Jahresrückblick 2021

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Dann mach ich mal den Anfang und versuche einen kleinen Rückblick:

„Play it again, James!“ - Das Filmjahr 2021 zwischen Meta, Retro und Couch Potato

Und wieder geht ein Kinojahr zu Ende, oder sagen wir besser ein Filmjahr. Denn durchgängig geöffnet waren die Lichtspielhäuser fast nirgends in diesen pandemischen Zeiten. Mal auf, mal zu, mal mit 50%tiger, mal mit 25%tiger Auslastung, mal mit, mal ohne Verzehr. Die Kinobetreiber konnten einem schon leid tun, vor allem aber auch wir, die Konsumenten. Kunst und Kultur haben bei der Politik keinen hohen Stellenwert, das dürfte nun auch den größten Optimisten, oder besser Euphemisten klar geworden sein. Aber wie Ian Malcom in „Jurassic Park“ so eloquent befand: „Das Leben findet einen Weg“. Und Filme sind Leben, jedenfalls für uns, die wir sie lieben.

Zunächst aber wurde erst einmal verschoben, an Streamingdienste verkauft, oder gleich als Datenträger veröffentlicht. Da ist es überaus praktisch, wenn man einen hauseigenen Kanal zur Zweit-, Dritt- und Ausweichverwertung hat, wie Branchenriese Disney. Teure Blockbuster wie „Cruella,“ „Jungle Cruise“ und das mehrfach verschobene Superheldenabenteuer „Black Widow“ wurden zeitgleich im Kino und auf Disney+ veröffentlicht. So ganz zufrieden waren die Erbsenzähler des Mäusekonzerns wohl nicht gewesen, jedenfalls verfuhr man mit den nächsten beiden Marvel-Spektakeln „Shang-Shi“ und „Eternals“ wieder anders und gönnte ihnen ein 6-wöchiges „Cinema only“-Zeitfester.
Da tat sich Streamingplatzhirsch Netflix schon leichter. Ohnehin in dem (stetig bestrittenen) Ruf stehend das Kino obsolet machen zu wollen, kam die Pandemie gerade recht. Die hoch bezahlten Stars wurden aufgrund eingeschränkter Verdienstmöglichkeiten wohl schon ungeduldig und heuerten bereitwillig beim Streaming-Flaggschiff an. So durfte der DC-entnervte Zack Snyder befreit von allen PC-Hemmnissen eine gefräßige Zombiehorde auf Las Vegas loslassen („Army of the Dead“) - ein braveres Sequel von Deutschlands Lieblingsschwiegersohn Matthias Schweighöfer gleich inklusive („Army of Thieves“) -, die ebenfalls nicht gerade unbekannten Ryan Reynolds und Gal Godot mit dem aktuell einzigen globalen Megastar zum kruden Indiana Jones meets „Ocean´s Eleven“-Ausflug aufbrechen („Red Notice“) und schließlich, gewissermaßen als Kompensation für die reduzierte Silvesterknallerei, Leo DiCaprio mit Jennifer Lawrence die Fassaden von Politik, Gesellschaft und Industrie im Angesicht globaler Krisen mit einer atomaren Satire-Abrissbirne einreißen („Don´t Look Up“). Ach ja, Amazon mischte natürlich auch noch kräftig mit, aber deren Output war entweder so schlecht, oder so belanglos, dass der geneigte Leser hier nicht weiter belästigt werden soll.

Überhaupt war das Filmjahr nicht gerade ein bahnbrechendes. Dennoch gab es ein paar Perlen, die eine Erwähnung wert sind und, falls nicht geschehen, eine Sichtung verdient haben. Da wäre zunächst Altmeister Ridley Scott, der es sich offenbar zum Ziel gesetzt hat, mit dem noch etwas älteren Kollegen Eastwood auf seinen finalen Outputrunden mindestens gleich zu ziehen. Beim Publikum feierte man vor allem die süffisante Kolportage, böse Zungen sprechen von Demontage, der Gucci-Familie („House of Gucci“), dabei ist seine Mittelalterparabel mit MeToo-Kontext der noch weitaus interessantere Film („The last Duell“).

Zu den renommiertesten Filmemachern unserer Zeit zählen auch der Kandier Denis Villeneuve und der Brite Guy Ritchie. Bildgewaltig und elegisch der eine, wortgewaltig und pragmatisch der andere, gaben beide mal wieder eine Visitenkarte ihres Könnens ab. Auch wenn die erste Expedition zu Frank Herbert Wüstenplaneten nach dem vermeintlichen Lynch-Fiasko von 1984 nicht jeden euphorisiert hat - zu farblos waren die Figuren, zu höhepunktslos die Handlung -, so war „Dune“ auf jeden Fall ein Fanal für die Daseinsberechtigung des Kinos. Ähnliches gilt für „Cash Truck“, bei dem Ritchie endlich wieder mit seiner Entdeckung Jason Statham vereint war. So schön wummernd, krachend und dröhnend knallt auch der stromlinienförmige Actionfilm nur im Kinosaal.

Bleiben noch die großen Helden. Natürlich wurde dieses Feld mal wieder fast ausschließlich von vormals gezeichneten Sonderlingen bestellt. Aber diesmal waren es nicht die zupackenden Damen („Black Widow“, „Wonder Woman 84“), oder die neu in Stellung gebrachte Rächer-Ablöse („Shang-Shi“, „Eternals“), die die Ernte einfuhren. Sogar der jugendliche Spinnenmann lieferte am Ende nur Dienst nach Vorschrift, wenn auch unwiderstehlich auf den Punkt und den Geldhahn. Nein, diesmal brauchte es schon einen königlichen Hai und ein paar abgehalfterte Schwerverbrecher, um aus dem Genre-Einerlei doch noch ein Geschmackserlebnis der etwas anderen Art zu machen („The Suicide Squad“).

Wenn es überhaupt einen Heroen gibt, der den bunten Reigen all der Supermänner, -frauen und -viecher aufmischen kann, dann ist es der britische Weltenretter mit Tötungslizenz. Da wo er herkommt, wurden Krieg und Rache noch kalt serviert, aber auch er musste sich anpassen. Mit Daniel Craig ist das offenbar bestens gelungen. Kein Hollywoodfilm lockte in diesem Jahr mehr Zuschauer vor die Leinwände als die 25. Mission der legendären Doppelnull („Keine Zeit zu sterben“). Sicher, sein Gefühlstriptychon aus verliebt, verraten, und verwirrt hat nicht nur Begeisterung hervor gerufen. Die Rollen als Vater und Märtyrer gehörten auch nie zum Auftrag und sorgten für die ein oder andere Schnappatmung. Aber angesichts eines Stammpublikums jenseits der Juvenilität und abseits sozial-medialer Blasen kann man nur anerkennend feststellen: Er kam, sah und siegte.

Der dienstälteste Kinoheld der Filmgeschichte liegt aber auch auf einer übergeordneten Ebene voll im Jahrestrend. Genau genommen triggert er gleich zwei Kraftquellen moderner, audiovisueller Kunstformen. Nein, nicht Yin und Yang, auch wenn der chinesische Einfluss auf das globale Blockbusterkino beunruhigende Ausmaße annimmt. Nein, die beiden aufeinander bezogenen und sich perfekt ergänzenden Kräfte hören auf die klingenden Namen „Retro“ und „Meta“ ...


http://vodkasreviews.de/?p=533
Zuletzt geändert von vodkamartini am 31. Dezember 2021 01:56, insgesamt 3-mal geändert.
http://www.vodkasreviews.de


https://www.ofdb.de/autor/reviews/45039/

Re: Jahresrückblick 2021

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Mit Ausnahme von Bond, der in diesem Bereich sowieso keine Rolle spielt, war 2021 für mich das schwächste Filmjahr seit langem. Zu viele Filme wurden immer wieder verschoben und kommen (zumindest in Deutschland) erst nächstes Jahr in die Kinos oder auf den VoD-Markt.

Stattdessen hab ich mich in diesem Jahr auf alte Filme (vor allem Western) und verschiedene Serien (z. B. "Lucky Man") konzentriert.

Nächstes Jahr scheint mit "The King's Man", "The Tragedy of Macbeth" und "The Batman" aber sehr vielversprechend zu werden.
#London2025

"Wo man lacht, da lass dich ruhig nieder. Böse Menschen lachen immer wieder."

Re: Jahresrückblick 2021

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Samedi hat geschrieben: 30. Dezember 2021 21:41 Mit Ausnahme von Bond, der in diesem Bereich sowieso keine Rolle spielt, war 2021 für mich das schwächste Filmjahr seit langem. Zu viele Filme wurden immer wieder verschoben und kommen (zumindest in Deutschland) erst nächstes Jahr in die Kinos oder auf den VoD-Markt.

Stattdessen hab ich mich in diesem Jahr auf alte Filme (vor allem Western) und verschiedene Serien (z. B. "Lucky Man") konzentriert.

Nächstes Jahr scheint mit "The King's Man", "The Tragedy of Macbeth" und "The Batman" aber sehr vielversprechend zu werden.
"The Tragedy of Macbeth" von Joel Coen läuft bereits seit dem letzten Wochenende in Deutschland im Kino.
"The King's Man" ist bislang überall sowohl zuschauertechnisch als auch bei den Kritikern durchgefallen. Ab nächster Woche im Kino. Aber wohl ohne mich.

Meine Kino-Highlight-Top 3 von wirklichen 2021-Releases dieses Jahr waren "West Side Story", "No Time To Die" und "Last Night in Soho".
2020er-Filme, die erst 2021 in Deutschland rauskamen, hab ich weggelassen. Ansonsten würden Filme wie "The Father" oder "Der Rausch" auch weit oben landen.

Die Top 3-Filme, auf die ich mich 2022 am meisten freue, sind:

1. The Fablemans
2. Avatar 2
3. Lightyear

Dazu kommen noch 2021er-Filme, die in Deutschland "verspätet" starten wie "Belfast" oder "Licorice Pizza".

Re: Jahresrückblick 2021

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Ich habe meine Zeit klug genutzt und das Jahr damit verbracht, Filme im Kino zu verpassen. Die drei besten, die ich dieses Jahr auf der Leinwand gesehen habe, sind von 1952, 1968 und 1994. Fabian hätte ich sehen wollen, aber habe ihn wie so einiges verpennt. Nächstes Jahr wird dann alles besser - sowohl der Kinooutput als auch meine Besuchsbilanz.


The Sparks Brothers (Edgar Wright)
Edgar zum ersten, und er zieht sämtliche Register mit Live-Action, Musik, Interviews, Musik, Stop-Motion, Musik, Zeichentrick und Musik. Zweieinhalb Stunden verfliegen wie im Nu wenn der Film voller Herz steckt und der Zuschauer das fetteste Grinsen nicht mehr wegbekommt. Habe ich schon die Musik erwähnt?
9 / 10


The Last Duel (Ridley Scott)
Ridley zum ersten, er ist sehr kompetent unterwegs und zeichnet ein authentisches oder zumindest authentisch wirkendes Zeit- und Sittengemälde des dunklen Mittelalters, das in drei fesselnden Rashomon-Bahnen erzählt wird und in einen Zweikampf mündet, den man nicht so schnell vergisst. Ausserdem habe ich Ben Affleck wohl noch nie so gut schauspielern sehen.
8 / 10


Madres Paralelas (Pedro Almodóvar)
Keineswegs Almodóvars bester Film und das Ende passt möglicherweise nicht so ganz, aber Dank Pedros Kunst und Penny Cruz' einvernehmender Präsenz sind haufenweise starke Szenen, Emotionen und ein zu mindestens drei Vierteln richtig guter Film garantiert.
8 / 10


Last Night in Soho (Edgar Wright)
Edgar zum zweiten, so ganz schlau bin ich aus dem Ende noch nicht geworden, ob es jetzt goldrichtig oder falsch ist, daher eine vergleichsweise vorsichtige Wertung. Aber die Erfahrungen, wie sich Wrights Filme normalerweise bei Zweit-, Dritt- und Zehntsichtungen verhalten stimmen ebenso optimistisch wie die überwiegend brillanten Traum- und Tanzszenen.
8 / 10


Petite Maman (Céline Sciamma)
Auch Sciamma kommt dieses Jahr nicht an ihre früheren Grosstaten heran, aber muss sie auch nicht. Petite Maman ist auch so gut genug als der etwas andere Kinder- und auch als der etwas andere Zeitreisefilm.
8 / 10


The Suicide Squad (James Gunn)
Juhu, ein Suicide Squad der nicht scheisse ist, es geschehen noch Wunder! Der Neue im Hause DC ist genauso ein ruppiger Söldnerfilm wie ein hemmungsloses Bekenntnis zu seiner albernen Trashvorlage. Wenn der Polka-Dot-Man mit einer Rattenarmee den kosmischen Kaiju-Seestern verkloppt und es super funktioniert, dann sagt das genug aus und dürften sich die Herren Snyder, Whedon, Feige, Kinberg und wie sie alle heissen gerne mal inspirieren lassen.
7,5 / 10


Minari (Lee Isaac Chung)
Mit Charme und Herz ausgerüsteter Ehe- und Kulturenclash, in dem durchaus Persönlichkeit steckt. Habe mich mitschleppen lassen und kam ganz zufrieden aus dem Kino.
7,5 / 10


Été '85 (François Ozon)
Ozon kombiniert unbeschwert romantisches Coming-of-Age-Sommerfeeling mit den doppelbödigen Genre-Twists seiner gewohnten Erotikthriller und es geht auf. Die I Am Sailing auf dem Grab Szene rechtfertigt eigentlich schon jeden vorstellbaren Eintrittspreis.
7,5 / 10


Cry Macho (Clint Eastwood)
Clint ist nicht totzukriegen und liefert jedes Jahr konstant und pünktlich wie ein Uhrwerk ab. Das alter Kauz und rebellisches Kid Roadmovie erfindet er nicht neu, aber er gibt ihm Herz und Charme mit. Wenn ich das nächste Mal einem brennenden Busch begegne werde ich versuchen, Clint für die Unsterblichkeit zu nominieren.
7,5 / 10


House of Gucci (Ridley Scott)
Ridley zum zweiten, auch wieder überzeugend gespielt (bis auf Letos schauspielerische Sabotageversuche, bei denen man abwechselnd lachen oder aus dem Saal rennen will) und als dramatische Familienchronik spannend strukturiert, denn zu lang ist das Teil eigentlich auch nicht.
7,5 / 10


Nomadland (Chloé Zhao)
Schöne Rundreise durch natürliche und emotionale Landschaften, teilweise durchaus schon mit den Sensibilitäten eines Terrence Malick ausgestattet. Nachdem The Rider schon ganz gut war würde ich Zhao ja gerne eine sehr interessante Karriere prophezeien, aber die Arme ist ja schon bei Oscar und Marvel gelandet bevor sie richtig loslegen konnte.
7 / 10


Amonite (Francis Lee)
Francis Lee (wer auch immer das ist) ist spät dran, denn Céline Sciamma hat das gleiche Thema zwei Jahre zuvor schon viel besser verarbeitet. Aber Ammonite ist auch nicht schlecht, neben der gewohnt superben Saoirse Ronan bleiben vor allem die erstaunlich expliziten (obwohl man praktisch nix sieht) Sexszenen in Erinnerung, die das Geschehen auch emotional glaubhafter und überzeugender machen.
6 / 10


Promising Young Woman (Emerald Fennell)
Absolut passabler... Ja was ist es denn eigentlich? Rape and Revenge für die Hipster-Generation trifft wohl zu. Aber es funktioniert ganz gut und traut sich zumindest hier und da, schön schwarz und böse zu sein.
6 / 10


Dune (Denis Villeneuve)
Nach einigen Meisterwerken will Monsieur Villeneuve leider auf Teufel komm raus aus meiner Geschmackszone raus und in die Sci-Fi-Sackgassenecke rein. Obwohl natürlich kompetent und bildgewaltig aufgezogen ist sein Dune (TEIL EINS) dann am Ende trotz allem irgendwie genauso überflüssig wie die Idee ursprünglich mal befürchten liess und geht dem natürlich ganz düsteren und epischen Ding weitgehend auch einfach ein bisschen der Spass ab.
5,5 / 10


No Time To Die (Cary Joji Fukunaga)
Bond ist tot, es lebe Bond. Nur irgendwie habe ich seit dem Abspann vor drei Monaten so gar keine richtige Lust, mich überhaupt noch gross mit all den Entscheidungen auseinanderzusetzen, mit denen die Herrschaften Broccoli, Fukunaga und Craig hier so rumgespielt haben. Fanservice-Hommagen, die teils durchaus schon als rücksichtslose Plünderung der Bondhistorie gesehen werden können, lenken dann eben doch nicht davon ab, dass der Schinken mit Bond gar nicht mehr so viel zu tun hat, wenn er die Reihe ums Verrecken in die extremsten Richtungen biegen will. Ich hätte gern noch einen Haufen Schrott im Kino gesehen, um den Bondfilm nicht ans Ende der Liste verbannen zu müssen, aber habe ich leider nicht. Und da mich NTTD sowohl als Film- als auch als Bondfan im besten Falle mässig begeistert, im schlimmsten Falle gestört, die meiste Zeit aber vor allem kaltgelassen hat, finde ich kein anderes Plätzchen.
5 / 10
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Jahresrückblick 2021

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So, ich mache auch mit, und gebe zu, dass ich einige der Texte so hastig runtergeschrieben habe, dass es bestimmt hier und da Formulierungs- und oder Rechtschreibfehler zu finden geben wird. Wer solche findet, der darf sie sammeln und sie mit ins neue Jahr nehmen. :)

Damit meine Kommentare nicht den Rahmen sprengen, müsst ihr das Spoiler-Dokument aufklappen, um sie zu lesen. Viel Spaß an jeden, der sich das antun will. … Wieso auch immer.

EDIT: Leider besteht mein Beitrag aus 68924 Zeichen, erlaubt sind im Forum nur maximal 60000 Zeichen. Daher splitte ich den Post in zwei Hälften. Es folgen die Filme mit der Wertung 2/10 – 5/10!
Spoiler
Reminiscence (Lisa Joy) – 2/10

– Hugh Jackman, Rebecca Ferguson und Thandiwe Newton so zu verschwenden, ist eine Kunst für sich, obwohl das Wort "Kunst" im Zusammenhang mit diesem gedankenlosen Schwachsinn schon zu viel ist. Der abstruse Sci-Fi-Film-Noir um eine Maschine, mit der sich Nostalgie verkaufen lässt und Patienten ehemalige Erinnerungen neuerleben können, gehört zu dem hanebüchesten, was seit langer Zeit im Kino zu sehen war. Verbrochen hat dieses Machwerk Lisa Joy, die Ehefrau von Jonathan Nolan, mit dem sie zuletzt an der Serie "Westworld" schrieb. Den beiden also verdanken wir geistreiche Dialogzeilen à la "Erinnerungen sind die Perlen an der Halskette der Zeit" und das wohl genuschelste Voice-Over seit der Kinofassung von "Blade Runner". Eine grotesk misslungene Gurke, in der übrigens folgender Satz ebenfalls fällt: "Keine Geschichte, die einem gefallen hat, kann je ein Happy-End haben. Denn man will nicht, dass sie endet." Anders formuliert: "Reminiscence" hat eindeutig ein Happy-End. Das Problem ist die Wartezeit bis dahin.

The Forever Purge (Everardo Gout) – 2/10

– Zu den "Purge"-Filmen gibt es nicht viel zu sagen. Sie sind laut, sie sind brutal, sie sind ziemlich nervtötend. Der neue Film variiert das Szenario praktisch null und ist die nächste ärgerliche und kein bisschen spannende oder gar anregende Aneinanderreihung unkreativer Metzelszenen. Wozu dann überhaupt noch reingucken? Nun: Aus dem prinzipiell interessanten Szenario ließe sich leicht ein gelungener Film machen, doch offenbar tun sich die Verantwortlichen der "Purge"-Reihe arg schwer damit. Noch müssen wir auf einen geistreichen Teil dieses Kosmos warten. Bis dahin gibt es Trash-Dialoge, abgrundtief schlechte Laiendarsteller, miese Effekte und ein Drehbuch, das einerseits das (mittlerweile "vergangene") Trump-Amerika irgendwie anklagen will, gleichzeitig aber mindestens genauso reaktionär daherkommt wie der Ex-US-Präsident. Nach den Bildern vom Sturm auf das Kapitol Anfang des Jahres 2021 war es vielleicht auch eine Herkulesaufgabe, mit so einem Film noch jemanden wirklich schockieren zu können.

Don’t Look Up (Adam McKay) – 3/10

– Gedreht hat Adam McKay seine neueste Satire wohl als Attacke auf den Umgang der Politik mit der Klimakrise, doch im Jahr 2021 wirkt sein Film als Kommentar auf Trump und insbesondere die Covid-Pandemie. So oder so: Witzig ist hier leider fast gar nix. Viel war darüber zu lesen, wie erschreckend real das Szenario des Films doch sei: Ein Komet droht, die Erde zu vernichten, doch niemand will zwei überzeugten Wissenschaftlern glauben, schon gar nicht die US-Präsidentin. Immerhin ist doch bald Wahlkampf. Was witzig und zeitgeistig klingt, verkommt zu einer öden Nummernrevue, die nie so richtig weiß, was sie aussagen will und bei der alle Stars auf peinlichstes Overacting zurückgreifen. Nasen wie Timothée Chalamet und Jennifer Lawrence sind mit dem Tonfall gänzlich überfordert, Leonardo DiCaprio bietet mit Abstand seinen Karrieretiefpunkt und Meryl Streep ist so katastrophal unlustig als Präsidentin, dass wir ihr als Gesellschaft mindestens sieben Oscar-Nominierungen aberkennen sollten. Eine hohle, selbstverliebte Luftnummer.

Promising Young Woman (Emerald Fennell) – 3/10

– Ein Rachethriller der #MeToo-Bewegung: Eine junge Frau spielt das wehrlose Opfer und rechnet dann mit übergriffigen Männern ab. Die starken feministischen Aspekte geraten mit zunehmender Laufzeit leider zum bloßen Moralstück, bei welchem der Vorwurf "Männerhass" zu betreiben nicht gänzlich aus der Luft gegriffen ist. Problematisch ist zudem, dass jeder Versuch, eine emotionale Bindung zur Protagonistin aufzubauen daran scheitert, dass diese als Figur nur eine Chiffre bleibt und nie eine Persönlichkeit entwickeln darf. Wie so mancher Film 2020/21 geht es hier weniger darum, eine starke und spannende Geschichte zu erzählen, als viel mehr um den Versuch, eine Reihe von Statements miteinander zu verknüpfen. Es könnte gar der Eindruck entstehen: Da die Zeit des Poetry Slams nun vorbei ist, müssen kleingeistige Ergüsse der Verfechter einer vermeintlich sozialen Gerechtigkeit nun eben in Filmen ihre Missionierungsanliegen absondern. Auch das Ende dieses bemerkenswert abgedroschenen Films ersäuft wie zu erwarten nur in Kitsch.

Catweazle (Sven Unterwaldt) – 3/10

– Als Otto Waalkes noch so richtig lustig war, schrieben wir die 1970er, also scheint es nur folgerichtig, ihn in einer 70s-Kultrolle zu besetzen. Der Magier "Catweazle" ist in seinem Kinoabenteuer allerdings nicht mehr zu erkennen, ferner kaspert sich der Ostfrise hier durch seine üblichen vier Gags und darf sich ansonsten vom vierzehnjährigen Julius Weckauf an die Wand spielen lassen. Immerhin dürften kaum "Catweazle"-Fans ernsthaft enttäuscht worden sein, denn wo Otto drauf steht, ist nun mal Otto drin und wen das nicht davon abgehalten hat, einen der anderen 8-10 Kinofilme des Blödelbarden anzuschauen, der wird auch bei diesem hier nicht auf die Geschmackspolizei hören. Die klickt ferner resigniert die Handschellen, denn das ganze Treiben des Films ist so harmlos und so langweilig, dass es die Aufregung kaum wert ist. Hoffentlich hatten alle Beteiligten ihren Spaß, dann hat diese Komödie wenigsten ein paar Menschen glücklich gemacht.

Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings (Destin Daniel Cretton) – 3/10

– Die Superhelden-Filmmaschinerie hat ihren Tiefpunkt erreicht. Wenn Marvel nichts Besseres mehr in Petto hat, als das, was sich hinter "Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings" verbirgt, dann ist das Event-Kino offiziell gestorben. Dieser unerträgliche Dauermarathon an gedankenlosen Momenten, schwachsinnigen Figuren, hirnrissigen Dialogen und zu Tode geschnittenen Actionszenen ist eine reine Farce. Selbst der charismatische Hauptdarsteller Simu Liu kann nicht verbergen, dass es hier über 2 Stunden lang um gar nichts geht, dass jede Substanz schon beim ersten Kung-Fu-Kampf in einem CGI-Bus (offenbar auf einem alten Amiga programmiert) aus dem Fenster geflogen ist. Letztlich kämpft hier ein Kung-Fu-Illuminati um die Anerkennung seines Vaters, der dem Hirngespinst nachjagt, seine tote Frau könnte wieder auferstanden sein, und Comic-Fans werden besser verstehen, warum all das in einer Kunstrasen-China-Klischee-Utopie irgendwo zwischen Narnia und Hogwarts endet, in der Drachen vermöbelt und Seelen ausgesaugt werden. Immerhin: Das Ganze ist so kurios, dass es im Gedächtnis bleibt.

James Bond: Keine Zeit zu sterben (Cary Joji Fukunaga) – 3/10

– Einem Kinomythos wie James Bond kann man sich auf viele Weisen nähern. Autorenfilmer Sam Mendes stellte ihn zwei Epen lang in eine Art cineastisches Museum, fasste ihn mit Samthandschuhen an, erstickte fast an der Ehrfurcht vor dieser Historie. Für den Abschluss der Filme um 007-Darsteller Daniel Craig geht Cary Joji Fukunaga den entgegen gesetzten Weg: Demontage. Es ist reizvoll, etablierte Muster aufzubrechen, doch wenn man damit ihren Ursprung entkernt, bleibt ein hohler Akt der Selbstverletzung, dessen Bestreben nackt und hässlich im Raum verendet. Als Actionfilm ist "Keine Zeit zu sterben" brutal gescheitert, visuell ist das endlose Ödnis oder billigster Kitsch. Als Beitrag zu einem langanhaltenden Kino-Meilenstein versagt dieser Film völlig, etwas zu seiner Reihe oder seiner aktuellen Gegenwart beizutragen. Hinzu kommt ein außer Rand und Band geratenes Drehbuch, in dem so wenig inhaltlich zusammenpasst, dass in die vielen Plot-Löcher glatt ein weiterer Bondfilm passen würde. Nach diesem Teil bleibt nur zu sagen: Bitte nicht! Die Zeit, zu sterben, ist jetzt. Der Tiefpunkt der Reihe.

Bo Burnham: Inside (Bo Burnham) – 3/10

– Der in den USA hochgelobte Komiker Bo Burnham ist einer jener "Comedians", die ja ach so selbstreferenziell, ach so sozialkritisch und ach so augenzwinkernd die ach so ungerechte Welt aufrütteln wollen. Dabei sind sein Sarkasmus und Augenzwinkern schon so dick aufgetragen, dass er wahrscheinlich selber nicht mehr weiß, was er nun ernst meint und was nicht. Der Mensch Bo Burnham existiert in der Öffentlichkeit also quasi nicht, sondern nur die Kunstfigur, die erschaffen hat. Mitten im Corona-Lockdown erschuf er ein Bühnenprogramm bei sich zuhause, filmte all das und ließ uns auf Netflix daran teilhaben, wie er "Inside" blieb. Mit seinen Witzen und Songs krönt er sich selbst als König des Millennial-Humors: Meta um jeden Preis, in technisch hochauflösender Qualität so authentisch wie möglich und gezielt gegen alles und niemanden. "Inside" treibt das so weit, dass es sich nicht einmal mehr sicher ist, ob es lustig sein will oder nicht. Vermutlich aus Angst heraus, klar zu identifizierender Humor käme einer Stellungnahme gleich und sei damit direkt angreifbar. Kaum ein echter Film, der Vollständigkeit halber jedoch erwähnt.

The Tragedy of Macbeth (Joel Coen) – 3/10

– Viele haben sich bereits an Macbeth versucht, warum nicht auch Joel (ohne Ethan) Coen? Gefilmt ist das in authentischem Schwarz-Weiß, denn als William Shakespeare lebte, waren Farben noch gar nicht erfunden. Coen verdichtet den Stoff enorm, bleibt aber ansonsten so nah wie möglich am Original und inszeniert in Ingmar "Das siebente Siegel" Bergman Gedächtnisoptik einen Film, der immer wieder damit kokettiert, Mittel des Theaters einzusetzen. Mit anderen Worten: Nach mehreren Kinofilmen und unzähligen Theateraufführungen kann man Macbeth jetzt nochmal als abgefilmtes Theaterstück in geklauter Optik anschauen. Ob Coen nur seiner Gattin Frances McDormand einen Gefallen tun wollte, die als Lady Macbeth so überdreht aufspielt, dass ihr Spielpartner Denzel Washington sich augenscheinlich zurücknimmt? Schwer zu sagen. Übrig bleibt eine humorlose, gänzlich unnötige und schon jetzt angestaubte Adaption, die weder nach Shakespeare noch nach Coen ausschaut. Die einzige echte Erkenntnis, die ein Anschauen hier bietet: Ethan Coen ist wohl der Art Garfunkel dieses Geschwister-Duos.

Titane (Julia Ducournau) – 3/10

– Der Goldene Palme Gewinner 2021 mischt moderne Gender Studies mit Bodyhorror à la David Cronenberg. Das ist bereits der ganze Gag dieses blutgetränkten, aber doch blutleeren Films, der echte Originalität scheut wie der Teufel das Weihwasser und stattdessen in einem Swimmingpool der Provokationen badet. Die verstörende Gewalt dieses Films muss als Selbstzweck bezeichnet werden und die Botschaft des Gesehenen lärmt so überdeutlich aus den Zeilen heraus, dass zu der Liste seiner Grausamkeiten noch das Nasenbluten gezählt werden muss, welches jeder Zuschauer dank des einpreschenden Holzhammers erleiden wird. Die vielen grotesken Elemente geben das unsubtile Script der Lächerlichkeit preis und Julia Ducournau kann froh sein, für die Hauptrolle die ganz wunderbare Agathe Rousselle, die in ihrem Kinodebüt jede noch so absurde Szene mit ein wenig Würde über die Bühne bringt.

In the Heights (Jon M. Chu) – 3/10

– Bevor er durch "Hamilton" am Broadway unsterblich wurde, schrieb Lin-Manuel Miranda, der sich seit seinem Erfolg als Auftragskünstler für Disney verdingt, bereits das Bühnen-Musical "In the Heights", in dem Gentrifizierung, Rassismus und Identität verhandelt werden. Quasi eine Hip-Hop-Modernisierung der "West Side Story". Im Film ist davon wenig zu sehen, denn Jon M. Chu hat keine einzige Idee, dieses durchaus ansprechende, wenn auch überfrachtete Stück Broadway auf die Leinwand zu transportieren. Miese Choreographien und eine gänzlich flache, unpersönliche Bildsprache sorgen für einen Abziehbild-Effekt. Wer besonders viel Spaß hat, kann versuchen, jede vermeintliche Referenz an andere Musical-Filme zu entdecken, bei denen es sich größtenteils um platte Plagiate handelt. Da immerhin die meisten Akteure ordentlich singen, lohnt sich für Musical-Fans der Kauf des Soundtracks auf CD. Die visuelle Ebene ist für den Genuss aber nicht nötig, sogar eher hinderlich.

Red Notice (Rawson Marshall Thurber) – 3/10

– Netflix hat sich drei Weltstars (Gal Gadot, Dwayne Johnson, Ryan Reynolds) herangekarrt, um das Abenteuerkino in seichter Form zurückzubringen. Regisseur Rawson Marshall Thurber scheint kurz vor Drehbeginn umgezogen zu sein, vielleicht hatte er auch gerade renoviert, zumindest aber hatte er noch so viel grüne Tapete über, dass der gesamte Film vor künstlichen Hintergründen gedreht werden konnte. Das sieht teilweise so mies und missraten aus, dass es an billige Rückprojektionen der 1940er erinnert. Von den drei Stars bekommt man derweil ihr Standardprogramm abgenudelt: Reynolds ist wieder "Deadpool", Gal Gadot macht einen auf "Wonder Women" und Dwayne Johnson meidet weiter jeden professionellen Eindruck, den er versehentlich erwecken könnte und zieht einfach munter die Augenbrauen hoch und runter. Es bleibt ein nervtötender Unfug, der angeblich zwischen 160 Millionen und 200 Millionen US-Dollar gekostet haben soll. Unnötig zu erwähnen, was man mit dem Geld alles sinnvoller hätte anstellen können.

Eternals (Chloé Zhao) – 3/10

– "Jetzt machen wir mal was mit Kunst", wird Kevin Feige wohl gesagt haben und hat sich daher Arthaus-Regisseurin Chloé Zhao gekrallt. Ihr "Eternals" ist jedoch nur die Untermauerung eines alten Sprichworts: "Du kannst einer Ziege einen Frack anziehen, aber: Ziege bleibt Ziege." Statt dem Superhelden-Genre einen besonderen Vibe durch die naturalistische Inszenierung zu geben, wirkt dieses Möchtegern-Epos nun umso prätentiöser dadurch, eine Minimal-Handlung in besonders verkünstelter Bildsprache zu erzählen. Fairerweise muss man Zhao zugestehen: Diese skurrile spirituelle Nonsense-Bombast-Götterdämmerung hätte selbst James Cameron in seinen besten Zeiten nicht spaßig rüberbringen können. Immerhin: Ein paar gute Ansätze sind da, das Ensemble ist divers besetzt und spielt größtenteils gut, sogar Ramin Djawadi ("Game of Thrones") liefert einen angenehmen Soundtrack wie immer. Dennoch war es im Kino 2021 selten so langweilig wie bei diesem Marvel-Film. Vielleicht meinte Kevin Feige ja das mit der Kunst-Ambition.

Last Night in Soho (Edgar Wright) – 3/10

– #MeToo wird langsam im Kino verarbeitet, auch Edgar Wright versucht sich daran und mahnt mit dem Zeigefinger: Nostalgie ist böse, denn sie verklärt und trübt unsere Sichtweise. Recht mag er damit haben, aber nächstes Mal darf er sich etwas mehr anstrengen, um diese Botschaft rüberzubringen. Sein poetisch gemeinter Horrorfilm ist kaum feministisch als mehr dekorative Stilshow, in der Wright all seine Mätzchen vorführen und sich als technisch herausragender Filmemacher beweisen kann, der wie zuletzt bei "Baby Driver" auch sein Storytelling mal für ganze Passagen unterbricht, um eine lange und nichtssagende Sequenz einzubauen, die ihm eben so eingefallen ist. Wirklich ärgerlich ist, dass bei all der gut gemeinten Ambition kein einzig cleverer Gedanke aus diesem Film entsteht, ferner noch sogar ein richtig nerviger Geisterbahn-Horror aus der Mottenkiste die zweite Hälfte dominiert. Da hätte man mehr erwarten dürfen.

Cash Truck (Guy Ritchie) – 4/10

– Okay, zugegeben, ein unfaires Urteil, aber: Guy Ritchie hat mit "Cash Truck" eines dieser unnützen Remakes gedreht, die nur deshalb existieren, weil ein Großteil des englischsprachigen Publikums zu faul ist, um Untertitel mitzulesen. Der französische Originalfilm war eine finstere, aber coole Räuberpistole und Ritchie erhöht die Coolness mit mehr Posten und seiner Allzweckwaffe Jason Statham, wird damit aber auch zur Parodie seiner selbst. Zumindest fällt es nach diesem Film leicht, sich ein Remake aller möglicher Filme durch Guy Ritchie bildlich vorzustellen. Sei es drum: An einem verregneten Samstagnachmittag kann man dieses Werk ruhig mitnehmen, allerdings verpasst auch niemand etwas, der sich die Zeit spart oder nur beim Original bleibt. Einem Regisseur wie Guy Ritchie mag man solche Arbeiten sogar verzeihen, da er zwischen Remakes wie diesem und Disneys "Aladdin" auch gerne mal etwas wahrlich Originelles raushaut. Nur in diesem Fall eben nicht. Dann halt wieder nächstes Mal.

Nomadland (Chloé Zhao) – 4/10

– Der große Oscar-Gewinner 2020 ist das "Easy Rider" für die Generation der sozial Abgehängten. Die Handlung ist sofort erklärt: Eine trauernde 60 Jahre alte Witwe lässt alles stehen und liegen, und zieht als Nomadin durch die Mittelstaaten der USA. Gespielt wird sie von Frances McDormand, viele andere Akteure verkörpern sich selbst, womit "Nomadland" ein halbes Doku-Drama ist. Eine spannende Idee, und Zhao bewies in ihrem Debüt "The Rider" bereits eine interessante Ader dafür, sich solch urbanen Themen zu widmen. Doch was ein bewegendes Porträt von Land und Leute hätte werden können, ist letztlich aller Lobpreisungen zum Trotz ein problematisch-verklärender Blick auf das (meist unfreiwillige) Leben außerhalb von Gesellschaften. Statt Sozialkritik wird der triste Film so zu einem leidlichen Apologeten bestehender ungerechter Verhältnisse. Nicht jeder Kinofilm, der Armut zeigt, muss den Klassismus anklagen, aber ein wenig mehr Reflexion ist bei so einer Nabelschau schon nötig.

Old (M. Night Shyamalan) – 4/10

– Die beste Marketingkampagne des Jahres hatte M. Night Shyamalan zu bieten. Die Trailer zeigten das aufregende Konzept: An einem Strand altern die Urlauber in wenigen Stunden teils ganze Jahrzehnte. Eine eben noch Achtjährige ist plötzlich Mitte 20 und hochschwanger, vierzig Minuten später wird ihr Kind geboren. Eine reizvolle Ausgangssituation, die aber typisch Shyamalan auf mehrere unglaubwürdige Wendungen hinausläuft, die jedes Investment in die Figuren ad absurdum führt. Zum Glück entsteht dieses erst gar nicht, weil nahezu alle agierenden Charaktere zu den größten Deppen gehören, die je auf Mutter Erde wandelten. Nach einem spannenden, fast subtilen Prolog geht es also schnell bergab und wäre da nicht eine gewisse Faszination für die absurde Mischung, die dieser Film bietet, er wäre fraglos ein Desaster. Das hätte ein philosophischer, melancholischer Film werden können, aber dafür hätte es einen anderen Regisseur gebraucht.

Cry Macho (Clint Eastwood) – 4/10

– Clint Eastwood verabschiedet sich erneut vom Western-Genre, dieses Mal in einem lahmen Altherren-Drama, das Nachdenklichkeit vortäuscht, bis man merkt, dass es gar nichts gibt, was das Nachdenken lohnt. Letzlich weicht ein verbitterter Ex-Rodeo-Artist (natürlich mittlerweile Alkoholiker) durch den Kontakt zu einem jungen Menschen auf und wirklich alles, was aus dieser Geschichte heraus entsteht, hat Clint Eastwood als Schauspieler und Regisseur bereits mehrfach erzählt, jedes Mal zwei Klassen besser. Das Pacing dieses Dramas ist so unglaublich langsam, dass der Film gar in Zeitlupe läuft. Sympathisch allein die Attitüde, so einen entschleunigten Film überhaupt zu drehen und ihn ganz selbstbewusst als uramerikanische Wesensgeschichte zu verkaufen, die natürlich (wie ihr Filmmacher) längst aus der Zeit gefallen ist. Angeboten wurde der Stoff, der auf einem Roman basiert, Eastwood bereits 1988, vielleicht wäre damals ja mehr rauszuholen gewesen. Für Komplettisten okay, für alle anderen keine Empfehlung.

Matrix Resurrections (Lana Wachowski) – 4/10

– Wann immer "Matrix Resurrections" gerade nicht fast sklavisch den Mustern des ersten "Matrix"-Films folgt, zeigt er einfach Szenen aus eben diesem und verweist darauf, wie wahnsinnig Meta er ist. Spätestens, als Keanu Reeves wieder Thomas Anderson spielt, der in einer neuen Matrix als Videospielprogrammierer beauftragt wird, einen vierten Teil seiner einst erfolgreichen Gaming-Reihe "Matrix" zu programmieren (wohlgemerkt: Der Auftraggeber wird hierbei im Film als Warner Bros. benannt!), ist das Drehbuch so Meta, dass Mark Zuckerberg es glatt um die Bezeichnung verklagen könnte. Das ist eine Zeit lang witzig, irgendwann nervtötend, nie so originell, wie alle dachten, aber irgendwo panne genug, um für den Moment Unterhaltung zu simulieren. Unverzeihlich ist nur, dass die Action hier aus lauter Rohrkrepierern besteht, was bei "Matrix" einfach nicht sein darf. Andersrum: Neil Patrick Harris und Jonathan Groff als Schurken in einem Blockbuster-Kampfsportfilm zu sehen ist als (unfreiwilliger) Gag schon für sich so phänomenal, da ist jede weitere Beschwerde überflüssig.

Zack Snyder’s Justice League (Zack Snyder) – 4/10

– Das Internet hat gesprochen und es wurde erhört: Zack Snyder durfte seine Vollversion der Justice League veröffentlichen. Ein ganz und gar epischer Film, weniger aber aufgrund seines papierdünnen Inhalts, als mehr, weil er vier Stunden lang ist. Und wenn so ein Film vier Stunden lang ist, dann dauert jede Szene sehr viel länger, als sie müsste. Da singen ein paar Fischer eine ganze Ballade um den mystischen Aquaman und ein Charakter namens Cyborg verabschiedet sich regelmäßig in eine (nicht nur) spirituelle Cloud, in der dann für ein paar Minuten die Effektkünstler für den Herrn Snyder übernehmen. Ein guter Film ist das weiß Gott nicht, aber die Fans bekamen, was sie wollten: Mehr von allem, was im DC-Universum bis dato gegenwärtig war, zudem zahlreiches Material für Memes bei Social Media. Immerhin: Als direkte Vergleichsobjekte sind die zwei Fassungen des Films von je Joss Whedon und Zack Snyder hochspannendes Material für Nerds. Also wohl danke an Warner Bros., HBO Max und all die toxischen #ReleaseTheSnyderCut-Schreihälse im World Wide Web.

Cruella (Craig Gillespie) – 4/10

– Im Zeitalter des Superheldenkinos braucht alles und jeder eine "Origin"-Geschichte, einen Solo-Film, eine Psychoanalyse. Warum also nicht erzählen, dass Cruella de Vil aus "101 Dalmatiner" nur deshalb so einen Hass auf die gepunktete Hunderasse entwickelte, weil gleich zwei dieser Sorte ihre Mutter ermordet haben … Ja, wirklich. Man kann darüber jetzt den Kopf schütteln und an der schamlosen Ausschlachtung jeder halbwegs vielversprechenden Marke seitens der Filmindustrie verzweifeln oder das Spiel mitmachen und erkennen, dass in "Cruella" zumindest interessante Ansätze stecken, die bei besserer Ausführung einen guten Film ergeben hätten. Emma Stone etwa ist in der Titelrolle toll anzuschauen und die eigentliche Idee, eine Art "Taxi Driver" der Modewelt zu inszenieren, hätte spannend werden können. Am Ende wurde daraus nettes Ausstattungskino, das mehr für sein ungenutztes Potenzial als für seinen tatsächlichen Inhalt im Gedächtnis bleibt. Vielleicht braucht doch nicht jede Figur eine "Origin"-Geschichte – auch wenn die Fokusgruppen da draußen das anders beruteilen.

West Side Story (Steven Spielberg) – 4/10

– In Videospielen ist schon lange die Kunstform der Remastered-Fassungen etabliert. Bedeutet: Ein Publisher bringt exakt dasselbe Spiel nochmal raus, aber hat Grafik, Texturen etc. überarbeitet. Es ist also kein neues Spiel, sondern ein kosmetischer Eingriff. Nun ist diese Form des Updates auch im Kino angekommen. Steven Spielberg hat einen seiner Lieblingsfilme, das Broadway-Musical "West Side Story" neuverfilmt, und weil er den Film von Robert Wise aus dem Jahr 1961 abgöttisch liebt, ändert er so gut wie gar nichts am Ablauf der Geschichte, spult sämtliche Mechanismen noch einmal identisch ab. Nur jetzt eben in modernerer Optik. Ein zweites Meisterwerk kann so nicht geschaffen werden und jedes Plus, welches sich bei Spielbergs "West Side Story" empfinden lässt, erntet die Früchte, die einst andere gesät haben. Sogar die einst kunstvollen Jazz-Rhythmen werden hier so arg nostalgisiert, dass sie ihren Klang gänzlich abgestreift haben. Vielleicht noch nie war ein Film so unnötig – und das ist dann schon die einzige Neuerung dieses Kino-Unsinns.

The French Dispatch (Wes Anderson) – 4/10

– Ein spannendes Experiment ist der neue Film von Wes Anderson fraglos, leider kann es als gescheitert betrachten werden. Wie üblich bei ihm geht es konsequent meta-verschroben zu, der ganze Film ist (sobald man ihn durchschaut hat) eine Art "episodisches Stille-Post-Mosaik", die Weltflucht steht ganz oben an der Tagesordnung. Das ist hübsch und witzig, aber in seiner Detailversessenheit und Dekadenz zu schnell ermüdend. Und vor allem ist das sehr geschwätzig, denn es wird fast nur geredet in diesem zu langen Film, über die Figuren, ihr Weltbild, ihre Motive etc. Anderson ist von Natur aus ein Dialog-Erzähler, aber hier übertrifft er sich selbst in dieser Hinsicht gleich mehrfach. Vorbei ist die neue Frische, die er seiner Filmografie mit "Grand Budapest Hotel" einst abgewinnen konnte, Anderson ist stilistisch im Gemischtwarenladen seiner eigenen Vergangenheit angekommen. Ehrensache: Zumindest seine Stars lassen ihn nicht im Stich, darunter: Benicio del Toro, Frances McDormand, Jeffrey Wright, Adrien Brody, Tilda Swinton, Timothée Chalamet, Léa Seydoux, Bill Murray, Edward Norton, Christoph Waltz und Willem Dafoe.

Black Widow (Cate Shortland) – 4/10

– In einem Jahr, in dem von vier Marvel-Kinofilmen nur einer halbwegs gelungen ist, macht es kaum noch Spaß, auf den teuersten Kostümverleih der Welt einzuprügeln. Zur Abwechslung also mal das Positive: Die Anspielungen an alte James-Bond-Klassiker wie "Moonraker" sind gelungen, eine Cover-Version des Nirvana-Hits "Smells Like Teen Spirit" sorgt für das beste Intro aller Filme des "Avengers"-Kosmos und Florence Pugh als neue Black Widow ist eine Sensation, sofort ursympathisch und schauspielerisch drei Klassen besser, als benötigt wäre. Fans werden auch den Rest abfeiern, Blasphemiker rümpfen weiter mit der Nase und haben ein Leichtes, all die schwachen Ideen des unnötig verklausulierten Drehbuchs vorzuführen, die uninspirierte Regie zu kritisieren, sich über die lächerlich überdrehte Action zu echauffieren. Sie haben mit all dem natürlich Recht, doch muss man der Fairness halber entgegnen: Marvel ist erfolgreich wie eh und je, die "Avengers" sind gekommen, um zu bleiben, für das Blockbuster-Kino heißt das auf lange Sicht wohl "Friss oder stirb!".

tick, tick … BOOM! (Lin-Manuel Miranda) – 4/10

– Alles, was am modernen Broadway-Kult zum Kotzen ist (Sauteure Touristenfalle, Eingestaubte Konventionen, Kreativer Snobismus, Behauptung einer Hegemonie der "herrschenden" Elite, Zynismus als Rechtfertigung für Ausbeutung und Erniedrigung), wird hier als Musical-Film aufbereitet. Lin-Manuel Miranda erzählt vom amerikanischen Traum, der da lautet: Du kannst alles schaffen, solange du a) deine Integrität bei der ersten Aussicht auf Profit an dein Publikum verrätst und b) sehr weiß bist. "tick, tick … BOOM!" ist eine Liebeserklärung an die moderne Post-Sondheim-Broadway-Ära, aber so sehr aus einer Showbuiz-Blase heraus konstruiert, dass er völlig unkritisch ist und gar nicht merkt, wie toxisch er Werbung für Narzissmus im Bühnengeschäft macht. All das muss laut kritisiert werden dürfen, sofern man so ehrlich ist, zuzugestehen, dass Andrew Garfield als erfolgloser Protagonist dermaßen sensationell aufspielt, dass selbst die verärgertsten Zuschauer an der ein oder anderen Stelle gegen ihren Willen zum Empfinden echter Emotionen gezwungen werden.

Jungle Cruise (Jaume Collet-Serra) – 4/10

– Es ist nicht ganz "Red Notice", aber auch der Disney-Blockbuster "Jungle Cruise" glänzt in erster Linie mit matschigen Effekten und dauerkünstlicher Atmosphäre. Der Film basiert wie einst "Fluch der Karibik" auf einer Disneyland-Themenparkattraktion, hat aber außer flauen Scherzen und einer charismatischen Emily Blunt wenig auf der Habenseite. Collet-Serra will zu viel von allem und erzählt diesen Abenteuerfilm auch als Romantische Komödie, Actionkracher und postmodernes Märchen, zudem ist er gezwungen, Nicht-Schauspieler Dwayne Johnson in der Hauptrolle einzusetzen. So will es das oberste Hollywood-Gesetz: Steht das Wort "Dschungel" im Titel, muss Dwayne Johnson besetzt werden. Kurios ist das Verheizen talentierter Schauspieler in Nebenrollen, daunter: Jesse Plemons, Paul Giamatti und Édgar Ramírez. Zu harmlos, um sich darüber aufzuregen, zu seicht, um sich richtig unterhalten zu fühlen, aber irgendwie dann meistens doch okay, manchmal aber auch wieder nicht. Eine 4/10 nun mal, was soll man noch groß schreiben?

Schachnovelle (Philipp Stölzl) – 5/10

– Ein von x-tausenden Abiturienten seit Dekaden immer wieder neu durchgenudelter Stoff wie die "Schachnovelle" ist irgendwann auserzählt. Dieser Zeitraum, dieses ungefähre "Irgendwann", wurde 2021 erreicht. Philipp Stölzl hat der Novelle nichts Neues hinzuzufügen und spult die Geschichte in überbeleuchteten Bildern ab, hängt die Kamera ständig in die seltsamsten Winkel, um Inspiration vorzutäuschen, wo kalte Berechnung vorherrscht. Sein Film ist vermutlich dann auch für jene Abiturienten der Zukunft gedacht, die sich das mühselige Lesen ersparen und dennoch auf die anstehende Klausur vorbereiten wollen. Statistisch gesprochen ist das übrigens sinnlos, da diese Schüler im Schnitt schlechter abschneiden, somit verlieren auch Stölzl und sein Film an Wert. Aber dann zündet er sie noch, seine Geheimwaffe, er zieht seine Trumpfkarte: Oliver Masucci. Er, der er zu den besten deutschen Schauspielern dieser Zeit zählt, ist als Dr. Josef Bartok eine Wucht, für die es sich schon fast wieder lohnt, hier reingeschaut zu haben.

Killer’s Bodyguard 2 (Patrick Hughes) – 5/10

– Mit "Killer's Bodyguard" ließ Patrick Hughes 2017 eine Buddy-Actionkomödie auf die Welt los, die sich nach alter Schule anführte. Aufwendige, meist handgemachte Action, zwei sich wunderbar ergänzende Ballermänner (Ryan Reynolds und Samuel L. Jackson) und ein durchgängig selbstironischer Ton, der sofort vermeidet, dass man diesem Film zu böse sein kann. Die Fortsetzung ist das alles ebenfalls, nur mehr davon. Und wie so oft bei Fortsetzungen, die einfach dasselbe nochmal in lauter machen, ist "Killer's Bodyguard 2" zu laut, zu nervtötend, zu verquasselt. Spaß lässt sich mit der Action noch haben, auch die Paarung der zwei Heroen funktioniert weiterhin, aber letztendlich schmeckt jedes Gericht, dass in der Mikrowelle erneut aufgewärmt wird, nie wieder so gut wie frisch gekocht. Dieses Argument in Hollywood zu bringen, wäre jedoch ein Kampf gegen Windmühlen. Ein dritter Teil dürfte also fest beschlossene Sache sein, obwohl nach diesem Sequel kaum noch wer danach verlangen wird.

Venom: Let There Be Carnage (Andy Serkis) – 5/10

– Der erste "Venom"-Film war 2018 eine Abscheulichkeit, insbesondere, da seine einzige Qualität darin bestand, der Welt zu zeigen, wie überschätzt Tom Hardy als Schauspieler eigentlich ist. Ruben Fleischer hatte einen billigen Trash-Film zum Marvel-Epos aufgeblasen. Sein Nachfolger Andy Serkis erkennt dieses Problem und versucht gar nicht erst, seine Regie-Arbeit ernstzunehmen. Stattdessen ist "Let There Be Carnage" wirklich nicht mehr als ein Trash-Film, der den IQ absichtlich runterdreht, um simplen Fun zu haben. Der kurzen Laufzeit wegen lässt sich dieser Weg ins Amusement gut mitgehen, zumindest in allen Szenen, in denen Hardy sich und uns die ganz schlimmen Ovaracting-Kaspereien erspart. Da Superheldenfilme mittlerweile die komplette A-Liga im Kino dominieren, ist es nur fair, wenn sie auch ihre eigene B-Movie-Sparte bekommen und genau das leistet Serkis hier. Wem das nicht passt, wer die Superheldenmüdigkeit spürt, der wird die nächsten Jahre auf simplen Fun fast gänzlich verzichten müssen.

Judas and the Black Messiah (Shaka King) – 5/10

– Hitziger Beitrag zur Black-Lives-Matter-Diskussion: Erzählt wird die wahre Geschichte des schwarzen FBI-Informanten Fred Hampton, engagiert gespielt von Daniel Kaluuya. Herausgekommen ist ein optisch opulentes Period Piece, welches außer einer großen Portion Wut im Bauch argumentativ aber eher unentschlossen versandet. Dafür hätten die Chataktere noch genauer und prägnanter gezeichnet werden müssen. J. Edgar Hoover etwa, den hier Filmlegende Martin Sheen verkörpert, wird so sehr zur Karikatur verdammt, dass er als ernster Antagonist nicht funktionieren kann und damit die moralischen Grundierungen dieses langen Biopics in simple Schwarz-Weiß-Malerei verfallen. Natürlich darf noch die kitschige Romanze nicht fehlen, ohne die so ein Film wohl nicht sein darf, da er dann keinerlei kommerzielle Elemente mehr bieten würde. Übrigens: Bei Google bloß nicht die realen Umstände der Geschichte nachschauen, denn "Based on a true story" nimmt dieser Film als Vorgabe wirklich sehr locker.

Resident Evil: Welcome to Raccoon City (Johannes Roberts) – 5/10

– "Endlich wieder ein guter Zombiefilm", so hätte man denken können, als angekündigt wurde, die "Resident Evil"-Reihe bekäme ein Reboot und würde sich filmisch endlich an ihren Gaming-Wurzeln orientieren. Gemeint war damit nur, dass man jetzt Schauplätze und Figurennamen der alten Spiele verwurstet, damit aber auf selbige Art Schindluder betreibt wie all die nervtötenden Vorgänger. Der beste "Resident Evil"-Film bis dato ist "Welcome to Raccoon City" aber dennoch, weil sich trotz der miesen Story und der furchtbaren Charaktere erkennen lässt, dass Johannes Roberts irgendwann einmal einen guten Zombiefilm drehen könnte. Talent hat er fraglos, und dieses Jahr hatte kein Horrorfilmbeitrag so effektive Jumpscares. Nur ist das eben etwas zu wenig, um Vertrauen in eine Marke zurück zu gewinnen, die auf der Kinoleinwand bisher vor allem für Billiges und Gewöhnliches stand. Vielleicht dann ja beim nächsten Reboot, der so sicher kommen wird, wie das Zombiegeschlurfe in Raccoon City.

Ron läuft schief (Sarah Smith und Jean-Philippe Vine) – 5/10

– Einen Animationsfilm wie "Ron läuft schief" müsste einfach viel besser sein, um die Relevanz zu erreichen, die er haben könnte. In dem Film freundet sich der kontaktscheue Fast-Teenie Barney mit dem digitalen B*Bot Ron an, einem Roboter, der eine Art lebendig gewordenes Smartphone darstellt. Und das ist die große Stärke dieses Kleinods: Bislang vermieden Kinderfilme Social Media auf eindrückliche Weise, und wenn, dann wurde daraus nur eine platte Nummernrevue à la "Chaos im Netz" oder "The Emoji Movie". "Ron läuft schief" erkennt an, dass Handynutzung und Internet auch für 10-Jährige heute zur Lebenswirklichkeit dazugehören. Und auch die Message "Vorsicht vor der Handysucht!" ist nicht verkehrt. Aber es hilt nichts: Wer ehrlich ist, gibt zu, dass hier eine stereotype Geschichte mit und über neue Technik erzählt wird, die niemanden überraschen kann, der in seinem Leben schon einmal einen Pixar- oder Dreamworks-Streifen gesehen hat. Schade drum.
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https://letterboxd.com/casinohille/

Let the sheep out, kid.

Re: Jahresrückblick 2021

9
So, ich mache auch mit, und gebe zu, dass ich einige der Texte so hastig runtergeschrieben habe, dass es bestimmt hier und da Formulierungs- und oder Rechtschreibfehler zu finden geben wird. Wer solche findet, der darf sie sammeln und sie mit ins neue Jahr nehmen. :)

Damit meine Kommentare nicht den Rahmen sprengen, müsst ihr das Spoiler-Dokument aufklappen, um sie zu lesen. Viel Spaß an jeden, der sich das antun will. … Wieso auch immer.

EDIT: Leider besteht mein Beitrag aus 68924 Zeichen, erlaubt sind im Forum nur maximal 60000 Zeichen. Daher splitte ich den Post in zwei Hälften. Es folgen die Filme mit der Wertung 6/10 – 10/10!
Spoiler
Encanto (Byron Howard und Jared Bush) – 6/10

– Nach "In the Heights" und "tick, tick … BOOM!" ist der Disney-Animationsfilm "Encanto" der beste Film 2021, an dem Lin-Manuel Miranda mitgewirkt hat. Allerdings liegt das nicht wirklich an ihm, denn seine Musical-Einlagen, die er im Stil eines Alan Menken für den Film geschrieben hat, sind klar die größte Schwachstelle eines Films, der so putzig ist, dass es gar nicht allzu negativ auffällt, wie hanebüchen Szenario und Geschichte eigentlich sind. Disneys Schema F Schablonen ermüden schon aus Gewohnheiten, dafür ist die farbprächtige Optik eine Sensation. Auf entsprechend großem Bildschirm ("Encanto" wurde bereits einen Monat nach Kinostart bei Disney+ veröffentlicht) schlägt dieses Familienmärchen selbst Genre-Wunder wie "Coco" oder "Soul". Wirklich erstaunlich, was für beeindruckende Welten die ITler mittlerweile an ihren Rechnern erstellen können, wie immersiv sie den knuddeligen Disney-Look aufzubereiten in der Lage sind. Der eindeutige Verzicht auf unnötige Slapstick-Sidekicks katapultiert diesen Film im Ranking weit vor "Die Eiskönigin" oder "Vaiana".

Spider-Man: No Way Home (Jon Watts) – 6/10

– Das Unwort Fanservice ist mittlerweile zu einem verqueren Kompliment für schamlose Ausbeutung von Kindheitserinnerungen geworden. "No Way Home" erkennt, warum die beiden Spidey-Vorgänger aus dem "Avengers"-Universum nicht funktionierten – weil Tom Holland weder Talent noch Ausstrahlung hat, um einen Blockbuster zu tragen. Also bekommt er so ziemlich jeden an die Seite gestellt, der je zuvor in einem "Spider-Man"-Film funktionierte. Alte Schurken und Spinnenmänner geben sich die Klinke in die Hand, wobei insbesondere Alfred Molina und Willem Dafoe die Show stehlen und der dritte Akt tatsächlich das Beste ist, was sich unter dem Begriff Fanservice vorstellen lässt. Die emotionalen Beats mögen dieses Mal also stimmen, trotzdem muss erwähnt sein, dass die Story dermaßen konstruiert und schwachsinnig geschrieben ist, um irgendwie das Klassentreffen des Spidey-Kosmos zu rechtfertigen. Aber wollen wir nicht zu hart sein: Marvel hat hiermit den Crowdpleaser 2021 in die Kinos gebracht und das allein ist im zweiten Corona-Jahr in Folge durchaus ein Kompliment wert.

Ein Junge namens Weihnacht (Gil Kenan) – 6/10

– Schon das Buch war ein Bestseller, der Film transportiert die Geschichte auf die große Leinwand. Und es gelingt: "Ein Junge namens Weihnacht" ist herzhafte Familienunterhaltung für die Festtage! Worum geht's? Um die Kindheit des Weihnachtsmannes. Der war schließlich auch mal jung, hatte eine Familie und muss irgendwie auf die Idee gekommen sein, allen Kindern der Welt einmal im Jahr eine Freude zu machen. Alles, was ein Weihnachtsfilm braucht, hat "Ein Junge namens Weihnacht", trotzdem finden eben auch die unschönen Seiten des Lebens wie Fremdenhass sowie die Auseinandersetzung mit Tod und Trauer statt. Weihnachtsfilme muss man nicht mögen, aber wenn sie gelungen sind, dann lässt sich das (an)erkennen. Besonders "Harry Potter"-Fans sollten hier by the way einen Blick riskieren, da mit Jim Broadbent, Maggie Smith und Toby Jones gleich mehrere ehemalige Hogwarts-Nasen hier mitmischen.

Free Guy (Shawn Levy) – 6/10

– "Free Guy" ist "Matrix" für die Generation "Fortnite". Ein Videospiel-NPC erwacht zum Leben, erkennt die Künstlichkeit seiner Realität und begehrt auf. Das Ergebnis ist ein CGI-Potpurri, der sogar interessante Momente hat, meist dann, wenn er die Gaming-Welt verlässt und uns Jodie Comer als Programmiererin zeigt, deren originelles Konzept für ein friedliches Open-World-Game von einem fiesen Kapitalisten (Taika Waititi) gestohlen wurde. In dem Kosmos aus Bits und Bytes begeistern die vielen schönen Referenzen, die beweisen, dass hier jemand seine Hausaufgaben gemacht hat (zumindest, bis am Ende die offensichtlichen Marvel- und Star-Wars-Easter-Eggs für Augenrollen sorgen). Ryan Reynolds gibt den Protagonisten und spielt hauptsächlich sich selbst, ist dabei aber erstaunlicherweise weniger nervig als in anderen Filmen dieses Jahr. Löblich ist an "Free Guy" vor allem, dass er als teurer Kino-Blockbuster auf eine gänzlich neue IP setzt, statt sich in ein bestehendes Franchise einzureihen. Dass das 2021 bereits ein Lob ist, sagt viel über die Einfallslosigkeit des Hollywood-Kinos unserer Zeit.

Dune (Denis Villeneuve) – 6/10

– Kein anderer Film gehörte dieses Jahr so sehr auf die große Leinwand wie "Dune": Der epische Sci-Fi-Prolog ist eine zweieinhalbstündige Studie der Bildgewalt. Wenn zum ersten Mal ein Sandwurm ein ganzes Schiff verschlingt und sich aus der ewigen Wüste des Planeten Arrakis erhebt, dann drückt das ganz tief in den Sessel. Brachial ist dieser Film, exzellent besetzt (mit u.a. Timothée Chalamet, Zendaya, Oscar Isaac, Jason Momoa, Javier Bardem, Rebecca Ferguson etc.) ebenfalls. Der gewichtigen Buchvorlage wird Denis Villeneuve aber nicht gerecht. Zu oberflächlich erzählt er die Geschichte um einen falschen Erlöser, um Ausbeutung einer nicht von ungefähr an islamische Stämme erinnernden Gruppierung. Einen verquasten, schwerfälligen Eindruck macht dieser Film, dieser "Lawrence of Arrakis", der auf den letzten Metern antiklimaktisch einfach endet, statt etwas abzuschließen. Erst mit dem zweiten Teil in einigen Jahren wird "Dune" ein vollständiges Bild ergeben, aber das Chancen zu Vertiefung einer einst spannenden Vorlage liegengelassen wurden, ist jetzt schon an den eindimensionalen Figuren zu erkennen.

Godzilla vs. Kong (Adam Wingard) – 6/10

– Monsterfans sind zurecht aus dem Häuschen, wenn die Titanen des Genres, die japanische Riesenechse und der Giga-Affe von Skull Island, sich mit ihren Fäusten gehörig die Futterluke neu einrichten. Offenbar hat Hollywood aber immer noch nicht begriffen, dass es in einem Film, der "Godzilla vs. Kong" heißt, keine andere Attraktion neben den titelgebenden Schwergewichtsboxern zu geben braucht. Wann nur, oh wann wird die Filmindustrie verstehen, dass jede Szene, in der eindimensionale menschliche Figuren treublöd durch die Gegend staunen, während Monster gegenseitig ihrer Visage einen neuen Anstrich verpassen, sofort uninteressant wird? Gebt uns 80 Minuten Monsterkloppe, statt 2 Stunden stereotype Dramen, die durch Monsterkloppe unterbrochen werden! Wenn es in "Godzilla vs. Kong" rummst, dann wenigstens auch wirklich und wer sich diesen Film im Heimkino anschaut, sollte die Fernbedienung stets in der Hand halten, um eine Anzeige wegen Ruhestörung zu vermeiden. Andersrum: Wer den Film richtig laut aufdreht, kann an Silvester damit vielleicht die dieses Jahr verbotenen Böller auf andere Weise kompensieren.

The Power of the Dog (Jane Campion) – 6/10

– Ein klarer Oscar-Anwärter! "The Power of the Dog" ist ein Western, der toxische Männlichkeit verhandelt, der ein echtes Ekelpaket als Protagonisten aufweist, der hauptsächlich über seinen Umgang mit Frauen charakterisiert wird. Dabei kommen haufenweise interessante Ansätze rüber, vor allem ist dies jedoch edles Schauspielkino. Kirsten Dunst, Jesse Plemons, Kodi Smit-McPhee und Thomasin McKenzie sind allesamt herausragend, einzig und ausgerechnet für die Hauptrolle musste unbedingt Benedict Cumberbatch besetzt werden, der in dem Part heillos überfordert ist. Wie dem auch sei: Als Dialog- und Schauspielfilm wird dieser Western bei den Awards gute Karten haben. Die visuelle Gestaltung ist für Jane Campion ungewöhnlich trist und unauffällig, sogar ein wenig langweilig. Übrigens: Lange wurde ein Film nicht mehr so grässlich auf Deutsch übersetzt, die Synchronfassung ist ein neues Negativ-Beispiel dafür, wie eine ungelenke Eindeutschung den Zugang zu einem Film gänzlich vermiesen kann. Wer also keine O-Ton-Kinovorstellung erwischt, stelle bei Netflix die Sprache um.

Nobody (Ilya Naishuller) – 6/10

– Nobody Does It Better? Nun, dieser Film ist eigentlich eine Art seelisches Spin-off zu den "John Wick"-Filmen, wird Fans dieser Gun-Fu-Actiongewitter allerdings anfangs irritieren, da auf die dort vorherrschende Neon-Optik verzichtet wird. Auch der Kampfstil ist anders: Während Keanu Reeves durch Scharen von Gegnern tänzelt und Kurzdistanz-Kopfschüsse verteilt, steckt "Better Call Saul"-Star Bob Odenkirk gehörig ein. Er ist eben ein Nobody, kein Supermann. Die Action ist dadurch immersiver, viel brutaler, eine Kampfszene in einem geparkten Bus ist eine Knochenbrecher-Sinfonie. Der Plot ist derweil nicht die Rede wert. Was bei John Wick der tote Hund war, ist beim Nobody ein geklautes Armband seiner kleinen Tochter. Ist Banane, aber egal, denn eigentlich sollen die anderthalb Stunden nur mit viel Gewalt und noch mehr rotziger Attitüde vollgepackt werden und das sind sie, auch wenn das letzte Drittel dramaturgisch so arg in der Luft hängt, dass es eigentlich Punktabzug geben müsste. Für die Einmalsichtung ist "Nobody" aber schon ein morbider Spaß, für alle, die ohne fehlende Pointe können.

Halloween Kills (David Gordon Green) – 7/10

– "Wir müssen uns aufteilen", sagt mindestens jeder einmal in dieser Horror-Fortsetzung, von daher entblößen sich sämtliche Akteure als die größten Hohldeppen, die seit langer Zeit in einem Slasher gemeuchelt wurden. Dem Spaß tut das erstaunlicherweise keinen Abbruch, denn dieses Mal ist nicht wieder Oma Jamie Lee Curtis oder irgendeine andere farblose Charakterhülle das Zentrum eines "Halloween"-Films, sondern der blutrünstige Killer Michael Myers selbst. Als routinierte Killermaschine stampft er durch Haddonfield und will einfach nur in Ruhe auf seinem Weg ein paar Rentner abstechen, bis die sich auf einmal kollektiv zur Wehr setzen. Die Sympathien gehören also nun dem maskierten Mörder und das ist fraglos der interessanteste Twist, den diese Reihe vielleicht jemals zu bieten hatte. Der aufgescheuchte Mob, der allzu leicht an Trumpianer erinnert, die in alter Hexenjagd-Manier auf alles und jeden losgehen, sie alle verdienen das Messer an der Kehle und so ist zum ersten Mal in einem Horrorfilm die letzte große Schnetzelei nicht mehr beängstigend, sondern befriedigende Katharsis.

Ammonite (Francis Lee) – 7/10

– Diese lesbische Küstenromanze wird automatisch mit "Porträt einer jungen Frau in Flammen" verglichen werden und kann diesen Vergleich nur in jeder Disziplin verlieren. Etwas nerven tut es schon, dass eine lesbische Liebe wieder über lange Blicke und Andeutungen entwickelt wird, bis uns der schottische Filmemacher Francis Lee eine lange, unnötig explizite Sexszene zeigt. Zum Glück hat sein Film aber auch große Qualitäten, denn sämtliche Figuren sind psychologisch vielschichtig und facettenreich, was dem Schauspielerinnen-Duo Kate Winslet und Saiorse Ronan nur zu gute kommt. Ihre Chemie ist durchweg überzeugend und verhindert, dass zwei Oscar-Kandidatinnen nur nebeneinander um einen Award kämpfen. Sie werden tatsächlich eine Einheit und ihr Schicksal berührt und fesselt. Hinreißend zudem die eindrucksvollen Naturaufnahmen, die einen interessanten Kontrast zu den schroffen Figuren bieten und ästhetisch mehr hergeben als es bei so manchen naturverbundenen Filmen üblich ist. Kein Porträt also, aber eine schöne Skizze von zwei jungen Frauen mit Funken.

Chaos Walking (Doug Liman) – 7/10

– Von der Kritik böse zerrissen, dabei ist "Chaos Walking" ein origineller Blockbuster, der das Denken zum Thema macht, nicht das Handeln selbst. In einer Dystopie leben nur noch Männer auf dem Planeten Erde, deren Gedanken jederzeit über ihrem Kopf sicht- und hörbar sind – ein wenig wie die Denkblasen in Comic-Heftchen. In dieser Welt begegnet nun Tom Holland der "Star Wars"-Heldin Daisy Ridley, und ist ganz irritiert: Nicht nur ist sie eine Frau, auch eine Denkblase hat sie nicht. In angenehmer Mysteryspannung wird das ungewöhnliche World Building erweitert und präzisiert, ehe erst im letzten Drittel der erwartbare Abfall in müde Action von der Stange passiert. Selbst den bringt Doug Liman aber einigermaßen würdevoll über die Bühne. Die fiese Rezeption vielerorts verwundert derweil, denn wenn selbst unhaltbarer Selbstfindungsschund wie "Die Tribute von Panem" oder "Maze Runner – Die Auserwählten im Labyrinth" nicht gescholten wurde, dann verdient "Chaos Walking" es auch nicht.

Annette (Leos Carax) – 7/10

– Was für ein seltsamer Film! Ein Musical mit Musik der Sparks Brothers um einen Stand-up-Comedian und seine Frau, eine international erfolgreiche Opernsängerin, die durch die Geburt ihres ersten gemeinsamen Kindes (dargestellt durch eine absichtlich extrem offensichtliche Puppe!) in zahlreiche Krisen stürzen. Irgendwo zwischen Fiebertraum und Jacques Demy war lange kein Musical-Film mehr so ausgeflippt und artistisch, sogar so verkünstelt, dass wenig interpretierfreudige Zuschauer schnell abschalten und sich nur noch von den ungewöhnlichen Bildern berieseln lassen werden. Die konfuse Mischung geht weiß Gott nicht immer auf, und 140 Minuten sind für diesen melancholischen, teils sogar sehr düsteren Film viel zu lang, seine hypnotische Wirkung wird aber auch Fans finden, vielleicht ist sogar das Potenzial zu einem besonders schrägen Kultfilm hier vorhanden. Leos Carax traut sich was und das allein ist immer eine gewisse Form der Anerkennung wert, die sich auch dann leisten lässt, wenn einen das Gesehene und Gehörte gar nicht abzuholen vermochte.

House of Gucci (Ridley Scott) – 7/10

– "House of Gucci" mag der oberflächlichste Film des Jahres sein, doch das hat System: Diese Farce erzählt von einem Leben an der Oberfläche, von der Mode-Dynastie, die immer ein wenig an einen Familienclan aus Francis Ford Coppola Epen erinnern soll – nicht von ungefähr spielt Al Pacino das Familienoberhaupt. Im Zentrum stehen aber Lady Gaga und Adam Driver als Ehepaar, bei dem man nie verstehen kann oder soll, was diese zwei destruktiven Gestalten eigentlich für einander empfinden und wieso. "House of Gucci" ist ein Treppenwitz, aber er funktioniert auf mehreren Ebenen, entlarvt er doch unsere absurde Faszination für die Reichen und Schönen, unsere Selbstversklavung in einem System, in dem Wachstum über alles andere gestellt wird. Nicht alles zündet, Jared Leto als groteskes Dickerchen à la Commedia dell'arte ist ein krasser Griff ins Klo, aber die Laufsteg-Welt wurde lange nicht so genüsslich vorgeführt und nach der langen Sezierung bleibt hauptsächlich der Eindruck hängen, dass sie es selten so verdient hatte wie in diesem Fall.

Minari – Wo wir Wurzeln schlagen (Lee Isaac Chung) – 7/10

– Schön gefilmtes, leichtfüßiges Drama um südkoreanische Einwanderer in den USA, die ihren amerikanischen Traum in einer Parallelgesellschaft auf Campingplätzen leben. Gut gespielt, intelligent geschrieben, und erfreulich unaufgeregt in seiner Haltung zur Einwanderungsproblematik. Obwohl gesellschaftlich relevante Themen nicht verharmlost, sondern ernst behandelt werden, ist "Minari" eine Chill-Out-Area, ein Lounge-Film, Wohlfühlkino mit Anspruch. In dieser Qualität sieht man das selten und so waren die Kritikerjubelstimmen aus den Vereinigten Staaten nachvollziehbar und berechtigt. Yoon Yeo-jeong, die als Beste Nebendarstellerin sogar einen Goldjungen gewann, ist fraglos die Entdeckung des Films für viele westliche Zuschauer, die ihre grandiosen Leistungen im südkoreanischen Kino bislang nicht kannten oder wahrgenommen haben. Um wirklich zu ergreifen wird die Handlung dieses Films aber vielleicht doch etwas zu gemütlich präsentiert, aber das ist erklärte Absicht. Und es ist auch mal ganz schön, sich in einen solchen Mikrokosmos einfach fallenlassen zu können.

Palm Springs (Max Barbakow) – 7/10

– Wie glaubwürdig lässt sich ein Zeitschleifen-Film erzählen? "Palm Springs" ist die Antwort darauf. Dieses respektlose, rotzfreche Drehbuch wagt es wirklich, zwei fremdgeherische Betrüger gemeinsam in die Neverending-Daystory zu werfen und sie auf ungewöhnliche Weise darauf reagieren zu lassen. Nach der erwartbaren Phase der Akklimaktisierung begegnen sie dem Phänomen mit Logik, lernen alles über Quantenphysik und die Relativitätstheorie, was sie können, um sich aus der Misere zu befreien. Gerne hätte das noch länger dauern können, denn die 90 Minuten vergehen wie im Flug und bieten eine Komödie, die witzig und gleichzeitig anregend ist. Es ist aber vor allem eine der besten Liebesgeschichten seit Jahren, da hier zwei im Prinzip unsterbliche Figuren die Ewigkeit ausnutzen, um all das zu machen, was uns die bürgerlichen Fesseln unseres Lebens nicht erlauben. Da klaut man sich für ein Rendez-vous auch mal ein Flugzeug und schmiert nach wenigen Minuten ab, weil man keine Flugerfahrung hat. Nichts hat Konsequenzen – und genau das ist konsequent zum Totlachen.

Ghostbusters: Legacy (Jason Reitman) – 8/10

– Welch liebevolle Verneigung vor einem 80s Kultfilm, der nicht in die Falle tappt, Bekanntes zu wiederholen, sondern sein eigenes Ding macht und es durch eine Verbindung zum alten Kanon aufwertet. Die vielen Rückbezüge zu den "Ghostbusters"-Filmen sind keine Ausschlachtung von Nostalgie, wie es viele andere Filmreihen derzeit betreiben, sondern sie schraffieren eine Welt näher aus, die so keiner komplizierten Einführung bedarf. Sie bereichern dieses an "Stand by me" und "Die Goonies" erinnernde Kinderabenteuer, statt zum eigentlichen Sujet zu werden. Wenn doch nur alle späten Fortsetzungen diese Qualität hätten … Mckenna Grace und Finn Wolfhard sind trotz ihres jungen Alters so dermaßen talentiert, dass ihnen selbst dann noch das Spotlight gehört, wenn tatsächlich wieder Bill Murray und Dan Aykroyd ihre Paraderollen als Geisterjäger übernehmen. Ein großer, altmodischer Spaß, der Generationsunterschiede nicht überbetont, sondern aufzeigt, was alle Altersklassen verbindet – unter anderem das gemeinsame Interesse an toller Kinounterhaltung wie dieser.

OSS 117 – Liebesgrüße aus Afrika (Nicolas Bedos) – 8/10

– 2006 und 2009 wurde Jean Dujardin als OSS 117 zum Agenten wider der Political Correctness, im Jahr 2021 (bzw. im Jahr 1981) muss er dafür aufpassen, was er sagt: In Afrika bemüht der Fettnäpfchen-König sich penibel, ja niemandem auf den Schlips zu treten und offenbart genau darin, dass er immer noch der kolonialistische, aber irgendwie liebenswert dusselige Trottel ist, auf den wir zwölf Jahre lang gewartet haben. Die Dialoge sind rasiermesserscharf, die parodistischen Angriffe auf die James-Bond-Ära der 80er unter Regie von John Glen treffen alle (Pardon!) ins Schwarze. Zum ersten Mal wird ein "OSS 117"-Film im Endkapitel sogar so böse, dass das Lachen im Hals stecken bleibt oder direkt nach dem Ertönen beim Verursacher ein Gefühl der Scham auslöst. Ist es der beste Teil der Trilogie? Möglich, auf jeden Fall aber ist er erneut ein Zeichen dafür, warum wir in einer Welt, in der James Bond, Jason Bourne, Ethan Hunt und Konsorten sich immer mehr angleichen, der wahre Genre-Held Hubert Bonisseur de la Bath heißt.

A Quiet Place: Part 2 (John Krasinski) – 8/10

– Eine Fortsetzung zu drehen, die das Original sogar übertrifft, ist immer eine Herkulesaufgabe, aber für John Krasinski scheint das gar kein Problem. Sein fast gänzlich stiller Home-Invasion-Thriller wird in der Fortsetzung zur Coming-of-Age-Reise und dieser Wechsel funktioniert vollkommen organisch, baut die Stärken des ersten Films aus (natürlich hauptsächlich der Einsatz totaler Stille mitten in Horrorfilm-Sequenzen) und entwickelt neue dazu. War der erste Teil noch eine Geschichte von Eltern, die in einer zerstörten Welt à la Cormac McCarthy bis zur Selbstaufgabe gehen müssen, um ihre Kinder zu schützen, sind es jetzt die Sprösslinge, die das Schicksal ihrer Eltern und der zukünftigen Welt auf ihren Schultern tragen. Meisterhaft gefilmt und von allen Beteiligten sensationell gespielt, besonders loben muss neben den Wiederkehrenden der Neuzugang Cillian Murphy gelobt werden, der in seiner Karriere vielleicht noch nie so gut aufgespielt hat. Wären alle Fortsetzungen so wie der zweite Teil von "A Quiet Place", der aktuelle Franchise-Tsunami wäre sehr viel erfreulicher zu goutieren.

The Father (Florian Zeller) – 8/10

– Großartiges Drama um einen 80-Jährigen, dessen Verstand langsam nachlässt und die komplexe Beziehung zu seiner ihn umsorgenden Tochter! Anthony Hopkins gewann hierfür zurecht zum zweiten Mal den Oscar als Bester Hauptdarsteller, denn es kann einen nicht kalt lassen, wie er diesen bemitleidenswerten und leider doch auch anstrengenden Protagonisten verkörpert, ihn sich als eine zweite Persönlichkeit aneignet. Was er leistet, ist fantastisch, noch besser ist nur, wie hoch originell die Herangehensweise dieses Films ist: Hier ist kein Betroffenheitstrauerfilm zum Thema Alzheimer entstanden, sondern ein klaustrophobischer Kopfthriller, der den geistigen Verwesungsprozess als Spannungsstück verklausuliert. Die filmische Struktur ist brüchig, non-narrativ, antidramaturgisch, sie folgt den (Ver)Wirrungen dieses Mannes, der die Welt nicht mehr verstehen kann, weil sie um ihn herum auseinander zu brechen scheint. Bemerkenswertes Arthaus-Kino, das – dieser Kalauer sei bei dem Thema verziehen – lange im Gedächtnis bleibt.

The Suicide Squad (James Gunn) – 8/10

– Wer hätte nach 2016 gedacht, dass ein Film über die "Suicide Squad" aus dem Hause DC Comics tatsächlich funktionieren kann? Das Machwerk von David Ayer war eine Totalkatastrophe, es brauchte James Gunn, um zu zeigen, wie liebevoll und intelligent die Selbstmordtruppe als Ventil dienen kann, um im Superheldenkino neue Akzente zu setzen. Lassen sich die Marvel-Filme oft als glattrasiertes Komfortkino bezeichnen, hat "The Suicide Squad" einen unaufgeräumten Rauschebart, der ein wenig nach Alkohol und Kotze stinkt. Ultrabrutale Momente, echte markige Typen (besetzt mit Idris Elba, John Cena oder Margot Robbie) und die richtige Portion Comic-Crazyness sind von Nöten, um den fraglos größten Blockbuster-Spaß seit 2 Jahren zu produzieren. Das Geheimnis von James Gunn: Selbst wenn im Finale ein riesiger Seestern aus dem All eine ganze Stadt plattmacht, bleibt stets seine Liebe zu diesen Figuren, diesen Außenseitern, diesen Underdogs spürbar. Mehrfachsichtungen lohnen sich, denn die emotionale Komponente ist beim ersten Ansehen unter den vielen verrückten Ideen noch nicht so eindeutig erkennbar.

Der Rausch (Thomas Vinterberg) – 9/10

– Ein Genuss ist dieser Film über vier Lehrer, die als Experiment jeden Tag dauerhaft versuchen, einen Pegel von 0,5 Promille Alkohol zu halten. Leicht hätte dies eine Verteufelung des Alkohols werden können, noch leichter ein Midlife-Crisis-Film voller Klischees um Hochgefühl und Absturz. Stattdessen ist Thomas Vinterberg sein bislang stärkster Film gelungen, eine lebensbejahende Charakterstudie, ein Film, der die eskapistische Kraft des Alkoholkonsums feiert, ohne die Schattenseiten auszusparen. Alkohol und Rausch sind hier nur Symbole für Leben, Lebensflucht und Tod. Vinterberg formuliert mit seinem Hauptdarsteller Mads Mikkelsen (auf seinem Karrierehöhepunkt) ein flammendes Plädoyer dafür, das Leben in vollen Zügen zu genießen und sich nicht vom Schwermut anstecken zu lassen – schließlich kommen wir am Ende alle nicht lebend davon. "Der Rausch" ist ein wahrhaftiger Film, eine wahrhaftige Darstellung, kein philosophischer oder soziologischer Diskurs und genau deshalb ist zu befürchten, dass das angekündigte Hollywood-Remake alles mit Füßen treten wird, was diesen Film so wunderbar macht.

Fabian oder Der Gang vor die Hunde (Dominik Graf) – 9/10

– In einem Moment bricht die Verfilmung eines Erich Kästner Romans plötzlich aus sich selbst heraus, als die Kamera gen Boden fährt und wir die Stolpersteine sehen, die kleinen Erinnerungstafeln an die Opfer des Zweiten Weltkriegs – in einem Film, der Anfang der 1930er spielt, der vom Beginn des sich leise ankündigenden Nationalsozialismus erzählt. Dominik Graf erzählt in drei Stunden nicht direkt den Roman nach, sondern reiht einige Episoden, manche von Kästner, manche von ihm aneinander und versucht, dabei spirituell die deutsche Identität zu erfassen, einen Akademiker zu zeigen, der in einer anti-aufklärerischen Welt keinen Platz findet. Es ist Grafs experimentellster Film, es ist zeitgleich sein reifster Film, es ist ein virtuoser, meisterhafter Reigen an Stilmitteln, wenn Schwarz-Weiß-Aufnahmen, Stummfilm, Tonfilm, Super 8 Bilder und hyperrealistische HD-Optik aufeinandertreffen, wenn Geschlechterbeziehungen auf den Kopf gestellt werden, wenn "Fabian" sich einer Einordnung in Genre- und Erzählmuster konsequent verweigert. Ein Sittengemälde über die Vergangenheit, das unmöglich noch gegenwärtiger sein könnte.

Quo Vadis, Aida? (Jasmila Žbanić) – 9/10

– Dieser Film macht fassungslos, fassungslos, weil es sich um einen fiktiven Spielfilm handelt, aber das Gezeigte kaum realer sein könnte. Der Genozid von Srebrenica wird aus weiblicher Perspektive der UN-Übersetzerin Aida erzählt, als ein intensives, starkes Kriegsdrama, das gegen das Vergessen ankämpft, aber auch gegen das Leugnen dieser klaffenden Wunde mitten in Europa. Beklemmend ist die Art und Weise, mit der Jasmila Žbanić vorführt, dass wirklich jeder noch so sichere Hafen sich über Nacht in einen Ort des Todes verwandeln kann, und das die freie Welt machtlos gegen die dämonischen Kräfte ist, wenn sie die Warnzeichen der Zeit ignoriert und ausblendet. Žbanić probiert gar nicht erst, das Grauen in den Tagen vor dem Massaker in voller Härte zu zeigen, da dies mit keinem visuellen Trick der Welt möglich wäre, eher besinnt sie sich auf die wenigen Dinge, die Aida in dieser Hölle Hoffnung geben: Ihr fester Glaube an Zusammenhalt, an Liebe, an Aufopferung und Mut. Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt, doch "Quo Vadis, Aida?" formuliert das eher so: Am Ende stirbt die Hoffnung.

The Many Saints of Newark (Alan Taylor) – 9/10

– Als eigenständiger Film ist "The Many Saints of Newark" bereits einer der besten Mafiafilme seit "Goodfellas", seine volle Kraft entfaltet dieses Anti-Epos aber nur im Kontext seiner Reihe: Es handelt sich um einen Prequel-Film zur Serie "Die Sopranos". Lange wollten die Serienmacher das Sopranos-Universum ins Kino hieven, jetzt wird verständlich, wieso: "Die Sopranos" war in erster Linie ein psychotherapeutisches Drama, und in "The Many Saints of Newark" legen David Chase und Alan Taylor ihre Serie auf die Couch. Sie wollen die dysfunktionalen, dunklen Wurzeln von Tony Sopranos gewalttätigem Verhalten zeigen, indem die den letzten Hauch von Glamour abstreifen. Die Einsicht, dass es unter den Mächtigen keine Unschuld gibt, ist der Kerngedanke dieser fatalistischen "Vorgeschichte". Dieses kulturpessimistische Extrem wird mit dem leisen Schmerz vermittelt, der nur mit der Zeit kommen kann, der nur im Nachgang wirkt. Es ist ein heftiger und brillanter Film - ein Werk, welches das kulturelle Erbe der Sopranos sowohl erweitert als auch verkompliziert.

Pig (Michael Sarnoski) – 9/10

– Die beste männliche Schauspielleistung des Jahres stammt von Nicolas Cage. In "Pig" spielt er einen resignierten Zottel, der abgeschirmt vom Rest der Welt mit seinem Trüffelschwein Apple lebt – ehe zwei Drogenabhängige bei ihm einbrechen und ihm Apple stehlen. Was folgt, ist kein "John Wick" mit Schwein statt Hund, sondern ein minimalistisches Drama um diesen ehemaligen Koch, dessen Rückkehr in die echte Welt auf der Suche nach seinem einzigen Gefährten einem psychologischen Märtyrium gleichkommt. Konzipiert wurde "Pig" als Film Noir mit eruptiver Gewalt, gedreht wurde schließlich die subtilste Annäherung an einen erdachten Menschen, die das Medium 2021 zu bieten hatte. Die Kinematografie ist von poetischer Schönheit, das Plädoyer dieses Films für Verständnis und der Suche nach Tiefe und Bedeutung allzu einvernehmend. Herausragend kann diese Indie-Perle als Demontage des Revenge-Films oder (kein Scherz!) als Realfilm-Antwort auf Pixars Animationsmeisterwerk "Ratatouille" verstanden werden, doch vor allem setzt sich eben Nicolas Cage hier ein Denkmal, bäumt sich noch einmal auf, um uns alle zu erinnern, dass er zu den besten Schauspielern seiner Generation gehört.

The Green Knight (David Lowery) – 10/10

– Drei Meisterwerke hatte 2021 zu bieten, zwei davon sind Ritterfilme. "The Green Knight" erzählt die bekannte Legende von Sir Gawain und dem grünen Ritter in audiovisueller Brillanz. Man kann sich diesen Rausch so vorstellen: Hätten Andrej Tarkowski, Terrence Malick und Peter Jackson je zusammen einen Film gemacht, es wäre wohl "The Green Knight" dabei herausgekommen. Trotzdem soll dieser Satz nicht die eigene Handschrift von David Lowery schmälern. Er nähert sich der häufig erzählten Ritterodyssee kontem­pla­tiv, erzählt einen modernen Gegenentwurf zu einer Heldensaga mit universeller Spiritualität, einen Abgesang auf alte Denkmuster. Dev Patel ist hinreißend als Sir Gawain, der Cast um ihn herum (Sean Harris, Alicia Vikander) spielt phänomenal, aber es ist die Bild- und Tongestaltung, die Meisterklasse erreicht. Allegorisch entführt Lowery in eine Fantasy-Welt, die nur durch die Beschränkungen des Kinos limitiert ist, deren allegorische Vielschichtigkeit mit der nötigen Ruhe ausgebreitet wird, um Kopf und Herz zu beanspruchen. So opulent sind nur wenige Filme, deren Wesen doch gleichzeitig so intim anmutet.

Beyond the Infinite Two Minutes (Junta Yamaguchi) – 10/10

– Jedes kleinere Filmfestivalpublikum, welches das Vergnügen hatte, "Beyond the Infinite Two Minutes" zu sehen, konnte nicht anders, als begeistert zu sein. Junta Yamaguchi hat mit Handykameras den intelligentesten Zeitreisefilm vielleicht aller Zeiten gedreht. Der Plot handelt von zwei Fernsehgeräten, die zwei Minuten auseinanderliegen: Der eine Fernseher zeigt zwei Minuten in die Zukunft, der andere sendet zwei Minuten in die Gegenwart. Ein paar Café-Besitzer aus Tokyo machen sich das Phänomen zu Nutze, um mit kindlicher Begeisterung die Grenzen dieser Zeit-Kommunikation auszuloten. In nur 70 Minuten legt dieser Film ein irres Tempo vor, sodass es die reine Freude ist, der nie endenden Plansequenz zu folgen und sich von der Faszination des Films für sein eigenes Konzept anstecken zu lassen. Jedes weitere Wort zum Inhalt könnte das Erlebnis bereits trüben, daher nur so viel: Selten hat ein Konzeptfilm besser funktioniert, selten lagen schallendes Gelächter und intellektuelles Sinnieren so eng beieinander. Man kann diesem Film und dem deutschen Publikum nur eine Veröffentlichung hierzulande wünschen.

The Last Duel (Ridley Scott) – 10/10

– Ridley Scott gehört zu den besten Filmemachern aller Zeiten – und hat 2021 mit über 80 Jahren noch einmal bewiesen, was in ihm steckt. "The Last Duel" ist locker einer seiner großartigsten Filme, ein Meisterwerk unserer Zeit. Viel lässt sich schreiben über das brillante Schauspiel der drei Akteure (Jodie Comer, Matt Damon, Adam Driver), noch mehr über das authentische Setting und die bildgewaltigen Bilder. Die Genialität dieses Films liegt aber in seiner Struktur: Dreimal erzählt er die Geschichte um einen historisch verbürgten Vergewaltigungsprozess im Jahr 1386 hintereinander, jedes Mal aus Sicht einer anderen Figur. Erst nach 2 Stunden ist das Bild komplett, alle offenen Fragen wurden beantwortet – und die letzten 30 Minuten zeigen dann das titelgebende Duell, ohne Frage eine der brutalsten, weil emotional wuchtigsten Actionszenen, die je auf einer Leinwand zu sehen war. Eine emotionale Tour de Force, ein feministischer Ritterfilm, den man mit dem wohltuenden Gefühl beendet, dass Hollywood endlich in der Lage ist, intelligent und nuanciert die #MeToo-Krise zu verarbeiten. Danke, Ridley Scott!
https://filmduelle.de/
https://letterboxd.com/casinohille/

Let the sheep out, kid.

Re: Jahresrückblick 2021

10
Samedi hat geschrieben: 31. Dezember 2021 15:20
Invincible1958 hat geschrieben: 30. Dezember 2021 22:25 "The Tragedy of Macbeth" von Joel Coen läuft bereits seit dem letzten Wochenende in Deutschland im Kino.
Läuft der bereits in der deutschen Fassung oder bisher nur OmU?
Der läuft nur OmU im Kino.
Die deutsche Synchro wird nur auf Apple+ zu sehen sein.

So machen das Netflix und Amazon mit ihren Eigenproduktionen bei der Kinoauswertung ja auch. Die Synchro gibt es jeweils nur online.

Re: Jahresrückblick 2021

12
Qualitativ und quantitativ war mein Filmjahr 2021 erkennbar schwächer als die Vorjahre. 24 Filme (davon gefühlt jeder zweite mit Tom Hanks) und ein Durchschnitt von gerade mal 6,08 belegen dies, beides sind die zweitniedrigsten Werte seit ich hier 2012 die Rückschau festgehalten habe. Fast noch ernüchternder ist, dass kein neuer Film der Jahrgänge 20 und 21 es im abgelaufenen Jahr auf eine Wertung jenseits von 8 Punkten gebracht hat, das hat es bis dato auch noch nicht gegeben.


The Midnight Sky (George Clooney)
Clooneys dystopischer Science Fictioner ist eine recht müde Veranstaltung, die sich durchgängig betont ambitioniert gibt, ohne es aber jemals wirklich zu sein. Denn vor allem inhaltlich und figürlich bleibt Clooney trotz aller Bemühungen weitgehend an der Oberfläche hängen, wie er sich auch generell keinen Gefallen damit tut viele inhaltliche Informationen dem Zuschauer vorzuenthalten. Was bleibt sind ein paar gutgemachte Einzelszenen und eine sich in weiten Teilen mehr schlecht als recht dahinschleppende Schauwertdemonstration.
5 / 10


Spenser Confidential (Peter Berg)
Bergs soundsovielte Kollaboration mit Wahlberg erfindet das Rad der Action-/Buddy-Komödie ganz sicher nicht neu, ist aber alles in allem dennoch amüsant-unterhaltsam. Die recht beliebige Story kann dabei getrost vernachlässigt werden, da sie eh nur ein Aufhänger für Humor, Action und Figurenclashing ist. Hier ist das wie deutlich wichtiger als das was und glücklicherweise geht diese Rechnung am Ende dank einer launig agierenden Besetzung und gut in Szene gesetzter Action weitgehend auf.
7 / 10


Tyler Rake: Extraction (Sam Hargrave)
Beinharter Actioner, der vor allem mit einigen sehr einfallsreich inszenierten und choreographierten Action-Szenen zu wuchern weiß. Leider entfallen diese hauptsächlich auf die erste Filmhälfte, während die zweite weitgehend belanglose Stangenkost bietet. Erschwerend kommt hinzu, dass der ohnehin recht rudimentär gehaltene dramaturgische und figürliche Unterbau ebenfalls mit zunehmender Spieldauer vom Dauer-Krawall an die Wand gedrängt wird. So dann am ende doch nur lärmend-durchschnittliche Einmalkost
5,5 / 10


Die Ausgrabung (Simon Stone)
Angenehm entschleunigter Charakter-Film um eine geschichtsträchtige Ausgrabung im England am Vorabend des zweiten Weltrkriegs. Vor allem in der ersten Hälfte punktet der Film mit einem enormen Gespür für Land, Zeit und Leute, unterstützt von einer stark agierenden Besetzung, aus der vor allem Allzweckwaffe Ralph Fiennes als knorriger Amateur-Ausgräber herausragt. Auch wenn der Film in der zweiten Hälfte das hohe anfängliche Niveau nicht ganz halten kann, so bleibt er doch immer auf sehr ordentlichem Niveau.
7 / 10


Tenet (Christopher Nolan)
Ein typisch Nolansches Werk zwischen Agententhrill und SciFi-Vision, wobei dem Regisseur der handfestere spionagelastige Teil seines Films deutlich besser gelingt. Denn nicht nur versagt seine Inszenierung in Mitten der verwirrenden Zeitsprünge dabei den Zuschauer klärend an die Hand zu nehmen, viel gravierender ist ein generell bleiernder Fluß wie auch eine ebenfalls für Nolan nicht untypische Teilnahmslosigkeit hinsichtlich der Figuren.
4,5 / 10


Richard Jewell (Clint Eastwood)
Noch ein typischer Vertreter seines Regisseurs, Richard Jewell ist genau der ruhig, aber zielgerichtet erzählte Film mit einem sehr guten Blick für die Figuren, den man gemeinhin mit Eastwood assoziiert. Mit beeindruckender Eindringlichkeit vermittelt Eastwood dabei die Ohnmacht des in die Mühlen des FBI und der Medien geratenen Aussenseiters. Das wird so gut rübergebracht, dass es teilweise regelrecht schmerzhaft ist zuzuschauen und der Film einem trotz der eigentlich positven Auflösung betroffen zurücklässt.
8 / 10


Unhinged (Derrick Borte)
Ein Dicker sieht rot – Unhinged entpuppt sich als ordentlich effektives Mash-Up aus Filmen wie Falling Down, Hitcher und Death Wish, ohne dabei aber jemals die Intensität oder gar die Tiefe eines der genannten Vorbilder zu erreichen. Dabei kommt dem Film fraglos zu Gute, dass er mit kaum über 80 Minuten Netto-Spielzeit sich aufs wesentliche reduziert, was letztlich aber dennoch nicht verhindert, dass ihm spätestens nach der Hälfte zusehends die Ideen ausgehen. Was bleibt ist ein zu enormer Körperfülle angewachsener Russell Crowe im Dauer-Psycho-Modus, der durch ein dünne aber wie gesagt wenigstens halbwegs effektive Vergeltungsgeschichte stampft.
6 / 10


Il Traditore (Marco Bellocchio)
Il Traditore schildert in epischer Breite die Zerschlagung der Corleoneser Mafia im Italien der 80er und 90er Jahre anhand des Schicksals des als Kronzeugen auftretenden Ex-Mafiosi Tommaso Buscetta. Italiens Schauspiel-Schwergewicht Pierfrancesco Favino liefert in der Buscetta-Rolle eine famose Leistung ab und trägt durch seine faszinierende Darstellung zwischen Ehrenmann und Meuchelmörder in hohem Maße zur Qualität des Films bei. Die Mafia-Romantik eines Coppola oder Scorsese sucht man in Bellocchios Film vergebens, Il Traditore zeigt die Mafia in fast schon dokumentarischem Stil als ultragewalttätige und ausschliesslich ihrem eigenen verqueren Moralkodex folgende Mörderbande. Leider wird der dramaturgische Fluss des Films zuweilen etwas zäh wie auch die komplexen Inhalte und Figurenkonstellationen eine gewisse Trockenheit nicht abschütteln können.
6,5 / 10


A beautiful Day In The Neighborhood (Marielle Heller)
Familiendrama mit leisem humoristischem Unterbau über den merkwürdigen Zusammenstoß eines Misanthropen mit einem Extrem-Gutmenschen. Auch wenn die vermittelten Werte gutgemeint sind und der Film auch zu keiner Zeit weh tut, so gelingt es ihm aber auch nie den Zuschauer wirklich an sich zu binden – weder über seine Geschichte noch über seine Figuren. Entsprechend plätschern die eindreiviertel Stunden nett vor sich hin, ohne aber echten Eindruck zu hinterlassen oder gar den Wunsch zu erzeugen, das Gesehene irgendwann noch einmal in Augenschein zu nehmen. Hanks ist souverän wie immer, wo die Academy aber die Berechtigung für eine Oscarnominierung gesehen hat ist mir schleierhaft.
6 / 10


Vergiftete Wahrheit – Dark Waters (Todd Haynes)
Todd Haynes Drama um einen Umweltskandal ist immer dann am besten, wenn er die Auswirkungen der beklemmenden Geschichte dem Zuschauer schonungslos nahebringt. Erfreulicherweise ist dies über weite Strecken des ruhig, aber eindringlich erzählten Film der Fall. Deutlich weniger erfreulich ist hingegen der Schwenk hin zum konventionellen Hollywood-Drama im letzten Drittel, in welchem die persönlichen Probleme der Hauptfiguren allzu sehr in den Mittelpunkt gestellt werden wie auch die bis dahin bemerkenswert zurückhaltend agierenden Stars dann doch nicht länger ihr schauspielerisches Ego an der Leine lassen können.
6,5 / 10


Ruf der Wildnis (Chris Sanders)
Jack London in der Variante für die ganz Kleinen. Entsprechend putzig und mit wenig Tiefgang pendelt der Film dann auch zwischen überdrehtem Slapstick und herzigem Kitsch hin und her. Wirklich fesselnd ist das was von Londons Roman übriggeblieben ist leider auch nicht, da die Dramaturgie allzu episodenhaft ist. Regelrecht erschütternd ist jedoch der künstlich-digitale Gesamteindruck, den der Film hinterlässt. Künstliche Viecher in künstlichen Landschaften unter künstlichem Himmel – das ist eigentlich eher ein Computerspiel, was man da zu einem Großteil des Films geboten bekommt. Vor allem die vierbeinigen Hauptdarsteller sind praktisch nie glaubwürdig, gerade die Bewegungen bleiben erschütternd künstlich. Auch findet kaum eine Interaktion zwischen den real gedrehten Darstellern und ihren digitalen Kollegen statt.
4 / 10


Fatman (Eshom Nelms / Ian Nelms)
Na, ist denn heut schon Weihnachten? Amüsante Mixtur aus schwarzhumoriger Groteske und teilweise durchaus derber Action, in welcher der unverwüstliche Mel Gibson als handfester Weihnachtsmann es mit einem gegen sein Kindheitstrauma anrennenden Killer und einem verzogenen Millionärs-Söhnchen zu tun bekommt. Zwar sucht man Spannung hier weitgehend vergeblich und auch das doch recht rudimentär ausgefallene dramaturgische Gerüst hätte ruhig noch etwas mehr Fleisch vertragen, dennoch sorgen die munter agierenden Darsteller sowie eine Reihe von netten Ideen und Anspielungen für ordentliche Unterhaltung.
6,5 / 10


Zack Snyder’s Justice League (Zack Snyder)
Unförmiges Monstrum von Film mit viel zu viel Laufzeit und redundantem Material, dafür aber ohne echte Figurenausarbeitung und lediglich einem Minimum an dramaturgischer Substanz. Spannung sucht man vergebens, stattdessen suhlt sich der Film vor allem in der zweiten Hälfte in einem digitalen Endlosactiondauerfeuer.
3 / 10


City Of Lies (Brad Furman)
Kompetent gefilmtes Crime-Drama um die Hintergründe des Mordes an Rapper Notorious B.I.G., welches aber leider sowohl inhaltlich als auch handwerklich recht bieder daherkommt. Entsprechend sucht man echte Höhepunkte oder dramaturgische Dynamik dann auch weitgehend vergebens. So bleibt am Ende eigentlich nur der einmal mehr starke Johnny Depp, der den Film zumindest noch leicht über den Durchschnitt hievt.
6 / 10


Honest Thief (Mark Williams)
Statt dem gewohnten rustikalen Standard-Neeson-Actioner bekommt man bei Honest Thief erfreulicherweise eine durchaus recht spannende Thrillerstory geboten. Auch hier fehlen die Actioneinlagen nicht gänzlich, fallen sich aber gemessen am Neeson-Output der letzten Dekade eher dezent aus, woduch der Film eher an Schnitzeljagden a la „Auf der Flucht“ erinnert. Zwar ist die Ausgangssituation um einen geleuterten Meistereinbrecher, der es mit bösartig-korrupten FBIlern zu tun bekommt durchaus mit äusserst dickem Pinsel aufgetragen, dadurch dass sich der Film aber viel Zeit für seine Figuren nimmt und durchgängig das Spannungsniveau recht hoch hält fällt dies aber nicht sonderlich negativ ins Gewicht.
7,5 / 10


Boss Level (Joe Carnahan)
Spassiger Actioner irgendwo zwischen Groundhog Day, Edge Of Tomorrow und Crank. Zwar ist die Zeitschleifenthematik nun wahrlich nichts neues und Boss Level verweigert sich erstaunlicherweise diesem Sujet inhaltlich auch nur irgendetwas neues hinzuzufügen – allein das spielt im Gesamtkontext überhaupt keine Rolle, da die aufgekratzte Darreichungsform derart einfallsreich und unterhaltsam ist. Vor allem das maximale Augenzwinkern, mit dem die stark an Arcade-Videospiele angelehnten wiederkehrenden Actioneinlagen daherkommen, sorgt für durchgängiges Sehvergnügen. Hinzu kommen jede Menge skurriller Figuren sowie mit Frank Grillo und dem einmal mehr vorzüglichen Urgestein Mel Gibson zwei ausgezeichnete Hauptdarsteller.
8 / 10


Greyhound (Aaron Schneider)
Au weia, Old Hanks zieht mal wieder in den Krieg. Diesmal als Käptn eines ziemlich digital ausschauenden Zerstörers in Mitten des zweitweltkrieglichen Atlantik-Schauplatzes. Die Grundprämisse klingt dabei durchaus interessant, konzentriert sich der Film doch nahezu ausschliesslich auf die praktischen Kriegsgeschehnisse bei der Atlantik-Überfahrt eines von deutschen U-Booten permanent aufs Korn genommenen alliierten Geleitzuges. Das bedeutet dann Action satt, wodurch dem Zuschauer kaum ein Moment des Durchatmens gelassen wird. Genau das ist aber auch der Haken an der Geschichte, da der Film dadurch extrem eindimensional bleibt. Ein etwas mehr an Handlung gibt es nicht, die Figuren bleiben blass und konturlos. Hinzu kommt ein sehr digitaler CGI-Look und ein schrecklich-generischer 08/15-Soundtrack. Das Kriegsfilm-Genre hat auch schon mal bessere Tage gesehen…
5 / 10


Finch (Miguel Sapochnik)
Der nächste Hanks, diesmal als Einsiedler in Mitten einer dystopischen Zukunftsvision. Entsprechend klotzt der Film dann auch mit beeindruckenden Szenerien einer heruntergekommenen und zerstörten Welt. Weniger beeindruckend ist der Film hingegen auf inhaltlichem und figürlichem Terrain. Die im Stile eines Roadmovies erzählte Geschichte um den totkranken Menschen, der mit Hund und selbstgebautem Roboter durchs Nirvana fährt mit der vagen Hoffnung auf einen Zufluchtsort erweist sich als recht dünn, ebenso die wiederkehrenden figürlichen Konflikte zwischen Mensch und Roboter. Auch mutet der permanente Wechsel zwischen Klamauk und Drama unrund an. In Summe daher akzeptable Einmalkost, ohne aber irgendwelchen Eindruck zu hinterlassen.
5,5 / 10


Neues aus der Welt (Paul Greengrass)
Und schon wieder ein Hanks, diesmal glücklicherweise auch Mal ein guter. Schöner retro-anghauchter Western ohne echte Schwächen. Gute Geschichte, gute Figuren, starke Darsteller und ein beruhigend-entspannter Erzählflluss mit ein paar gezielt gesetzten Spannungs- und Action-Momenten. Der olle Tom hat mit Jung-Mimin Helena Zengel einen erstaunlich gleichwertigen Sparringspartner und kann hier endlich mal wieder sein Charisma ausspielen.
8 / 10


Keine Zeit zu sterben (Cary Joji Fukunaga)
Der neue Bond scheitert letztlich an einer massiven Missgewichtung zwischen Laufzeit und Inhalt. Da darüberhinaus die ins Zentrum des Films gerückten Figuren und ihre charakterliche Entwicklung weitgehend oberflächlich und distanziert bleiben gelingt es dem Film leider nicht des Mittelmaß zu drechbrechen, im Gegenteil bleibt es letztlich aufgrund der ausufernden Laufzeit sogar deutlich darunter.
4 / 10


OSS 117 – Liebesgrüße aus Afrika (Nicolas Bedos)
Das dritte Abenteuer der franzöischen Antwort auf James Bond beginnt mit einer enorm starken ersten dreiviertel Stunde, welche auf dem gleichen Niveau agiert wie die beiden Vorgängerfilme. Danach flacht der Film etwas ab, bleibt aber dennoch durchgängig unterhaltsam und amüsant. Vor allem Jean Dujardin begeistert dabei einmal mehr in seiner Paraderolle. Darüberhinaus punktet der Film aber auch mit einer perfekte Rekreation der frühen 80er Jahre sowie mit vielen subtilen und ideenreichen Anspielungen an die Bondfilme dieser Epoche.
7 / 10


Kaiserscharrndrama (Ed Herzog)
Die Eberhofer-Saga geht in die 7. Runde. Nach dem Zwischenhoch des famosen 6. Teils sind hier nun die Abnutzungserscheinungen endgültig nicht mehr zu übersehen. Fraglos, den liebgewonnenen Figuren bei ihrem bunten Treiben zuzuschauen ist nachwievor eine launige Angelegenheit, aber nie zuvor waren sowohl die privaten Eskapaden als auch der kriminalistische Fall so trivial – und das obwohl man mit dem Dahinscheiden eines beliebten Familienmitglieds ein emotionales Grossgeschütz auffährt.
6 / 10


Don’t look up (Adam McKay)
Bei allem durchaus vorhandenen Unterhaltungswert leidet auch McKays neuste Satire auf Politik und Gesellschaft darunter, dass sie mit dem gröbstdenkbaren Strich erstellt ist. Alles ist laut, grell, übertrieben und operettenhaft und es fällt daher mitunter sehr schwer, das durchaus ehrenwerte Anliegen fragwürdigen aktuellen Auswüchsen den Spiegel vorzuhalten ernstzunehmen. Der Film hat durchaus eine Menge guter Ideen, versinkt aber halt auch tief im moralinsauren Morast und tut sich zudem keinen Gefallen damit mindestens ein halbe Stunde zu lang zu laufen.
6 / 10


The Last Duell (Ridley Scott)
Solides Alterswerk von Sir Ridley, dem aber leider echte Höhepunkt genauso wie innovative Ideen weitgehend abgehen. Letztlich hat man das alles schon mal (und eben durchaus auch besser) gesehen, wobei die von Kurosawa geklaute Idee dabei noch das kleinste Deja-vu ist. Dass Scotts bewährtes Team es exzellent versteht das Mittelalter zu rekreieren ist dann ebenfalls keine große Überraschung (aber natürlich dennoch ein echter Pluspunkt). Durchaus etwas enttäuschend ist auch, wie holzhammermäßig Ridley dem Zuschauer die gewünschte Moral im Schlussdrittel aufdrängt und seine zeitgemäße Botschaft ohne echte Grau- und Zwischentöne abliefert. Schade, am Ende bleibt das vertane Potenzial mehr haften als die durchaus vorhandene solide Qualität.
7 / 10
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Jahresrückblick 2021

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Invincible1958 hat geschrieben: 30. Dezember 2021 22:25 (...) Meine Kino-Highlight-Top 3 von wirklichen 2021-Releases dieses Jahr waren "West Side Story", "No Time To Die" und "Last Night in Soho". (...)
Aus meiner Kino-Top 3 für 2021 wird noch schnell eine Top 4. War gestern in einer Preview von "Licorice Pizza".

1. West Side Story (8,5/10)
2. Licorice Pizza (8,5/10)
3. No Time To Die (8/10)
4. Last Night in Soho (7,5/10)

Re: Jahresrückblick 2021

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Okay, dann schaue ich mal zurück was ich letztes Jahr so alles geguckt habe:

No Time To Die
Für mich persönlich das Highlight im letzten Jahr. Liegt aber wie schon erwähnt wohl daran, dass es der erste (und einzige) Film war, denn ich seit 2 Jahren wieder im Kino gesehen habe. Trotz einiger Ungereimtheiten und der etwas enttäuschendem Screentime von Rami Malek, hat mich dieser Bondfilm super unterhalten und am Ende emotional sehr berührt.
8,5 von 10 Punkten

The Last Duel
Super gemachter Ritterfilm, der sein Augenmerk weniger auf viel Blut und Schlachten setzt, dafür aber auf die Charaktere und die damaligen Verhältnisse.
8 von 10 Punkten

Vivo- Voller Leben
Ein zu herzengehender Animationsfilm, mit einer interessanten Story und tollen Songs.
8 von 10 Punkten

Don´t Look Up
Extra überzogene Satire, die trotz einiger Übertreibungen leider nah der Realität ist, sodass einem das Lachen gegen Ende im Hals stecken bleibt.
7,5 von 10 Punkten

A Quiet Place 2
Nicht ganz so packend wie der Vorgänger, aber trotz allem immer noch super gemacht.
7,5 von 10 Punkten

Fortsetzung folgt...
"Verstehen Sie mich nicht falsch es ist nichts persönliches, es ist was rein geschäftliches."

Re: Jahresrückblick 2021

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Okay, weiter geht´s:

Free Guy
Auch ziemlich überzogener Film, der aber irgendwie Spaß macht. Auch wenn der Bösewicht etwas nervt.
6,5 von 10 Punkten

The Little Things
Ruhiger Thriller, der aber trotz einiger Längen, selten langweilig ist und dank der Stars das gewisse Etwas hat. Vor allem Jared Leto fand ich hier klasse.
7 Punkte

Godzilla vs. Kong
Nette, sinnfreie Action. Ist nichts besonderes, aber wenn die Monster endlich gegeneinander kämpfen, macht das zumindest ordentlich Laune.
6,5 Punkte

Encanto
Auch gut gemachter Animationsfilm, mit schöner Musik. Trotzdem konnte mich der Film nicht ganz so begeistern wie "Vivo".
7,5 Punkte

Der Prinz aus Zamunda 2
Überflüssige Fortsetzung die neben dem alten Cast und einiger toller Musikeinlagen nichts neues oder besonderes zu bieten hat.
3,5 Punkte

So das war´s erst Mal an Filmen vom vorherigen Jahr. Ich kann zumindest sagen, dass ich dabei selten schlechte Film gesehen habe. Das ist schon mal ein Lichtblick.
"Verstehen Sie mich nicht falsch es ist nichts persönliches, es ist was rein geschäftliches."