Re: Regie für BOND26+

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Rian Johnson ist cool, aber hat leider immer auch den Hang dazu, als Autor etwas zu "selbstverliebt" zu schreiben. Gerade sein "Glass Onion" hat Szenen, in denen der Film seine eigene innere Logik brutal bricht, weil Johnson noch einen extra cleveren Moment unterkriegen will, der aber der Gesamthandlung so schadet. In "The Last Jedi" gibt es ähnliche Augenblicke zu beobachten (wenn auch abgeschwächter). Ich denke, er ist ein guter Autor und Regisseur, dem aber eine der wichtigsten Regeln beim Schreiben (Kill your Darlings) schwerfällt.
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Re: Regie für BOND26+

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Ich bleibe dabei - könnte mir Ruben Östlund auf dem Regiestuhl sehr gut vorstellen, allen voran wenn der nächste Film etwas zynischere, selbstironischere Töne anschlagen soll, was nach den letzten drei existentiellen Dramen meines Erachtens dringend notwendig wäre. Mit Triangle of Sadness hat er mich voll und ganz überzeugt - egal wie „oberflächlich“ oder platt sein Eat-the-rich-Kommentar ausgefallen ist. Bei Bond ist die Oberfläche meist ohnehin sehr viel interessanter und Oberflächlichkeit schließt Cleverness nicht zwangsläufig aus. Wie Östlund auch aus den furchtbarsten Situationen mit großer Leichtfüßigkeit Unterhaltungsmomente erzeugt, das hat mich schon sehr fasziniert. DOP Fredrik Wenzel kann meines Erachtens auch gleich mit.

Re: Regie für BOND26+

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Ruben Östlund ist ein starker Regisseur. "The Square" ist bissig, böse, witzig. "Triangle of Sadness" war dann sogar noch besser und zeigt der wohl überschätztesten Serie der letzten Jahre, dem hochgejubelten "Reiche unter sich"-Drama "Succession", mal ganz locker, wie man die Wohlsituierten der High Society wirklich vorführt, ohne in plumpe Narrative zu verfallen oder schlimmstenfalls apologisierend aufzutreten (wie es "Succession" zu oft tut). "Triangle of Sadness" ist die Art von Satire, wie sie quasi nur alle paar Jahre gedreht werden, und gerade deshalb ein wirklich wertvoller Film. Von Plattheit und Oberfläche keine Spur!

Bei Bond sehe ich ihn nicht, ich glaube, da wäre er um ehrlich zu sein ziemlich verschwendet. Diese Arthouse-Regisseure brauche ich nicht wirklich in diesem Franchise, genauso wenig irgendwelche gefeierten Oscar-Preisträger. Ansonsten würde ich locker flockig Andrea Arnold (Warum nicht mal eine Frau?) vorschlagen oder gar Steve McQueen, aber in beiden Fällen frage ich mich, was die nennenswertes Bond zuzufügen hätten, bzw. ob nicht zu viel ihrer Qualitäten geopfert werden müssten, um Bond zu machen. Und damit will ich nicht sagen, dass Bond "niederes Entertainment" wäre oder Arthouse-Regisseure keine Unterhaltung könnten, aber für mich stimmt da die anzustrebende ideale Symbiose aus Plattform und Performer nicht.

Um mal einen eigenen Vorschlag zu machen: Wie wäre es mit Colm McCarthy? Als Regisseur hat der im UK bislang hauptsächlich an Fernsehserien mitgearbeitet, inszenierte Folgen für "Sherlock", "Die Tudors", "Peaky Blinders", "Doctor Who" und "Krypton". Er hat viel Erfahrung, aber noch keine ganz große Kinosache (sein wohl größter Film bislang ist "The Girl With All The Gifts", der recht hübsch ist) inszeniert, er wäre sicherlich motiviert bei der Sache und würde Bond als einmalige Chance und nicht als nächstes Projekt betrachten – UND noch wichtiger, er hätte durch Bond die Chance, bekannt zu werden.

Oder – denn warum nicht mal eine Frau? – wie wäre es mit Uta Briesewitz? Die ist ein großes Talent, aber kaum jemand kennt sie bislang, weil sie hauptsächlich für Fernsehserien arbeitet. Als deutsche Kamerafrau war sie u.a. bei "The Wire" stark involviert, als Regisseurin inszenierte sie Episoden von "Orange is the New Black", "Westworld", "Jessica Jones", "The Defenders", "The Deuce", "Stranger Things" oder "Das Rad der Zeit". Meist waren ihre Episoden mit die Highlights der jeweiligen Serien. Sie hat ein tolles Auge für Bildgestaltung, hat sich aus Berlin bis nach Hollywood gekämpft, und trotzdem würde ein Bond-Film für sie den Durchbruch bedeuten.

Mir wäre es lieber, Bond als Plattform würde dazu dienen, hinter der Kamera vergleichsweise weniger bekannten Filmemachern eine Chance auf Aufmerksamkeit zu erteilen, statt die ganz großen Namen einzukaufen. Bei Marvel hat man mit Joe und Anthony Russo zwei Sitcom-Regisseure zu den großen Namen in Hollywood gemacht, zu einer eigenen Institution. Warum kann Bond das nicht? Brauchen wir echt einen Sam Mendes? Oder einen Ruben Östlund? Wozu?
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Re: Regie für BOND26+

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Allerdings fand ich "Triangle" mit seiner 4-Sterne-Menü-Kotzorgie und auch der Botschaft "Der globale Süden ist genauso ausbeuterisch wie der globale Norden, wenn er erstmal die Macht hat" als Gesellschaftssatire schon durchaus plump. Und "Succession" (laut SPIEGEL "die beste Serie unserer Zeit") tatsächlich eher raffiniert und immer wieder überraschend.
"Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen."

Re: Regie für BOND26+

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Ne, das sehe ich anders, da steckt schon sehr viel mehr drin in "Triangle of Sadness". Das ist ein extremer Film, der extreme Reaktionen provoziert, und dessen Genialität unter anderem darin steckt, dass er diese Reaktionen genüsslich hervorkitzelt, und einen dann zum Nachdenken darüber anregt, warum man so reagiert hat, wie man es hat. Das ist eben keine Satire à la "Succession" oder "The White Lotus", in der man letztlich nicht mit der eigenen Weltanschauung konfrontiert wird, sondern letztlich das eigene Weltbild (aufgrund dessen man sich die Serien angesehen hat) auf Bestätigung trifft. Da ist "Triangle of Sadness" bösartiger und hintergründiger. Zumindest in meiner Wahrnehmung. Und die Kotzorgie war doch absolut fantastisch, wie kann man die nicht großartig finden?
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Re: Regie für BOND26+

427
Einfach indem man Kotzorgien grundsätzlich nicht großartig findet. Und abartig lange erst recht nicht.

Konkret gefragt: mit welcher deiner Weltanschauungen hat dich "Triangle" denn konfrontiert?

Und warum überhaupt "Succession" ins Spiel bringen ("White Lotus" meinetwegen), die ich eigentlich nicht unbedingt als Satire auffasse? Die ist mir viel zu realistisch, um irgendeine ironische Übertreibung zu beinhalten... aber anderes Thema.
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Re: Regie für BOND26+

429
Ach, ihr Lieben, niemand liebt Kotzorgien. Außer die jährlichen Teilnehmerinnen bei GNTM. Aber in dem Film ist das eine großartige Szene. Der gesamte Kinosaal hat am Anfang laut darüber gelacht (aus purer Schadenfreude), aber dann wurde das Lachen irgendwann immer unsicherer und man hat richtig gespürt, wie jeder für sich entschieden hat, wie viel Schadenfreude er noch übrig hat und ab welchem Punkt ihm die Charaktere langsam richtig leid tun. Und dann ist das Kotzen hier mehr als nur physisches Erbrechen, das ganze ist eine metaphorische Sintflut für den Zustand der Charaktere. Wie sagte es ein Mitglied des Casts? "Kotzen hat ja auch etwas Erlösendes."

Ne, ich bleibe dabei, ihr tut dem Film massiv Unrecht, den auf Kotzereien und "Eat the rich" zu reduzieren. Das passt meinetwegen bei "Glass Onion" und "The White Lotus" und "The Menu" (also das 'Eat the rich', nicht die Kotzereien), und ja, auch in Teilen zu "Succession", denn die Serie speist sich natürlich auch aus dem Vergnügen, reichen Intriganten beim gegenseitigen Scheiße zueinander sein zu bestaunen, aber "Triangle of Sadness" hat andere Themen und ist alleine durch seine Extreme auch anders zu beurteilen. Ich wollte jetzt auch nicht zwingend argumentieren, was man besser oder nicht besser findet, sondern nur darauf hinweisen, dass ich finde, ihr seid da nicht wirklich gerecht in eurem Urteil des Films.

Und klar ist "Succession" eine Satire (meinetwegen ein Satiredrama), sie ist sicher nicht immer hemmungslos überzeichnet, und sie hat sich später auch in eine etwas "nüchternere" Tonalität gewandelt, aber Staffel 1 war so offensichtlich mit satirischem Gehalt in Richtung Murdoch schielend angelegt, das kann man nicht leugnen. Ist auch vollkommen okay. Ich fand die Serie nie so klug wie andere sie einschätzen, aber ihre hohen Lobpreisungen kommen nicht von ungefähr.

Aber das lenkt jetzt alles ein bisschen vom Thread-Thema ab (okay, zugegeben, meine Schuld, ich hab angefangen). Mein eigentlicher Punkt war: Ruben Östlund soll weiter "Triangle of Sadness"-hafte Filme drehen, und für Bond hätte ich gerne Regisseure (männlich oder weiblich) aus der zweiten oder dritten Liga, die aus dem TV kommen, die keinen großen Namen haben, für die Bond ein Karrieresprungbrett und die Chance ihres Lebens ist, und kein nächstes Projekt zwischen Oscar-Ehedrama 1 und Oscar-Kriegsepos 2.
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Re: Regie für BOND26+

430
Östlund hat bislang einen eher reduzierten Stil mit lang ausgehaltenen Einstellungen, und logisch deswegen relativ wenig Schnitte. Warum soll der jetzt seinen Stil aufgeben? Und wozu?

Und wenn er so Bond inszenieren würde, dann wäre der Panik Aufschrei bei QoS nur ein kleiner Vorgeschmack.

Re: Regie für BOND26+

431
Triangle Of Sadness war insgesamt dann doch ziemlich plump, vorhersehbar, fad. Wenn man das mit früheren Cannes-Gewinnern vergleicht, eine echte Niete. Ein paar gute Bilder und Einfälle, die dann aber oft nur angedeutet werden, sind echt zu wenig und war für mich enttäuschend.

Sehe Östlund absolut nicht als Bond-Regisseur.
Bond... JamesBond.de

Re: Regie für BOND26+

432
Plump ist der Film sicher nicht, dafür haben zu viele Rezensenten zu viele verschiedene Dinge darin entdeckt. Er ist sicherlich nicht subtil, klar, sondern brachial und provokativ, aber das dürfen Filme sein, und das wird in Cannes dann auch durchaus gewürdigt, sonst hätten zuvor nicht Filme wie "Pulp Fiction" und "Titane" gewonnen. Aber mal ganz anders gesagt: Wenn "Triangle of Sadness" plump ist, was sind dann die Bond-Filme?

Ich habe ihn ja bisher selbst nur einmal gesehen, und eine Zweitsichtung steht noch aus (nun gut, einige Szenen habe ich dann dank des Internets doch schon mehrfach gesehen), deshalb kann ich gar nicht allzu tief gehen, weil ich mir sicher bin, dass es da vieles gibt, was ich noch gar nicht entdeckt habe und überhaupt hat eigentlich kein anderer Film letztes Jahr in meinem Umfeld so spannende und vielfältige Diskussionen wie dieser ausgelöst. Er hat erstaunlicherweise auch gleich zwei Personen ausgesprochen gut gefallen, bei denen ich eher gedacht hätte, sie würden ihn nicht so mögen. Wie man den auf ein paar gute Bilder reduzieren kann, will mir nicht einleuchten. Aber so ist das, die Eindrücke sind ganz verschieden, auch das macht es spannend.

Maibaum hat aber ganz recht zu Östlund als Bond-Regisseur: Wozu? Warum sollte der das wollen?
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Re: Regie für BOND26+

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"Plump" war auf Arthouse-Niveau gemeint und diese Holzhammer-Moralkeule, die der Film immer wieder auspackt - ein Bondfilm (jedenfalls die früheren) wollten nie etwas sein, was sie nicht sind. Aber ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen soll, auf wie vielen Ebenen der Film für mich nicht funktioniert, aber das hat hier ja auch nichts verloren. Zur "Ehrenrettung" muss ich aber schon auch festhalten, dass der Film durchaus auch ein paar gute Einfälle hat (etwa die komplette Änderung der Rollenverteilung...) und einige Phänomene der Zeit gut anspricht - aber die meiste Zeit bleibt es dann dabei. Jedenfalls war für mich fast jeder der Cannes-Gewinner-Filme, die ich gesehen habe, und das waren dann doch einige, klar besser bzw. kann ich verstehen, weshalb der jew. Film ein bestimmtes Publikum begeistert.

Sehe keinen Grund, wieso Östlund Bond machen sollte - er selbst hat auch sicherlich keine Lust darauf, nehme ich an.
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Re: Regie für BOND26+

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Schön, dass mein Östlund-Vorschlag derartig diskutiert wird, das hatte ich gehofft.

Zu Bond und Arthouse: Meines Erachtens sind die 2 interessantesten Bondfilme der letzten 30 Jahre, nämlich TWINE und QOS unter der Regie von Arthouse/Dokumentar-Regisseuren entstanden. Ich würde da aber nicht so differenzieren und wenn Regisseure an Board sind, die etwas mehr von zwischenmenschlichen Nuancen verstehen, bzw. interessante und unverbrauchte ästhetische Vorschläge zu machen haben, dann ist es für das Franchise ein absoluter Mehrwert. Es müssen ja keine "Stars" sein, ist Östlund auch (noch) nicht.
Und Action, das regeln Stuntcoordinator, Chris Corbould und Second Unit.

Zu Triangle of Sadness: Es fällt mir schwer nachzuvollziehen, wie man sich von dem Geschehen auf der Leinwand nicht mitreißen lassen kann, ist für mich der mit Abstand komischste Film der letzten 10 Jahre gewesen. Dass Östlunds Eat-the-rich-Kommentar nicht zum subtilsten gehört, was das Kino jemals hervorgebracht hat, stört mich nicht weiter, denn die feinen Nuancen im Zwischenmenschlichen sind es. Östlund gelingt es mit ganz wenig cineastischen Mitteln, dafür aber mit einem Blick für Details und einem wahren Sinn für Timing absolut aberwitzige Situationen zu erzeugen. Das ist, wenn man so will, gar nicht so weit weg von Action-Kino.
Doch vor allem stellt Östlund mit seiner zwar überzeichnenten, wenn auch letztlich sehr treffenden Kritik am Influencer*innen-Dasein und allen einhergehenden Privilegien und Nachteile ein Bewusstsein für die Gegenwart unter Beweis. Und das ist meiner Ansicht nach für Bond geradezu kapital. Wie Östlund zum Beispiel diese Woke-Blase in Bezug auf Bond und das Genre aufs Korn nehmen würde, stelle ich mir sehr reizvoll vor.