Re: Zuletzt gesehener Film

10441
iHaveCNit: Call Jane (2022) – Phyllis Nagy – DCM
Deutscher Kinostart: 01.12.2022
gesehen am 03.12.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Lumiere – Reihe 5, Platz 12 – 20:15 Uhr


Wenn es um das Thema Schwangerschaftsabbrüche beziehungsweise Abtreibungen geht, haben mich aktuell in den letzten Jahren vor allem das intime Indie-Drama „Niemals Selten Manchmal Immer“ von Eliza Hittman und auch das radikale französische Drama „Das Ereignis“ von Audrey Diwan begeistern können. Wem gerade „Das Ereignis“ zu drastisch und radikal gewesen ist, dem kann aktuell das historische Porträt und Abtreibungsdrama „Call Jane“ von Phyllis Nagy empfohlen werden.

Im Chicago des Jahres 1968 ist die Anwaltsgattin Joy Griffin erneut schwanger geworden. Doch mit ihrem Alter befindet sie sich bereits im Status einer Risikoschwangerschaft, erschwerend kommt eine Herzschwäche hinzu, wodurch die Schwangerschaft für sie auch tödlich enden könnte. Ein regularer Schwangerschaftsabbruch wird ihr verwehrt. In ihrer Verzweiflung trifft sie zufällig auf die „Janes“, eine im Untergrund handelnde Organisation, die Frauen in insbesondere Joys Not hilft. Für Joy ist es eine schicksalhafte Begegnung, die ihr Leben auf den Kopf stellen wird.

„Call Jane“ ist vor allem ein historisches Porträt über die frauenrechtliche Jane-Bewegung und setzt ihr auch ein kleines Denkmal. Doch der Film ist nicht nur ein Porträt über die Bewegung, er ist auch ein Abtreibungsdrama, dass sich hauptsächlich auf die von Elizabeth Banks großartig gespielte Joy Griffin fokussiert und im weiteren Verlauf die ein oder anderen kleinen Einzelschicksale beleuchtet, dabei aber vor allem immer an Joys Seite bleibt. Der Film legt hier wert auf eine relativ harmlosere Wohlfühlatmosphäre und wirkt in der Umsetzung des Themas wenig radikal. Klar gibt es durch Ansätze innerhalb von Diskussionen unterschwellig weitere Themen wie Rassismus, Klassismus, Intersektionalität – aber alles bleibt hier auf einem sehr harmlosen, oberflächlichen Bereich. Der doch durchaus traditionell konservative Ansatz des Films lässt ihn trotz brisanter Entwicklungen im Abtreibungsrecht der vereinigten Staaten durch die Aufhebung eines Urteils, das die Jane-Bewegung einst überflüssig machte, nicht ganz so progressiv wirken, wie er durchaus hätte sein können. Ich als Mann könnte an dieser Stelle meine persönliche Ansicht zum Thema Schwangerschaftsabbrüche wiedergeben, tue es aber nicht, da das nicht Gegenstand des Films ist. Ich stehe zwischen den beiden Lagern der Abtreibungsgegner und Abtreibungsbefürworter und meine sehr differenzierten Ansichten zum Thema können sowohl traditionell konservative und christliche Abtreibungsgegner, radikal misogyne Abtreibungsgegner aus dem Bereich Red Pill, Pick-Up und der US-amerikanischen Manosphere und auch das Lager der teils radikalen, postmodernen, feministischen Abtreibungsbefürworter sehr harmlos gesagt aufregen. Und da der Film Wert auf eine harmlose Wohlfühlatmosphäre legt, möchte ich es bei eben dieser Wohlfühlatmosphäre belassen.

„Call Jane“ - My First Look – 7/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10442
iHaveCNit: Violent Night (2022) – Tommy Wirkola – Universal
Deutscher Kinostart: 01.12.2022
gesehen am 06.12.2022
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 3 – Reihe 9, Platz 15 – 20:15 Uhr


Was kann es besseres geben, als sich am „Nikolaus“-Tag einen Weihnachtsfilm im Kino anzusehen. Zum Glück ist unter den Kinostarts vom 01.12.2022 auch dazu ein passender Film zu finden. Tommy Wirkolas „Violent Night“ ist die perfekte Weihnachts-Action-Komödie für die Tage bis zum Weihnachtsfest geworden.

Eigentlich sollte es ein ruhiges Weihnachtsfest für die reiche Unternehmerfamilie Lightstone werden, doch die Party wird von einer Horde unartiger Söldner unter der Führung eines Mr. Scrooge gecrasht, weil diese an das Vermögen der Familie wollen. Nur haben diese Söldner nicht die Rechnung mit einem kampferprobten Santa Claus gemacht.

„Violent Night“ ist einer der klassischen Weihnachts-Action-Filme, bei dem ein kampferprobter Weihnachtsmann sich durch eine Horde von ebenfalls durchaus kampferprobten Gegnern pflügt und hier durchaus in der Tradition moderne Action wie „John Wick“ mit Weihnachtsklassikern wie „Stirb Langsam“ und „Kevin – Allein Zu Haus“ kombiniert – und durchaus sehr witzig mit einigen Weihnachtsklischees spielt. David Harbour macht in der Rolle von Santa Claus richtig Spaß, leider bleiben die Gegner hier trotz ein paar witzigen Momenten und harter, brutaler Action doch recht blass. Der Film ist mit knapp 2 Stunden dann auch einer, der nicht durchgehend auf Tempo ist und doch etwas gemächlich bleibt.

„Violent Night“ – My First Look – 7/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10443
iHaveCNit: Emily (2022) – Frances O´Connor – Wild Bunch
Deutscher Kinostart: 24.11.2022
gesehen am 07.12.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Eldorado - Parkett – Reihe 5, Platz 9 – 15:15 Uhr


Für mich stand aus dem November als letzter Film noch „Emily“ von Frances O´Connor auf meiner Liste, den ich aus planungstechnischen Gründen erst jetzt nachholen konnte. Auch wenn er mich nicht ganz begeistern konnte, so gab es durchaus interessante und sehenswerte Elemente des Films.

Nach dem Tod der Mutter ist der Pfarrer Bronté mit seinen 4 Kindern, den Töchtern Charlotte, Anne und Emily sowie dem Sohn Brantwell alleine und teilweise mit vor allem dem kreativen Freigeist von Emily und dem zum Feiern und Schabernack neigenden Brantwell überfordert, dennoch liegt sein ganzer Stolz und Hoffnung auf seinen Kindern. Bis der Pfarrer Weightman in der Gemeinde ankommt und das Leben von vor allem Emily auf den Kopf stellen wird.

„Emily“ ist als semibiographisches, historisches Drama über die literarisch einflussreichen Bronté-Schwestern mit einem Fokus auf vor allem Emily Bronté ausgelegt und birgt ein historisches Drama, ein wenig Coming-Of-Age, ein wenig Romanze und verwebt das geringe, das scheinbar über Emily Bronté bekannt war in ein interessantes Melodram, indem mir vor allem natürlich wie es sich für Filme dieser Art gehört die Ausstattung sehr gut gefallen hat – aber auch Emma Mackey in der Hauptrolle. Jedoch habe ich sowohl zum Werk als auch dem Leben von Emily Bronté gar keinen Bezug, womit ich gerade was diese Thematik angeht weniger investiert war in den gesamten Film.

„Emily“ - My First Look – 6/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10444
iHaveCNit: An Einem Schönen Morgen (2022) – Mia Hansen-Love – Weltkino
Deutscher Kinostart: 08.12.2022
gesehen am 09.12.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Eldorado - Parkett – Reihe 5, Platz 9 – 18:00 Uhr


Aus dem aktuellen Startwochenende habe ich mich erst einmal für den eher kleineren Film entschieden. Filme mit Lea Seydoux sehe ich sehr gerne und im letzten Jahr konnte mich Mia Hansen-Love auch ein wenig mit „Bergman Island“ begeistern, womit „An Einem Schönen Morgen“ dann auch letztendlich auf meiner Planung aufgetaucht ist.

Sandra Kienzler ist alleinerziehend, lebt in Paris und arbeitet als Übersetzerin. Ihr Leben gerät in eine emotionale Achterbahnfahrt, als die Entscheidung für ihren neurologisch erkrankten Vater getroffen wird, dass dieser in ein Pflegeheim ziehen muss und sie in dieser Phase ihre Jugendliebe wieder trifft, der aktuell verheiratet ist. Ein Umstand, den beide jedoch nicht von einer Affäre abhält.

„An Einem Schönen Morgen“ ist ein interessantes, feines, sensibles und dezentes Drama geworden, bei dem mir Lea Seydoux im Mittelpunkt des Films sehr gut gefallen hat. Ich verstehe den Antrieb der Regisseurin Hansen-Love, damit durchaus auch einen persönlichen Anstrich zu verarbeiten. Die durchaus bodenständigen, lebensnahen und banalen Momente, die der Film aneinanderreiht ergeben ein sehr stimmiges Bild. Mit 112 Minuten ist der Film jedoch eine Spur zu lang und ausgedehnt für seine verhandelten Themen und Konflikte, weil er sich ein wenig an manchen Stellen wiederholt und im Kreis dreht.

„An Einem Schönen Morgen“ - My First Look – 7/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10445
iHaveCNit: She Said (2022) – Maria Schrader – Universal
Deutscher Kinostart: 08.12.2022
gesehen am 10.12.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Lumiere – Reihe 5, Platz 12 – 20:45 Uhr


Einer der wichtigeren Filme gegen Ende des Jahres startete letzten Donnerstag und ich habe ihn mir natürlich auch angesehen. Basierend auf dem Zeitungsbericht der Journalistinnen Megan Twohey und Jodi Kantor sowie ihrem darauf aufbauenden Buch „She Said“ hat die deutsche Regisseurin Maria Schrader eine Mischung aus Drama und Thriller im Stil bekannter Filme über investigativ journalistische Arbeit wie zuletzt „Spotlight“, „The Post“ und „All The Presidents Men“ sowie einem dahingehend ähnlich gelagerten „Dark Waters“ geschaffen, der bis auf ein paar kleinere Schwächen ein Highlight gegen Jahresende geworden ist und mit Carey Mulligan und Zoe Kazan eines der besten Leinwand-Duos 2022 zu bieten hat.

Megan Twohey und Jodi Kantor arbeiten als Journalistinnen für „The New York Times“. Nachdem Twohey sich bereits im Rahmen der Recherche über sexuelles Fehlverhalten mit dem damals sich im Wahlkampf befindlichen Donald Trump angelegt hat, scheint das Thema „sexuelles Fehlverhalten“ für „The New York Times“ nach einer erfolgreichen Aufdeckung innerhalb „Fox News“ noch nicht abgeschlossen, so dass sich der Blick auch in die Filmindustrie verlagert. Hier gerät dann auch der Filmproduzent Harvey Weinstein ins Fadenkreuz. Doch können Twohey und Kantor sich hier inmitten systematischer Einschüchterungen und Schweigevereinbarungen überhaupt für Enthüllungen sorgen und Weinstein damit zu Fall bringen ?

„She Said“ hat mir richtig gut gefallen. Auch wenn das, was hier auf die Leinwand gebracht noch recht aktuell in den Köpfen und der Ausgang bekannt ist, hat es der Film geschafft durchaus eine Spur Dramatik und Spannung aufzubauen – und mich auch emotional an den Film zu binden, so dass er mich auch emotional mitreißen konnte trotz seines eher nüchtern gehaltenen Stils. Das Thema der Recherche, das letztendlich auch die gesamte #metoo-Welle richtig in Gang gesetzt hat, betrachte ich als Mann aus rationaler Sicht dahingehend, dass das „männliche“ Bedürfnis nach Sex, Intimität und Nähe nicht zu beschämen und ganz normal ist – es aber nicht gerechtfertigt ist, genau das in einer professionellen Machtposition als Hebel zu nutzen, damit zum Beispiel wie im Fall von Harvey Weinstein davon positiv verlaufende Karrierewege für Schauspielerinnen und weibliche Angestellte abhängig sind und diese davon sogar ganz beendet werden können. Nicht zu vergessen die lebenslange Scham mit den Ereignissen zu kämpfen und durch Vereinbarungen sogar diese nicht verarbeiten zu dürfen. Ich bin persönlich kein Freund dieses Systems, womit ich mich mit nahezu jeder wirklich betroffenen Frau, die sich im Rahmen der #metoo-Bewegung geöffnet hat – bis auf entsprechende leider die Bewegung schädigenden Trittbrettfahrerinnen – sympathisiere und meinen Hut vor deren Mut ziehe – und es durchaus eine interessante Casting-Entscheidung im Film ist, dass sich Ashley Judd selbst spielt. Der Film hat durch seine eher nüchterne Inszenierung gerade wenn es um emotionalere Momente geht eine hohe Einschlagwirkung. Hier kann es durchaus der ein oder andere Zufall oder auch die ein oder andere Symbolik weniger sein, die dem Film durchaus gut getan hätte. Gerade das Leinwand-Duo aus Zoe Kazan und Carey Mulligan hat mir richtig gut gefallen und auch die zwischenmenschlichen Momente und Dialoge, gerade vor allem wenn die Erfahrungen der gebrochenen Frauen geschildert werden und auch Männer in diesem System Weinsteins eine Abscheu gegen das zeigen, was in den Erfahrungsberichten geschildert wird. Leider hat es „She Said“ nicht in die Kategorie meiner Top-Filme 2022 geschafft, aber zumindest ist er schon jetzt Teil der Top20 geworden.

„She Said“ - My First Look – 9/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10446
iHaveCNit: Die stillen Trabanten (2022) – Thomas Stuber – Warner
Deutscher Kinostart: 01.12.2022
gesehen am 12.12.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Studio – Reihe 3, Platz 1 – 18:00 Uhr


Stell dir vor es geht dem Jahresende zu. Du merkst, dass du noch Freikarten herumliegen hast und dann auch noch merkst, dass du auf dem ein oder anderen Film geschlafen hast. So erging es mir mit „Die stillen Trabanten“ von Regisseur Thomas Stuber, dessen „In den Gängen“ ich bereits 2018 sehr gemocht habe. Der Trailer hat mich durch Zufall erreicht und dann habe ich mich bereits im Trailer von den Bildern und dem großartigen Ensemble mit unter anderem Martina Gedeck, Charly Hübner und vor allem Albrecht Schuch mitreißen lassen, so dass ich wissen wollte, was sich hinter „Die stillen Trabanten“ verbirgt – ein weiterer guter deutscher Film im Jahr 2022.

In den Nächten wird es still in den Hochhäuserblocks um den Leipziger Hauptbahnhof. Doch ein paar Menschen sind noch in Bewegung. Wie die Zugreinigungsfachkraft Christa, die sich mit der Friseurin Birgitt in einer Bar trifft. Wie der Imbissbudenbetreiber Jens, der gemeinsam mit der Nachbarin Jana im Treppenhaus Zigaretten raucht und dort erfährt, dass sie zum Islam konvertiert ist und sich nun Aisha nennt. Wie der Sicherheitsmann Erik, der auf die Ukrainerin Marika trifft und von ihr fasziniert ist.

Die namensgebenden stillen Trabanten sind laut dem von Albrecht Schuch großartig gespielten Jens die Leipziger Hochhausblöcke, wenn in allen Fenstern das Licht ausgeschaltet worden ist. Doch auch wenn der Großteil des Films bei Nacht spielt, so ist der Film voller Licht und Leben. Die Milieustudie verwebt auf sehr großartige Weise Geschichten über Träume, Hoffnungen, Freundschaft, Liebe, Herkunft, Identität, Sehnsucht und ist damit sehr reichhaltig auch ein Porträt einzelner ostdeutscher Schicksale. Das gesamte Ensemble mit Martina Gedeck, Nastassja Kinski, Albrecht Schuch, Lilith Stangenberg, Adel Bencherif, Andreas Döhler, Charly Hübner, Irina Starshenbaum und Peter Kurth füllt den Film und die Charakter mit sehr viel Leben. Dabei bekommt jedoch nicht jede Geschichte den ausgeglichenen, aus erzählten Rahmen. Dennoch ist der Film ein tolles Sozialdrama und Milieustudie geworden.

„Die stillen Trabanten“ - My First Look – 9/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10447
iHaveCNit: Ein Triumph (2022) – Emmanuel Courcol – Filmwelt
Deutscher Kinostart: 15.12.2022
gesehen am 15.12.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Petit – Reihe 1, Platz 5 – 20:15 Uhr


Aus dem reichhaltigen französischen Filmangebot hat es auch relativ kurzfristig „Ein Triumph“ in meinen Filmkalender geschafft. Der Film, der auf einer wahren Begebenheit aus Schweden basiert, ist ein sehr amüsantes Vergnügen geworden.

Etienne ist Schauspieler aber aktuell sowohl arbeits- als auch erfolglos. So dass er sich mit Gelegenheitsjobs einigermaßen über Wasser hält. Ein neuer Gelegenheitsjob führt ihn in eine Haftanstalt, wo er eine Gruppe von Häftlingen zur Resozialisierung an unter anderem Samuel Becketts „Warten auf Godot“ heranführt und dieses Stück sowohl für ihn als auch seine Schützlinge einen besonderen Wert bekommt. So besonders, dass die Gruppe sogar zu einer kleinen Theater-Sensation wird.

„Ein Triumph“ ist eine sehr amüsante, kompakte Tragikomödie geworden, die mir sehr gut gefallen hat und mich einigermaßen mitreißen konnte. Zwar ist die Reise durchaus vorhersehbar, zwar ist der gesamte Handlungsverlauf dramaturgisch an manchen Stellen holprig und sprunghaft, zwar mag der Film ein wenig Tiefe vermissen, aber dennoch macht der Film sehr viel Spaß und das sehr rohe, wahrhaftige, bodenständige Ensemble der Gruppe von Häftlingen wächst einem im Laufe des Films immer stärker ans Herz.

„Ein Triumph“ - My First Look – 7/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10448
iHaveCNit: Aftersun (2022) – Charlotte Wells – Mubi / A24
Deutscher Kinostart: 15.12.2022
gesehen am 14.12.2022 in OmU in der Spotlight-Sneak
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 4, Platz 9 – 21:00 Uhr
gesehen am 16.12.2022 in OmU
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 4, Platz 9 – 20:45 Uhr


Eigentlich wäre dieses Wochenende nur ein Top-Film, dessen Titel mit einem „A“ beginnt auf meinem Filmkalender aufgetaucht – wäre da nicht die kleine Welle an Filmtiteln, die der Arthouse-Sektor immer wieder ans Land spült. Und hier hält die arthouselastige Streamingplattform „Mubi“ den auf vielen Bestenlisten für 2022 vertretenen Debütfilm der schottischen Regisseurin Charlotte Wells mit dem Titel „Aftersun“, der in Bezug auf Coming-Of-Age und dem Porträt eines Vater-Tochter-Dramas für mich fast genauso stark ist wie Bo Burnhams „Eighth Grade“, auch wenn thematisch eine erfrischend andere Richtung eingeschlagen wird.

Ende der 90er verbringt die junge 11-jährige Sophie einen gemeinsamen Urlaub mit ihrem von ihrer Mutter getrennten Vater Calum an der türkischen Riviera. Die mittlerweile 30-jährige Sophie sieht einen Teil der damals auf Camcorder festgehaltenen Aufnahmen und reflektiert die damalige Zeit inmitten der gemeinsamen Aktivitäten, warum es dazu gekommen ist, dass dies die letzte gemeinsame Zeit mit ihrem Vater gewesen ist.

„Aftersun“ ist ein Film der feinen, zwischenmenschlichen Beobachtungen, in seiner stillen, ruhigen Schilderung der Ereignisse ist es ein Film, der je mehr man sich auf diese Reise mit Sophie und Calum einlässt, je mehr wird einen der Film berühren und emotional mitreißen. Die Bilder des gemeinsamen Urlaubs sind durch die gewählten Kameraperspektiven und auch die Einbindung unterschiedlicher Aufnahmetechniken und Qualitäten durchaus ein interessantes kinematographisches Konzept, die man sich hier für den Film ausgesucht hat. Inmitten von gemeinsamen Poolaufenthalten und klassischen Tourismusaktivitäten bleibt der Fokus aber stets auf dem Vater-Tochter-Drama bei dem Paul Mescal und Frankie Corio eine unglaublich authentische bodenständige Performance liefern. Hier ist der Film durchaus auch zum Teil Coming-Of-Age, wenn es um die kleinen Ansätze einer heranwachsenden Sophie geht, die hier im Urlaub Erfahrungen mit gleichaltrigen und auch leicht älteren Kindern macht. Inmitten der aktuell im filmischen Bereich sehr häufig und oft vertretenen Coming-Of-Age-Filmen sorgt der Film mit einer weiteren interessanten Note für eine Art Alleinstellungsmerkmal. Gerade da wir hier im Film durch die feinen Beobachtungen den Charakter ihres Vaters Calum gezeichnet bekommen ist der Film durchaus auch eine Reflektionsfläche über das Thema Einfluss, Heimat, Identität, Entfremdung und liefert daher am Ende nicht die ganz große Auflösung, sondern eine, die sich durch aufmerksame Beobachtungen während des gesamten Films herausarbeitet und in seiner sonnigen Wärme und seiner leicht schockierenden und tragischen Konklussion einen tollen Abschluss bietet.

„Aftersun“ - My First Look – 9/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10449
Sondervorstellung
iHaveCNit: African Queen (1951) – John Huston – Studiocanal
Deutscher Kinostart: 18.12.2022
gesehen am 18.12.2022 in OmU
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Studio – Reihe 3, Platz 1 – 18:15 Uhr

Normalerweise wäre am 06.12.2022 im Rahmen der „Best of Cinema-Reihe“ von Studiocanal für mich in meinem eigentlich geplanten Kino „African Queen“ dran gewesen. Doch die Vorstellung wurde seitens des Kinos gecancelt, weil die ursprüngliche Snychronfassung nicht den aktuellen Qualitätsstandards entsprochen hat und sich mein eigentlich geplantes Kino gegen die sonst angebotenen Fassungen entschieden hat. Eigentlich hätte ich den Film komplett geskippt, weil mir das Ausweichen auf alternative Kinos die ihn zeigen zu aufwendig gewesen wäre. Doch dann kam das Programm der anderen Kinos meines Vertrauens für Dezember und im Rahmen der Vorstellungsreihe „Cinema Nostalgica“ wurde der Film dann in der OmU-Fassung aufgeführt. Klingt etwas komisch, aber ich denke, dass man sich bei Disneys Themenparkattraktion „Jungle Cruise“ und dem gleichnamigen Film mit Dwayne Johnson offensichtlich von John Hustons Abenteuer-Klassiker hat inspirieren lassen. Dem Abenteuer-Klassiker von 1951 fehlt zwar der Forschungs- und Fantasy-Aspekt – er ist jedoch der wesentlich bessere Film. Klar ist, dass wir uns noch in den Zeiten europäischer Kolonien in Afrika befinden und der Film im Hinblick auf sein Produktionsjahr rassistische Stereotypen bedient. Dennoch ist der Film ein gelungener Abenteuer-Klassiker mit großartig inszenierten, rasanten und spannenden Sequenzen an Bord des titelgebenden Boots „African Queen“ und einem großartigen Dou aus Katharine Hepburns Rose Sayer und Humphrey Bogarts Charlie Allnut, die sich clevere Dialoge zwischen Comedy und Romanze liefern und Hepburns „Rosie“ für die damalige Zeit bereits eine sehr starke, clevere und progressive Frauenrolle gewesen ist. Mir hat der amüsante Abenteuer-Klassiker sehr gefallen.
„African Queen“ - My First Look – 9/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10450
HCN007 hat geschrieben: 18. Dezember 2022 23:16 Mir hat der amüsante Abenteuer-Klassiker sehr gefallen.
Klingt super, womöglich muss ich mich nächstes Jahr (es ist ja langsam Zeit für gute Vorsätze) ein wenig dem Hustenjohnny widmen, da würden dann bestimmt African Queen, aber auch Key Largo und The Sean Who Is King auf dem Programm stehen.
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Zuletzt gesehener Film

10452
iHaveCNit: Dem Leben auf der Spur (2022) – Elfar Adalsteinsson – 24 Bilder
Deutscher Kinostart: 15.12.2022
gesehen am 20.12.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Eldorado - Parkett – Reihe 5, Platz 9 – 20:30 Uhr


Aus der Kategorie von Filmen, die ich nicht auf dem Schirm und erst durch einen Trailer im Kino entdeckt hatte, ist auch relativ kurzfristig „Dem Leben auf der Spur“ bzw. „End of Sentence“ auf meinem Kino-Kalender gelandet, der genau wie ein paar andere kleine Arthouse-Titel doch etwas Varianz in das sonst auf einen sehr großen Filmstart ausgerichtete Kino-Wochenende.

Der gutmütige Frank Fogle und sein inhaftierter, entfremdeter Sohn Sean stehen vor einer schwierigen Aufgabe. Franks Frau und Seans Mutter Anne ist an Krebs verstorben und hat als letzten Wunsch geäußert, dass Frank und Sean ihre Asche in einem See Nordirlands verstreuen. Nur mit sehr großem Widerwillen entscheidet sich Sean Frank zu begleiten, auch wenn er kurz vor der Haftentlassung und einer wichtigen Resozialisierung ansteht – ohne zu ahnen, dass dieser Roadtrip von Alabama nach Nordirland unbekannte Geheimnisse und unverarbeitete Konflikte bereit hält.

Mir hat „Dem Leben auf der Spur“ gut gefallen. Das Vater-Sohn-Gespann aus John Hawkes und Logan Lerman hat durchaus gepasst, auch wenn sich das volle Potential nicht ganz ausschöpfen konnte. Interessant ist durchaus inmitten von Trauerverarbeitung, Verarbeitung unverarbeiteter Konflikte und dem Aufdecken von Geheimnissen wenn auch etwas oberflächlich das Charakterisieren von unterschiedlichen Männlichkeitstypen. Mit dem Roadtrip, der von Alabama nach Nordirland führt, bietet der Film vor allem in seinem irischen Teil sehr schöne Landschaftsaufnahmen.

„Dem Leben auf der Spur“ - My First Look – 7/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10453
Sondervorstellung
iHaveCNit: 1. (Dis)Harmonie ÜberTRASHungsNacht
gesehen am 21.12.2022 in OV
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Parkett - Reihe 3, Platz 9 – 21:00 Uhr

Im Rahmen der Vorstellungsreihe „(Dis)Harmonie – Die Reihe für den abseitigen Film“ der Arthouse-Kinos Frankfurt gab es erstmalig die sogenannte (Dis)Harmonie ÜberTRASHungsNacht, in der in Form einer Sneak ein Double-Feature von 2 ausgewählten Trash-Filmen aufgeführt wird. Thematisch zu Weihnachten und Winter wurden auch 2 unfassbar schlechte Machwerke ausgesucht, die die Grenzen des eigenen Geschmacks ausloten und einfach einen unfreiwillig komischen und unterhaltsamen Abend beschert haben. Den Anfang machte ein 70-minütiges zusammengeschnittenes Mixtape mit Bezug zu Weihnachten mit dem Namen „AGFA Special Christmas Special“. Abgeschlossen wurde der Abend mit der Trash-Horror-Komödie „Winterbeast“, die so schlecht ist, dass man sie mindestens einmal gesehen haben muss.
Ohne Wertung



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Re: Zuletzt gesehener Film

10454
iHaveCNit: Frieden, Liebe und Death Metal (2022) – Isaki Lacuesta – Studiocanal
Deutscher Kinostart: 15.12.2022
gesehen am 23.12.2022 in OmU
Mal Sehn Kino Frankfurt – Reihe D, Platz 10 – 19:30 Uhr


Den Abschluss der Filme in diesem Jahr, die sich um den Terroranschlag in Paris in unter anderem dem Bataclan drehen, macht nach „November“ und „Meinen Hass bekommt ihr nicht“ nun Isaki Lacuesta mit der französisch-spanischen Filmproduktion „Frieden, Liebe und Death Metal“, dass eine weitere interessante Perspektive auf das Ereignis liefert und auf einer wahren Begebenheit beruht.

Das Pärchen Celine und Ramon besuchen am 13.11.2015 das Konzert der „Eagles of Death Metal“. Sie gehören zum Kreis derjenigen an diesem Abend, die den Terroranschlag überleben. Doch beide scheinen auf unterschiedliche Art und Weise damit umzugehen. Während Ramon nicht von dem Ereignis loslassen kann, lebt Celine so, als wäre das Ereignis überhaupt nicht passiert. Die sich daraus ergebenden Differenzen stellen die Beziehung der Beiden extrem auf die Probe.

„Frieden, Liebe und Death Metal“ stellt dieses Mal die Perspektive von betroffenen Überlebenden des Anschlags im Bataclan in den Fokus und liefert einen interessanten, psychologischen und zwischenmenschlichen Eindruck, wie diese mit dem Ereignis und den Nachfolgen zu kämpfen haben. Mir hat hier natürlich gefallen, wie das Duo aus Noemie Merlant und Nahuel Perez Biscayart ihre Charaktere Celine und Ramon mit Leben erfüllen und eine gemeinsame Tour de Force abliefern dürfen. In einer der ersten Einstellungen des Films sehen wir fallende und schwebende Partikel in der Luft. Der Film liefert uns partikelhaft Momente aus dem Jahr von Celine und Ramon nach diesem traumatischen Ereignis und zeigt uns auf welch unterschiedliche Art und Weise beide mit diesem persönlichen Trauma umgehen und wie sie dieses verarbeiten. Interessant auch, wie sich der Fokus der Traumaverarbeitung im Film zwischen Celine und Ramon verschiebt. Leider hat sich genau das auch streckenweise in die Länge gezogen und etwas redundant um sich selbst gedreht. Auch wenn wir uns hier von den 3 Eingangs erwähnten am stärksten bereits in der Perspektive der direkt betroffenen auch im Konzertsaal des Bataclan wiederfinden, so bleibt der Film auf der wenig voyeuristischen und eher respektvolleren Seite. Gerade hier ist interessant, wie die partikelhaften Fetzen und Rückblicke Dinge wiedergeben, die sich gerade im Bezug auf die Glaubwürdigkeit und wirklichkeitsgetreue Wiedergabe der Ereignisse vielleicht auch ein wenig unzuverlässig erweisen kann. Zuverlässig dennoch ist, dass mir der Film gefallen hat.

„Frieden, Liebe und Death Metal“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10455
iHaveCNit: Oskars Kleid (2022) – Hüseyin Tabak – Warner
Deutscher Kinostart: 22.12.2022
gesehen am 24.12.2022
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 5 – Reihe 13, Platz 10 – 14:00 Uhr


Das Film- und Kinojahr 2022 neigt sich für mich auch so langsam dem Ende zu. Doch bis dahin gilt es für mich noch einen durchaus vollgepackten Marathon bis zur Ziellinie am 31.12.2022 zu laufen. Teil dieses Marathons ist nun auch der letzte deutsche Film des Jahres mit dem Titel „Oskars Kleid“, der von Hüseyin Tabak nach einem Drehbuch von Florian David Fitz inszeniert worden ist. Und mir hat „Oskars Kleid“ sehr gut gefallen.

Polizist Ben hat immer noch daran zu knabbern, dass seine Frau Mira sich von ihm getrennt hat, mittlerweile mit einem anderen Mann zusammenlebt und er auch nur noch sehr selten mit seinen Kindern – seiner Tochter Erna und seinem Sohn Oskar – Zeit verbringt. Doch sein Typ ist wieder gefragt, als Mira schwanger und verletzungsbedingt im Krankenhaus liegt und die Betreuung der Kinder sicher gestellt sein muss. Doch Ben ist irritiert, denn Oskar scheint eine Vorliebe für Kleider zu haben und er nennt sich fortan Lilli. Inmitten seiner Irritation und seiner eigenen Erwartungshaltung und seinem Anspruch als Vater an Oskar versucht er mit der Situation umzugehen. Doch das benötigt Zeit und ist natürlich auch mit einigen Rückschlägen und Fehlern verbunden und oft verliert Ben inmitten des eigenen, inneren Konflikts die wichtigen und richtigen Entscheidungen und die Gefühle von Lilli aus den Augen.

„Oskars Kleid“ verhandelt durchaus ein paar interessante, moderne Themen auf sehr ambivalente, vielseitige, wenn auch etwas oberflächliche und nicht in die Tiefe gehende Art und Weise. Er liefert im Gewand einer aktuell für die typischen Sehgewohnheiten angepasste deutsche Tragikomödie die im Kern vor allem den elterlichen Umgang mit der Selbstfindung der eigenen sexuellen Identität des Kindes. Hier ist es vor allem die Perspektive des von Florian David Fitz gespielten Ben, der bedingt durch einen Teil seiner Erziehung und seines Umfelds durchaus von toxisch männlichen Dynamiken geprägt ist und natürlich eigene Ideale, Ansprüche und Erwartungen an seinen Sohn knüpft und dessen Welt erst einmal komplett aus den Fugen gerissen wird, wenn sich sein Sohn nun als Tochter fühlt und statt Oskar als Lilli identifiziert. Gerade in seiner wenn auch oberflächlichen und nicht sehr tiefen Auseinandersetzung ist der Film durchaus vielseitig darin, viele Positionen darzustellen und einzunehmen. Manch einer mag dem Film vorwerfen, mitunter auch transphobe Positionen und Verhaltensweisen zu präsentieren, doch ich bin der Meinung, dass diese offensichtlich problematischen Fehler auch in der Charakterentwicklung von Ben nötig sind, daraus zu lernen und in der Rolle des Vaters zu wachsen. Klar sorgt der Film an manchen Stellen für durchaus sehr unangenehme Momente, wenn Ben versucht das Richtige aus falscher Motivation und Unwissenheit heraus zu tun. Es ist durchaus im Umgang damit für Eltern nicht immer einfach und es braucht Zeit und das schildert der Film in meinen Augen gut – damit der Weg für Toleranz, Akzeptanz und vor allem Liebe geebnet wird. Doch das volle Potential entfaltet der Film nicht. Dafür blickt man zu wenig in die Welt des von Jungschauspieler*in Lauri gespielten Oskar/Lilli, so dass der Film nur teilweise den Betroffenen selbst Raum gibt, sich zu äußern und eher mehr über Betroffene geredet wird, statt sie aktiv mit einzubinden. Denn genau das hätte dem Film wesentlich mehr Faszination und Magie gegeben, denn die Szenen in denen Lilli Raum gegeben wird, sind für mich Highlights des Films.

„Oskars Kleid“ – My First Look – 8/10 Punkte.
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