iHaveCNit – Der HCN-Review-Sammelthread

1
Nennt einen Film – er hat ihn gesehen. Unser HCN hält im Alleingang die Kino-Wirtschaft Deutschlands hoch. Ohne ihn gäbe es wohl nur noch drei Multiplexe, in denen bis auf Tom Cruise, James Bond und Avatar nichts mehr stattfindet. Sollte dieses Forum je an einem Filmwissensquiz teilnehmen: HCN wäre unser Stellvertreter.
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Re: Zuletzt gesehener Film

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iHaveCNit: The 355 (2022) – Simon Kinberg – Leonine Studios
Deutscher Kinostart: 06.01.2022
gesehen am 10.01.2022 in Dolby Atmos
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 10 – Reihe 9, Platz 16 – 20:20 Uhr


Die ein oder anderen rufen schon seit längerem nach einer weiblichen Nachfolge des berühmten Filmagenten James Bond – Ich nicht und ich bin auch ein entschiedener Gegner ebendieser Forderung. Ich bin da eher ein Freund davon neue Filmprojekte zu erschaffen, indem eben der Platz für weibliche Charaktere im Stil von James Bond, Ethan Hunt, Jason Bourne und Co. geschaffen wird – und dort ist dann auch in meinen Augen die Möglichkeit auch ein wenig Diversität einzubringen. Genau dort setzt „The 355“ von Simon Kinberg an und er lässt ein gut besetztes und diverses Frauen-Ensemble in der Welt der Spionage eine moderne Bedrohung abwehren. Der Film ist besser als vermutet, lässt aber auch einiges an Potential liegen.

In Kolumbien stellt der Agent Luis eine Festplatte mit einer sensiblen Cyberwaffe sicher. Eigentlich ist eine Übergabe dieser Cyberwaffe in Paris an die CIA-Agenten Mason und Nick geplant, doch scheinbar ist vor Ort auch noch der deutsche und kolumbianische Geheimdienst an der Sicherstellung der Waffe interessiert – genau wie ein gefährlicher Söldner, der dafür sorgt, dass sich allen Konflikten zum Trotz die Agentinnen Mason, Marie, Graciela und Khadjia zusammenraufen müssen ohne zu wissen, dass sie unverhofft noch weitere Hilfe erwarten können.

Der Plot um eine Cyberwaffe und eine damit entsprechende Bedrohung ist für heutige Verhältnisse ein klassischer Plot des modernden Spionagethrillers, so dass der Verlauf des Films nicht wirklich überraschend und damit vorhersehbar ist. Die Action ist recht ordentlich und kann sich sehen lassen, auch wenn diese natürlich mit der typischen Hektik bei Kamera und Schnitt inszeniert wurde und dort etwas Potential für übersichtliche Action liegen gelassen wurde. Aber da ich gerne Filme mit Jessica Chastain sehe und auch der gesamte Rest des Frauen-Ensembles mit Lupita Nyong´o, Penelope Cruz, Diane Kruger und Fan Bingbing insgesamt gut herausgearbeitete und im Sinne der Handlung vielschichtige Charaktere bekommen haben und mit nachvollziehbaren und passenden Konflikten zu kämpfen hatten, so dass mich die damit verbundene Dynamik und auch das rasante Tempo des Films mitgerissen hat.

„The 355“ – My First Look – 7/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

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iHaveCNit: Pleasure (2022) – Ninja Thyberg - Weltkino
Deutscher Kinostart: 13.01.2022
gesehen am 18.01.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Harmonie – Kleine Harmonie – Reihe 3, Platz 9 – 21:00 Uhr


Als ich mir die aktuellste Deadline geholt und ein wenig in den Berichten über kommende Filme geblättert und gelesen habe, ist mir der Film „Pleasure“ so prägnant ins Auge gefallen, dass die Berichte und Interviews mein Interesse an dem Film geweckt haben. Der Film ist das Langfilmdebüt von Regisseurin Ninja Thyberg und das Schauspieldebüt von Sofia Kappel – und mittlerweile zurecht für 7 Preise beim schwedischen Filmpreis „Guldbagge“ nominiert. Regisseurin Ninja Thyberg hat vor einigen Jahren mit einem gleichnamigen Kurzfilm bereits für Furore im Milieu gesorgt, in dem „Pleasure“ spielt und sich über die letzten Jahre so sorgsam Kontakte und Hintergründe erarbeitet, auf ihrem Kurzfilm basierend diesen Langfilm zu inszenieren – der schon jetzt für mich ein starkes Highlight meines Kinojahres 2022 darstellt.

Sie liebt Schwänze, hat Lust auf Sex und träumt von einer Karriere als Pornostar „Bella Cherry“ in LA. Die junge Schwedin Linnéa zieht von ihrer schwedischen Einöde nach Los Angeles mit der Intention des Vergnügens. Ohne zu ahnen, dass der Weg nach oben absolut kein Vergnügen ist und die Grenzen und Grenzüberschreitungen noch feiner und knapper sind als die schon sehr feinen Stücke Stoff, die man bei der Produktion von Filmen dieser Art zu tragen und auszuziehen pflegt. Und ohne zu ahnen, was der eigene Ehrgeiz und der äußere Leistungsdruck für eigene charakterliche und menschliche Opfer fordert.

Das Geschäft der US-Amerikanischen Pornoindustrie ist eine rein kapitalistisch orientierte Geldmaschinerie, bei der Gewinnmaximierung an oberster Stelle steht und die Menschenwürde quasi durchgenommen und vergewaltigt wird. Ich kann es mir nur vorstellen und habe an dieser Stelle keine statistischen Quellen, aber sowohl die Entwicklung von Internet und Social Media als auch die sich im Spannungsfeld der sexuellen Befreiung der Frau ergebende sexuelle Frustration der Männer haben auf das Geschäft der Pornoindustrie einen entscheidenden Einfluss. Denn in Zeiten des Internets reichen wenige Klicks für den Zugriff auf einschlägige kostenfreie Seiten, die teils sogar urheberrechtlich geschütztes Material von Filmstudios oder Bildmaterial von Content Creatorinnen bieten. Das macht das Geschäft um das große Geld in der Branche noch härter als es ohnehin schon ist. Der große Hauptteil der Kunden in diesem Geschäft ist soweit ich mir das vorstellen kann auch eben männlich. Die Branche und Industrie, in der auch größtenteils Männer hinter der Kamera, an der Spitze von Produktionsstudios und Modelagenturen zu finden sind, weiß man bestens darüber Bescheid, dass das sexuelle Lustempfinden bei Männern durch visuelle Schlüsselreize gesteuert wird – dem größtenteils in der Branche vorzufindenden „Male Gaze“, der die Filme auf die größt- und bestmöglichen visuellen Schlüsselreize optimiert und nahezu alles zu sehen ist und auch gezeigt wird. Gerade in einem meiner Lieblingsfilme „Don Jon“ von Joseph Gordon-Levitt wird auch genau diese Faszination und die Vorstellungen von Sexualität eines Konsumenten von Pornofilmen bestätigt und seziert. Dabei ist es aber ein sehr schmaler Balanceakt zwischen kurzfristiger sexueller Befriedigung hin zum krankhaften Suchtverhalten, das die Potenz und das Verhältnis zur Sexualität nachhaltig negativ beeinträchtigen kann – gerade auch, wenn man durch den Konsum selbst abgestumpft wird. Ich selbst sage an dieser Stelle, dass auch ich durchaus unregelmäßig Filme dieser Art schaue und daher die Inszenierung nach „Male Gaze“ und auch die in „Don Jon“ geschilderte Faszination bestätigen kann. Auch wenn es einige Darstellerinnen gibt, die selbst Filme als Regisseurinnen stemmen, so kommt man nicht umher auch dort nach „Male Gaze“ optimierte Filme zu inszenieren.

Auch wenn dieser Einstieg gerade etwas lang gewesen ist, musste er an dieser Stelle einfach raus, weil ich persönlich das einfach als ergänzende Gedanken niederschreiben wollte und das zum Thema des Films selbst ganz gut passt. Thybergs Film ist im Kino eine unangenehme und teils auch immersive Erfahrung geworden, da wir in diesem Film auch oft die weibliche Perspektive einnehmen und damit etwas geboten bekommen, das sicherlich auch in Richtung des „Female Gaze“ geht. Wir sind fast den gesamten Film an der Seite der von Sofia Kappel roher und absolut grandios gespielten „Bella Cherry“und erleben aus ihren Augen wie hart das Pornogeschäft tatsächlich ist und was die Erfahrungen auch mit der eigenen Psyche, dem Charakter und auch Freundschaften macht. Dabei erleben wir sie in Fotoshootings, bei Dreharbeiten, bei Gesprächen mit Agenten und auch auf einschlägigen Messen. Auch wenn Fotoshootings und die Gespräche mit Agenten bereits einen kleinen Einblick geben, wie unangenehm die Arbeitsumgebung und das Umfeld sein kann, so bietet der Film bei den Dreharbeiten zu entsprechenden Szenen extrem eindeutige und auch unangenehme Bilder, die lange im Kopf bleiben. Der Film zeichnet einen starken Kontrast zwischen den behutsamen, fürsorglichen Umgang auf einem Set für Praktiken der härteren Fetischisierungen und Gangarten, während auf einem anderen Set der eigentlich eher harmlosere Hardcorekram durch den dort dargestellten Inhalt einer Vergewaltigung die Grenze trotz vertraglich vereinbarten Consent genau dieser behutsame, fürsorgliche Umgang fehlt und die Grenze ganz klar überschritten wird. Auch wird dort der schmale Grat zwischen Fetischisierung und Rassismus thematisch integriert, gerade wenn Linnéa abseits der Dreharbeiten mit einem afroamerikanischen Darsteller über dessen Spezialität spricht und später auch mitbekommt, mit welchem Druck auch er ausgesetzt ist. „Pleasure“ ist aus filmischer Sicht in seiner speziellen Art und Weise ein Vergnügen geworden – so authentisch, bodenständig und ehrlich ohne jeglichen Voyeurismus und sehr ausdifferenziert einen Blick in die Pornoindustrie zu bekommen und dann auch noch mit einer solchen Inszenierung einen Sog zu entwickeln, der einen auch wenn es unangenehm ist an den Film zu binden macht „Pleasure“ zum ersten richtigen Highlight meines Kinojahres 2022. Ob es jedoch durch diesen Film zu einem Umdenken innerhalb der dort dargestellten Industrie in Bezug auf den Umgang mit Frauen und Männern kommt wage ich persönlich zu bezweifeln – auch wenn ein Funken Hoffnung da ist. Und dabei wäre es doch für diese Industrie von Vorteil Filme mit einer feinen Ausgewogenheit und Balance zwischen dem „Male Gaze“ und „Female Gaze“ zu produzieren und mit einer positiven Stimmung am Set zu einem sexuellen Vergnügen für alle involvierten Seiten zu führen. Und da kann ich mir vorstellen, dass mit genau dieser feinen positiven Stimmung vor Ort auch bei den Darstellerinnen und Darstellern echtes Vergnügen und Lust empfunden wird, was sich sicherlich auch auf empathischer, intuitiver und emotionaler Ebene auch das Lustempfinden weiblicher Zuschauer anregen könnte, ohne komplett auf das Lustempfinden für männliche Zuschauer zu verzichten. So wäre das eine Win-Win-Situation für alle – die Produzenten, die Darsteller und auch die Zuschauer selbst.

„Pleasure“ - My First Look – 10/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

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iHaveCNit: Verlorene Illusionen (2022) – Xavier Giannoli – Cine Mien
Deutscher Kinostart: 22.12.2022
gesehen am 27.12.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Studio – Reihe 3, Platz 1 – 17:45 Uhr


Das Film- und Kinojahr 2022 geht für mich so langsam zu Ende. Ereignis- und rekordreich wird das Jahr für mich mit dem Ende des Tages 31.12.2022 abgeschlossen. Doch vorher wird noch der ein oder andere kleine Arthouse-Filmstart abgehakt. Einer dieser Starts ist das in Frankreich groß ausgezeichnete Historiendrama „Verlorene Illusionen“, dass mir sehr gut gefallen hat.

Lucien kommt aus einfachen Verhältnissen. Der kreative Querkopf strebt eine Karriere als Dichter an. Durch eine Affäre mit einer Mäzenin kommt es für Lucien zu einem Wegzug aus der Provinz nach Paris. Dort mag es zwar erst nicht zu einer Karriere als Dichter kommen, doch der junge Autor wird bei einer Zeitung angestellt und gerät in den Sog des Journalismus mit all seinem verlockenden Reichtum und seinen moralisch fragwürdigen Elementen, bei dem sich die Frage stellt, ob Lucien den Ausstieg schafft oder vom Sog mitgerissen wird.

„History repeats itself“ - „Geschichte wiederholt sich“ ist durchaus sehr passend, wenn wir uns „Verlorene Illusionen“ ansehen. Im Gewand eines opulent ausgestatteten und groß besetzten Historiendramas bekommen wir eine kritische Mediensatire geboten, die zeigt, dass prätentiöse und auch falsche Berichterstattungen, lancierte Hetzkampagnen und moralisch fragwürdige Entscheidungen von Zeitungen und Verlagshäusern bereits damals genau wie heute existierten. Doch wie interessant der Film auch sein mag – ein wenig mehr Biss und kreative Ideen um aus dem Korsett eines Historiendramas auszubrechen hätten dem Film meiner Meinung nach gut getan. Damit hätte der Film auch für mich sicherlich eine ähnliche Sogwirkung wie die Welt der Zeitungen und Verlage für den von Benjamin Voisin gespielten Lucien gehabt.

„Verlorene Illusionen“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

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iHaveCNit: Was man von hier aus sehen kann (2022) – Aron Lehmann – Studiocanal
Deutscher Kinostart: 29.12.2022
gesehen am 29.12.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Lumiere – Reihe 5, Platz 12 – 20:45 Uhr


Das Jahr neigt sich dem Ende zu, doch es gibt noch ein paar interessante Starts in der aktuellen Woche. Bevor ich das Jahr abschließe wollte ich noch einen der besten deutschen Filme des Jahres mitnehmen. Die Rede ist von Aron Lehmanns „Was man von hier aus sehen kann“, der auf dem gleichnamigen Buch von Mariana Leky basiert. Entgegen Lehmanns eher weniger guten Komödie „Jagdsaison“ aus diesem Jahr ist sein zweiter Film in diesem Jahr ein kleines Highlight gegen Ende.

Die junge Luise lebt in einem kleinen Städtchen im Westerwald. Jeder im kleinen Städtchen hat mit einer skurrilen Kleinigkeit zu kämpfen. Doch ihre Oma Selma sorgt immer für die ganz große Unruhe in der Kleinstadt. Denn wenn sie von einem Okapi träumt, stirbt in den nächsten 24 Stunden jemand aus der Kleinstadt. Inmitten dieser Unruhe sorgt ein neu im Ort angekommener Mönch bei Luise für ein Wechselbad der Gefühle.

Ich habe das Buch von Mariana Leky nicht gelesen, aber nach dem Film habe ich durchaus Interesse daran. Denn der kleine Mikrokosmos der kleinen Stadt, der Regeln und den ganzen kleinen Charaktere und ihre Eigenarten macht aus „Was man von hier aus sehen kann“ ein sehr schönes, fantastisches Vergnügen. Dabei schafft der Film bei der überhöhten Darstellung den schmalen Grat nicht komplett wie Fantasy oder ein Märchen zu wirken. Das gesamte Ensemble verleiht dem Film ein unfassbar lebendiges Gefühl. Das Set-Design und die gesamten visuellen, erzählerischen Einfälle sind großartig gewählt und die Geschichte über Liebe und Tod sowie unausgesprochene Gefühle ist so warmherzig und fein erzählt, dass es mir Spaß gemacht und mich emotional mitgerissen hat. Nicht zu vergessen, wie großartig mir vor allem Luna Wedler und Corinna Harfouch hier gefallen haben.

„Was man von hier aus sehen kann“ - My First Look – 9/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

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iHaveCNit: Blueback – Eine Tiefe Freundschaft (2022) – Robert Connolly – Weltkino
Deutscher Kinostart: 29.12.2022
gesehen am 30.12.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Kleine Harmonie – Reihe 3, Platz 9 – 18:15 Uhr


Der letzte reguläre Filmstart, den ich aus 2022 in 2022 im Kino gesehen habe, hat mich nach Australien geführt. Wer nach dem großartigen, teils umweltaktivistischen Cameron-Blockbuster „Avatar – The Way Of Water“ vom Leben im Wasser nicht genug bekommen kann, kann durchaus auch einen Blick riskieren.

Abby ist Meeresbiologin. Eine wichtige Privatangelegenheit mit der Pflege ihrer kranken Mutter wird sie zurück in die Heimat an eine Küste im Westen Australiens führen. In Rückblenden erleben wir Abbys erste aktive Erfahrungen im Wasser, wie ihre Begeisterung für Meeresbiologie entstanden ist und vor allem welche Rolle die meeresbiologische und aktivistische Arbeit ihrer Mutter sowie die Schicksalsbegegnung mit einem seltenen Lippfisch, den sie „Blueback“ nennt, dabei gespielt hat.

Mir hat „Blueback – Eine Tiefe Freundschaft“ gut gefallen. Die umweltaktivistische Botschaft zum Schutz des sehr wichtigen Ökosystems unserer Meere gelingt dem Film gut, auch wenn sie nur etwas harmlos an der Oberfläche zu kratzen scheint. Doch wichtige Elemente und Nuancen unterstreichen die Botschaft sehr gut. Klar wirkt die sehr authentische und bodenständige Inszenierung teilweise etwas blass, emotionslos und damit leicht verhalten, doch schafft es der Film genau deswegen mich zu faszinieren und emotional zu binden. Der Film verwebt 3 Zeitebenen miteinander, bei denen die ein oder andere Ebene faszinierender wirkt als die Anderen. Sehr schön sind im Film die Wasseraufnahmen und auch die handgemachten Effekte, wenn es um die Aufnahmen des Lippfischs geht. Beim Casting fand ich es auch sehr schön, Eric Bana wieder in einem Film zu sehen – auch wenn er hier nur eine Nebenrolle übernimmt und das Feld dem vorwiegend frauenlastigen Cast überlässt, bei dem Mia Wasikowska, Ilsa Fogg und Ariel Donoghue Abby spielen und ihre Mutter hauptsächlich von Radha Mitchell verkörpert wird. Die Mischung aus umweltaktivistischem Abenteuer, Mutter-Tochter-Drama und ein wenig Coming-Of-Age hat mir sehr gut gefallen und das war für den regulären Filmsektor im Kinojahr 2022 ein durchaus interessanter und guter Abschluss.

„Blueback – Eine Tiefe Freundschaft“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

7
Sondervorstellung:
iHaveCNit: Ennio Morricone – Der Maestro (2022) – Guiseppe Tornatore – Central Film
Deutscher Kinostart: 22.12.2022
gesehen am 31.12.2022 in OmU
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 4, Platz 9 – 14:45 Uhr

Mit 156 Minuten episch langer Dokumentarfilm über das Leben und Lebenswerk des Komponisten und Musikers Ennio Morricone, der besonders im Bereich der Filmmusik zu einer der einflussreichsten Legenden geworden ist und unsere Popkultur sehr geprägt hat. Ein Film wie eine Symphonie eines reichhaltigen Best-Of-Albums, bei dem jedoch auch der ein oder andere wichtige Eintrag in der Karriere dennoch fehlt.
„Ennio Morricone – Der Maestro“ - My First Look – Ohne Wertung.
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Re: Zuletzt gesehener Film

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Special für 2022 in 2023:
iHaveCNit: Die Insel der Zitronenblüten (2022) – Benito Zambrano – Splendid Film
Deutscher Kinostart: 29.12.2022
gesehen am 07.01.2023
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Petit – Reihe 1, Platz 5 – 17:45 Uhr


Der tatsächliche Jahresabschluss für 2022 ist nun erfolgt. Wie immer gibt es den ein oder anderen Film aus dem Vorjahr, den ich im kommenden Jahr noch im Kino nachholen kann und dies auch möchte. Aus einem relativ vollgepackten Jahresende gab es für mich keine Möglichkeit mehr Benito Zambranos Romanverfilmung „Die Insel der Zitronenblüten“ zu sehen, womit ich mir den Film für den Anfang 2023 aufgeschoben habe.

Marina arbeitet als Ärztin für eine NGO und ist aktuell im Senegal. Eine Familienangelegenheit wird sie in ihre mallorquinische Heimat führen, der sie vor langer Zeit den Rücken zugekehrt hat. Gemeinsam mit ihrer Schwester Anna hat sie die geheimnisvolle Erbschaft einer Bäckerei zu klären, doch die Aufarbeitung der Vergangenheit sowie die Verarbeitung aktueller Konflikte sorgt für turbulente Zeiten für beide Schwestern, die sich einst entfremdet haben.

Ein relativ tumber Ballermann-Song lautet ja „Scheiß drauf … Malle ist nur einmal im Jahr“. Naja, ich reise weder an den Ballermann, noch steht Mallorca auf meiner persönlichen Liste was das Reisen angeht. Aber eine filmische Reise nach Mallorca geht immer, gerade wenn es um einem Film wie „Die Insel der Zitronenblüten“ geht. Das sehr bodenständige, warmherzige Familien bzw. Schwesterndrama hat mich schon emotional berühren und etwas mitreißen können – mit all seinen Haupt- und Nebenschauplätzen. Und da liegt auch ein kleiner Teil des Problems für den Film begraben. Durch sowohl die Aufarbeitung der Vergangenheit und diverser Geheimnisse und die reichhaltigen aktuellen Konflikte beider Frauen wirkt einiges im Film sehr holprig und beiläufig aus erzählt – ohne dass es für die hauptsächliche Handlung irgendeine Relevanz hat und der Film damit vielleicht etwas überladen wirkt für eine Feel-Good-Tragikomödie.

„Die Insel der Zitronenblüten“ - My First Look – 7/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9
iHaveCNit: Passagiere der Nacht (2023) – Mikhael Hers – Eksystent Filmverleih
Deutscher Kinostart: 05.01.2023
gesehen am 08.01.2023 in OmU
Mal Sehn Kino Frankfurt – Reihe A, Platz 7 – 19:45 Uhr


Von den Starts des aktuellen Wochenendes war neben den sicherlich zwei größten Starts - „Operation Fortune“ und „The Banshees Of Inisherin“ - auch Mikhael Hers „Passagiere der Nacht“ ein interessanter Film, der mein Interesse und dieses nach der Sichtung auch vollkommen zurecht geweckt hat.

Im Paris der 80er-Jahre ist Elisabeth Davies nach der Trennung von ihrem Mann gezwungen, einer Arbeit nachzugehen. Sie tritt eine Stelle bei der Radioshow von Vanda Dorval an und trifft bereits nach kurzer Zeit auf die mysteriöse, faszinierende, obdachlose Talulah, die sie auch kurzerhand bei sich zuhause aufnimmt. Eine Begegnung, die das Leben von Elisabeth und vor allem ihrem Sohn Matthias auf den Kopf stellen wird.

„Passagiere der Nacht“ ist ein verträumter, nostalgischer, aber auch zeitgleich so feiner, faszinierender Film geworden, bei dem sowohl die Musik als auch die Bilder eine tolle Atmosphäre erzeugt haben. Schauspielerisch haben mir hier besonders Charlotte Gainsbourg in der Rolle von Elisabeth Davies gefallen als auch die junge Noée Abita, die der faszinierend, geheimnisvollen Talulah eine gewisse mysteriöse Aura verleiht und ihr auch eine tragische Zerbrechlichkeit mitgibt. Gerade auch, wenn es um ihre Beziehung zu Gainsbourgs Elisabeth als auch zu Quito Rayon-Richters Matthias geht. Und oft lässt der Film seine Momente einfach nur wirken und Dinge unausgesprochen eine solche faszinierende Strahlkraft entwickeln, dass man sich der Faszination des Films zwischen Träume, Selbstfindung, Wandel und dem Umbruch sowie Aufbruch schwer entziehen kann.

„Passagiere der Nacht“ - My First Look – 9/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10
iHaveCNit: The Banshees Of Inisherin (2023) – Martin McDonagh – Searchlight Pictures
Deutscher Kinostart: 05.01.2023
gesehen am 09.01.2023
Arthouse-Kinos Frankfurt – Eldorado - Parkett – Reihe 5, Platz 9 – 20:30 Uhr


Der Ire Martin McDonagh hat bei mir eine steile Kurve der Beliebtheit in der Vergangenheit hingelegt. Während sein hochgelobter „In Bruges“ für mich eher ein Film der Marke „not my cup of tea“ bleibt, war sein großartiger, mit Meta-Humor angereicherter „7 Psychos“ bereits ein kleiner spaßiger Geheimtipp für mich. Bis es dann 2018 sein mit einigen Oscars ausgezeichneter Film mit dem sperrigen Titel „Three Billboards Outside Ebbing Missouri“ instant geschafft hat, sich einen Platz in meinem Herzen und meiner damaligen Jahres-Top3 zu erarbeiten. Umso gespannter war ich, ob es McDonagh mit seinem neuen Film „The Banshees Of Inisherin“ wieder schafft einen Platz in meinem Herzen zu erarbeiten, gerade da dies quasi sein erster Film in der irischen Heimat ist und er mit dem Duo aus Colin Farrell und Brendan Gleeson wieder zu seinen Wurzeln aus „In Bruges“ zurückkehrt, der ja bekanntlich bereits „not my cup of tea“ ist.

In Irland tobt ein Bürgerkrieg. Auf einer dem Festland nahen Insel kriegt man nur ab und an die explosiven Auswirkungen mit. Sonst verbringt man seine Tage vor allem mit dem Gang in den Pub. Als Padraic wie gewohnt seinen guten, langjährigen Freund Colm zum Pub abholen möchte, bleibt dieser einfach in seinem Haus sitzen und rührt sich nicht. Irritiert tritt Padraic alleine den Weg in den Pub an. Wenig später eröffnet ihm Colm, mit ihm aufgrund seiner Einfältigkeit nicht mehr befreundet sein zu wollen, doch Colm geht noch radikalere Wege. Jegliche Kommunikation blockt er nunmehr ab und sollte sich Padraic nicht dran halten, wird sich Colm eines seiner Finger entledigen. Der irritierte und ratlose Padraic ist verzweifelt, so dass er Trost bei seiner großen Schwester Siobhan und dem Dorftrottel Dominic sucht.

Wie bereits in „Three Billboards ...“ ist McDonagh gelungen ein durchaus emotional herausforderndes Erlebnis zu erschaffen. „The Banshees Of Inisherin“ ist ein Film, der zwischen Tragik und Komik spielend pendelt und den Zuschauer damit wie eine Violine spielt. „The Banshees Of Inisherin“ ist im Kern eine sehr intimer, minimalistischer Film geworden, der sich im Grunde auf seine wenigen Hauptcharaktere fokussiert und nur wenige Nebenschauplätze hat, die den Film eher unterstützen statt ihn zu überladen und den Fokus von der hauptsächlichen Geschichte über das harte abrupte Ende einer Männerfreundschaft zu nehmen. Und hier wird der Film spielend von seinem großartigen Ensemble getragen. Von Colin Farrell über Brendan Gleeson hin zu Kerry Condon und Barry Keoghan bekommen wir hier unfassbar gutes Schauspiel geboten. Doch nicht nur das Schauspiel der Beteiligten hat mir gefallen, die gesamte Optik des Films über die Kameraarbeit, das Set-Design und das Kostümdesign macht das den Film auch optisch und atmosphärisch zu einem Genuss. Doch McDonagh wäre nicht McDonagh, würde er hier nicht dem offenkundigen Ende einer Männerfreundschaft nicht mit den Symboliken des Films noch weitaus tiefgreifende Lesarten und Interpretationsmöglichkeiten geben, die sich einem bei einer tieferen Auseinandersetzung mit dem Film erst eröffnen können und den Film damit zu einem sehr cleveren, aber auch durchaus tragischen Film machen. Jedoch so gut und interessant ich „The Banshees Of Inisherin“ finde, umso tragischer finde ich es, dass er mich instant nicht so emotional bekommen und ergriffen hat wie es vor 5 Jahren bei den drei Ebbinger Werbetafeln der Fall war.

„The Banshees Of Inisherin“ - My First Look – 9/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

11
iHaveCNit: Holy Spider (2023) – Ali Abbasi – Wild Bunch
Deutscher Kinostart: 12.01.2023
gesehen am 13.01.2023
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Lumiere – Reihe 5, Platz 12 – 20:30 Uhr


Der wohl wichtigste Filmstart vom aktuellen Wochenende ist der dänische Oscar-Beitrag „Holy Spider“, den ich mir natürlich auch ansehen wollte. Auch wenn der Film eine europäische Co-Produktion ist, sehe ich ihn aufgrund seines Settings als iranischen beziehungsweise multinationalen Film an und hier haben mir bereits in der Vergangenheit Filme wie „Die Ballade von der weißen Kuh“ sowie Asghar Farhadis „A Hero“ und „The Salesman“ gefallen – und „Holy Spider“ macht genau dort weiter.

In der iranischen, heiligen Pilgerstadt Maschhad dreht im Jahre 2000 ein Serienkiller nachts seine Runden. Sein Ziel sind Prostituierte, die er erdrosselt und entsorgt. Die Journalistin Rahimi reist von Teheran nach Maschhad um über den Fall zu berichten. Doch in der stark religiös und patriarchal geprägten, korrupten Stadt sind die Hindernisse für sie als alleinstehende Frau kaum zu überwinden, so dass sie eine radikale Entscheidung treffen muss.

„Holy Spider“ ist ein abstoßend schockierender, aber auch faszinierend starker Film geworden. In diesem Film, der ein wenig wie ein Film Noir wirkt geht es weniger um die Ermittlung wer dahinter steckt, das ist bereits schon sehr früh im Film klar. Hier geht es eher darum aufzuzeigen, wie widersprüchlich vielschichtig die Motive des von Mehdi Bajestani gespielten Zimmermanns Saeed sind und wie diese auch von der Gesellschaft wahrgenommen werden. Ebenfalls geht es hier auch um die gesellschaftliche Wahrnehmung von Prostitution aus Sicht einer stark religiös und patriarchal geprägten und auch korrupten Gesellschaft, wie man sie stellvertretend für viele Länder und Städte auch in Maschhad findet – und mit welcher Selbstverständlichkeit Misogynie dort gelebt wird. Gerade hier hat es in Bezug zur Handlung zur Untermauerung der gesellschaftskritischen Botschaft und Anklage gepasst, die von Zar Amir Ebrahimi gespielte Journalistin Rahimi als fiktionalen Charakter einzubinden. Elemente der Handlung scheinen daher auch, wenn man sich oberflächlich mit Zar Amir Ebrahimis Karriere beschäftigt auch als kritischen Meta-Kommentar zu funktionieren. Stark gespielt, atmosphärisch inszeniert und spannend erzählt ist „Holy Spider“ auf jeden Fall ein weiterer starker Film im Jahr 2023.

„Holy Spider“ - My First Look – 9/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

12
iHaveCNit: Acht Berge (2023) – Charlotte Vandermeersch / Felix van Groeningen – DCM
Deutscher Kinostart: 12.01.2023
gesehen am 28.12.2022 in OmU Spotlight-Sneak
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 4, Platz 9 – 21:00 Uhr
gesehen am 14.01.2023
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Petit – Reihe 1, Platz 5 – 17:45 Uhr


Als sich das letzte Jahr für mich im Kino auf den Zielgeraden befunden hat, stand als fünftletzter Kinobesuch des Jahres eine Sneak an, die den Jahresabschluss in der Sneak-Reihe darstellte. Ab und an kommt es hier dazu, dass ich Filme gar nicht auf meinem Schirm hatte und dann auch überrascht werde. Da mein aktuelles Kino-Wochenende sehr überschaubar gewesen ist, habe ich natürlich auch noch „Acht Berge“ bzw. „Le Otto Montagne“ des Regisseurenduos aus Charlotte Vandermeersch und Felix Van Groeningen in meine Kinoplanung aufgenommen, da ich mir den Film gerne noch ein zweites Mal ansehen und mit Ruhe dann auch diese Zeilen hier ausformulieren wollte. Desweiteren ist auch vorgesehen, dass ich mir die gleichnamige Romanvorlage von Paolo Cognetti im Nachgang ebenfalls durchlesen möchte.

Pietro ist ein Junge aus Turin. Gemeinsam mit seine Eltern fährt er im Sommer in ein kleines Dorf in der Bergregion des Aosta-Tals. Dort lernt er den einzigen Jungen im Dorf, Bruno kennen. Gemeinsam verbringen Pietro und Bruno viel Zeit miteinander. Bis eine Entscheidung über die Zukunft des aus einfachen Verhältnissen und einer eher unsicheren Perspektive stammenden Brunos dafür sorgen wird, dass sich Pietro und Bruno lange Zeit aus den Augen verlieren, bis sie sich dann Jahre später trotz unterschiedlicher Lebenswege immer wieder in der Bergregion begegnen werden.

„Acht Berge“ ist an dieser Stelle erwähnt ein Film, auf den man sich einlassen muss. Denn die 147-minütige, ausgedehnte, sehr ruhige, fast meditative Erzählung kann nicht für jeden etwas sein. Wenn man sich auf den Film einlässt, dann erwartet einen erst einmal ein Film, der im 4:3-Format gehalten ist. Klar könnte dieses 4:3-Format dem Film etwas von seiner visuellen Strahlkraft nehmen - vor allem wenn es um die unfassbar schönen Landschaftsaufnahmen und Bergpanoramen geht – aber auch die intim gefilmten Momente, die fast durchgehend auch mit natürlichem Licht gedreht worden sind – aber dem ist nicht so. Der Film entfaltet dennoch eine enorme visuelle Strahlkraft mit seinen großartigen Aufnahmen und Bildern. Auditiv ist der Film auch sehr schön untermalt worden. Die Freundschaft zwischen Pietro und Bruno, die hier ab dem Erwachsenenalter von Luca Marinelli und Alessandro Borghi gespielt werden, wirkt aufgrund einer interessanten Chemie beider Darsteller sehr natürlich, selbstverständlich und auch weitestgehend kitsch- und klischeebefreit – auch ohne typische Männlichkeitsklischees, was in meinen Augen hier auch ein positives Zeichen für die Darstellung von Männern und Männlichkeit im Kino ist. Klar könnte man sich im Bereich der Selbstfindung und diverser eingewobener Lebensphilosophien an dem ein oder anderen Kitsch, Klischee und auch einer gewissen Simplizität stören, aber dafür sollte man ein wenig Verständnis haben und sich überlegen, wie die Hintergründe der Charaktere, vor allem bei Bruno aussehen und dort eine gewisse Simplizität eben der Standard ist. Simplizität ist dann auch gegeben, wenn es um die Dialoge und Unterhaltungen der Beiden geht, die meistens relativ wortkarg ausfallen, aber mit feinen Blicken, Nuancen und Gesten mehr erzählen, als es Worte je könnten. Gerade bei einem solchen Film bietet sich fast die Formulierung „Kleine Gesten vor großen Bildern“ an, die hier perfekt passt, wenn es um „Acht Berge“ geht. Unfassbar schön, dass die Vorstellung meiner Wahl auch ausverkauft gewesen ist und der Film dahingehend eine tolle Aufmerksamkeit erhält. Er hat es meiner Meinung nach verdient.

„Acht Berge“ - My Second Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

13
iHaveCNit: Ein Mann Namens Otto (2023) – Marc Forster – Sony Pictures
Deutscher Kinostart: 02.02.2023
gesehen am 06.02.2023
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 7 – Reihe 13, Platz 14 – 19:45 Uhr


Die wohl relativ kurzfristige Entscheidung am aktuellen Kino-Wochenende war für mich ein noch unschlüssiger Besuch des Film „Ein Mann Namens Otto“ von Marc Forster mit Tom Hanks in der Hauptrolle. Hintergrund war, dass ich trotz meinem gewissen Sweet Spot für skandinavisches Kino noch keinen Berührungspunkt mit Hannes Holms „Ein Mann Namens Ove“ hatte und auch die Buchvorlage nicht gesehen habe. Zumindest „Ein Mann Namens Ove“ habe ich letztes Wochenende noch im Heimkino nachgeholt und da mich „Ein Mann Namens Ove“ durchaus begeistern konnte, nehme ich aus dem aktuellen Kino-Wochenende noch „Ein Mann Namens Otto“ mit, der die klassische Hollywood-Tradition fortführt, europäische Filme für den internationalen beziehungsweise US-Amerikanischen Markt neu zu verfilmen.

Otto Anderson lebt schon seit Jahrzehnten in ein und derselben Gegend. In seiner Nachbarschaft hält er viele für Idioten, pedantisch achtet er auf Recht und Ordnung und er möchte eigentlich nur seine Ruhe haben. Nach dem Tod seiner Frau gibt es auch nur noch sehr wenig, woran er Freude hat, am liebsten wäre er direkt bei seiner Frau. Bei einem Versuch seiner Frau wieder nahe zu sein, bekommt er mit, dass neue Nachbarn in der Siedlung einziehen und seiner Meinung nach alles falsch machen, was man nur falsch machen kann. Doch irgendwie scheint die lebensfrohe junge Familie um die schwangere Mutter Marisol etwas in Otto auszulösen.

Ich glaube an dieser Stelle muss ich einfach mal den „Otto“ beziehungsweise „Ove“ machen und ein wenig pedantisch vorgehen. Der Film reißt viele Themen nur oberflächlich an, eine Entscheidung mit dem Einsatz visueller Effekte hat mir eher weniger gut gefallen und irgendwie ist Tom Hanks zu nett, um wirklich unfassbar böse und unsympathisch zu wirken, auch wenn er das Grimmige und Wütende doch gut rüber bringt. Mit dem Wissen im Hintergrund, dass es sich bei „Ein Mann Namens Otto“ um ein Remake handelt und wenn man sich vorher „Ein Mann Namens Ove“ angesehen hat, mag sehr vieles im Film nicht neu und damit auch vorhersehbar sein. Dennoch gibt es hier und da ein paar Variationen im Detail zwischen beiden Filmen. Auch wenn Otto und Ove sich viel Mühe geben, unsympathisch zu sein, beide Filme sind mir absolut sympathisch. Die Mischung aus bisweilen sehr skurrilem, trockenem, lakonischen, bösen Humor und einer doch bitteren Tragik und warmherziger Wohlfühlatmosphäre hat mich emotional gut mitgerissen. Denn in seiner Narration, in der immer wieder wichtige Momente aus dem Leben von Ove beziehungsweise Otto in Form von Rückblenden eingestreut werden, schafft es der Film uns emotional sowohl an den Film als auch an Otto beziehungsweise Ove zu binden und Verständnis und Empathie aufzubauen. Denn hinter jedem grimmigen, pedantischen, alten, weißen Mann steckt vielleicht eine tragische, traurige Geschichte für die es sich lohnt eben Verständnis und Empathie aufzubauen.

„Ein Mann Namens Otto“ – My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

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Ähnlich mühselig, dafür aber für meinen Geschmack mehr zuträgliches gab es aus Norwegen an diesem Wochenende !

iHaveCNit: War Sailor (2023) – Gunnar Vikene – DCM
Deutscher Kinostart: 09.02.2023
gesehen am 10.02.2023
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 4, Platz 9 – 17:45 Uhr


Mein optionaler Kinostart für diese Woche ist der norwegische Film „War Sailor“ bzw. „Krigsseileren“ von Gunnar Vikene, der in der langen Liste von Einreichungen für die Verleihung des Oscars für den besten internationalen Film der norwegische Beitrag gewesen ist und es leider nicht in die Shortlist und letztendlich auf die Nominiertenliste geschafft hat. Norwegen hat mich als Filmland bereits letztes Jahr mit „The Innocents“ und „Der Schlimmste Mensch der Welt“ begeistern können und „War Sailor“ macht hier keine Ausnahme. Er ist zwar nicht ganz so gut wie die beiden anderen Filme, aber so bin ich mir sicher der beste Film aus dem aktuellen Kino-Wochenende.

Die beiden befreundeten Matrosen Alfred und Sigbjörn arbeiten vor der Beteiligung Norwegens am zweiten Weltkrieg auf Werften und Handelsschiffen. Bis auch sie in den Krieg hereingezogen werden und es für Alfred heißt, Abschied von seiner Frau Cecilia und seinen Kindern zu nehmen. Ein Ereignis, dass an allen nicht spuren- und folgenlos vorbeiziehen wird.

„War Sailor“ ist mit 150 Minuten ein Brocken von einem Film, der durch seine ausgedehnte, lange Erzählung durchaus eine Geduldsprobe darstellen könnte. Er nimmt einen mit auf eine sehr sprunghafte, leicht bruchstückhafte Reise über die Jahre und einschneidende Momente von sowohl Alfred und Sigbjörn auf See mit ihrem Kampf ums Überleben und auch vom Leben Cecilias in Ungewissheit. Das ist vom Trio Kristoffer Joner, Pal Sverre Hagen und Ine Marie Willmann sehr gut und intensiv gespielt worden. Dabei wird der Film audiovisuell durch einen starken Soundtrack von Volker Bertelmann und noch viel mehr durch die Kameraarbeit von Sturla Brandt Grovlen atemberaubend intensiv in Szene gesetzt. Trotz großer Bilder und partiell lauter Musik bleibt der Film aber dennoch ein sehr leiser und intimer zwischenmenschlicher Film über Unsicherheit, Ungewissheit, Angst, Ohnmacht und auch Entfremdung mit einer gewissen Nähe und Wahrhaftigkeit.

„War Sailor“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

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Special für 2022 in 2023:
iHaveCNit: Eo (2022) – Jerzy Skolimowski – Rapid Eye Movies
Deutscher Kinostart: 22.12.2022
gesehen am 11.02.2023 in OmU
Mal Sehn Kino Frankfurt – Reihe A, Platz 7 – 16:00 Uhr


Im Rahmen meiner persönlichen Vorbereitung auf die Oscars in diesem Jahr habe ich noch einmal die letzte für mich mögliche Gelegenheit nutzen können, den polnischen und nominierten Oscarbeitrag „Eo“ im Kino zu sehen. „Eo“ ist eine Hommage des bereits über 80-jährigen Regisseurs Skolimowski an Bressons „Zum Beispiel Balthasar“, den ich noch nicht gesehen habe, womit ich unvoreingenommen an „Eo“ herangehen und diesen Film genießen konnte.

Der Esel „Eo“ fristet ein Dasein im Zirkus an der Seite der Artistin Kassandra, die ihn liebevoll pflegt. Als der Zirkus in Zahlungsschwierigkeiten kommt und allgemein die Haltungsbedingungen für Tiere in Zirkussen in öffentliche Kritik geraten, wird „Eo“ schweren Herzens auf eine Reise geschickt, bei der „Eo“ sehr viele unterschiedliche Menschen kennenlernt, die ihn mal mehr oder weniger gut behandeln.

„Eo“ ist mit knappen 90 Minuten ein unglaublich kompakter Film, der auch unglaublich kurzweilig und rasant geworden ist. Der Film schafft es sehr gut, die Sicht auf die Welt und auch die Gefühlswelt eines Esels greif- und erlebbar zu machen. Gepaart mit einer unfassbar starken audiovisuellen Gestaltung hat der Film auf mich eine unglaublich faszinierende Sogwirkung entfalten können. Im Laufe des Films bekommen wir viele kleine, einzelne Momente in der Reise von „Eo“ zu sehen, die viel über die Menschen und auch ihren Umgang mit Tieren aussagt. Dabei zeigt der Film herzliche Momente, aber auch brutale, harte und tragische Momente und ist im Kern ein Plädoyer dafür, dass Tiere sehr intelligente und fühlende Lebewesen sind, die einen respektvollen und auch herzlichen Umgang verdienen. Denn durch die Zeichnung der Momente in diesem Film schafft man es, dass sich aus dem Esel Emotionen wie Angst, Eifersucht, Wehmut, Sehnsucht, Freude, Trauer und Unsicherheit herauslesen lassen. Ich hätte dem Treiben des Films gerne weiter zusehen können, so hat er mir gefallen, auch wenn natürlich die kleinen Momente auch größer hätten ausgespielt werden können, wohingegen ein Moment gegen Ende des Films unverständlicherweise den Fokus von der Reise des Tiers genommen hat.

„Eo“ - My First Look – 9/10 Punkte.
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