Re: Zuletzt gesehener Film

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iHaveCNit: Nico (2022) – Eline Gehring – UCM.ONE
Deutscher Kinostart: 12.05.2022
gesehen am 12.05.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Kleine Harmonie – Reihe 3, Platz 9 – 18:45 Uhr


Eine Frau in einem Karate-Gi mit bedrohlichem Ausdruck und kampfbereiter Haltung hat sich mir vor wenigen Wochen als Plakat im Kino geboten. In gelben Lettern stand kurz und knapp „Nico“ auf dem Plakat, am 12. Mai soll er ins Kino kommen und ich habe mich gefragt, was es wohl mit „Nico“ auf sich hat, bis ich neugierig wie ich bin etwas damit beschäftigt habe und es danach klar war, dass ich ihn mir auch ansehe. Vor allem auch sehr passend, weil Hauptdarstellerin Sara Fazilat gerade für ihre Rolle mit einer Nominierung für den deutschen Filmpreis in der Kategorie „Beste weibliche Hauptrolle“ gewürdigt worden ist.

Die junge, lebensfrohe und resolute, deutsch-persische Altenpflegerin Nico lebt in Berlin gemeinsam mit ihrer Kollegin und Mitbewohnerin Rosa und verbringt unbeschwert den Sommer bis sie eines Abends bei einem gewaltsamen Vorfall mit rassistischen Tendenzen schwer verletzt wird und sich darauffolgend wieder zurück ins Leben und gegen die traumatische Erfahrung kämpft.

„Nico“ ist mit 75 Minuten ein sehr kurzer, kleiner und kompakter Film, der einen sehr authentischen Blick auf das Milieu liefert, in dem er spielt. Mit einigen Laiendarstellern, die sich quasi selbst verkörpern und der sehr nahen Kamera erhält der Film fast einen dokumentarischen Anstrich. Der Kern des Films lastet weitestgehend auf den Schultern von Sara Fazilat in der Rolle der Nico, die diese harte Aufgabe spielend meistert und deren Reise mit der Traumaverarbeitung sehr spannend und mitreißend gespielt und erzählt worden ist. Auch wenn der Film und sein Plot als solches spannend und mitreißend erzählt worden ist, steht der Film bei konkreter Betrachtung und Wertung des Vorfalls etwas auf wackeligen Beinen, da der Vorfall selbst aus meinen Augen wesentlich konfliktfreier, deeskalierender und diplomatischer hätte gelöst werden können, ohne auch den Anstrich eines rassistischen Vorfalls zu bekommen, den sich der Film in seinem Framing selbst auf die Fahne geschrieben hat.

„Nico“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

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DonRedhorse hat geschrieben: 12. Mai 2022 13:21
craigistheman hat geschrieben: 12. Mai 2022 01:55
Casino Hille hat geschrieben: 3. Mai 2022 23:29 Ich ha-ha-hasse "Die fabelhafte Welt der Amelie". Ein grauenvoller Film über eine unsympathische Person, die mir als "süß" aufgedrängt wird.
Ein geradezu faschistisches Machwerk dieser Postkartenkitsch
Harter Vorwurf. Kannst Du das näher erläutern? Vermutlich, weil es die Kritik gibt, ein Paris ohne POC etc. zu zeigen?
Das war zugegeben mit Absicht sehr provokant formuliert, aber ich erläutere:

Der Film propagiert ein meines Erachtens widerlich plattes, kitschiges und völlig entpolitisiertes Glücksideal, das alle Zuschauer*innen gleichermaßen berühren und ansprechen soll, nach dem Motto „es geht eben vor allem um die kleinen Dinge des Lebens“. Um dieses Ideal zu erreichen, schreckt Amelie - die sich aus nebulösen Gründen als moralische Instanz über andere erhebt - zum Beispiel nicht zurück, das Gesetz am laufenden Band zu brechen.
Sie horcht aus, lügt, bricht ein, verhält sich übergriffig - alles Praxen, die wir aus totalitären Regimen kennen, und so niemals billigen würden. Letztlich oktruiert sie anderen ihre persönliche Vision von Glück auf, stellt sich aber an keiner Stelle des Filmes die Frage, ob das auch erwünscht ist.
Diese kleinen Dinge des Lebens, auch bekannt unter dem Modewort „Care“ sind ein wunderbares Refugium, um sich eben nicht mit möglicherweise wichtigeren Dingen, wie den Strukturen eines Staates oder Systems auseinanderzusetzen, die viele, im Film dargestellten Missstände erst möglich machen. In Amelies fabelhafter Welt akzeptieren alle hurra schreiend und mit Demut ihren Platz in der Gesellschaft, selbst der Obdachlose am Bahnhof hat einen flotten Spruch auf den Lippen.
Hinzu kommen dieser pseudoartsy Postkarten-Kitschlook, der Paris ach so urig machen soll, ganz wie es sich die Amis vorstellen, wenn sie die Stadt das erste Mal besuchen (sind sie einmal physisch vor Ort, bleibt es dann für viele auch bei einem einmaligen Besuch) und Yann Tiersens Dauergedudel als ultimative Betäubungsgeschosse, dass es nur noch so vor Rührseeligkeit und Glück sprudelt. Brot und Spiele für das dumme Volk, das ja jetzt sieht, wie es gefälligst glücklich zu sein hat und die Fresse zu halten.

Re: Zuletzt gesehener Film

10143
Ja, das würde ich alles fast genau so unterschreiben, vielleicht etwas weniger spitz. Aber genau das ist, was ich an "Amelie" nicht leiden kann: Die Figur ist wahnsinnig unsympathisch und manipulativ, genau wie der ganze Film. Da wird "Glückseligkeit um jeden Preis" propagiert, was ich weder im realen Leben noch in der Fiktion wünsche. Kitsch pur und nicht mehr oder weniger verlogen als das einschlägige Feel-Good-Fernsehen in ARD und ZDF Sonntagabendsendungen.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10144
Für mich ist das einfach nur ein charmantes Märchen mit einfallsreicher, typisch Jeunetscher Bildgestaltung und Inszenierung. Der Vorwurf des Kitsches geht finde ich ein Stückweit am Ziel vorbei, weil es ja bewusster Kitsch ist. Kitsch als Stilmittel sozusagen. Das muss man nicht mögen und ja, am Ende ist es immer noch Kitsch, aber es ist eben gewollter Kitsch mit einem bestimmten Zweck. Eine Ode an die kleinen Dinge des Lebens, die eben tatsächlich für den Einzelnen das Entscheidende im Leben sind. :)
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Zuletzt gesehener Film

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Kitsch ist nicht mein Vorwurf, als bekennender größter "Titanic"-Fan des Forums. Die Verlogenheit und die mir enorm unsympathische Hauptfigur (bzw. die merkwürdige Ideologie dahinter) sind meine Vorwürfe. :) Gut gemachter Kitsch ist für mich eigentlich nie ein Problem.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10147
Casino Hille hat geschrieben: 17. Mai 2022 10:49 Kitsch ist nicht mein Vorwurf, als bekennender größter "Titanic"-Fan des Forums. Die Verlogenheit und die mir enorm unsympathische Hauptfigur (bzw. die merkwürdige Ideologie dahinter) sind meine Vorwürfe. :) Gut gemachter Kitsch ist für mich eigentlich nie ein Problem.
Ich mag auch "Titanic". Es kommt noch schlimmer: Ich finde sogar "Bodyguard" mit Kevin Costner und Whitney Houston richtig gut. :oops:
Wobei ich ohnehin nicht verstehe, warum beide Filme immer als große "Kitschfilme" gesehen werden. Trotz des "Kitsch" haben sie auch einige echt gut gemachte Actionszenen und sind auch recht spannend.
"Verstehen Sie mich nicht falsch es ist nichts persönliches, es ist was rein geschäftliches."

Re: Zuletzt gesehener Film

10148
iHaveCNit: Spotlight-Sneak 18.05.2022
Überraschungsfilm in OmU mit unbekanntem Kinostart
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Parkett – Reihe 4, Platz 9 – 21:00 Uhr

Spotlight-Sneak Nummer 9 für mich im Jahre 2022.


Wie immer ein Überraschungsfilm mit unbekanntem Kinostart aus dem Programm der Arthouse-Kinos Frankfurt – meist aus der kommenden oder übernächsten Kinowoche – Mit Anmoderation, gelegentlichem Gewinnspiel und am Ende darf eine Wertung abgegeben werden.

Da am 04.05.2022 sowohl Hinweis als auch Auflösung nicht erfolgt war, bleibt mir dort nur zu sagen, dass ich zu „Sundown – Geheimnisse in Acapulco“ keinen einzelnen Eintrag verfasst habe. Dieser hat eine Wertung von 2,7 erhalten.

Das Ranking an der Stelle:

1. Come On Come On (1,9) / Der schlimmste Mensch der Welt (1,9)
2. Abteil Nr. 6 (2,0) / Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush (2,0)
3. Belfast (2,2) / Was geschah mit Bus 670 ? (2,2)
4. Licorice Pizza (2,5)
5. Spencer (2,7) /Sundown (2,7)

Der Hinweis war folgender:
+++ Spotlight-Hinweis +++

Ja, ja.. wir wissen ja schon Bescheid. Heute Abend ist die Konkurrenz besonders groß. Auch unsere Herzen sind natürlich bei Eintracht Frankfurt. Wir tippen natürlich auf nichts weiter als den Sieg. Wer bis dahin, aber doch lieber einen sehenswerten Überraschungsfilm entdecken möchte, der ist bei uns richtig.
Unser Hinweis: Wann war das letzte Mal, dass ihr es wirklich so richtig übertrieben habt, um etwas, dass ihr wolltet, unbedingt zu erhalten? Für die Protagonisten im heutigen Film geht es um vieles - für manche um alles. Und wir als ZuschauerInnen können uns nur fragen: Wie kann man sich das bitte freiwillig antun?
Neugierig geworden? Kommt vorbei, es gibt noch Karten für die heutige Spotlight Sneak. Wir freuen uns auf euch!

Der Film selbst ist für mich bereits einen Tag später auf der Liste und einer der Starts des 19.05.2022, den ich mir auch noch auf deutsch ansehe.

Die Auflösung:
+++ Spotlight-Auflösung vom 18.05.2022 +++

In der heutigen Spotlight Sneak haben wir euch das Langfilmdebüt von Bastian Günther One Of These Days - Film 2020 gezeigt.
Eine Stadt, ein Auto, ein Traum: Jedes Jahr veranstaltet ein Autohaus in der texanischen Provinz einen beliebten Ausdauerwettbewerb, bei dem es einen brandneuen Pick-Up-Truck zu gewinnen gibt. Wer am längsten die Hand am Wagen behält, darf diesen sein Eigen nennen. Für 20 Menschen heißt es, Tag und Nacht gegen Schlafdefizit, Hitze und hochkochende Emotionen anzukämpfen, während um sie herum ein Volksfest tobt. Der Film startet morgen, 19.5. bei uns in der Harmonie.
Eure Bewertung = 2,1
Note 1 = 9x
Note 2 = 8x
Note 3 = 7x
Note 4 = 3x
Note 5 & 6 = 0x
Die nächste Spotlight findet dann wieder in zwei Wochen am 1.6. statt. Wir freuen uns auf euch.

Das Ranking an der Stelle:

1. Come On, Come On (1,9)
Der Schlimmste Mensch der Welt (1,9)
2. Abteil Nr. 6 (2,0)
Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush (2,0)
3. One Of These Days (2,1)
4. Belfast (2,2)
Was geschah mit Bus 670 ? (2,2)
5. Licorice Pizza (2,5)
6. Spencer (2,7)
Sundown (2,7)

Eigene Note: 2
Wertung: 8/10


iHaveCNit: One Of These Days (2022) – Bastian Günther – Weltkino
Deutscher Kinostart: 19.05.2022
gesehen am 18.05.2022 in OmU im Rahmen der Spotlight-Sneak
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Parkett - Reihe 4, Sitz 9 – 21:00 Uhr
gesehen am 19.05.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Kleine Harmonie - Reihe 3, Sitz 9 – 20:30 Uhr


Einer der interessantesten Filme und Filmideen in diesem Jahr kommt vom deutschen Regisseur Bastian Günther, der sich einem hierzulande eher unbekannten Wettbewerb widmet, der lange Zeit in den ländlichen Regionen im US-Bundesstaat Texas ausgefochten worden ist, und zum Teil auf tatsächlichen Ereignissen, die sich bei diesem Wettbewerb ereignet haben. „Was würdest du tun und wozu wärst du bereit, um ein Ziel zu erreichen ?“ ist hier eine passende Fragestellung. Wozu Menschen bereit sind, wenn es um einen großen Gewinn geht, gab es zuletzt ja bereits in der südkoreanischen Netflix-Serie „Squid Game“ zu sehen. Auch wenn „One Of These Days“ nicht ganz so radikal ist, ist er nicht minder spannend und interessant.

Kyle verdingt sich in einer Burgerbude und hat finanziell alle Hände voll zu tun, seine Frau und seinen jungen Sohn über die Runden zu bekommen. Doch er hat den Traum ein neues, sorgenfreies Leben zu beginnen. Nur der dafür notwendige Wagen fehlt ihm noch. Da passt es gut, dass das örtliche Autohaus gerade den jährlichen „Hands-On“-Wettbewerb veranstaltet – der Hauptgewinn ist ein nagelneuer Pick-Up – der Einsatz besteht darin, so lange wie möglich mit einer Hand an diesem Pick-Up stehen zu bleiben, bis man als letzter noch steht. Kyle nimmt an der Auslosung der Teilnehmer teil und wird sogar ausgewählt. Wie weit wird Kyle gehen und wird er mit diesen Strapazen fertig ?

„One Of These Days“ ist eine sehr spannende Gesellschaftsstudie geworden, die sich sehr kritisch mit dem amerikanischen Traum auseinandersetzt und zeigt, zu welchen Mitteln Menschen greifen, wenn sie durchaus verzweifelt sind und unbedingt etwas erreichen wollen. Wie sich Menschen dabei auch auf psychologischer Ebene verändern und was das mit ihnen macht. In Texas, im früheren wilden Westen ist durch diese Art des Wettbewerbs eine neue Art des „Last Man Standing“, dass durchaus in seinem komprimierten Raum sehr darwinistisch ist. Im Film selbst gibt es neben Kyle, der sehr vielschichtig von dem aus „Peaky Blinders“ und „Gangs of London“ bekannten Joe Cole gespielt wird auch noch die von Carrie Preston gespielte PR-Managerin Joan, die selbst mit Problemen zu kämpfen hat. Ergänzt wird der Cast durch ein tolles und sehr vielseitiges Ensemble aus unterschiedlichsten Charakteren, die um den Wagen herumstehen und alle ihre eigenen wenn auch weniger präsentierten Hintergründe und Motivationen haben und auch unterschiedlichste Techniken und Strategien entwickeln, am längsten durchzuhalten. Gerade wenn der Film sich nicht vom Verkaufshof entfernt, auf dem das Event stattfindet, wird das zum spannenden und auch auch auf psychologischer Ebene interessant zu beobachtendes Kammerspiel mit einigen auch überraschenden Ideen bis es zu einer Tragödie kommt, auf die ich hier nicht näher eingehen werde. Das, was aber letzten Endes dazu führt, dass dem Film selbst leicht die Hand von der Oberfläche des Pick-Up-Trucks gleitet ist sein schwankendes Pacing, seine Struktur und auch ein paar kleine Ideen, die sich für mich nicht ganz ins große Bild des Films einfügen möchten.

„One Of These Days“ – My Second Look – 8/10 Punkte
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Re: Zuletzt gesehener Film

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iHaveCNit: Stasikomödie (2022) – Leander Haußmann – Constantin Film
Deutscher Kinostart: 19.05.2022
gesehen am 22.05.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Lumiere – Reihe 5, Platz 12 – 17:30 Uhr


Zeit für ein wenig „Ostalgie“ im Kino bietet Leander Haußmanns „Stasikomödie“, die ich mir von den dieswöchigen Kinostarts auch im Kino angesehen habe. Eine satirische Aufbereitung von politischen und spionagetechnischen Themen im deutschen Kino hat mich bereits im letzten Jahr bei „Curveball“ begeistert und daran hat mich auch ein wenig der Trailer und die Konzeption von „Stasikomödie“ erinnert, auch wenn er nicht ganz so bissig ist und sich eher wie eine Portion Wohlfühlkino anfühlt.

Ludger Fuchs ist Bestsellerautor, aber auch ein ehemaliger Mitarbeiter der Stasi. Eine große Familienzusammenkunft ist Anlass für ihn, Jahrzehnte später Einblick in seine Akte zu werfen. Bei der Sichtung der Akten kommt es schnell zum Brief einer Verehrerin, die nichts mit seiner Frau zu tun, die auch zur gleichen Zeit kennengelernt hat. Er fühlt sich an die Zeit erinnert, in der er als junger Mitarbeiter der Stasi in ein Team einberufen wurde, die Künstlerszene in Berlin zu unterwandern und auszuspionieren. Als lyrisch begabter Freigeist findet er auch sehr schnell Anschluss und steht irgendwann vor der persönlichen Entscheidung seiner eigenen Zukunft.

Es ist immer ein klassischer erzählerischer Kniff, von einer gegenwärtigen Situation über eine Retrospektive zurück in die Vergangenheit zu gehen. Der Film nutzt diesen Kniff auch auf relativ einfache und entspannte Weise. Dabei nimmt uns der Film auf eine Zeitreise mit in die 80er Jahre in Ostberlin, was er auch durch seine Bildgestaltung und sein gesamtes Design über die Kostüme und die Sets perfekt umgesetzt hat und eine stimmige Atmosphäre schafft. Die Mischung aus Jörg Schüttauf und David Kross in der Rolle des Ludger Fuchs passt und vor allem der spätere Zwiespalt ist bei Jörg Schüttauf zu spüren, genauso wie diese leicht naive, aber auch leicht geniale Verträumtheit bei einem David Kross zu spüren ist. Aus dem Rest des Ensembles sticht vor allem auch Henry Hübchen als Vorgesetzter von Ludger Fuchs hervor. Sonst war ich von ein paar kleineren Gastauftritten in Nebenrollen auch überrascht. Der Film liefert in seiner gesamten Umsetzung durchaus einen Hauch von leichter und harmloser „Ostalgie“, die durchaus eher den Charakter des Wohlfühlkinos bietet. In seinem gesamten Verlauf hat der Film einiges an sehr skurrilen Sequenzen und Momenten zu bieten, die alle durchaus unterhaltsam und amüsant gewesen sind. Bei den Methoden und der Darstellung der Stasi ist es auch unterhaltsam und amüsant, aber gerade hier stellt sich für mich die Frage, ob man hier aus satirischer Perspektive bewusst oder unbewusst stellenweise das Ganze ein wenig zu prägnant der Lächerlichkeit preisgegeben hat. Genau diese sehr unklare Intention und Interpretationsmöglichkeit ist ein eher problematischer Punkt mit Blick auf „Stasikomödie“, der mich gerade weil er Teil einer losen Trilogie von Haußmann ist, erinnert, auch „NVA“ und „Sonnenallee“ einmal in Augenschein zu nehmen.

„Stasikomödie“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

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Being The Ricardos (Nicole Kidman, Javier Barden, J.K. Simmons)

Wenn es eine Zeit gibt, die ich wirklich nicht mag, dann vermutlich die bieder-bleiernen 50er, speziell in den USA. Dementsprechend ungern sehe ich Filme, die in dieser Zeit spielen, und daher hatte ich gewisse Berührungsängste mit dieser Amazon-Produktion – komplett zu unrecht, denn „Being The Ricardos“, der hinter den Kulissen der realen Live-Fernsehshow „I Love Lucy“ spielt, ist ein ungemein kurzweiliges und spritziges Vergnügen. Das liegt natürlich zunächst an Regisseur und Autor Aaron Sorkin, der für seine brillanten Drehbücher für „The Social Network“ und „Steve Jobs“ bekannt ist.

Wir begleiten die beiden Hauptdarsteller der Serie durch eine komplette Produktionswoche, angefangen von ersten Drehbuchbesprechungen am Montag bis zur Aufzeichnung der Sendung am Freitag. Den Auftakt machen Gerüchte, der kubanisch-stämmige Desi (Javier Bardem) betrüge seine (auch im echten Leben) Ehefrau Lucille (Nicole Kidman). Gleichzeitig werden Lucille Verbindungen zum Kommunismus nachgesagt, was in den 50ern, McCarthy lässt grüßen, für jeden Künstler das Aus bedeuten konnte. Weitere Themen: Wie lässt sich Lucilles Schwangerschaft in die Serie integrieren, wo doch in den 50ern schon das Wort „schwanger“ für Ohnmachtsanfälle anständiger Amerikaner sorgte? Reibereien und Einmischungen im kreativen Schaffungsprozess, Lucilles Perfektionismus, wenn es um Tempo und Logik einer Szene geht und sie sich immer wieder in Entscheidungen einmischt und den Regisseur quais-entmachtet, das alles wird enorm kurzweilig und in glänzenden Dialogen erzählt, bei denen jedes Wort sitzt.

Bardem hätte durchaus mehr Screentime vertragen, Nicole Kidman habe ich so stark wie noch nie erlebt. Die Entscheidung, der ganzen Geschichte noch eine Rahmenhandlung zu verpassen, indem – Jahrzehnte später – die damals involvierten Produzenten und Drehbuchautoren in kurzen Interviewsequenzen die Geschehnisse Revue passieren lassen, fand ich in ihrer Wirkung relativ genial.
"Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen."

Re: Zuletzt gesehener Film

10151
Aaron Sorkin hat mit "Eine Frage der Ehre", "The West Wing", "The Social Network" und "Steve Jobs" wirklich unglaubliche Drehbücher geschrieben, die literarisch ihresgleichen suchen. Seine jüngeren Projekte "The Trial of the Chicago 7" und "Being the Ricardos" haben mich aber dafür ordentlich genervt, mittlerweile haben seine Dialoge und Schlagabtausche für mich an Raffinesse und Spritzigkeit fast vollständig verloren. Leider.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10153
iHaveCNit: Die Täuschung (2022) – John Madden – Warner
Deutscher Kinostart: 26.05.2022
gesehen am 26.05.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Lumiere – Reihe 5, Platz 12 – 15:15 Uhr


Ja, ich weiß, dieses Wochenende steht bei mir auch ganz im Zeichen des neuen Tom-Cruise-Action-Blockbusters „Top Gun: Maverick“, den ich bereits gesehen habe, mir aber für die geschriebenen Zeilen noch etwas Zeit lasse. Gerade weil noch eine zweite Sichtung anstehen wird. Aber man darf bei dem Blockbuster nicht vergessen, dass dieses Wochenende auch im eher arthouselastigen Sektor interessante Filme kommen. Einer davon ist ein Film, der soweit ich mich erinnern kann bereits im Januar starten sollte, aber dann auf Ende Mai verschoben worden ist. Vermutlich auch, weil im Januar mit Christian Schwochows „München – Im Angesicht des Krieges“ bereits ein im zweiten Weltkrieg verorteter Spionagethriller einen kleinen Kinorelease und einen umfassenden Netflix-Release bekommen hat. Die Rede ist von John Maddens „Operation Mincemeat“, der hierzulande unter dem Titel „Die Täuschung“ erscheint. Bei John Madden hat mir bereits sein voriger Politthriller „Die Erfindung der Wahrheit“ bzw. „Miss Sloane“ mit Jessica Chastain gefallen – und „Die Täuschung“ setzt dort auch an.

Im Jahre 1943 planen die britischen Streitkräfte eine Invasion Siziliens und es wird mit einem desaströsen Gegenschlag der deutschen Streitkräfte gerechnet, so dass sich unter Winston Churchills Befehl und der Führung des Geheimdienstdirektors Admiral John Godfrey eine Spezialeinheit bildet, die gemeinsam an einer List arbeitet, die absolut wasserdicht die deutschen Streitkräfte vom Gegenschlag in Sizilien abbringen soll. Die Täuschung ist, dass eine Leiche mit Fehlinformationen auf ganz natürlichem Weg in die Hände der Deutschen fallen soll.

Eine Sache am Film, die für mich als großen Fan der Film- und Buchreihe „James Bond“ sehr interessant war ist, dass Ian Fleming, Autor der Bücher und Erfinder von James Bond – der selbst Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes war – auch Teil der Spezialeinheit war. So ergibt sich im Film selbst durchaus der ein oder andere witzige und amüsante Moment für Bond-Fans – und sein Darsteller Johnny Flynn . Im Kern jedoch ist der Film ein spannender Spionagethriller, bei dem jedes einzelne Detail wichtig ist und abgewogen werden muss, damit die Angelegenheit einer Leiche, die im Wasser platziert und an Land gespült wird absolut wasserdicht sein muss, da nahezu jeder kleine Fehler, der die deutsche Seite davon überzeugen könnte, dass es sich um eine List handelt, alles zunichte machen könnte. Dabei ist gerade das Erschaffen einer Hintergrundgeschichte auch sehr interessant und mit welcher Akribie diese ausgearbeitet wird. Und natürlich auch welche Auswirkungen das auf das Gefüge im Team hat. Da fällt mir gerade das Dreieck aus den Rollen der Darsteller von Colin Firth, Matthew MacFadyen und Kelly MacDonald ein und auch das brüderliche Verhältnis von Colin Firths Charakter mit dem Charakter von Mark Gatiss, das allesamt für Spannungen sorgt, die dem Film auch neben dem Gelingen der Mission eine auch persönliche emotionale Tragweite gibt. Das gibt dem eigentlich nüchtern und trocken erscheinenden auf historischen Begebenheiten basierenden Spionagethriller das gewisse Etwas.

„Die Täuschung“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10154
iHaveCNit: Maixabel (2022) – Iciar Bollain – Piffl Medien GmbH
Deutscher Kinostart: 26.05.2022
gesehen am 28.05.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Kleine Harmonie – Reihe 3, Platz 9 – 15:15 Uhr


An diesem Wochenende startet neben Action und Spionage auch im Arthouse-Sektor ein stark gespieltes Drama über die persönlichen Schicksale hinter dem in Spanien über Jahrzehnte andauernden Terror der ETA. „Maixabel“ von Iciar Bollain ist bei mir zuerst durch einen Trailer im Kino auf dem Radar erschienen und hat mein Interesse geweckt, was sich im Nachhinein als richtig erwiesen hat.

Im Jahre 2000 wird der spanische Politiker Juan Maria Jauregui bei einem Attentat der ETA, an dem unter anderem Ibon Etxezarretta und Luis Carrasco beteiligt sind, ermordet. Jahre später werden beide inhaftiert, während die Witwe von Jauregui, die Politikerin Maixabel Lasa immer noch die Trauer verarbeiten muss und den politischen Kampf gegen den Terror weiterführt, bis sich 10 Jahre später die Möglichkeit des klärenden Dialogs zwischen Maixabel und Ibon sowie Luis ergeben wird.

Das Drama von Iciar Bollain beleuchtet weniger die Hintergründe und die Geschichte der ETA und dem spanischen politischen Kampf gegen den Terror der ETA, sondern beschäftigt sich eher auf intimer und persönlicher Art und Weise mit dem Drama der daran Beteiligten, sowohl auf der Seite der Täter als auch der Opfer – am Beispiel eines tatsächlichen Mordattentats und den Folgen. Dieses Drama über die Verarbeitung von Trauer, Schuld, Sühne und Reue sorgt für ein paar extrem gut gespielte Sequenzen bei denen neben den starken Dialogen zwischen vor allem Blanca Portillo und Luis Tosar auch die nonverbalen Nuancen und damit verbundenen Emotionen und Gefühle für sich sprechen – und dort spürbar ist, mit welchen Folgen sowohl die Opfer- als auch Täterseite zu kämpfen hat und in welchem Spannungsfeld Rechtsprechung und Genugtuung liegen. Ganz interessant ist für mich auch aus filmischer geografischer Sicht ein Blick in das Baskenland um die Region in Tolosa. Insgesamt ein Drama, in dessen Thema ich nicht wirklich investiert war, aber der Film es durchaus geschafft mich einigermaßen emotional an das Thema zu binden.

„Maixabel“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10155
Sondervorstellung
iHaveCNit: Das Starke Geschlecht (2022) – Jonas Rothlaender – missingFilms
Deutscher Kinostart: 26.05.2022
gesehen am 31.05.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 4, Platz 9 – 20:45 Uhr

Für Jonas Rothlaenders experimentellen und minimalistischen Dokumentarfilm „Das Starke Geschlecht“ gibt es leider keinen ausgeweiteten Kinostart im Raum Frankfurt, doch meine Arthouse-Kinos des Vertrauens haben ihn für die monatliche Sondervorstellung in der Reihe „Schamlos Harmlos – Die Reihe für Queer-, Sex- und Subkultur“ in im Rahmen der Kinotour ins Programm nehmen können mit Anwesenheit des Regisseurs Jonas Rothlaender und dem Gestalttherapeut Daniel Arncken des Informationszentrums für Männerfragen e.V in Frankfurt – so dass im Anschluss nach dem Film noch ein Film- und Fachgespräch folgte. Der Film selbst konfrontiert eine Auswahl von ca. 10 Männern in einem intimen, abgefilmten Interviewsetting mit schriftlichen Statements anonymer Männer und deren Ansichten zu Sex, Identität, Rollenbildern und ist dabei hautnah, reflektiert, herausfordernd, schonungslos und auch teils unangenehm – aber er gibt Männern den Raum zu reden, zu reflektieren, Tabus zu brechen und gehört zu werden, was ich persönlich auch als sehr wichtigen Schritt in unserer Gesellschaft finde.
„Das Starke Geschlecht“ - My First Look – Ohne Wertung
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