Re: Zuletzt gesehener Film

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00T hat geschrieben: 21. April 2022 12:18
Casino Hille hat geschrieben: "Zwielicht" mag ich übrigens gar nicht, weil er visuell so bieder und langweilig ist, ich gebe euch jedoch recht: Gere ist super darin und für mich sogar besser als der etwas übersteuerte Norton (jetzt Ed, nicht Graham).
Irgendwo habe ich mal einen Kommentar gelesen, "Zwielicht" sei das perfekte Beispiel für einen Film, der "all substance and no style" ist. :lol: Das kann ich auch durchaus nachvollziehen, die Inszenierung ist sehr gewöhnlich. Mich stört das Ganze aber kaum, weil die Kombination Gere-Norton wunderbar anzusehen ist und die Geschichte spannend genug ist, um mich den Großteil der Laufzeit bei der Stange zu halten. Dazu ist das ein Vertreter der vielen 90er "Twist-Thriller", dessen finale Wendung tatsächlich sehr gut funktioniert und nicht allzu vorhersehbar ist (im Vergleich zu anderen üblichen Verdächtigen aus derselben Zeit).
Ich fand die Schlusspointe von "Zwielicht" ehrlich gesagt super absehbar, in einer Linie mit den üblichen Verdächtigen und dem sechsten Sinn, die ich auch alle drei aus unterschiedlichen Gründen überhaupt nicht mag. Das "Motiv" des Films ist so überdeutlich in den Dialogen präsent, dass da ziemlich früh klar ist, in welche Richtung es gehen wird. Die Geschichte ist trotzdem mitunter ganz spannend, hätte mir aber als Theaterstück gelangt. Da gibt es zu viele Justizdramen, die für mich mehr zu bieten haben.
vodkamartini hat geschrieben: 21. April 2022 11:21 Also ich muss in Stimmung für solche Shows sein und es kommt definitiv auch auf die Gäste an.
Ich finde viele US-Talkshows nur anstrengend. Von Graham Norton hatte ich die Sendung zu NTTD gesehen, das waren sehr lange 45 Minuten. Will nicht alle über einen Kamm scheren, gibt bestimmt auch witzige Sachen, aber das, was ich kenne, ist zum davonlaufen. Dafür interessieren mich die Stars auch "privat" viel zu wenig.
https://filmduelle.de/

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Re: Zuletzt gesehener Film

10067
Mir geht es im Prinzip ähnlich, auch für mich sind die fiktiven Charaktere die wichtigeren Figuren. Dennoch finde ich so manche Künstglerbiographie schon interessant. Hab schon ein paar Bücher zu diversen Stars, wobei dort häufig die Filmographie im Vordergrund steht, was ich auch bevorzuge.

Den Twist von Sixth Sense habe ich ebenfalls ärgerlich früh kommen sehen. Zwielicht und Usual Supects haben länger funktioniert, aber es macht auch Spaß mit Hilfe der vielen Hints solche Twists zu erraten.

@Anatol
Perfekt. :) Das passt ja super. Weir, Harris und Farell, da kann nicht mehr viel schief gehen.
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https://www.ofdb.de/autor/reviews/45039/

Re: Zuletzt gesehener Film

10068
Mr.Chrismas Jones hat geschrieben: 21. April 2022 12:47 Man, kaum bin ich ein paar Stunden nicht da, gibt es hier schon die große Diskussion, aber wenn ich die ganze Zeit im Forum bin, dann ist nichts los!

ich meine das überhaupt nicht böse wenn ich (genau aus dem Grund) noch mal anrege, dass doch HCN besser seinen eigenen Thread für seine Film Reviews haben sollte.

dieser thread war mal der aktivste im Forum und jetzt ist er seit langer Zeit fast nur noch zu HCNs One-Man-Show-Review thread verkommen, wo es kaum mehr eine Zeit zum diskutieren gibt, weil dann schon wieder eine Seite voll ist mit seinen neuen Reviews.
Jetzt aktuell findet zum ersten Mal eine lange Diskussion statt.

Nicht bös gemeint, aber wir haben so viele Threads, da glaube ich wirklich ein Thread nur für HCN wäre der Sache dienlich
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Zuletzt gesehener Film

10069
The French Dispatch - Wes Anderson

Entweder mag man Filme von Wes Anderson, oder man mag sie nicht. Ich befinde mich ein wenig dazwischen, ich stehe seinen Werken grundsätzlich offen und positiv gegenüber, weiß aber auch nicht immer etwas damit anzufangen. Die "Tenenbaums" und "Darjeeling Ltd." fand ich großartig, die "Tiefseetaucher" und auch "Grand Budapest Hotel" waren mir teilweise zu skurill. An "Moonrise Kingdom" habe ich merkwürdigerweise kaum eine Erinnerung. Wer aber Anderson wegen seines typischen Stils ablehnt, wird an "French Dispatch" keine Freude haben, da der Regisseur hier alles auf die Spitze treibt und seine typischen Stilmittel beherzt einsetzt.

Da ich kein Fan von Episodenfilmen bin, hat es der Film bei mir schon einmal etwas schwerer. Allzu oft hat man den Eindruck, die Macher von Episodenfilmen hätten einige halbgare Ideen für Filme gehabt, die sich als nicht tragfähig erwiesen, weshalb sie dann eben einen Episodenfilm daraus machen, in dem alle Ansätze irgendwie verwurstet werden. "French Dispatch" ist da keine Ausnahme. Drei (fiktive) Reportagen des französischen Ablegers eines amerikanischen Journals (Vorbild war offenbar "The New Yorker") werden hier filmisch ausgearbeitet, wobei mir die erste mit Benicio del Toro, Adrien Brody, Tilda Swinton und Lea Seydoux auch am besten gefiel, das ist klassischer Anderson-Stoff, staubtrocken und lakonisch, bis es kracht. Schon bei der zweiten Episode (Frances McDormand, Timothee Chalamet) sollte man sich nicht fragen, was will der Dichter uns damit sagen?, und noch viel mehr gilt das für die dritte Geschichte, die ich schlicht von vorne bis hinten nicht verstanden habe. Schlimm ist das alles nicht, da man grandios unterhalten wird und das Stelldichein der Stars (unter anderem Willem Dafoe, Owen Wilson, Jason Schwartzmann, Christoph Waltz, Edward Norton, Jeffrey Wright) einfach Spaß macht. Daher fällt mir ein Fazit auch wirklich schwer. Hat er mir gefallen? Ja, aber nicht in einem Maße, dass ich ihn jederzeit und vorbehaltlos weiterempfehlen würde. Und schon gar nicht jedem.
Zuletzt geändert von ollistone am 21. April 2022 14:27, insgesamt 1-mal geändert.
"Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen."

Re: Zuletzt gesehener Film

10070
vodkamartini hat geschrieben: 21. April 2022 13:19 Dennoch finde ich so manche Künstglerbiographie schon interessant.
Klar, ist sie auch, nur muss ich denen nicht beim seichten Plausch auf dem Sofa zuschauen. Das gibt mir wenig und frisst zu viel Zeit. Bücher sind ein anderer Schnack, da bin ich sofort an Bord. Auch Audiokommentare höre ich gerne an. Nur diese Talkshow-Formate sind mir zuwider. Das ist aber unabhängig von den Gästen so, kann mit dieser Art des Entertainments einfach nichts anfangen. :)
vodkamartini hat geschrieben: 21. April 2022 13:19 Den Twist von Sixth Sense habe ich ebenfalls ärgerlich früh kommen sehen. Zwielicht und Usual Supects haben länger funktioniert, aber es macht auch Spaß mit Hilfe der vielen Hints solche Twists zu erraten.
Ja, das kann Spaß machen. Ich will mich auch nicht gegen Plottwists aussprechen, aber es gibt schon einige Filme, die für ihre Plottwists berühmt sind, bei denen mir diese Schlusspointen eher sauer aufstoßen. Usual Suspects und Sixth Sense gehören dazu, in beiden Fällen, weil sie den vorherigen Film für mich ein Stückweit versauen. Selbes Spiel beim Fight Club oder Identity.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10071
Casino Hille hat geschrieben: Ich fand die Schlusspointe von "Zwielicht" ehrlich gesagt super absehbar, in einer Linie mit den üblichen Verdächtigen und dem sechsten Sinn, die ich auch alle drei aus unterschiedlichen Gründen überhaupt nicht mag.
Bei den Verdächtigen und dem sechsten Sinn würde ich dir zustimmen, die mag ich auch nicht besonders. In dem Singer-Film ist es ja auch so, dass wirklich alles im Film nur auf diesen einen Twist ausgerichtet ist, während die Charaktere bei Zwielicht und Shyamalan noch anderes durchmachen, das nicht unmittelbar mit der Schlusspointe zusammenhängt. Es kommt bei Plottwists wohl auch darauf an, ob sie für einen dem vorher Gesehenen mehr Wert verleihen oder ihm im Gegensatz eher Wert nehmen. Bei Zwielicht passt das Finale für mich sehr gut mit dem Rest des Films zusammen, während The Usual Suspects, der eigentlich bis zum Ende ein ganz atmosphärischer Film ist, zu penetrant darauf aus ist, alles Vorherige in Frage zu stellen. Und im Falle von Sixth Sense wirkt die Wendung sogar ziemlich redundant und unsinnig (wobei mich der Film ganz abgesehen davon auch eher langweilt).

Letztlich werden wohl gerade Plottwists auf die unterschiedlichsten Weisen aufgenommen. Ich werde zum Beispiel nie verstehen, wie der Twist im hochgelobten Fight Club so gefeiert werden kann, wo ich schon bei der Erstsichtung das Gefühl hatte, dass der Film mir seine ach so überraschende Wendung mit nahezu jedem Auftritt Brad Pitts wortwörtlich ins Gesicht klatscht.
"East, West, just points of the compass, each as stupid as the other."
(Joseph Wiseman in Dr. No)

Re: Zuletzt gesehener Film

10072
Ich denke auch, es hängt mit den eigenen Vorlieben und Erwartungshaltungen zusammen. Manche lieben diese Mindfuck-Szenarien, andere fühlen sich davon veräppelt. Ich mag überraschende Twists sehr, mir macht das einfach Spaß, wenn noch einmal alles umgekrempelt wird. Wenn überhaupt, dann stören mich besondere Ausformungen wie z.B. die erwähnten Varianten in Fight Club und Identity. Das finde ich immer ein wenig lahm, aber das ist meine ganz persönliche Meinung.
Zuletzt geändert von vodkamartini am 22. April 2022 15:20, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10073
iHaveCNit: The Northman (2022) – Robert Eggers – Universal
Deutscher Kinostart: 21.04.2022
gesehen am 21.04.2022 in Dolby Atmos
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 10 – Reihe 16, Platz 18 – 20:00 Uhr


Es ist schon eine interessante Entwicklung, die sich einem eröffnet, wenn man einen Blick auf Robert Eggers wirft. Der für die größtmögliche historische Akribie und dem Hang für spannende, mystische und symbolische Slowburner bekannte Autorenfilmer hat sich zunächst im Horror-Geheimtipp „The Witch“ mit Hexensagen und danach im Arthouse-Hit und Kammerspiel „The Lighthouse“ mit Seemansgarn auseinandergesetzt bis er nun mit einem großen Budget von 90 Millionen Dollar arbeiten und ein Wikinger-Rache-Epos umsetzen kann und damit durchaus einen großen Sprung macht. Und ich habe es mir natürlich nicht nehmen lassen, „The Northman“ im Kino anzusehen, natürlich auch, weil mich bereits „The Witch“ und vor allem „The Lighthouse“ begeistern konnte. Und Eggers hat es mit „The Northman“ erneut geschafft.

Im Jahre 895 kehrt der Wikingerkönig Aurvandil gemeinsam mit seinen Kriegern und seinem Bruder Fjölnir in die Heimat zurück. Sehr zur Freude seines Sohnes Amleth, der die gemeinsame Zeit mit seinem Vater genießt. Sein Vater plant nach einer Verletzung im Kampf die Machtübertragung an seinen Sohn, doch soweit wird es nicht kommen, denn Aurvandil wird bei einem Hinterhalt von Fjölnir und einem Teil seiner Krieger getötet. Der kleine Amleth schafft es zu fliehen – sein einziges Mantra für den Rest seines Lebens wird lauten: „Ich werde dich rächen Vater, ich werde dich retten Mutter, ich werde dich töten Fjölnir“.

„The Northman“ ist trotz seiner eher düsteren und tristen Optik ein audiovisuelles Ereignis. Nicht nur die visuelle Umsetzung mit den Kameraeinstellungen und Kamerafahrten, sondern auch die Ausleuchtung mit größtenteils natürlichem Licht und die Farbgebung sehen einfach großartig aus, auch das Sounddesign und der Soundtrack wissen mir zu gefallen. Zur optischen und visuellen Umsetzung ist natürlich auch das großartige und sicherlich sehr stimmige und authentische Kostüm- und Setdesign zu loben. Die Action in diesem Film ist auf den Punkt und bietet einige sehr brachiale, blutige und archaische Kämpfe, die in ihrer visuellen Umsetzung intensiv und extrem sind. Dazu kommt auch noch der interessante und auch symbolische Einfluss von Mystik und Aberglaube, der in „The Northman“ auch sehr präsent ist und eine Rolle spielt. Das gesamte Ensemble, aus dem durchaus eine interessant ambivalente Nicole Kidman und ein gestählter, getriebener Alexander Skarsgaard sowie ein interessant aufspielender Claes Bang herausstechen können, tragen den Film gekonnt und so wie es aussieht kommt es auch bei Eggers dazu, dass er gerne mit vertrauten Gesichtern zusammenarbeitet – so sehen wir in einer Rolle Willem Dafoe, mit dem er bei „The Lighthouse“ zusammengearbeitet hat und sowohl Anja Taylor-Joy als auch Ralph Ineson und Kate Dickie aus „The Witch“ sind hier wieder zu sehen, wobei Anja Taylor-Joy und Willem Dafoe von den Genannten die wichtigsten Rollen übernehmen. Die Story und Handlung selbst basiert auf den Notizen, die bereits auch Grundlage für Shakespeares „Hamlet“ gewesen sind. „Hamlet“ ist filmisch und seriell bereits sehr präsent vertreten gewesen. Die bekannteste filmische Umsetzung des Stoffes war unter anderem die entschärfte Disney-Fassung „Der König der Löwen“ wohingegen „The Northman“ wenn man es aus Serienperspektive betrachtet die perfekte Kombination aus „Vikings“ und „Sons Of Anarchy“ ist – wie die geführten Waffen also „Heavy-Metal pur“. Bei der Sichtung und auch sonst kamen mir ein paar weitere filmische direkte und indirekt vergleichbare Einflüsse in den Sinn. One-Take-Sequenzen wie in „The Revenant“, eine symbolische, episodenhafte Reise eines Mannes wie in Nicolas Winding Refns „Valhalla Rising“, eine weitere symbolische, episodenhafte Reise wie in David Lowerys „The Green Knight“ aus dem letzten Jahr als auch die Kombination aus Coens als auch Kurzels Versionen von Shakespeares „Macbeth“. Alles ausnahmslos Beispiele, die mir auch sehr gut gefallen. Hier wird sich „The Northman“ definitiv auch einreihen. Jedoch ist die Story selbst nichts wirklich Neues und trotz der intensiven und extremen Reise stellt sich partiell ein wenig Redundanz und Leerlauf im Mittelteil ein, so dass die Faszination und der Sog den der Film entwickelt hat nicht komplett durch die gesamte Laufzeit des Films für mich gehalten werden konnte. Trotz allem ein ganz großer Film dieses Jahres, den ich auch noch ein zweites Mal sehen werde.

„The Northman“ - My First Look – 9/10 Punkte
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

10074
iHaveCNit: In den besten Händen (2022) – Catherine Corsini – Alamode Filmverleih
Deutscher Kinostart: 21.04.2022
gesehen am 23.04.2022
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Lumiere – Reihe 5, Platz 12 – 13:30 Uhr


Ein Film, der auf Erfahrungen der Regisseurin im Jahr 2018 basiert, aber nicht aktueller sein könnte ist Catherine Corsinis „In den besten Händen“, der im Original „Le Fracture“ heißt und damit durchaus sehr treffende Brüche beschreibt auf die ich noch eingehen werde. Da wir uns mitten im französischen Wahlkampf befinden und sich die Zukunft Frankreichs damit entscheiden könnte, ist aktuell auch die beste Zeit für die Veröffentlichung des Films.

In einer Pariser Notaufnahme treffen drei unterschiedliche Menschen aufeinander. Die Comiczeichnerin Raf bricht sich den Arm und ist gefühlsmäßig gerade in einer Trennung von ihrer Freundin investiert. Der Fernfahrer Yann war an einem laufenden Gelbwestenprotest beteiligt und kommt mit einem angeschossenen Bein in die Notaufnahme. Die Ärztin Kim spielt mit den Gedanken einer Kündigung und hat ein krankes Kind zuhause – ihr Pflichtgefühl und die Überforderung vor Ort treiben sie aber zur 6 Nachtschicht in Folge an. Bis die gewaltsamen Proteste und Ausschreitungen auch die Notaufnahme erreichen.

Der Film ist ein sehr rasantes und spannendes Gesellschaftsdrama mit zum Teil satirischen Ansätzen geworden. Er zeigt nicht nur Brüche in der französischen Gesellschaft auf, sondern auch Brüche in menschlichen Beziehungen und auch medizinische Brüche im übertragenen Sinne durch Frakturen und Verletzungen. Er zeichnet einen Querschnitt der französischen Gesellschaft am Beispiel des Mikrokosmos einer Notaufnahme in Paris und den Einfluss auf das dortige Gesundheitssystem, dass trotz Überforderung, Überlastung, Hoffnungslosigkeit und Ratlosigkeit sein Bestes versucht, den Menschen zu helfen und ihre gesundheitlichen Probleme zu lösen. Bei all der Rasanz des Films bietet sich wie so oft nicht die Möglichkeit in die Tiefe zu gehen. Aber das ist auch relativ passend bei diesem Film, da es dem medizinischen Personal in einer Notaufnahme auch nicht möglich ist, bei der Behandlung in die Tiefe zu gehen. Als ich vor wenigen Monaten selbst einmal in einer Notaufnahme gewesen bin, gab es einen Hinweis an die dort wartenden Patienten, dass nicht alles was akut scheint auch akut ist und nicht alles was harmlos scheint auch harmlos ist. Aber genau diese Rationalität gibt es in einer von Gefühlen und Verletzungen getriebenen Irrationalität nicht. Die Gräben in Beziehungen und Gesellschaft sind vorhanden, es braucht Zeit bis diese heilen und wieder zusammenwachsen. Da ist jede noch so kleine Hilfe notwendig und der Film ein durchaus hoffnungsvolles Plädoyer dass Brüche heilen und wieder zusammenwachsen können auch wenn er nur eine Momentaufnahme ist.

„In den besten Händen“ - My First Look – 8/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

10075
Das nackte Gesicht (1984)
Ein netter Großstadt-(Psycho)-Thriller mit Roger Moore und David Hedison (Felix in LALD und LTK).
Die erste Stunde des Films vergeht wie im Flug. Die Charaktere werden schön dargestellt und es kommt häufig Spannung auf.
In der Mitte zieht sich der Film leider etwas, was ihn nicht ganz übers Finale retten kann. Das Hauptmotiv ist zu schwach und wird nach meinem Empfinden nicht wirklich nachvollziehbar dargestellt. Die letzte Szene des Films kam doch noch überraschend und war für mich nicht vorhersehbar.
Schöner 80er-Jahre Thriller. Nicht mehr und nicht weniger.

6/10 - leichte Tendenz nach oben
"Are you looking for shells?"
"No, I'm just looking."

Re: Zuletzt gesehener Film

10076
Licorice Pizza - Paul Thomas Anderson

Wenn es einen Ort und eine Zeit gäbe, in der ich lieber leben würde als im Hier und Jetzt, dann wäre das wohl Kalifornien in den frühen 70ern. Die Musik, Hippie-Mädchen, die Drogen, die Mode, kurze Röcke, die Frisuren und Schnurrbärte, ständiger Sonnenschein und ein unverkrampftes Verhältnis zur Freiheit. Insofern hat „Licorice Pizza“, sicherlich Andersons zugänglichstes Werk, allerbeste Voraussetzungen, bei mir offene Türen einzurennen, und doch tat ich mich anfangs ein wenig schwer, in den Film hineinzukommen, ohne genau sagen zu können, woran das liegt. Zu viele Kinder? Jedenfalls tat die Episode mit Sean Penn dem Film ziemlich gut, so wie auch die zweite und krachend komische „Erwachsenen-Episode“ mit Bradley Cooper zu den Höhepunkten des Films gehört. Ab der zweiten Hälfte gefiel er mir jedenfalls immer besser. Dass „Gary & Alana“, wie der Streifen zunächst heißen sollte, den Film alleine nicht tragen, will ich nicht behaupten, im Gegenteil, denn auch wenn beide keine klassischen Hollywood-Schönheiten sind (ich fragte mich, wie sich die ähnlich alte und bezaubernde Genevieve Angelson aus der großartigen 69er-Serie „Good Girls Revolt“ hier gemacht hätte), harmonieren sie doch als Fast-Paar ganz exzellent. Cooper Hoffman, Sohn von Philip Seymour, glänzt durch seine stoische Ruhe, während Alana Haim mit ihrem herben, schlecht gelaunten Charme zum eigentlichen Star des Films wird.

Irgendwer schrieb, „Licorice Pizza“ sei die jüngere, aber auch nettere Schwester von „Once Upon a Time… in Hollywood“, und so falsch ist das gar nicht, denn beide Filme vereint mehr als nur das San Fernando Valley und die Spät-Hippie-Zeit, in der beide angesiedelt sind. Den Begriff „Coming-of-Age-Film“ würde ich hier übrigens gerne vermeiden, jeder Film, in dem 15-Jährige mitspielen, ist ja neuerdings „Coming-of-Age“…

Wofür ich den amerikanischen Film schätze: Spielt der Film in den 70ern, so befinden wir uns auch mitten in den 70ern, mit Haut und Haaren, ohne jeden Zweifel. Versucht ein deutscher Film dasselbe, sieht es immer nach Kulisse und Kostümparty aus, selbst in einem insoweit eigentlich sehr gelungenen „Lindenberg“. Immer so ein bisschen „Haha, guck mal die Schlaghosen, und erst die Tapete!“ Da haben die Amerikaner irgendwie ein Händchen, einen Film authentisch wirken zu lassen. Außerdem: Wahnsinnig schön gefilmt, vor allem die Aufnahmen zur „blauen Stunde“ zaubern einem ein Lächeln ins Gesicht.

Ein komplexer Film, dessen Geheimnissen, weshalb er eigentlich so gut funktioniert, man erst noch auf die Spur kommen muss. Dem hätte ich einen Oscar gegönnt. Oder auch fünf.
"Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen."

Re: Zuletzt gesehener Film

10077
Den fand ich ganz schön blöd. Das alte Märchen vom Jungen, der nur beharrlich genug sein und das Mädel seiner Träume oft genug nerven muss, damit sie sich irgendwann doch auf ihn einlässt. Und damit sie in sein Happy End passt, muss sie sich zumindest ein bisschen kleiner machen als sie ist, aber das tut sie gerne, denn wozu auf jemand besseren warten, wenn er doch mit so lieben Augen staunt und ihr nach hechelt. Da hat sie sich schon zu fügen, dem Publikum zuliebe.

Ne, der gibt mir nichts, ist für mich auch das Gegenteil von authentisch. "Haha, guck mal die Schlaghosen, und erst die Tapete!" trifft den tatsächlich ziemlich gut, auch wenn du damit jetzt einen ganz anderen Film gemeint hast. So keusch und um jeden Preis nostalgisch-entspannt, wie Anderson seinen Film hier zeigt, hatte der für mich eine nervig-anbiedernde "Retro-Attitüde".
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Re: Zuletzt gesehener Film

10079
Gesagt getan.

Dirty Harry


In aller Kürze: Ihr habt mich richtig eingeschätzt. Für mich ist Dirty Harry dem vorhergesehenen The French Connection in jeder Hinsicht weit überlegen.

Dirty Harry ist ein Film, den ich ohne jede Einschränkung heute schauen und genießen kann unabhängig von seinem Alter. Das liegt in erster Linie an einer sehr universell spannenden Handlung - eine extrem klare Story mit sehr vielen Spannungsmomenten unterhaltsam erzählt -, und einer wirklich klar gezeichneten Hauptfigur, die den Film trägt. Für mich funktionieren Filme ja vor allem über Inhalt (Story, Szenen, Dialoge) und Charaktere, und die mag man entweder oder sie lassen einen kalt. Den Callahan mag ich einfach! Doch auch was das „wie“ angeht, hat DH aus meiner Sicht mehr zu bieten als die französische Verbindung. Allein die ersten zehn Minuten haben mich mitgerissen. Man ist sofort mittendrin, weiß worum es gehen wird, fiebert mit. Auch im weiteren Verlauf reihen sich spannende Inszenierungen und gute Einstellungen einander.
Inhaltlich und charakterlich sehe ich auch einen viel größeren Einfluss Dirty Harrys auf alles was mir danach filmisch lieb geworden ist, sei es Die Hard, Lethal Weapon oder auch so mancher Schwarzenegger Film. Mir ist aber noch etwas aufgefallen. Wirken die ersten fünf Minuten nicht wie die Blaupause für den Start des ersten Jack Reacher Films?
Garniert wird dieser Festschmaus noch durch den köstlichen Soundtrack von Lalo Shifrin.
Jetzt bin ich bereit für weitere Harrys – zumal die ja sogar konventioneller sein sollen.
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