Welches sind eure zwei Lieblingsfilme von Sam Peckinpah?

The Deadly Companions (Keine Stimmen)
Ride the High Country (Keine Stimmen)
Major Dundee (Keine Stimmen)
The Wild Bunch
Insgesamt abgegebene Stimmen: 3 (38%)
The Ballad of Cable Hogue (Keine Stimmen)
Straw Dogs (Keine Stimmen)
Junior Bonner (Keine Stimmen)
The Getaway (Ein Mann Explodiert) (Keine Stimmen)
Pat Garrett & Billy the Kid
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (25%)
Bring me the Head of Alfredo Garcia
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (25%)
The Killer Elite (Keine Stimmen)
Cross of Iron
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (13%)
Convoy (Keine Stimmen)
The Osterman Weekend (Keine Stimmen)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 8

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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Maibaum hat geschrieben: 2. Januar 2023 16:46 Und deswegen ist es für mich auch total verkehrt die Floßszene so spät zu bringen.
Warum, welche Bedeutung siehst du hinter der Szene? Ich hatte das immer so verstanden, dass er mittlerweil so abgestumpft ist, dass er nicht mal mehr bemerkt, wie seine Aktionen auf andere wirken (er will "spielen", die Bootsleute fühlen sich aber berechtigterweise angegriffen). Von daher wäre die Szene später im Film, als er bereits noch abgestumpfter ist, nicht verkehrt. Aber ich gestehe gern, dass sich die Bedeutung gerade dieser Szene (um die Peckinpah ja so hart gekämpft hat) mir nie so recht erschlossen hat.

Maibaum hat geschrieben: 2. Januar 2023 16:46Das ist für mich ähnlich schmerzlich wie der Verlust der Knockin Lyrics, das macht etwas kaputt.
Mal abgesehen vom persönlichen Geschmack würde ich auch hier Peckinpahs vorgelegte Fassung als eindeutigen Fingerzeig nehmen, wie die Szene sein soll. Was ihr mit dem Genöle wollt... :D
Maibaum hat geschrieben: 2. Januar 2023 16:46 Er tötet so lange andere bis er dem Unausweichlichen nicht mehr Ausweichen kann. Und das ist dann eigentlich die Rückkehr des Deputys der ihm aufgedrängt wurde, und der mittlerweile selber das herausgefunden hat, was Pat die ganze Zeit befürchtete.
Und erst dann führt er das konsequent zu Ende, was er bereits vor Beginn der Filmhandlung mit seiner Entscheidung sich anzupassen, begonnen hatte.
Ja, das ergibt Sinn. Das klingt absolut plausibel, danke für die Ausführung!
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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AnatolGogol hat geschrieben: 2. Januar 2023 16:39
Maibaum hat geschrieben: 2. Januar 2023 16:23 Ja, von den veröffentlichten, aber das besagt nicht viel, denn schon die 2. Preview Fassung, die auch öffentlich öfters in kleinem Rahmen gezeigt wurde, ist teils anders.
Und da ein Rohschnitt niemals niemals zur Veröffentlichung vorgesehen ist, ist das bestimmt keine gewesen die Peckinpah je autorisiert hätte.
Das mag GEGEN den Turner-Cut sprechen (im Sinne davon, dass er nicht so geblieben wäre), aber es spricht eben NICHT für den Seydor-Cut. Mir ist bei Seydor zuviel Interpretationsspielraum. Wie geschrieben halte ich vor allem den Anfang und das Ende für einfach nicht richtig - und wenn wir hier schon eine von Sam ausgearbeitete Fassung haben (der Anfang und das Ende leiden im Gegensatz zu vielen anderen Szenen nicht wirklich unter zu langen Einstellungen (eher im Gegenteil, siehe meine Kritik an den fehlenden Freezeframes und den dadurch merkwürdig unrunden Rhythmus) und können daher am ehesten noch als "fertig" angesehen werden), dann ist es ja geradezu anmaßend hier etwas zu "basteln", um Peckinpahs Intention näher zu kommen, als eine von ihm abgesegnete Sequenz.
Das ist alles etwas komplizierter. Es gibt ja von Seydor ein fettes 370 Seiten Buch nur über die Entstehung des Films. Er hat auch jede Menge Dokumente gesichtet, und hat auch Gründe dafür den Schnitt der einzelnen Szenen der KF als durch eine direkte Prägung Peckinpahs entstanden zu betrachten, jedenfalls nicht als willkürlich ausgeführt.

Letztendlich war es Warner, die zwar eine neue Fassung herausbringen wollten, aber auch nicht viel Geld dafür in die Hand nehmen wollten, und die KF sollte dafür die Basis sein, plus dann eben die fehlenden Szenen der Preview Version.
Seydor hat lediglich die Auftaktmontage neu geschnitten, und das brillant wie ich finde, das funktioniert so noch besser als in der Version mit den Credits. Nur daß ich leider die Titelsequentz der KF auch nicht als richtig empfinde.
Ansonsten hat er nur Warner Vorschläge gemacht welches Material der Preview wo eingefügt werfen sollte.
Allerdings hatte er interessanterweise schon lange vorher in seinem Buch über die 6 Peckinpah Western die Credit Sequenz verteidigt und die letzte Einstellung der Preview wie auch den Schnitt von dieser an sich kritisiert. Insofern hat die Bezeichnung Seydor Cut schon ihre Berechtigung.
Aber er hätte gerne noch vieles besser gemacht, auch bei der Preview Fasssung der DVD. Und er aht auchb verlangt daß deise nciht angerührt wird ,also so erhalten bleibt wie sie ist.

Kauf das Buch, das ist alles sehr komplex. Denn ein wichtiger Punkt ist wohl auch daß Peckinpah bei Pat Garrett in einem verheerenden Zustand war. Und deswegen auch bei allen dokumentierten Aussagen sehr schwer zu sagen ist was er wirklich wollte.

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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AnatolGogol hat geschrieben: 2. Januar 2023 16:56
Maibaum hat geschrieben: 2. Januar 2023 16:46 Und deswegen ist es für mich auch total verkehrt die Floßszene so spät zu bringen.
Warum, welche Bedeutung siehst du hinter der Szene? Ich hatte das immer so verstanden, dass er mittlerweil so abgestumpft ist, dass er nicht mal mehr bemerkt, wie seine Aktionen auf andere wirken (er will "spielen", die Bootsleute fühlen sich aber berechtigterweise angegriffen). Von daher wäre die Szene später im Film, als er bereits noch abgestumpfter ist, nicht verkehrt. Aber ich gestehe gern, dass sich die Bedeutung gerade dieser Szene (um die Peckinpah ja so hart gekämpft hat) mir nie so recht erschlossen hat.

Hmm, ja das ist halt so ein Moment, wo es beinahe aufgrund eines Mißverständnisses auch zu einem richtigen Gewaltausbruch gekommen wäre. Es hat tatsächlich etwas spielerisches, und Garrett hat dafür sogar ein kurzes Grinsen im Gesicht, so wie ein einigen Szenen am Anfang des Films, während er ja danach immer ruppiger wird, immer gemeiner. Deswegen schien mir das ganz klar eine Szene für den Anfang zu sein, auch weil es nicht in einem Blutbad endet, und das schien mir immer so logisch, das ich gar nicht glauben konnte, das daß nicht definitiv so geplant war.

Gelöst ist er später dann nur noch bei seiner Orgie, zu der man auch ein Menge sagen kann warum er das macht.

In der Preview fehlt ja auch die Ruthie Lee Szene, und die fand ich immer wichtig, auch viel besser als eigentlich alle der neuen Szenen. Noch ein wichtiger Punkt in der die Seydor besser ist, dagegen könnte ich auf diese dann folgende Orgie gerne verzichten . Da reicht mir inhaltlich die Szene in der man deren Ende sieht.
Zuletzt geändert von Maibaum am 2. Januar 2023 17:29, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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AnatolGogol hat geschrieben: 2. Januar 2023 16:39 klar, das ist immer das entscheidende Kriterium. Aber mir wird der Seydor-Cut zu häufig als ultimative Fassung hingestellt, was ich absolut nicht nachvollziehen kann. Weniger wegen meiner subjektiven Vorlieben als mehr aufgrund der Nicht-Involvierung von Peckinpah.
Ganz kurz, weil ich will ja gleich Pät Gärrett schauen: Das ist mir wiederum etwas zu sehr gegen den Seydor-Cut, denn auch die zweiundneunzigste Fassung von Blade Runner ist immerhin diejenige, die gerne als ultimative Fassung hingestellt wird, und die Ridley (zuletzt) abgesegnet hat, und da meine ich mich als kollektives Forengedächtnis zu entsinnen, dass du dich auch schon klar gegen die neueren Fassungen zugunsten des Kinocuts ausgesprochen hast, und diese keineswegs automatisch besser seien, nur weil sie vom Regisseur abgesegnet wurden.
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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GoldenProjectile hat geschrieben: 2. Januar 2023 17:19 Ganz kurz, weil ich will ja gleich Pät Gärrett schauen: Das ist mir wiederum etwas zu sehr gegen den Seydor-Cut, denn auch die zweiundneunzigste Fassung von Blade Runner ist immerhin diejenige, die gerne als ultimative Fassung hingestellt wird, und die Ridley (zuletzt) abgesegnet hat, und da meine ich mich als kollektives Forengedächtnis zu entsinnen, dass du dich auch schon klar gegen die neueren Fassungen zugunsten des Kinocuts ausgesprochen hast, und diese keineswegs automatisch besser seien, nur weil sie vom Regisseur abgesegnet wurden.
Ich sage ja auch nicht, dass man den Seydor-Cut (oder wegen mir auch die Kinofassung) nicht besser finden kann/darf/soll. Ich finde es nur etwas merkwürdig ausgerechnet eine Fassung als die ultimative hinzustellen, welche weder den Segen des Regisseurs hat (im Gegensatz zum Turner-Cut) und die Szenen nach eigenem Gusto gestaltet (sorry Maibaum, aber genau das ist es. Da kann Seydor mit noch sovielen Unterlagen wedeln, letztlich ist es ein guessing game). Das wäre so, wie wenn Warner ab jetzt bevorzugt den Kinocut von Blade Runner rausbringen würde und des Riddelraddels zweiundneunzigste Fassung weitgehend unter den Tisch fallen lassen würde. Aber genau so ist ja nicht: bei Blade Runner wird die vom Regisseur autorisierte Fassung (oder zumindest eine davon) als das Non-Plus-Ultra dargestellt, nicht die Fassung, wo der Regisseur weitgehend NICHT involviert war. Und selbst diese Analogie stimmt nicht, da die Kinofassung zu einem Großteil ja immer noch von Scott betreut wurde - im Gegensatz zur Kinofassung/Seydor-Cut von Pat Garrett. :wink:

Edit: vielleicht sollte ich noch darauf hinweisen, dass es mir um die allgemeine Wahrnehmung/Darstellung geht, nicht um die jeweils subjektive. Wenn 98,3 % aller Zuschauer sagen: der Seydor-Cut isses, dann habe ich da kein Problem damit. In der (nicht unwesentlich von der Veröffentlichungspolitik Warners geprägten) öffentlichen Wahrnehmung/Darstellung hingegen schon, denn da wird mir viel zu wenig darauf hingewiesen, dass es eben keine von Peckinpah autorisierte Fassung ist. Warner geht ja sogar soweit und schreibt auf seine Scheiben drauf: "erstmals in der ursprünglich geplanten Fassung!" - angesichts der Entstehungsgeschichte und Peckinpahs Verbitterung darüber ist das doch der reinste Hohn!
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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Ja, das hat Seydor aber auch kritisiert, das hätte Warner da nie drauf schreiben dürfen.
Aber Seydor hat für seine Mitarbeit auch verlangt daß die Preview keinesfalls verschwinden darf, daß sie keinesfalls durch die neue Version ersetzt werden darf, und das sie eben auch nicht verändert werden darf, also in der Form in der sie war erhalten bleibt.

Und natürlich wäre es auch besser gewesen Warner hätte sich die ZDF Syncro besorgt, aber auch da waren sie nicht bereit sich zu bemühen, aber immerhin, sie haben auf der Special Edition auch die Turner mit drauf gepackt, wenn auch nur OmU.

Aber andererseits ist es ja auch so, daß die Turner Version im Internet fast durchweg als die gelungenere angesehen wird, und daß die KF da im Kontrast oft als eine Art Katastrophe betrachtet wird, und das ist sie ganz sicher nicht. Der Film hatte bereits zunehmende Bewunderung erfahren, lange bevor die Turner Version 1988 veröffentlicht wurde. Und auch direkt beim Kinostart schon seine Fans gefunden.
Zuletzt geändert von Maibaum am 2. Januar 2023 18:44, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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Maibaum hat geschrieben: 2. Januar 2023 18:28 Und natürlich wäre es auch besser gewesen Warner hätte sich die ZDF Syncro besorgt, aber auch da waren sie nicht bereit sich zu bemühen, aber immerhin, sie haben auf der Special Edition auch die Turner mit drauf gepackt, wenn auch nur OmU.
Es ist ja nicht nur die Synchro, die Bildquali ist auch erheblich schlechter als beim Seydor-Cut. Da hat man halt ein uraltes vorhandenes Master auf die Bonus-Scheibe gepackt und gut. Erinnert stark an Lucas Vorgehen mit den Originalfassungen von Star Wars. Der minmalmögliche Aufwand, damit niemand sagen kann, man hätte ja nix gemacht. Ich hoffe ja immer noch, dass Warner Archives (quasi das kulturell-ambitionierte Feigenblatt von Warner) sich den mal vornimmt und eine BD mit allen drei Fassungen rausbringt. Aber es beunruhigt mich, dass da solange noch nix gekommen ist (während zB Cable und High Country bei Warner Archives schon seit längerem rausgekommen sind), vielleicht liegt es an der Materialsituation oder an rechtlichen Dingen. Oder halt doch am Geld, weil außer der auf prime verfügbaren altbackenen HD-Abtastung des Seydor Cuts vermutlich noch nix hochauflösend vorliegt. Aber angesichts des Status des Films hätte der eigentlich schon längst kommen müssen... :?
Maibaum hat geschrieben: 2. Januar 2023 18:41 Übrigens, auf Arte lief in 2008 überraschenderweise die Kinoversion, was ich leider nicht mitbekommen hatte, und nachts bei der Wiederholung lief dann die Turner Version mit der ZDF Syncro.
Hat hier zufällig jemand die Kinoversion aufgenommen?
Ne, hab auch nur die beiden anderen Fassungen (den Turner aber immerhin mit der deutschen Synchro, der lief vor etlichen Jahren mal auf BR).
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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Maibaum hat geschrieben: 2. Januar 2023 19:05 Es gibt Gerüchte daß Criterion an dem Film dran ist, dann bestünde zumindest die Hoffnung, daß alle 3 Fassungen raus kommen.
Das wäre aber insofern merkwürdig, da Warner eigentlich nix unterlizenziert. Mir ist da nix bekannt, was die aus ihrem Bestand in den Staaten fremdlizenziert haben.
Maibaum hat geschrieben: 2. Januar 2023 19:05Aber von der Turner existiert ja kein Negativ, sondern wohl nur eine 2. Generation Kopie, und da hat man dann schon einen größeren Qualitätsverlust.
Klar, die Qualität eines Negativscans ist damit nicht zu erreichen. Andererseits liefen in den Kinos oft ja sogar Kopien 4. und 5. Generation, schlechter fiele ein aktueller HD-Scan sicherlich auch nicht aus. Man ist heute halt ziemlich verwöhnt von den ganzen direkt vom Negativ gezogenen Mastern (solche Quali hat man früher im Kino ja nicht mal annähernd zu sehen bekommen). :)

Noch ein paar Dinge, die mir gestern beim Schauen aufgefallen sind:
ich hab mich früher immer gefragt, warum Alias sein bürgerliches Leben so mir-nichts-dir-nichts gegen das Outlaw-Dasein aufgibt. Gestern fiel mir dann auf, dass er ja direkt nach Pats Rekrutierung von Alamosa Bill seinen Schurz auszieht. Direkt nachdem Garrett einen Kriminellen zum Gesetzesvertreter macht, um Billy zu jagen (oder was auch immer) rekrutiert sich ein gesetzestreuer Bürger (Alias) quasi zum Ausgleich selbst zum Kriminellen.

Die Szene bei Lemuel, wenn Pat Holly abfüllt
Spoiler
und quasi mit unfairen Mitteln erschiesst
ist das Gegenstück zu der Szene,
Spoiler
in der Billy Alamosa Bill erschiesst
. Auf den ersten Blick agiert Kid ähnlich unfair,
Spoiler
wenn er sich beim Duell gleich umdreht. Da der alte Alamosa aber seinerseits schummelt und sich bereits bei 8 umdreht geht es eher als Notwehr durch.
Billy bleibt moralisch (halbwegs) sauber, während Pat längst skrupellos jegliche Moral über Bord geworfen hat.

Die Chisum-Szene ist die ultimative Demütigung von Poe, wenn dieser von Chisum zum Essen eingeladen wird, nur um festzustellen, dass er mit den Handlangern in der Baracke essen soll. Und nicht mal dazu kommt es, da er dann doch unverrichteter Ding Pat (welcher den Braten mit der "Einladung" gleich riecht) hinterherdackeln muss. Grossartiger Moment, vor allem da er den Opportunismus von Poe schon früh entlarvt (welcher dann im finale seinen Höhepunkt findet,
Spoiler
nachdem er sich erst feige vorm Duell mit Billy drückt und ihm dann aber den Finger abschneiden will)
.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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AnatolGogol hat geschrieben: 2. Januar 2023 19:48
Maibaum hat geschrieben: 2. Januar 2023 19:05 Es gibt Gerüchte daß Criterion an dem Film dran ist, dann bestünde zumindest die Hoffnung, daß alle 3 Fassungen raus kommen.
Das wäre aber insofern merkwürdig, da Warner eigentlich nix unterlizenziert. Mir ist da nix bekannt, was die aus ihrem Bestand in den Staaten fremdlizenziert haben.
Alex Cox hat behauptet, daß Criterion den Film bringen will. Manche glauben es deswegen, andere wollen es erst glauben wenn die Disc da ist.
Maibaum hat geschrieben: 2. Januar 2023 19:05Aber von der Turner existiert ja kein Negativ, sondern wohl nur eine 2. Generation Kopie, und da hat man dann schon einen größeren Qualitätsverlust.
Klar, die Qualität eines Negativscans ist damit nicht zu erreichen. Andererseits liefen in den Kinos oft ja sogar Kopien 4. und 5. Generation, schlechter fiele ein aktueller HD-Scan sicherlich auch nicht aus. Man ist heute halt ziemlich verwöhnt von den ganzen direkt vom Negativ gezogenen Mastern (solche Quali hat man früher im Kino ja nicht mal annähernd zu sehen bekommen). :)
Das stimmt allerdings.

Jedoch ist mir gerade beim Vergleichen einzelner Szenen aufgefallen, daß der Seydor Cut doch Einstellungen enthält die in der Turner fehlen. Also hat man anscheinend die fehlenden Szenen doch nicht aus der Turner Kopie genommen, die ja auch in einem deutlich schlechteren Zustand ist, sondern es muß doch noch mehr vom Kamera-Negativ Material da sein als nur die KF.

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

237
Beim Vergleichen einzelner Szenen die in beiden Fassungen drin sind, und die nicht identisch sind, ist mir noch mal aufgefallen, daß da zwar schon kleinere Sachen drin sind die ich mag (das Kartenspiel unter Beschuß, Paris Frankreich etc), aber trotzdem ist fast nichts dabei ist was ich wirklich vermisse. Dagegen gibt es definitv so einiges wo die kürzere Version weitaus besser ist.
Und ich denke jetzt ganz sicher, daß ich die Orgien Szene überhaupt nicht mag, und die Szene mit der Ehefrau ist auch nicht wirklich nötig, die ist mir zu deutlich in den Dialogen, und überhaupt auch nicht so wirklich gut. Da ist so wie es in der Turner ist, in der Garrett beim Anblick seines Hauses zögernd stehen bleibt, und dann vor seinem Gartentor noch mal zögert, da ist eigentlich ausreichend Information gegeben über diese Ehe.

Und diese eine Szene mit dem Deputy Poe, die geht sowieso überhaupt nicht, da sie ja die einzige ohne Garrett und Billy ist, also die Erzählperspektive verletzt, und auch überhaupt nichts Wichtiges zu Poes Charakter hinzufügt. Um ihn als Billys negatives Spiegelbild mehr hervorzuheben, hätte er auch sonst noch mehr Szenen benötigt, aber so wie es ist, steckt in den anderen Szenen mit ihm alles drin was der Film benötigt. Auch in Bezug auf Garretts Innenleben.

Und das Fehlen der Ruthie Lee Szene macht in der Turner auch keinen Sinn, so wie der vorherige Dialog abläuft.
Zuletzt geändert von Maibaum am 2. Januar 2023 22:50, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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AnatolGogol hat geschrieben: 2. Januar 2023 19:48
Die Szene bei Lemuel, wenn Pat Holly abfüllt
Spoiler
und quasi mit unfairen Mitteln erschiesst
ist das Gegenstück zu der Szene,
Spoiler
in der Billy Alamosa Bill erschiesst
. Auf den ersten Blick agiert Kid ähnlich unfair,
Spoiler
wenn er sich beim Duell gleich umdreht. Da der alte Alamosa aber seinerseits schummelt und sich bereits bei 8 umdreht geht es eher als Notwehr durch.
Billy bleibt moralisch (halbwegs) sauber, während Pat längst skrupellos jegliche Moral über Bord geworfen hat.
Ja, das sehe ich auch so, Billy behält in allem etwas unschuldiges, während Garrett zunehmend unangenehmer und gemeiner wird.

Was ich an dem Film so liebe ist der durchgängige Fatalismus mit dem fast alle auf das reagieren was passiert. Der Tod und das Töten wird beiläufig akzeptiert, niemand muß sich aufregen. Daraus ergibt sich so eine durchgehende eigenartige poetische Stimmung, und genau die kommt in der KF schon perfekt rüber, und die alte deutsche Syncro, die ich anfangs etwas seltsam, fast schon als schlampig empfand, und die sich auch ein paar hübsche Freiheiten herausnimmt, fängt diese melancholisch fatalistische Stimmung wunderschön ein. Und ist ha ha, manchmal schöner als das Original.
Eigentlich müsstest du die lieben Anatol, denn die ist so höschendöschenartig genial ...

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

239
Disclaimer: In Unkenntnis der Schnittfassungen von Kinorelease, Turner Entertainment, Maibaum, AnatolGogol, James Bond und dem Pabst beziehe ich mich hier auf den sogenannten Seydor-Cut


Pat Garrett & Billy the Kid (Sam Peckinpah, 1973)

"Mama, take this badge off of me, I can't use it anymore. It's gettin' dark, too dark to see, I feel like I'm knockin' on heaven's door."

Ah, Pat und Billy, ihr zwei alten Haudegen. Hier wurde heute eigentlich schon auf grossartige Weise alles zu den figürlichen und motivischen Aspekten des Films dargelegt und diskutiert. Darüber, wie Pat grimmig und ziellos seine Kreise zieht und Billys (sowie sein eigenes moralisches) Schicksal so lange es geht hinausschiebt. Oder wie in der Beziehung der beiden auch gewisse Elemente der Bishop/Thornton-Dualität aus The Wild Bunch wieder aufgegriffen werden. Das bringt nicht nur ordentlich Leben in die Samarathon-Bude, sondern hat auch den Vorteil, dass ich nicht mehr alles wiederholen muss.

Die episodische Struktur ist Herz und Seele des Films. Pat Garrett und Billy the Kid treffen nur in den ersten beiden, und dann noch einmal kurz in der letzten Szene aufeinander, die passenderweise alle mehr oder weniger als Parallelmontagen inszeniert sind. Dazwischen wird man Zeuge von sich in gleichmässigem Rhythmus abwechselnden, gefühlt jeweils etwa gleich langen Episoden um die beiden. Jede Episode funktioniert dabei fast schon als eigener Kurzfilm mit Anfang, Mittelteil und Schluss, aber jede trägt auf die eine oder andere Art auch immer etwas zur jeweiligen Rolle oder ganz allgemein zur pessimistischen Untergangsstimmung bei. Und jede funktioniert gewissermassen als filmischer Kommentar. Dies kann beispielsweise ein Kommentar zum Wesen Pats sein (er will trotz allem nicht einfach so mit mächtigen Geldgebern kuscheln und sich wie ein Auftragsmörder bezahlen lassen, siehe die Jason Robards-Szene), zum Wesen Billys (er teilt nicht unnötig aus, er hört sogar zu, aber wenn es ihm an den Kragen zu gehen droht, dann schiesst er zuerst, siehe die "Those four rode in this morning"- oder die Jack Elam-Szene) oder auch einfach ein Kommentar zur Handlungswelt, die wiederum alles kontextualisiert (die Chisum-Maschinerie wird über die Taten ihrer Handlanger als völlig verrottet gezeigt, siehe die Truthahn- oder die Emilio Fernandez-Szene).

Letztlich erzählen diese "Kurzfilme" auch sehr viel über ihren Subtext anstelle einer konventionelle, stringenten Handlung. Einmal mehr geht es Peckinpah um Charaktere in einer sich verändernden Welt, in der die alten Gesetze des "You and me rode together" ihre Gültigkeit und Bedeutung verlieren oder zu verlieren drohen, wie es halt oft der natürliche Lauf der Dinge ist. Dies wird trotz Parallelen aber eben anders erzählt als beispielsweise in The Wild Bunch, weniger am Beispiel einer Filmhandlung, sondern mehr auf die Perspektiven und die jeweiligen Anpassungen (oder auch nicht) und Reaktionen der Charaktere reduziert. Da hilft es, dass Peckinpah seine Wildwestlandschaften pittoresker aber auch wehmütiger in Szene setzt denn je, gerade durch die vielen Totalen und Weiteinstellungen, aber auch durch filmpoetische Schmankerl wie der Ritt an einem Tümpel vorbei, bei dem Billys Zwischenstopp nur noch in der Wasserspiegelung erkennbar ist. Ein weiterer Pluspunkt ist der Soundtrack von Dylan, der durch seinen Folkcharakter eine noch stärkere Stimmung des "Geschichtenerzählens" und des folkloristischen Berichtens von alten Zeiten beschwört. Dazu passt auch, dass Dylan selber im Film weitgehend eine Art Beobachter verkörpert, der zwar auf dem Papier ein Gefährte Billys ist und diesem auch mal zu Hilfe eilt, aber auch alles überlebt und weitgehend eher als neutrale Instanz behandelt wird.

Pat und Billy selber - Tja, da ist es eigentlich egal, wie authentisch das Alter der beiden wirklich ist. Jimmy Coburn ist genau der richtige grimmige und verbitterte Pat Garrett, der sich einen Teufel um wohlhabende und wichtige Leute am Speisetisch von Gouverneur Robards, oder um deren opportunistische, ihm persönlich völlig fremde Hilfssheriffs schert. Eigentlich noch weniger als frühere Peckinpah-Protagonisten wie Pike Bishop oder Doc McCoy ist Pat ein Sympathieträger, seine moralisch fragwürdigen Handlungen und Allianzen sowie sein sprödes und teils fast feindseliges Auftreten sind deutlich, aber das muss so sein und für die Verkörperung hätte es kaum jemand Besseren geben können als den Jim. Kristofferson wiederum hat durch seine fast schon joviale Mimik, hinter der aber auch öfter eine gewisse Traurigkeit zu schlummern scheint, eine faszinierende Aura für Billy. Ob Ende dreissig oder nicht, ich kann mir keinen anderen vorstellen.

Zum Vergleich der Schnittfassungen kann ich wie eingangs gewarnt wenig sagen: Die Seydor-Sichtungen führen mit 4:0. Aber zu einigen der erläuterten Details könnte ich spontan folgenden Senf geben: Sollte Pats Tod am Ende erneut gezeigt werden, müsste dafür ein Äquivalent für Billy gefunden werden, denn der Film heisst nun mal Pat Garrett & Billy the Kid und behandelt wie bei der episodischen Struktur gesagt beide weitgehend gleichberechtigt, will heissen ich kann mir Pats Ableben als alleinigen Schlussmoment nur schwer vorstellen, aber es könnte natürlich funktionieren, wenn es ähnlich stark mit Billy zusammengeschnitten wird wie die Eröffnung. Die Szenen mit Pats Frau und Billys Freundin will ich beide sehen, letztere auch als gesamte Bordellszene, denn der Anblick von Jim Coburn, wie er saufend in einem winzigen Badezuber sitzt und sich von mehreren Huren waschen lässt ist viel zu gut. Olingers Blick auf den Galgen kann genauso gut ein Kommentar seiner vorherigen Bemerkungen Billy gegenüber sein (als er Billy durch ausführliche Schilderung seines Schicksal am Strick Angst machen will), statt einer Vorlage für die ungestört weiterspielenden Kinder. Einen professionellen Feinschnitt erwarte ich von dem Film gerade in den Actionszenen, denn was ich noch nicht erwähnt habe: Auch Pat & Billy, dieser besonders melancholische und elegische Film, ist in wenigen Momenten ein reinrassiger Peckinpah-Actionkracher, so zeigen Billys Gefangennahme aber auch die kurze Schiesserei mit Blacks Leuten, deren Wucht und Einschlagskraft gewaltig wirkt, einmal mehr Sam als meisterlichen Actionregisseur. Und was ganz wichtig ist: Slim Pickens' Tod muss von Dylan begleitet werden, gerade wenn man es mit der späteren Instrumental-Reprise nach dem Duell mit Jack Elam vergleicht und sich in Unkenntnis der Turner-Fassung das einigermassen vorstellen will, so ist dieser poetische Moment mit dem Song einfach viel zu stark, und wir reden hier von "möglicherweise bester Moment in einem Peckinpah-Film"-stark. Katy Jurado spielt in fünf Sekunden alles und jeden an die Wand, und diese Poesie in Ton, Bild und Bewegung braucht eine entsprechende Poesie in Worten. So gesehen bin ich zumindest sehr zufrieden mit dem Seydor-Cut.

Den unglaublich perfekten Cut, der alle und jeden glücklich macht, wird man aber trotzdem nicht finden. Und wahrscheinlich auch nicht den unglaublich perfekten Cut für sich selber. Pat Garrett & Billy the Kid ist, wenn man ganz strikt sein will, auch ein Stückweit ein kaputter Film, alleine durch seine Produktions- und Veröffentlichungsgeschichte. Aber es ist ein wahnsinnig guter und auch interessanter Film, bei dem ich nun schon zum vierten Mal in Folge immer auch wieder Momente verspüre, wo ich mit der Höchstwertung liebäugle. Diese Momente rufen aber auch immer wieder das eine oder andere kleine "aber" hervor, und ich bleibe heute trotzdem restriktiv-konservativ bei...

Wertung: 9 / 10
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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Wenns dich noch interessiert, du kannst die Turner Fassung hier runterladen: https://rarelust.com/pat-garrett-billy-the-kid-1973/
... und die andere auch, falls es sonst jemanden interessiert

Der Turner Schluß ist nur eine Überblendung von dem davon reitenden Garrett auf eine Einstellung bzw auf das eingefrorene Bild des von der Kutsche fallenden Garretts mit dem Kutschrad groß im Bild. Sieht etwas eigenwillig aus.

Macht Sinn es so enden zu lassen, geht aber auch ohne.

Was Chisum betrifft, so ist das eher ein Mißverständnis, da er nicht zu dem Santa Fe Ring gehört, eher dessen Gegner war, und eigentlich bei dem Lincoln County War eher zu der Seite Billys gehörte, also eigentlich auch zu denen dessen Welt am Untergehen war. Und Billy war früher oft als Gast auf dieser Ranch bzw hat sogar für Chisum gearbeitet.
Es ist aber schon so, daß das eigentliche Verhältnis zu Billy auch durch die Chisum Szene nicht deutlich wird (außer man hat historisches Vorwissen), auch wenn er anders erscheint als man es anhand der KF erwarten würde. Letztlich gibt der Film sein in der Realität teils abwartendes Verhalten in diesem Weidekrieg durch die Art, wie er da nur etwas passiv hockt und trotzdem Autorität verkörpert, auf eine interessante Art wieder.
Dieser Lincoln County Krieg ist ein komplexer hochinteressanter Stoff, da könnte man eine tolle 50staffelige Serie mit ca 253 Hauptcharakteren draus machen.