgt. Und er amcht ja abgesehen von Inszenierung und Erzähltechnik ja auch vieles richtig, beim Zweitlesen des Romans war immer der olle Sean meine William Stamm-Besetzung.

Und bei der Zweit- (und hier auch Dritt-) Sichtung ist die Erwartungshaltung ohnehin auch immer eine andere, weil ich dann ja schon viel genauer weiß was kommt. Aber Annauds Verfilmung ist ja immer weiter abgestürzt, und das liegt daran, daß ich ihn wirklich als mies inszeniert und erzählt empfinde, und das hat wenig mit dem Verschenken des Roman-Potentials zu tun.
Nein der Film ist nicht unterhaltsam, er ist eine langweilige Gurke, die beim 3. Man nur noch schwer durchzustehen war. Irgendwo hier im Forum müsste noch mein frischer Eindruck der Drittsichtung zu finden sein. Und da hatte ich schon erwartet daß er mir besser gefallen würde, und eigentich tut es mir auch leid daß ich ihn so gar nicht mag.

Re: Zuletzt gesehener Film

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Maibaum hat geschrieben: 5. Juni 2023 13:10 Erwartungen beeinflussen natürlich immer die Meinung, die Frage ist nur in welchem Maße.
Da ich von Filmen gar nicht erwarte, daß sie ihren Romanvorlagen entsprechen, ist es mir schon mal nicht so wichtig, daß der Film dem Buch folgt.
Ich hatte es auch deshalb erwähnt, da mir in Erinnerung geblieben ist, dass du dich hier mehrfach sehr negativ über die Annaud-Verfilmung geäussert und ihn dabei immer in Relation zur Eco-Vorlage gestellt hattest:
Maibaum hat geschrieben: 23. April 2014 13:33 Der Name der Rose ist nicht langweilig, aber platt schon. Der Roman ist eines der spannendsten und unterhaltsamsten Bücher daß ich je gelesen habe, und eine Verfilmung sollte schon etwas mehr zu bieten haben als alles was großartig ist wegzulassen, oder soweit zu vereinfachen daß nur noch ein konventioneller Krimi übrig bleibt. Und selbst als solcher ist er nichts Besonderes. Da der Roman damals eines der erfolgreichsten Bücher war, hatte er ja schon bewiesen daß man auch mit Intelligenz und Cleverness viel Publikum erreichen kann. da muß man ihn nicht so verfilmen wie Hollywood das gerne macht.
Selbst solche Matchbälle wie die Bibliothek, die als komplexes Labyrinth angelegt ist in dem man sich unweigerlich verirrt (außer wenn man quasi Sherlock Holmes ist), und irgendwo einen geheimen Raum verbirgt in dem die verbotenen Früchte untergebracht sind, ist im Film jämmerlich vergeigt worden. Und dann wäre noch die lahme Banalisierung des Endes. Und, und , und ...

Kann sein daß ich den Film wegen der gigantischen Fallhöhe etwas negativer sehe als nötig, er ist auch an sich wesentlich besser als Smilla (aka die Katastrophe), aber es ist auch unabhängig vom Buch nichts Besonderes. 4/10
Maibaum hat geschrieben: 17. August 2017 23:47 Na ja, letztendlich ist Annaud dann ja auch ein wischi-waschi Regisseur geblieben, auch wenn Der Name der Rose für mich sein Tiefpunkt war. Ist auch eher ein Eichinger Film, der noch mehr Romane ähnlich tot gefilmt hat.
Maibaum hat geschrieben: 4. Juni 2018 10:16 Und Der Name der Rose ist für mich Anti-Kino, eher ein Literaturverbrechen als eine Literaturverfilmung.
Das klingt dann halt schon danach, dass du vom Film auch deshalb so enttäuscht warst, weil die Vorlage dir (früher mal?) so gut gefallen hat.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Zuletzt gesehener Film

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Ja, der Roman bietet meiner Meinung nach schon das Potential für einen starken Film, auch wenn man da, logisch, sehr viel anpassen muß von einem geschriebenen Werk zu einem das in Bildern erzählt. Und das ist nicht leicht wenn man den Druck einer Bestseller Verfilmung hat.

Aber du bist trotzdem auf der falschen Spur, auch ohne Kenntnis der Vorlage wäre das für mich ein mieser Film. Er könnte ja schon, auch wenn er den Roman inhaltlich banalisiert, genau das sein was du sagst, ein guter oder wenigstens ordentlicher Mittelalter Krimi, aber das ist er für mich nicht, er hat für mich nur einen geringen Unterhaltungswert.

Weißt du, wenn ich ihn nicht vor ein paar Jahren noch einmal geschaut hätte, dann hätte ich jetzt hier wieder das Gefühl, daß er doch besser ist, dann hätte ich glatt Lust ihm noch eine Chance zu geben, aber er war ja dann noch schlechter als erinnert.

Re: Zuletzt gesehener Film

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Hier noch ein Fund aus der Foren Vergangenheit:
Maibaum hat geschrieben: 23. April 2014 21:03 War das nicht auch eine Eichinger Produktion? Wenn ja dann war es die typische Eichinger Bestseller Verfilmung. Der Name der Rose beweist mir dagegen wie man sich sehr wohl in vielen wichtigen Dingen vom Roman entfernen kann mit dem beliebten Hollywood Ziel Gold in Scheiße zu verwandeln. ;)
AnatolGogol hat geschrieben: Jap, war es. Bezüglich Name der Rose: findest du die Verfilmung tatsächlich so schlecht? Allein schon Connery ist doch absolut vorzüglich in seiner Rolle. Ich finde Annaud fängt zudem die mittelalterliche Atmosphäre sehr gut ein und inszeniert die Schnitzeljagd unterhaltsam. Dazu hat man eine sehr bunte Darstellerriege mit Charakterköpfen wie Qualtinger, Perlman, Hickey, Schaljapin, Lonsdale und dem wie immer famosen Abraham. Du siehst: auch beim Name der Rose schätze ich die gleichen Qualitäten wie bei der Smilla-Verfilmung und es erstaunt mich, dass du diese Qualitäten so gar nicht zu würdigen weisst.
Maibaum hat geschrieben: Ja, Connery passt wie die Faust aufs Auge. Bei dem Rest bin ich mir nicht so sicher. Diese ganzen Mönche, das war mehr so eine Freak Show statt interessanter Figuren. Und ich meine atmosphärisch ließ das auch zu wünschen übrig. Der Film punktet allenfalls da wo man mit Geld sich kompetente Leute für Ausstattung, Kamera etc leisten kann ,aber damit kann man nicht die erzählerischen Defizite verschleiern.
Also auch noch Gemecker über die anderen Mönch Darsteller und die Atmosphäre.

Hmm ... und wie es mal so großartig in einer guten alten 70er Verbrecher-Syncro hieß:

"Mönchsgewand, geschwind erkannt"

Re: Zuletzt gesehener Film

10626
Westworld
ein Klassiker von Michael Crichton zu Recht?
Na ja: ein Symbol für die damalige Furcht vor der beginnenden Computerrevolution der 1970iger - mag sein angefacht von Kubriks "Odysee im Weltraum".
Man kann nicht viel klagen, einfach verfolgbarer Plot, szenisch gut umgesetzt, dennoch fehlt ihm so der besondere Pepp. Vermutlich wegen der Geradlinigkeit der Handlung. Verrückt gewordener Roboter verfolgt Western-Tourist. Das ist es schon. So eine Art "Jurassic Park Light" auf Western statt Mesozoikum.
Man schaut ihn halt wieder mal gerne an, dabei bleibt's auch.
8/10 zerkaute IC Chips
Seine Zeit kam, immer wenn er Pillen nahm

Re: Zuletzt gesehener Film

10627
John Dereks Ekstase
John Derek ist wirklich ein Phänomen. Seine Filme haben fast SchleFaZ Qualität, dennoch erreichte er eine gewisse Bekanntschaft. Vermutlich weil für ihn nur "hipps, titts and ass" zählten, daher der Rest "wurscht" war.
Ekstase mit seiner Frau Po Dreck oder so, ist auch so einer dieser Reihe. Es fängt schon mit der grottenschlechten Synchronisation an, die oft noch während der Szene zum Originalton mit Untertitel hin und herwechselt. Erinnert an den unbarmherzigen Taxler, der den Gast nur so weit fährt, wie er noch Groschen zusammenrappen kann. Offenbar war das im Synchronisationsstudie ähnlich.
Großteil der Kameraführungen bestanden aus Großaufnahmen der Gesichter. Erinnert an alte US amerikanische B-Movies. Wird auf Dauer nervig, damit den Hormonstau von Ayre (oder wie die Rolle, die Bo spielte so hieß) dauernd vorgesetzt zu bekommen.
Handlung? Wie schon gesagt, wenn für so einen wie John Derek nur hipps tits and ass zählen, ist's schon egal.
Eine junge Studentin will entjungfert werden. Macht zuerst einen Ölscheich, dann einen Stierkämpfer (für mich als fanatischen Antitaurino sei's gedankt unblutig!) an und erlebt da so ihre Enttäuschungen bis es endlich zum Finale kommt.
Kann man vergessen!
3/10 Honig-Leckerlis
Seine Zeit kam, immer wenn er Pillen nahm

Re: Zuletzt gesehener Film

10628
Der "Barbie"-Film scheint sein Ziel zu erreichen, immerhin haben meine zwei Freundinnen schon in der Pause allerhand Outfits mit Glitzerschühchen aus dem Film online gesucht.

Persönlich fand ich das Teil ziemlich vergessenswert. Der ist schon als klassische Heldenreise sehr einfach gestrickt, um nicht zu sagen schludrig, da sind Defizite drin die man längst nicht mehr mit Selbstironie rechtfertigen kann. Dann will er noch seinen Beitrag zur Geschlechterdebatte leisten und hat nichts zu bieten ausser plumpen, einseitigen Plattitüden, die gebetsmühlenartig vorgetragen werden. Heissa.

Ryan Gosling verfügt über wesentlich mehr komödiantisches Timing und Wandlungsfähigkeit als Margot Robbie, deren Barbie sich nicht gross von Sharon Tate oder Harley Quinn unterscheidet. Und Michael Cera ist normalerweise für jeden Film ein Gewinn, aber nicht mit anderthalb Minuten Netto-Screentime.

Natürlich gab es hier und da auch ein paar witzige Einfälle und Gags, aber insgesamt bin ich mir von Greta Gerwig doch wesentlich besseres gewohnt.

Wertung: 4 / 10
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Zuletzt gesehener Film

10630
AnatolGogol hat geschrieben: 21. Juli 2023 08:49 Pause? Hat DER Film ne Intermission??? :shock:
Hierzulande machen viele Kinovorstellungen eine Pause. Wir hatten das im Forum auch schon mal und ich weiss daher, ihr findet das alle ganz schrecklich. :wink: Und wenn ihr wüsstet, dass die Unterbrechung meistens nicht einmal sauber auf einen Szenenwechsel getimt ist, noch viel mehr. :)
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Zuletzt gesehener Film

10631
GoldenProjectile hat geschrieben: 21. Juli 2023 09:04 Hierzulande machen viele Kinovorstellungen eine Pause. Wir hatten das im Forum auch schon mal und ich weiss daher, ihr findet das alle ganz schrecklich. :wink:
Ich erinnere mich dunkel...
Und ich dachte immer, dass ihr Schweizer alles so macht wie wir, nur alles eine Spur besser...die Illusion ist nun auch dahin :lol:
Pause im Kino finde ich tatsächlich generell Banane und reisst mich IMMER komplett aus dem Film. Wenn ich daheim lange Schinken a la Ben-Hur oder Lawrence anschau, dann finde ich die Intermission immer toll und extrem stimmungsvoll - da schau ich dann aber halt auch gleich weiter. Im Kino litten die 2. Hälften dagegen immer darunter, dass ich nie wieder richtig in den Film reingekommen bin. Und das tatsächlich immer und ausnahmslos.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Pretty in Plastic

10634
Barbie (Greta Gerwig, 2023)

Als es hieß, dass ausgerechnet Greta Gerwig die Regisseurin für den ersten großen "Barbie"-Kinofilm werden wird, durfte man gespannt sein. Gerwig hat sich mit ihren ersten zwei Filmen einen Namen gemacht: Sowohl ihr offenherziges Teenie-Drama "Lady Bird" als auch ihre hintersinnige Literaturadaption "Little Women" waren ungewöhnliches, kluges Kino. Und tatsächlich beginnt ihr "Barbie"-Projekt auf eine Art und Weise, wie es nur Greta Gerwig einfallen kann – mit einer Parodie auf die Anfangsszene des legendären Sci-Fi-Kunstfilmklassikers "2001: Odyssee im Weltraum".

"2001" eröffnete mit einer Horde von Menschenaffen in der frühzeitlichen Savanne, die durch die Begegnung mit einem schwarzen, rechteckigen Monolithen ein erweitertes Bewusstsein erlangen – quasi der erste Schritt zur Menschwerdung. In "Barbie" sitzen zu Beginn kleine Mädchen in der Wüste und spielen mit Babypuppen. Helen Mirren erklärt als Stimme aus dem Off, dass in den 50ern Mädchenspielzeug nur dazu da war, die Kinder früh aufs Muttersein vorzubereiten. Dann erscheint ihnen kein Monolith, sondern eine riesige Margot Robbie im originalen Barbie-Outfit. Begeistert zerdeppern die Kids ihre Babypuppen auf den harten Steinen und sehen zu Barbie auf. Ein schräger, surrealer, grandioser Einstieg – doch Gerwig kann diesen Einfallsreichtum nicht lange aufrechterhalten.

Dabei ist "Barbie" unter einem Gesichtspunkt ein absoluter Kracher: das Setdesign sieht fantastisch aus. Gerwig, Produktionsdesignerin Sarah Greenwood und Kostümdesignerin Jacqueline Durran haben mit der pinken Fiebertraumwelt namens Barbieland ein Meisterstück abgeliefert. In dieser rosafarbenen Idylle leben alle Barbies (neben Margot Robbie noch u.a. Dua Lipa, Alexandra Shipp, Emma Mackey) in Traumhäusern ohne Wänden, sodass sie sich jeden Morgen ein beherztes "Hallo, Barbie!" zurufen können. Es finden sich quasi alle Barbie-Puppen, die Spielzeughersteller Mattel je auf den Markt brachte: Bauarbeiter-Barbie, Flugzeugpiloten-Barbie, Physiker-Barbie, Astronauten-Barbie und Oberster-Gerichtshof-Barbie, sie alle wuseln durch die aufwendig gestalteten Sets.

Barbieland ist eine weibliche Utopie in pastellfarbenem Plastik – und die erste halbe Stunde, die als Einführung in diese Welt dient, ein unerwarteter greller, alberner Spaß. Famos gelingt es Margot Robbie, eine Puppe zum Leben zu erwecken. Sie spielt – so nennt der Film sie – die "stereotypische Barbie". Jeden Morgen wacht sie unter ihrer glitzernden rosa Bettdecke auf, zieht sich ein Outfit aus ihrem riesigen Kleiderschrank an, und frühstückt – allerdings nicht wirklich, schließlich kann eine Barbie-Puppe ja nicht tatsächlich essen oder trinken. Wenn sie am Strand aus ihren High-Heels schlüpft, bleiben ihre Fersen auch barfuß in der Luft hängen – denn Puppen-Füße sind fest geformt. Bei all dem hat sie das breiteste Lächeln im Gesicht, dass sich nur je jemand vorstellen könnte. Keine Frage: Margot Robbie ist die perfekte Barbie.

Jede Barbie hat auch einen Ken. Doch die Kens (u.a. Kingsley Ben-Adir, John Cena und Simu Liu) haben nicht viel zu sagen. Dies gilt auch für den Freund der stereotypischen Barbie, "Beach Ken" (Ryan Gosling) – seine ganze Existenz dreht sich einzig und allein um Barbie. Gosling ist das schauspielerische Highlight des Films. Wann immer Robbie ihm in die Augen sieht, strahlt er sie mit so viel staunender Bewunderung an, und ist zugleich tief geknickt, wenn er jeden Abend von Barbie versetzt wird ("Jeder Abend ist Girls Night"), dass es zugleich rührend und brüllend komisch ist. Bei aller Albernheit: Greta Gerwig und ihrer Besetzung gelingt es fantastisch, filmisch nachzuahmen, wie kleine Mädchen mit "Barbie"-Puppen spielen. Grandiose pinke Bilder, herzlich verrückte Dialoge und sogar opulente Tanzszenen, die einen Gene Kelly beeindrucken würden, sorgen in Barbieworld für viele Lacher.

Leider aber bleibt "Barbie" nicht in Barbieland. Robbies Barbie wacht nämlich eines Morgens auf und stellt fest, dass etwas mit ihr nicht stimmt. Sie muss ständig an den Tod denken, ihre perfekt gewölbten Füße sind plötzlich platt und an ihren Beinen hat sie Cellulite. Die "komische Barbie" (Kate McKinnon) verrät ihr, dass sie diese Probleme nur in der echten Welt lösen kann – und so macht sie sich, unfreiwillig von Goslings Ken begleitet, in die Realität auf. Dort erlebt sie einen Kulturschock: Männer glotzen ihr nach, betrachten sie nur als Objekt und beherrschen im Grunde die Welt, selbst im Vorstand ihres Herstellers Mattel sind der CEO (Will Ferrell) und der Rest des Vorstands nur alt und männlich. Während sie durch eine Mutter (America Ferrera) und deren Tochter (Ariana Greenblatt) ins wahre Leben und die vielen Probleme echter Frauen eingeführt wird, hat Ken das gegenteilige Erlebnis. Er erfährt vom Patriarchat, in dem Männer das Sagen haben und den Ton angeben – und bricht allein zurück nach Barbieland auf, um dort mit den anderen Kens die Macht an sich zu reißen.

Jetzt muss Barbie mit etwas Hilfe vom Mama-Tochter-Gespann also Barbieland vor dem Patriarchat retten – und ab hier fällt es dann schwer zu glauben, dass dieser konfuse Mischmasch aus "Verwünscht", "Pleasantville" und Kasperle-Theater wirklich von Greta Gerwig und ihrem Ehemann Noah Baumbach ("Marriage Story") geschrieben wurde. Von deren eigentlich subtilen Art, feministische und sozialkritische Themen zu verhandeln, ist nichts zu erkennen, wenn "Barbie" auf plakativste Weise vor sich her predigt. Negativ-Höhepunkt ist ein Monolog von America Ferrera, in dem sie in abgedroschenen Plattitüden von unfairen gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen redet – und die Barbies damit auf den Kampf gegen die Kens anstimmt. Aus "Barbie" eine Symbolfigur für weibliche Selbstermächtigung zu machen, ist im Kern eine gute Idee, doch dann sollte vom Skript mehr kommen als eine Aneinanderreihung von seichten Motivationsreden, die so eher bei Instagram-Influencern zu erwarten wären.

Für eine ernstzunehmende Satire zu aktuellen Gender-Diskussionen bleibt "Barbie" schlicht zu arg an der Oberfläche, hat kaum bis keinerlei Biss und findet auf seine angesprochenen Probleme immer nur banale Lösungen, die zudem mit überzogenem Slapstick präsentiert werden. Den Zeigefinger erhebt Gerwig mit diesem Film in große Höhen und lässt ihre Figuren viele Phrasen dreschen – aber wirklich etwas zu sagen hat sie leider nicht. Im hyperaktiven Finale, in dem der Geschlechterkampf dann eine nochmal besonders absurde und surreale "tanzende Wendung" nimmt, bleibt gänzlich unklar, worauf das alles hinauslaufen soll. Ist das als krudes Empowering-Statement gemeint, selbstironische Persiflage auf den eigenen Film oder nur ein alberner Ulk, über den man gar nicht allzu viel nachdenken sollte?

Eigentlich hat Greta Gerwig letztlich hinter der feministischen Fassade einen lupenreinen Werbefilm produziert. Die vielen kleinen Spitzen, die insbesondere gegen Mattel ausgeteilt werden, sind da Teil des Konzepts: Man gibt sich selbstkritisch und aufgeklärt, ohne dabei über Gesten hinauszukommen. Gleichzeitig macht Gerwig genau das, was sie Mattel "vorwirft": Im Film wird beispielsweise mehrfach darüber gewitzelt, dass Mattel einst eine schwangere Barbie namens Midge (im Film: Emerald Fennell) verkaufte, diese jedoch schnell wieder aus dem Sortiment nahm, weil eine schwangere Puppe aus Sicht einiger Eltern als "bedenklich für Kinder" bezeichnet wurde. Der Vorwurf ist klar: Mattel hatte oft genug nicht den Schneid, Barbie modern und divers erscheinen zu lassen. Nur: Hat Gerwig nicht gleichzeitig selbst einen Film gedreht, in dem mit Margot Robbie die klassische weiße, blonde "stereotypische" Barbie im Mittelpunkt steht und die vielen anderen diverser besetzten Barbies nur Nebenrollen haben? Eine Barbie etwa, die im Rollstuhl sitzt, ist nur in zwei Szenen ganz kurz zu sehen, bekommt aber gar keinen eigenen Charakter.

So ist der progressive, anarchische Wind, der durch "Barbie" wehen soll, die meiste Zeit leider nur ein laues Lüftchen. Am Ende ist im Barbieland natürlich alles wieder pink, grell und schön, alle haben sich wieder lieb und die anfangs noch Barbie-kritische Teenie-Tochter, die der stereotypischen Barbie sogar Faschismus vorgeworfen hat, hat ihre Liebe zu den Spielzeugen wieder entdeckt. Schade. Vom aufbegehrenden Geist der kleinen Mädchen aus der Anfangsszene, die ihre altbackenen Püppchen noch mit Herzenslust an Steinen zerschmetterten, ist nach zwei Stunden nicht viel übriggeblieben.

Original-Link: https://www.tvspielfilm.de/news/filme/d ... ticle.html
https://filmduelle.de/

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Re: Zuletzt gesehener Film

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Finde die Zuschauer Trends interessant. man hat das Gefühl, die Kinos haben hierzulande auf ganzer Linie versagt.
Ich habe spaßeshalber mal bei mir versucht Tickets für Oppenheimer oder Barbie zu bekommen. Nahezu unmöglich (es sei denn man will außer in der ersten Reihe sitzen).

Was passiert also? Trotz riesigem Andrang und Interesse verhart der Trend für Barbie um die 700 Tsd Zuschauer, während Indy, MI, Oppenheimer, und praktsch jeder andere Film gerade von Trend zu Trend nach oben geht. Ich hatte das schon am Freitag bei Indy so empfunden, dass da viele saßen die eigentlich in Barbie oder Oppenheimer wollten - aber die Leinwand Kapazitäten nicht angepasst wurden.
"It's been a long time - and finally, here we are"