danielcc hat geschrieben: 27. April 2022 15:27
Was ich mit meiner Aussage zu Sequels meinte: Es mag im Widerspruch zu deiner Aussage stehen, aber ich glaube das tut es gar nicht. Für mich sind die Sequels, die nicht funktionieren oft die, die nur das Kopieren und Verstärken was das Original auf OBERFLÄCHLICHE Weise betrachtet zum Erfolg gemacht hat, aber die Feinheiten hinter dem Erfolg nicht verstanden haben. Was man dann oft sieht ist: mehr Action, mehr Sprüche, mehr Gewalt, mehr Sex, (mehr CGI), längere Laufzeit.
Ok, verstehe was du meinst. Wobei ich das reine Mehr an Schauwerten bzw. inhaltlichen Trademarks eines Originals nicht per se als eine schlechte Sache einstufen würde. FRWL oder Das Imperium schlägt zurück machen genau das ja auch, ohne dass man dadurch qualitativ gegenüber dem Original einbüßen würde. Problematisch wird das dann, wenn es zum reinen Selbstzweck wird bzw. über inhaltliche Defizite hinwegtäuschen soll. Und das ist ja leider tatsächlich auch in den meisten Sequels der Fall, die das Original weitgehend (uninspiriert) kopieren und lediglich auf die Karte Masse statt Klasse setzen. Das sehe ich beim zweiten Harry aber nur bedingt, weil das Konzept sich schon recht drastisch vom Vorgänger unterscheidet.
danielcc hat geschrieben: 27. April 2022 15:27 Szenen wie in den ersten 30 Minuten, insbesondere die lange Sequenz am Flughafen sind reiner, falsch verstandener „Original-Fan Service“.
Das ist aber kein Fan-Service (wie z.B. das permanente DB 5-Schaulaufen in den jüngeren Bonds), sondern von Harry unkonventionell aufgelöste Überfallsituationen sind fester Bestandteil der Dirty Harry-Serie. Das findet man entsprechend in jedem Teil und es ist eher vergleichbar mit einem typischen Serien-Trademark wie zB der PTS in den Bondfilmen. Der Vergleich zur PTS passt auch deshalb ganz gut, da diese Szenen nie etwas mit der Haupthandlung zu tun haben. Ich glaube eh, dass es in einem zweiten Serien-Beitrag so etwas wie Fan-Service nicht wirklich gibt. Das sind eher Phänomene, die sich im längeren Lauf einer Serie ergeben, ich würde zB den zweiten Einsatz des DB 5 in TB auch nicht als Fan-Service ansehen, alles ab GE aber dagegen sehr wohl, da sich der Status des Autos in Bezug auf die Serie im Laufe der Zeit immer mehr gesteigert hat.
danielcc hat geschrieben: 27. April 2022 15:27 Man erfährt wer Harry ist in dem man ihm durch die Haupthandlung folgt. In Teil 2 hingegen erfährt man mehr über ihn, in Szenen, die abseits der Haupthandlung stehen, wohingegen sein späteres agieren in der Haupthandlung entgegen seinem bis dato gezeichneten Charakter steht (mal ehrlich: zumindest mal hätte es einen echten inneren Konflikt gebraucht, denn de facto tun die jungen Cops ja genau das was er in den Filmen bis dato propagiert hat).
Das sehe ich nicht so. Zunächst ist da trotz Harrys unkonventioneller Polizeimethoden immer noch ein gravierender Unterschied zu dem Vorgehen von Briggs Mörderbuben. Am deutlichsten unterscheidet sich deren Vorgehen von dem Harrys, da man "Kollateralschäden" bewusst in Kauf nimmt. Daher wird auch Harrys Beziehung zu Charly McCoy recht intensiv beleuchtet, eben damit man den "Impact", den seine Ermordung auf Harry hat besser nachvollziehen kann. Entsprechend führt Harry am Ende des Films im Dialog mit Briggs ja auch genau das dann als den entscheidenden Unterschied zwischen seiner und den Methoden der Motorradcops an. Bezüglich des fehlenden Konflikts bin ich eher bei dir, wobei das zumindest subtil hier und da mal im Dialog angesprochen wird (zB wenn sein Partner im Scherz meint, dass Harry der Hauptverdächtige sei, weil keiner Verbrecher so hasst wie er). Ein echter Konflikt wird inhaltlich aber tatsächlich nicht thematisiert, ergibt sich in Kenntnis der Originals aber zumindest indirekt aus der veränderten Ausgangslage in Teil 2, da Harry nun eben direkt gegen Polizisten agiert, die ebenfalls eine "unkonventionelle" Auslegung ihrer Arbeit haben.
danielcc hat geschrieben: 27. April 2022 15:27 Was mir aber auch so deutlich schlechter gefällt ist die tatsächliche Inszenierung des Hauptplots. Im Original sind da die ersten 5-10 Minuten wahnsinnig entscheidend. Man wird förmlich in die Handlung reingezogen, und von da an ist man immer an Harrys Seite wenn er ermittelt und sich immer wieder direkt mit dem (tollen) Bösewicht misst. Ja, Harry IST zu großen Teilen die Haupthandlung. Im Sequel ist das gar nicht so. Harry kommt den eigentlichen Taten nie nahe, er ist nie nahe dran. Es sind immer andere Polizisten, die da involviert sind. Harry ermittelt nur, weil und in dem er zufällig diese Truppe von jungen Polizisten kennenlernt, und seine ganze Ermittlung findet von deren Taten losgelöst statt (zB die entscheidende Szene auf den Schießständen).
Man könnte sagen: Die Handlung läuft an Callahan vorbei, daher bekommt er mehr Szenen, die davon losgelöst sind.
Klar, hier unterscheidet sich Teil 2 deutlich vom Orginal. Aber das ist eben eine bewusste Entscheidung, die man mögen kann oder auch nicht. Der dramaturgische Aufbau ist aber sehr schlüssig und inhaltlich wie figürlich auch sehr reichhaltig. Echtes Füllmaterial findet man trotz der gesteigerten Lauflänge nicht wirklich, da eigentlich jede Szene entweder die Handlung voranbringt oder zum Ausbau der Figuren dient.
Bezüglich "Harry ist die Haupthandlung": das ist er in Teil 2 doch aber auch, nur eben in einem etwas anderen Kontext, da sich Teil 2 viel Zeit nimmt Harry in seinem privaten und beruflichen Umfeld zu zeigen. Und mit beruflichem Umfeld meine ich eben auch abseits des Hauptfalles (da er ja erst nach ca. der Hälfte wieder zur Mordkommission stösst). Dennoch werden auch diese Szenen oft mit der Haupthandlung verknüpft, etwa wenn er McCoys Ex besucht und dadurch der Verdacht erhärtet wird, dass Charly hinter den Attentaten steckt. Aber klar, wenn man die stringente dramaturgische Klarheit von Teil 1 dagegen setzt ist Teil 2 natürlich ausführlicher bzw. ausufernder. Mein Punkt ist halt, dass dieses Mehr an Inhalt dem Film und den Figuren tatsächlich dient.
danielcc hat geschrieben: 27. April 2022 15:27Was für den Anfang gilt das gilt auch fürs Ende. Bei Teil 2 ist man gar nicht happy am Ende, denn es gibt ja niemanden mehr, mit dem Harry den Erfolg „teilen“ kann. Er ist nur noch alleine. Ja auch das sicherlich bewusst, aber doch irgendwie unbefriedigend – zumal der vorausgegangene Showdown sehr lang und langatmig ist.
Diesen Kritkpunkt verstehe ich jetzt aber nicht so ganz, da ja auch Teil 1 mit einer eher betrüblichen Situation endet (wie es auch generell ein Serien-Trademark ist, dass am Ende der FIlme den Bösewichten zwar das Handwerk gelegt wurde, aber dadurch die Welt trotzdem nicht wirklich besser geworden ist, erkennbar am melancholischen Ende der Filme).