Re: Bondfilm-Rezensionen - user: danielcc

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A View To A Kill, 1985, Regie: John Glen

Manchmal macht es ja mehr Spaß Kritiken zu schlechten Filmen zu schreiben, vielleicht motiviert mich das im Folgenden...

Also: Roger Moores letzter Einsatz als James Bond. Zunächst gilt auch hier, dass man seit FYEO einen bodenständigeren Stil eingeschlagen hat, und dies gilt tatsächlich im Grunde auch für OP und AVTAK. Am meisten spiegelt sich dies aber im Set Design und den Locations wieder. Alles wirkt so, wie wir es auch im normalen Leben kennen, das "larger than life" fehlt fast völlig. Doch das hält den Film nicht davon ab, an vielen Stellen himmel- schreiend dämlich zu sein und ab und an auf Sitcom Niveau abzurutschen.

Also, was funktioniert in diesem Film? Ich denke, dass der Film eine Stärke hat und das ist die Verpflichtung von Christopher Walken. Der Mann ist vielleicht der brillanteste Schauspieler in den Bondfilmen überhaupt. Seine Gestik, seine Mimik, er taucht vollkommen ein in sei- ne Rolle und erweist sich als würdiger Gegner, geistig und körperlich.
Was funktioniert noch? Eigentlich nichts. Nun ja doch: entsprechend Moores körperlichem
Zustand wurde die Rolle bzw. das Drehbuch noch mehr auf seine Stärke angepasst, sein komödiantisches Talent. Durch die Besetzung von Patrick Macnee hat man es zudem geschafft, Moore einen noch älteren "Buddy" zur Seite zu stellen, vermutlich um ihn jünger wirken zu lassen. Deren Chemie ist großartig und Moores zum Teil improvisierte "Nettigkeiten" gegenüber Macnee´s Tibbett sind der eigentliche Höhepunkt des Films.

Soweit so gut. Die Liste mit den Dingen, die hier nicht funktionieren ist lang. Es beginnt - wie immer - mit der Story und dem Drehbuch. Der Plan Zorins ist natürlich der von Goldfinger nur in die "heutige/damalige" Zeit versetzt – die Mikrochips sind praktisch Zorins Gold. Nicht sonderlich überraschend, dass auch die Szene im Zeppelin eine Art Hommage an die legendäre Szene bei GF ist („Mr. Solo has a pressing engagement“). Wie bei FYEO und OP spie- gelt sich bei der Story abermals das Dilemma der Produzenten damals wider: das Fleming Material war aufgebracht und weil die einzelnen Ideen, die man wohl hatte, nicht ausreichend erschienen, wurden wieder zwei Stories miteinander Verflochten und dies funktioniert nicht. Bond wird auf Zorin angesetzt wegen eines besonderen Mikrochips und einer KGB Verbindung. Im restlichen Film wird für lange Zeit daraus eine vollkommen blödsinnige Pferde-Doping Geschichte. Selbst wenn später Zorins Plan breitgelegt wird, hat dies nichts mit dem Mikrochip vom Anfang zu tun. Das ist schon beachtlich!

Die Story an sich ist aber nicht das einzige Problem. Das Pacing ist übel. Nach der belanglosen PTS die wir von Bogner schon deutlich besser gesehen haben (die ganze Skisequenz wirkt, als haben man auf einem Areal von 10*10m gefilmt, es fehlt vollkommen das Große, die Weite – praktisch ein Negativ-Entwurf zur Skiszene in OHMSS...), folgt relativ schnell die gute Paris Actionsequenz doch danach ist lange Zeit tote Hose. Die Altherren-Prügelei in Zorins Labor und der überflüssige Pferdeausflug, sind langweilig und eher zum Einschlafen. Wieder möchte man schreien: „Wenn du Bond töten willst, dann MACH es doch einfach!“.

Außerdem stören wie im Ganzen Film die Close Ups und Leinwandaufnahmen mit Roger Moore gewaltig. Überhaupt sieht Roger Moore hier merkwürdig aus, mit sehr stark geschminktem Gesicht. Keine der Actionszenen wirkt in Anbetracht seines Alters glaubwürdig. Fehlerhaft ist auch der Versuch, Moore in ein moderneres, jüngeres Umfeld zu stecken: Seine Freizeitklamotten sind peinlich, das Bondgirl könnte seine Tochter sein, und die Musik von Duran Duran sowie die Beach Boys in der PTS sind einfach nicht hilfreich, wenn der Star ein Mitfünfziger ist. Man kann nicht leugnen, dass nach dem "Onkel Roger" aus FYEO hier der Eindruck eines "Opa Rogers" aufkommt.

Das Bondgirl: Ohne jede Frage ist Tanya Roberts das belangloseste, blasseste und peinlichste Bondgirl von allen. Wer sie in der deutschen Version langweilig findet, der sollte den Film erst mal im Original sehen. Einzelne Szenen mit ihr sind unfreiwillig komisch (wenn sie den Feuerwehr Truck fährt...). Außerdem dauert es viel zu lange bis sie richtig in Erscheinung tritt – aber vielleicht ist es auch besser so. Später schreit sie eigentlich die ganze Zeit nur "Jaaaaaames". Außerdem ist ihre persönliche Verbindung zu Zorin sozusagen der dritte Plot – der den Zuschauer aber ebenso kalt lässt. Kurzum: Roberts wirkt wie der Inbegriff des Klischees von einem blonden, hilflosen Bondgirl – eine Rolle wie es sie so extrem aber vor- her selbst in den 60ern nicht gab.

Auf der anderen Seite ist Grace Jones auch nicht unbedingt das, was man eine klassische Bond-Schönheit nennen würde, und Jenny Flex Darstellerin Alison Doody („Indiana Jones And The Last Crusade“) war damals 19 Jahre alt – die kurz sexuelle Andeutung von Moore, der ihr Großvater sein könnte - wirkt entsprechend bedenklich!

So löblich in FYEO der Trend zum Bodenständigen war, so sehr fällt doch hier auf, dass große, aufwendige Sets wenig imposant sind, wenn sie im Grunde aussehen wie echte Locations. Die Mine am Ende und deren Flutung ist für mich kein bisschen beeindruckend, obwohl es ein riesiges Set war. Im Film wurde zum Teil viel Aufwand für wenig Effekt betrieben – gleiches gilt für die verschenkte Feuerwehr-LKW Verfolgung. Sollen wir ernsthaft mit Bond mitfiebern, wenn er vor einer Horde von Durchschnitts-Polizisten flieht?

Einzelne Szenen die zusätzlich negativ zu Buche schlagen, sind der "Fremdschämen erzeugende" Ausflug in den Whirlpool mit der 28jährigen Fiona Fullerton (warum hat ausgerechnet der alte Moore in diesem Film die meisten, zudem noch jungen Girls?) und die Polizeiverfolgung durch San Francisco, hier insbesondere die bodenlos schlechte Darbietung der Polizisten und Tanya Roberts (wobei die Sequenz scheinbar Vorbild für die beeindruckende Verfolgung in „Terminator 3“ war).
Zudem ist der finale Kampf auf der Goldengate Bridge ziemlich überflüssig! Erstens gerät Stacy nur durch extreme Dummheit in Gefangenschaft im Luftschiff (OK, die Dummheit nehmen wir ihr mal ab), und zweitens war doch schon alles entschieden was die Story an- geht. Bond hätte Unterstützung anfordern können und in aller Ruhe hätte man warten können bis Zorin mit seinem Ballon landen muss. Hier ist keine Dramaturgie mehr übrig – die Luft ist raus.

Es gebe noch viel zu kritisieren aber kommen wir zum Fazit:

AVTAK ist ein langatmiger Film mit einem zu alten Star, der das Bondfranchise auch was die Besucherzahlen anging, auf einen neuen Tiefpunkt brachte. Die ganze Produktion wirkt an- gestaubt und Regisseur John Glen versteht es in keinem Moment der schwachen Story Schwung zu verleihen.
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Bondfilm-Rezensionen - user: danielcc

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The Living Daylights, 1987, Regie: John Glen

Wir sind im Jahre 1987 angekommen und damit bei Timothy Dalton, weswegen es vielleicht
Sinn macht, zunächst über ihn zu sprechen.

Um es ganz klar zu sagen: Ich mag Timothy Dalton nicht in der Rolle und halte ihn für den wohl größten Besetzungsfehler der Serie. Warum? Ein Bonddarsteller muss für mich:

- cool sein, damit Männer so sein wollen wie er
- Sexappeal haben damit Frauen mit ihm ins Bett wollen
- Charisma haben - wichtiger als Schauspielkunst! Er muss einen Auftritt haben, der Selbstbewusstsein ausstrahlt
- er muss ernste sowie humorvolle Szenen glaubhaft rüberbringen

Da ist nun mal meine Meinung sehr deutlich, dass Dalton zwar gut in den Action und dramatischen Szenen war, aber ihm Charisma und vor allem die Sexappeal vollkommen abging. Noch schlimmer, in seinen beiden Filmen gibt es nicht ein mal eine lustige Szene, die er wirklich gut rüber bringt (wobei seine Originalstimme besser ist als die Synchronisation).

Dennoch will ich den Film ehrlich bewerten und ich bin froh, dass ich ihn wieder gesehen habe, denn es ist ein wirklich guter Bondfilm! Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass mich der Film 1987 im Kino richtig gefesselt hätte.

Was mir immer mehr auffällt ist, dass man wirklich angefangen mit FYEO bis hinzu LTK einen relativ konsistenten Stil beibehalten hat, nämlich einen bodenständigeren, realistischeren Ansatz. Dies ist natürlich auch bei TLD so, und man kann den Film vielleicht am besten mit FRWL oder FYEO vergleichen.

Vorne angefangen finde ich die PTS nahezu perfekt: ein Story Element wird eingeführt, eine spannende Situation entsteht, Bond agiert heldenhaft, eine sehr gute Action Szene führt hin zur Bond-Vorstellung („Bond, James Bond) und einer Flirtszene. Was will man mehr? Spannend geht es auch gleich weiter, das Überlaufen Koskovs ist gut inszeniert und ist eine schöne Integration eines Fleming-Stoffs.

Die gesamte Story ist wirklich fesselnd. Da sind Elemente des kalten Krieges, aktuelle Geschehnisse (Afghanistan), es gibt viele Wendungen und jeder trickst jeden aus. Eine echte Agentengeschichte wie sie Fleming hätte schreiben können. Leider glaube ich, dass der Plot so kompliziert ist, dass 90% der Zuschauer im Kino diesen zumindest im Detail nicht mitbekommen und auch nicht nacherzählen könnten. Doch alles ist so spannend erzählt, dass einem nicht mal auffällt, dass es den ganzen Film über keine wirkliche Bedrohung, geschweige denn eine Mission für Bond gibt.

Nicht nur die Story ist gut, sondern mir gefällt auch das Tempo der Erzählung. Es gibt zwar relativ wenig Action, doch die Geschichte ist spannend und es passiert immer was Neues.
Zur Action: wie gesagt sind die ersten 20 Minuten mit der Gibraltar Szene und der Entführung von Koskov sehr gut, auch die Action im Showdown ist gelungen. Total daneben finde
ich aber die Aston Martin Sequenz. In einem Film der sehr bodenständig ist, der keine großen Kulissen hat, wirkt der Aston mit seinen peinlichen Gadgets wie ein albernes Spielzeug
– total Fehl am Platz, fehlende „Konsistenz“ und damit ein Glaubwürdigkeitsverlust. Gerade-
zu dümmlich und naiv sind Dinge wie der Laser (auch ist dessen Einsatz effekthaschend und vollkommen unnötig, da Bond dem Polizeiauto ja leicht entkommen könnte und er anschließend sich sowieso wenig trickreich freibombt). Sorry, das hätte nicht sein dürfen! Eine schlichte Verfolgung mit dem Aston durch Straßen, Schnee und über Eis und vielleicht eine Rakete als Höhepunkt wären OK gewesen.

Frauen sind wohl Geschmackssache trotzdem kann ich mir auch hier den Kommentar nicht verkneifen, dass Maryam d' Abo für mich im Film absolut unattraktiv ist. Sie sieht aus wie ein Wurm mit großer Nase und Pony-Haarschnitt. Fast wirkt es, als habe man Angst gehabt, dass man ein wirklich hübsches Bondgirl Dalton nicht abnehme würde.

Die Drehorte sind in diesem Film entsprechend der oben erwähnten Grundrichtung: nicht spektakulär aber glaubhaft und der politischen Story entsprechend.

Hervorheben möchte ich einige Einzelszenen, die mir besonders gefallen, in denen Dalton auch sehr gut agiert:

- der Tod von Saunders: klein aber schön ist die Entwicklung des Bond-Saunders Verhältnis- ses. Wenn wir ihn endlich mögen, wird er kaltblütig getötet und genau das was wir in dem Moment empfinden spiegelt sich in Daltons Gesicht, und seine Reaktion - mit Waffe und Ballon-Kind - ist ebenfalls schön. In dieser und mehreren Szenen gibt Dalton Einblick in die Seele des zwigespaltenen Geheimagenten à la Fleming. Allerdings empfinde ich einige Sprüche in diese Richtung als zu stark und unmotiviert ("Soll er mich doch feuern, ich wäre ihm dankbar")
- das Verhör mit General Pushkin ist so eine weitere nette Szene, gut aufgebaut und mit offenem Ende. Mir gefällt der gegenseitige Respekt der beiden und überhaupt Pushkins Rolle (in der Fortführung der Entspannungs-Politik, die auch bei Bond Einzug gehalten hatte). John Rhys-Davies ist wie immer sehenswert.
- die finale Konfrontation mit Whitaker: schön, wie hier nach dem großen Showdown noch etwas nachgeschoben wird. Der Whitaker Charakter hat einen Hauch von Größenwahnsinnigen wie Stromberg und Drax aber realistischer. Doch leider hat der Film keinen eindeutigen Bösewicht. Koskov ist schleimig und verlogen und Whitaker ist ein mieser Waffen-Dealer aber wer ist Bonds Opponent? Wieder der Octopussy-Fehler: Zwei halbe Bond-Schurken ergeben eben nicht einen Ganzen, sondern gar keinen echten Bösewicht.
- die Szene in der Kara Bond vergiftet erinnert ein wenig an DN, doch hier ist es viel raffinierter, da Bond ihr grade alles erklären will aber schon vergiftet ist, es ihm dennoch gelingt sie auf seine Seite zu ziehen, was aber zunächst offen bleibt.

Dass der Film auch kleine Schwächen neben dem Bösewicht und dem Bondgirl hat ist klar, doch die stören allesamt nicht wirklich. Moneypenny ist blass und irgendwie peinlich aber nach gefühlten 100 Auftritten von Lois Maxwell ist es auch schwer für eine Neue in der Rolle zu überzeugen. Es liegt aber nicht nur an ihr. Es stimmt einfach die Chemie mit Dalton nicht. Und auch das muss ich Dalton ankreiden: die typischen Bondklischees, die die Leute erwarten behandelt er so abschätzig und teilweise peinlich, als sei es ihm unangenehm. Hierzu zähle ich die Vorstellung "Bond - James Bond", die Moneypenny Szene und den Martini Spruch. Gleiches gilt übrigens auch für seine Auftritte jenseits der Kamera, wo er einfach im Vergleich zu Moore und Brosnan wie ich finde die Rolle nicht wirklich gut verkauft hat. Es war einfach falsch von ihm, Flemings Bond zum Film-Bond machen zu wollen.
Ein weiterer Schönheitsfleck ist für mich die Titelsequenz von Maurice Binder, der längst seinen Zenit überschritten hatte. In einem Film, der die 80er am besten von allen Bondfilmen
überstanden hat, wirken die altbackenen Bilder Binders zur poppigen Musik von Aha irgend-
wie antiquiert.
Last but not least ist der Necros Charakter verschenktes Potenzial. Hier wurde eindeutig versucht eine Henchman à la Grant zu schaffen, entsprechend die frühe Einführung und die
vielen Szenen. Nur leider hat man vergessen, ihm gute Dialoge zu geben, so bleibt er blass.

Fazit:
TLD ist ein spannender, solider Agenten-Action Film. Ein guter Bondfilm mit vielen guten
Elementen. Dalton gibt eine glaubhafte, gute Leistung ohne jedoch den Charme, den Witz oder den Flirt-Appeal rüberzubringen, den wir zumindest vom Film-Bond gewohnt sind.
Gleichzeitig Segen und Fluch des Films ist die komplexe Story. Einerseits spannend und
temporeich erzählt, andererseits ohne erkennbaren Gegenspieler für Bond und ohne akute Bedrohung. Schade, dass der Film zwar über die gesamte Länge ein gutes Tempo hat aber am Ende nicht mehr zulegen kann. Der eigentliche Showdown kommt fast wie ungewollt daher, und da die Story so komplex und die Bösewichte so versteckt sind, weiß man gar nicht so recht mit wem Bond da gegen wen kämpft.
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Bondfilm-Rezensionen - user: danielcc

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Licence To Kill 1989, Regie: John Glen

Meine ausführliche Meinung zu Timothy Dalton habe ich in meiner TLD Kritik zum Besten gegeben. Um es kurz zu sagen: Ich fand ihn als Bond schlecht besetzt, da er wenig von dem Charme, dem Humor und dem Sexappeal rüberbringt, den man vom Filmbond erwartet und sein Versuch, seinen Fleming-Bond der Masse der Kinozuschauer aufzuzwingen falsch und misslungen war.

Aber davon abgesehen: Ich mochte LTK bisher nicht sonderlich. Doch jetzt, wo ich alle Bondfilme chronologisch hintereinander weg gesehen habe, stelle ich fest, dass auch LTK vieles Gute hat und alles in allem ein ordentlicher Film ist. Ich glaube, der Film funktioniert als "Film" besser als er es als "Bondfilm" tut, wobei ich keiner der Fans bin, die sofort auf- schreien, wenn mal was anders ist als das Klischee es von Bondfilmen verlangt.

LTK ist der fünfte und letzte Film aus der Reihe der "back to reality" mit der man bei FYEO angefangen hatte - ohne verrückte Bösewichte, ohne die ganz großen Adam-Sets. Bei LTK ist das sicher sehr ausgeprägt, und ich weiß nicht ob dies dem Film zum Vorteil gereicht.

Um es zusammenzufassen: ein wesentliches Problem, was ich mit dem Film habe ist, dass zu viele Einzelaspekte aber auch der Grundtenor des Films wenig Bond-Niveau haben. Hier- zu zählt Robert Davi als Bösewicht (bekannt durch unzählige US-Vorabendserien), die einfallslosen Locations (nach dem Motto: "OK, wir filmen in billigen mexikanischen Studios, also was gibt es hier in der Nähe?") und auch die Story um Drogenhandel. Will man so etwas "Banales" in einem Bondfilm sehen? Ich finde es reicht nicht in dieser Konstellation nicht.

Daher wird auch hier wieder (ein Merkmal der Wilson-Stories!) ein Sub-Plot eingefügt und dieser ist persönlich: Bonds Handeln wird vollständig durch seine Rachegefühle geprägt. Ich finde, damit ist man zu weit gegangen. Er tötet, er sabotiert andere Geheim-Operationen, er kündigt, er handelt eindeutig selbst illegal und nimmt den Tod von Unschuldigen billigend in Kauf, nur um seine Rachsucht zu befriedigen. Natürlich deutet Dalton immer wieder die Gewissensbisse an, die auch den Fleming-Bond beschäftigen und genauso wie dieser macht auch er viele Fehler im Film. Das ist OK aber es wirkt doch etwas übertrieben. Warum sollten wir uns mit einem Bond identifizieren, der sich selbst nicht mehr mit seiner Aufgabe und seiner Rolle identifizieren will?

Doch damit genug der Kritik. LTK ist auch ein spannender Thriller, gut inszeniert und vor allem erstaunlich schlüssig. Selten war eine Story so logisch und fehlerfrei in der Bondserie. Doch leider gibt’s es bei den Grundprämissen der Story zwei Haken: Wir kennen Sanchez nicht, so dass uns auch die Wichtigkeit seiner Festnahme nicht einleuchtet. Das wird aber dadurch ausgeglichen, dass Sanchez im Folgenden wohl mehr Screentime bekommt als jeder andere Bösewicht - und er füllt diese Zeit mit seiner starken Präsenz aus. Ich empfehle jedem die Originalfassung, denn Sanchez deutsche Stimme (Uwe Friedrichsen) kommt hier nicht ran bzw. verbreitet nicht die gleiche schleimige Gelassenheit! Zweiter Haken ist, dass der Darsteller Felix Leiters hier nicht sonderlich sympathisch ist, so dass man Bonds Rachefeldzug noch weniger nachvollziehen kann.

Obwohl ich - wie oben beschrieben - das Vorgehen von Bond hier nicht billigen kann, ist das was folgt doch logisch, schlüssig und wirklich spannend. Es gibt einen Vorteil, der LTK zu vielen Bondfilmen hat: Sanchez durchschaut Bond nicht sofort! Das gab es so nie. Oft wissen die Bösewichte nach fünf Minuten wer Bond ist und damit ist jede Suspense und auch jede Möglichkeit von starken Bond-Bösewicht Dialogen dahin.

Positiv sind mir dieses Mal die Bondgirls aufgefallen. Talisa Soto ist exotisch schön und Lowell ist ein eigenständiger, intelligenter Gegenpol, die im Nachhinein betrachtet ein wenig Vesper Lynd vorweg nimmt.

Bemerkenswert ist hier die Rolle von Desmond Llewelyn, der vermutlich seinen besten Auf- tritt hat. Seine Szenen sorgen auch für die wenigen Lacher in einem ansonsten düsteren

Film. Wie er ständig seine Koffer ein- und wieder auspackt bringt eine angenehme Leichtigkeit in einen ansonsten von düster motivierten Film.

Höhepunkt ist natürlich die abschließende Truck Verfolgung, hier hat man sich wirklich noch mal etwas einfallen lassen und einen gewaltigen Aufwand betrieben. Die Szene scheint auch ein wenig eine Reaktion auf „Raiders Of The Lost Ark“. Leider ist einiges der restlichen Action im Film nicht wirklich der Rede wert. Eine Kneipen-Prügelei à la Bud Spencer und eine unpassende Kung Fu Einlage. Die Wasser-Ski Szene ist OK aber hier finde ich es schöner, wie sich die Action aus einer spannenden Szene entwickelt als die Action an sich.

Für einen wirklichen Schwachpunkt des Films halte ich den Soundtrack (nicht den Titelsong). Hier plätschern unmotivierte Musik und quietschende Töne teilweise nur so vor sich hin. Der Gebrauch des Bondthemas im Showdown ist wirklich übel, verwaschen und inflationär (erschreckend, wenn John Glen sagt, man habe Kamen genommen, weil man dachte, er könnte Barrys Stil am besten imitieren).

Fazit:
Auch LTK ist ein spannender Film, gut inszeniert, schlüssig und eine Portion persönlicher. Mit einem ernsten und toughen Timothy Dalton. Dem Film fehlt (bewusst) einiges von dem was wohl viele Leute bei Bond erwarten (das "larger than life“ in Action, Story, Bösewicht und Locations). Dennoch glaube ich, dass es viele bessere Bondfilme gibt und dass Dalton ins- gesamt mit seiner Art beim/am Publikum gescheitert ist. Daniel Craig zeigt momentan, wie man Fleming Elemente einfließen lassen kann, ohne das breite Publikum zu verschrecken. Er ist der bessere Schauspieler der mehr Charisma in der Rolle zeigt.
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Re: Bondfilm-Rezensionen - user: danielcc

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GoldenEye, 1995, Regie: Martin Campbell

Wir sind in den 90ern angekommen und damit bei Pierce Brosnans Premiere "GoldenEye". Ich muss im Nachhinein sagen, für mich waren die 80er die schlechteste Zeit für Bondfilme (auch wenn alle Ausgaben immer noch gute Filme sind).

Doch zu GoldenEye habe ich schon deswegen eine besondere Beziehung, weil es mein erster Kino-Bond war.

Also, erst mal zu Brosnan: Wer nur den Fleming-Bond im Kino sehen will ist bei Brosnan und seinen Filmen falsch. Diejenigen müssen sich aber auch die Frage gefallen lassen, warum sie die Bondfilme eigentlich mögen, denn was die Filme populär gemacht hat, waren die Abweichungen von Flemings Werk. Seit MR waren die Besucherzahlen stetig zurückgegangen und erreichten einen wirklich traurigen Tiefpunkt mit LTK. Dann kam eine sechsjährige Pause und endlich kam Brosnan zum Zuge (und mit ihm mehr als Doppelt so viele Zuschauer wie bei LTK!). Der Film und der Charakter Bond wurde klar an die Zeit angepasst. Lange wirkten die Bondfilme zuvor etwas angestaubt aber damit war nun endgültig Schluss. Brosnan gibt den internationalen Business-Spion, weltgewandt, souverän, charmant, witzig, aber auch ernst, stets korrekt gekleidet und nie irgendwie peinlich. Brosnan war der beste Bond den man in den 90ern haben konnte. Er hat viele neue Fans für das Phänomen gewonnen und war zudem auch in Sachen PR für Bond immer voll bei der Sache. Brosnan wird voll- kommen unverständlicherweise in "Fan-Kreisen" oft kritisiert, wobei fast jede Umfrage zeigt, dass er zu den Beliebtesten gehört. Auch seine Filme werden oft kritisiert aus den fadenscheinigsten Gründen. Wer meint, die Brosnan Bonds haben schwache Stories, dem empfehle ich dringend, mal alle Bondfilme hintereinander wegzugucken und vielleicht mal die rosarote Nostalgie-Brille abzunehmen. GE hat eine exzellente Story, und ist in vielen Szenen zudem besser geschrieben als die meisten Bondfilme zuvor.

Noch eins zu Brosnan: er ist sicher kein begnadeter Schauspieler wie Daniel Craig. Aber das macht er mit Charisma wieder wett (wie auch Connery zu Beginn). Zudem ist Brosnan wohl der erste Darsteller gewesen, der als Fan der Bondfilme selbst aufgewachsen ist. Entsprechend übereifrig agiert er auch manchmal bei den Klischees („Bond...James Bond“... Vodka Martini...). Für mich war es damals perfekt, einen Bond zu sehen, der sich wirklich mit der Filmserie identifiziert und nicht einen, der ihr zwanghaft seinen Fleming-Stempel aufdrücken will.

Zurück zum Film: Ich kann nicht beschreiben, welche Freude es mir heute noch macht GE zu sehen. Die PTS ist eine der Besten! MG Geballere hin oder her, sie ist spannend, sie ist witzig, sie ist ein würdiger Einstieg für Brosnan, sie führt wichtige Charaktere ein und endet mit einem Hammer Stunt! (Ja richtig, das meiste davon ist Stunt und nicht getrickst!). So will ich Bond haben! „Larger than life“ und dennoch irgendwo nicht zu peinlich. Allein die PTS zeigt Campbells Talent etwa wenn blitzschnell von Krach und Action zu Ruhe und Spannung wechselt (ich empfehle dringend seinen Audiokommentar zu hören, der Mann ist genial und genau der Richtige für Bond). Die PTS von GoldenEye ist praktisch die Essenz eines Bondfilms komprimiert auf wenige Minuten!

Es folgt der Vorspann mit einem der besten Songs und zweifellos ebenfalls den besten Bildern. Maurice Binder hatte 30 Jahre lang in etwa das Gleiche gemacht, Daniel Kleinman zeigt mehr Kreativität, Realitätsbezug und Fantasie in seinem ersten Beitrag als Binder in allen seinen Filmen zuvor. Einfach perfekt wird der politische Background des Films einbezogen.

Es geht brillant weiter: Der Aston ist zurück und wird würdig eingeführt. Der anschließende Blick auf Monte Carlo und Bonds Ankunft vor dem Casino zeugen von der beeindruckenden Kameraarbeit von Phil Meheux. Gleiches gilt für die Schnitt-Arbeit. Es gibt viele kleine Szenen, in denen der Schnitt die nötige Spannung bringt - großes Lob!

Es folgen viele Bond-Standards (Casino, Vorstellung, Martini, Bondgirl, M Szene, Q Szene)
die allesamt gut gemacht sind. Bonds Verhältnis zur neuen M wird in einer starken Szene

beleuchtet. Ms Blick am Ende der Szene spricht aber Bände über das, was sie wirklich von Bond denkt. Sie schätzt ihn und mag ihn. Beide spielen die Szene exzellent. Auch die Chemie zwischen Brosnan und Llewelyn ist genial. Während Connery irgendwie an Llewelyn vorbeispielte und Moore immer nur seine Witzchen unterbringen wollte, zeigt Brosnan zumindest etwas Respekt und erstmals sieht man beide zusammen Lachen. Es ist irgendwie schön, dass Llewelyn seinen letzten Auftritt mit Brosnan haben sollte.

Die Darsteller Riege - insb. auf Seiten der Bösewichte - ist beeindruckend. Sean Bean ist großartig, physisch und psychisch ebenbürtig. Gottfried John macht jede seiner Szenen zu einem Erlebnis. Famke Jansen spielt eine Rolle, die es auf Anhieb in die "hall of fame" der Henchmen schaffte und bis heute der letzte starke Henchman-Charakter ist. Auch Tcheky Karyo macht in seinen kurzen Auftritten als Verteidigungsminister eine gute Figur, und Joe Don Baker, Alan Cumming, Izabella Scorupco und Robbie Coltrane vervollständigen den vielleicht besten Cast der Bondserie. Ein Wort zu Scorupco: ich habe sie lange Zeit unterschätzt aber im direkten Vergleich aller Bondgirls (und vor allem im englischen Original) überzeugt sie als wirklich hervorragende Darstellerin in einer ungewohnt langen Rolle als Bondgirl. Schade, dass man sie fast zwei Stunden in Graue-Maus Klamotten gesteckt hat.

Um nicht jede der vielen schönen Szenen des Films durchzugehen: GE wirkt wie ein Film aus einem Guss, was zuletzt oft fehlte! Der Film integriert fantastische Elemente in einer glaubhaften Weise. Alle Gadgets passen in den Film, nichts wirkt - in diesem Umfeld - unglaubwürdig. Dazu passt auch die Story, die das klassische "Weltdominanz Thema" mit glaubhaften Spionage Elementen verbindet (Tiger Diebstahl, EMP...). Es ist das richtige Verhältnis aus Spionage, Ermittlung, Action, Realem und Fantastischem. Auch zum ersten Mal gelingt eine gute Verknüpfung zweier Bösewichte (Alec und Ourumov), da rechtzeitig klar ist, wer der eigentliche Bösewicht ist. Im Übrigen ein geschickter Schachzug des Drehbuchs: Der Film stellt ja den Übergang vom Kalten Krieg zum modernen Hightech Terrorismus dar und Ourumov verkörpert das Eine, Alec das Andere. Ein Haken hat die Erzählung: Erst am Ende wird klar, was Trevelyan vor hat, wenn er es Bond erzählt. Dadurch ist aber über weite Strecken des Films keine akute Bedrohung gegeben, wie sie früher immer durch eine frühe Erpressung durch SPECTRE (oder ähnliches) gegeben wurde. Hier ermittelt Brosnan lange, um überhaupt erst dahinter zu kommen, um was es geht. Aber auch das ist ein guter Ansatz und vor allem keine Sekunde langweilig.

Eine weitere Stärke ist hier die Rückkehr zu aufwendigen Sets unter der Leitung von Peter Lamont, der hier endlich wieder im angemessenen Rahmen Klotzen darf! Alle gebauten Sets sind hochwertig, einige Straßen und Locations sind nachgebaut, ohne dass man es auch nur im Entferntestes ahnt (St. Petersburg und das Casino in Monte Carlo). Das dickste Lob gebührt hier vielleicht Derek Meddings. Was er geschaffen hat ist schlicht unbeschreiblich - was man aber erst zu schätzen weiß, wenn man überhaupt erfährt, was hier alles Modellarbeit ist. Die Integration von Modellen, digitalen Effekten, realen Aufnahmen und 1:1 Modellen ist umwerfend! Beispiele gefällig:

- Bonds Panzer Angriff auf den Panzerzug ist Modellarbeit
- Bonds Suche per Flugzeug nach der Satellitenschüssel ist Modellarbeit
- die Satellitenschüssel mit See ist nahezu vollständig Modellarbeit
- die gesamten Severnaya Außenaufnahmen mit Flugzeugen sind Modellarbeiten

Verantwortlich für die Klasse von GE ist sicher Martin Campbell im Regiestuhl. Er ist ein genialer Bond-Regisseur, der weiß was die Leute wollen und wie man es für sie aufbereitet. Brillant wie er viele wichtigen Dinge vorab einführt und zeigt (der Kuli, das GoldenEye System, das Internet-Tracking, Xenias Beinquetsche...) oder auch seine Liebe zu Details:
- Xenia deckt beim Kartenspiel 00-7 auf, Bonds Blatt lautet 00-6
- just in dem Moment wo Bond sich mit den berühmten Worten vorstellt, verstummt die Begleitmusik, um den Moment hervorzuheben
- von Xenias Beinschere beim Sex mit dem Admiral blendet er über auf das strömende Wasser des Motorboots, welches den Orgasmus repräsentiert.

Zudem hat auch die Second Unit ganze Arbeit geleistet. Es ist mir ein Rätsel warum man nicht alles daran gesetzt hat, genau das gleiche Team häufiger zu haben.

Eine kleine Aufzählung toller kleinerer Szenen:

- der kleine Kampf auf der Manticore (Klasse Verbindung aus Spaß, Stil und ernster Action)
- Bonds Treffen mit 006 auf dem Lagerplatz (brillante Stimmung durch Kamera und Ausleuchtung)
- Bonds Konfrontation mit Xenia im Schwimmbad (der Dialog war damals in aller Munde und
mit den Bildern zeigt Campbell praktisch die einzige realistische Sexszene der Serie, ohne dass es eigentlich um Sex geht!)
- Bonds Szene mit Zukovsky (gut gespielt von Brosnan)
- die Verhörszene mit dem Verteidigungsminister
- Bonds Kampf mit Alec

Überhaupt ein großes Kompliment für die Actionszenen. Nach allenfalls mittelprächtiger Action in den 80ern ist Bond hier wieder an der Spitze des Genres! Angefangen mit der PTS, die Flucht nach dem Verhör, die legendäre Panzerverfolgung, die Autoverfolgung, die Rettung aus dem Tiger, der Showdown auf der Schüssel, alles ist kreativ und gut gefilmt. Ich finde GE ist einer der wenigen Filme der Reihe mit einem würdigen Showdown. Weder zu wenig noch zu viel und vor allem keine billigen Massenszenen in denen Bond untergeht. (A propos: Man stelle sich mal vor, wie gut die Vortitelsequenz erst als Ende eines Bondfilms gewesen wäre!).

Fazit:
GE war der erste Bond, den ich im Kino gesehen habe und seitdem habe ich jeden mehrere
Male auf großer Leinwand gesehen. Ich glaube aber, dass ich nie wieder eine Stimmung wie bei GE im Kinosaal erlebt habe. Weder bei Bond noch bei einem anderen Film. Die Leute
WOLLTEN „ihren“ Bond zurück und sie bekamen ihn. An vielen Stellen wurde begeistert
applaudiert, an den richtigen Stellen wurde gelacht, und es wurde nach dem Film noch sehr lange darüber gesprochen und diskutiert. Ja, es wurden sogar in nicht wenigen Physikkursen Stunts nachgerechnet.

Bond war zurück - auch dank Brosnan - und vor allem dank Martin Campbell, der sich wieder auf die Stärken der Filmserie besonnen hat. Brosnan war der erste Bonddarsteller, der es geschafft hat, ein Publikum unabhängig von der tatsächlichen Qualität des Films anzulocken. Alle seine Filme verkauften in etwa ähnlich viele Tickets und damit verkaufte jeder Film im Schnitt mehr Tickets als bspw. Moore oder natürlich Dalton. Großes Kompliment!
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Bondfilm-Rezensionen - user: danielcc

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Tomorrow Never Dies, 1997, Regie: Roger Spottiswood

Nachdem Brosnan mit GoldenEye einen gelungenen Einstand gefeiert hatte, legte er mit TND nach. Oft wird Brosnan von Fans kritisiert und vor allem die Stories der Filme werden belächelt. Das ist Blödsinn, wenn man mal genau - und vor allem kritisch - auf die alten Filme schaut! Im Gegenteil: Die Brosnan Filme zeichnen sich dadurch aus, dass jeweils echte, relevante Geschehnisse den Background für die Filme bildeten. In GE war es der Zerfall der Sowjetunion, das vermeintliche Ende des kalten Krieges und die aufkommenden Mafiastrukturen in Russland. In TWINE würde es der wichtige Rohstoff Öl sein, neue Funde im Kaspi- schen Meer und der Transport in den Westen (witzigerweise 2009 wieder top aktuell was das Thema Erdgas und die Ukraine angeht!). In TND war das dominante Thema die Macht der Medien und teilweise auch die zunehmende Bedeutung Chinas. Die Macht der Medien ist ein exzellentes Thema für Bond und eigentlich fast zeitlos, doch Mitte der 90er war es besonders relevant. Die ganze Welt wurde immer mehr eine digitale Welt (wunderbar umgesetzt im Vorspann von Daniel Kleinman), in der bits and bytes das Sagen haben. Die Welt entwickelte sich von einer Industrie und Dienstleistungs-Gesellschaft zu einer Medien- und Wissens- Gesellschaft. Natürlich sind das hochtrabende Themen, doch immerhin ist es ein großer Background für eine so typische Bondstory. Sinnbildlich für diese digitale Entwicklung, soll im Film die banale Manipulation eines kleinen Zahlen-Kastens als Auslöser für den 3. Weltkrieg dienen. In GE ging es noch um „hardware“ (der GoldenEye Satellit und der Tiger Hubschrauber), in TND geht es sozusagen um „software“.

Vor diesem realen Background, erscheint Carver im Grunde als einer der realistischeren Bösewichte der Reihe ohne gewöhnlich zu sein (wie Sanchez oder Kristatos). Leider macht die deutsche Synchro aus ihm eine Witzfigur - also unbedingt im Original schauen!

Wie eigentlich immer bei den Brosnan Filmen ist die PTS brillant! Auch schaffen sie es immer den Ton des Films zu bestimmen und hier ist es eindeutig "Action, Action und noch mal Action - und alles nicht zu ernst nehmen". Klar, wer den Fleming Bond sucht, wird Brosnan nicht unbedingt mögen, und wer gedanklich noch in den 60ern ist, wird Bond mit Maschinengewehr nicht mögen, doch die Zeiten haben sich ein wenig geändert und Bondfilme haben sich schon immer angepasst. Letztlich ist mir Bond allein mit MG noch lieber als einer unter Hunderten von Soldaten, Unterwassertauchern oder Ninjas in einem unübersichtlichen Massen-Showdown.
Die Action in der PTS ist so gut gemacht, dass ich heute noch nicht weiß, wie man sie gefilmt hat (insb. die Flugzeug Action). Die PTS beinhaltet Action, Explosionen, Stunts und führt
gleichzeitig erste Charaktere ein sowie den Macguffin des Films – das GPS Gerät. Außer-
dem endet das Ganze mit einer witzigen Auflösung und das ist doch das, was Bond berühmt gemacht hat.

Der folgende Song ist OK aber keiner meiner Favoriten - doch die Titles dazu sind wieder mal wirklich kreativ.

Der Song leitet über in eine spannende Szene, die die Story zum Rollen bringt. Es wird keine Zeit verschenkt. Schön auch, dass hier direkt der in der PTS eingeführte GPS Decoder ein- gesetzt wird. Damit sind wir bei der Story, die ja so gerne kritisiert wird: hier handelt es sich um eine Bond Story par excellence nur auf die 90er angepasst! Simpel, effektiv, gut erzählt, eine akute Bedrohung die schon zu Beginn klar gemacht wird ("Sie haben 48 Stunden um zu ermitteln!"). Schön ist hier, dass Carver schon früh eingeführt wird und er den ganzen Film über präsent ist. Die Handlung wird zu jedem Zeitpunkt voran getrieben und es gibt praktisch keine verschenkte Szene im Film. Hierbei fällt auch wieder die gute Integration der Actionszenen auf, die die Handlung vorantreiben.

Besonders gut sind aber alle Szenen zwischen Bond und Carver. Schon das erste Zusammentreffen der beiden kommt früh und macht die Fronten klar - und hier zeigt sich auch, wo dieser Film doch etwas logischer ist als andere Bondfilme! Die beiden spielen sich nichts vor. Sobald Carver weiß, wer Bond ist, versucht er ihn zu töten.

Es kommt zu der wundervollen Dr. Kaufmann Szene, die praktisch schon zu gut ist für einen Bondfilm, sehr ungewöhnlich in jedem Fall. In dieser Szene wird auch deutlich, wie gut Brosnan auch in ernsten, harten Momenten sein kann. Zunächst seine Trauer um die tote Paris, dann sein Galgenhumor beim Kaufmann Dialog und dann sein eiskalter Mord an ihm, der den Bogen spannt zur Prof. Dent Szene in Dr. No. Wirklich alles was ein guter Filmbond haben muss.

Die folgende Parkhaus Action muss man kaum noch beschreiben, sie ist überall umfänglich gelobt worden. Auffallend ist hier, wie in allen Actionszenen des Films, das brillante Zusammenspiel von Stunts und Tricks, Stuntmen und echten Darstellern. Man sieht praktisch in keiner Szene die Tricks oder erkennt Stuntmen. TND ist ohne jeden Zweifel, der Bondfilm mit den besten Actionszenen. Von Anfang bis Ende treiben sie die Handlung voran und werden einfach nie langweilig. Selbst eine Unterwasserszene ist hier mal nicht langweilig.

Noch etwas zeichnet TND aus, bzw. jemand: Michelle Yeoh! Sie ist eine tolle Ergänzung, eine würdige Agentin an Bonds Seite und sie hat als erste eine eigene Actionszene. Hier stimmt die Chemie einfach zwischen ihr und Brosnan. Höhepunkt ihrer "Beziehung" ist die gemeinsame Actionszene, aneinander gekettet auf einem Motorrad. Ein weiterer Action Höhepunkt der gesamten Bondserie.

Wo Licht ist gibt es auch Schatten und hierzu zähle ich Teri Hatcher und Götz Otto. Weder ihre Rollen noch ihre Darstellungen überzeugen. Besonders schade, wenn man sieht wie gut Hatcher sein kann, wenn sie gute Rollen hat (siehe Desperate Housewives). Hier sind aber beide deplatziert.

Außerdem sind einige Gadgets des BMWs doch selbst im Bond-Universum absurd und weit hergeholt! Wofür zum Teufel ist die Motorsäge im BMW Logo außer für exakt diese eine Szene, in der Bond damit das Stahlseil zersägt? Es ist nicht gut, wenn dem Publikum so eindeutig vor Augen geführt wird, dass der Autor schon weiß, was später passieren wird. Außerdem habe ich immer ein Problem damit, wenn Bond ganze Gebäude zerstört, wegen ein paar Schläger Typen.

Nachdem ich den Film nun als „ultimate edition“ gesehen habe, frage ich mich warum der Film in sehr vielen Szenen merkwürdig neblige Bilder hat. Zwar gefallen mir die sterilen Hightech Locations (großartiges Production Design mit wirklich umwerfenden Sets) doch mir scheinen die Beleuchtung und die Kameraarbeit hier nicht so gelungen wir in GE. Kaum eine Aufnahme hat Tiefe, der Hintergrund ist oft unscharf oder verschwindet im Nebel.

Erfreulicherweise zeichnet seit TND David Arnold für den Soundtrack verantwortlich und nach dem erschreckenden GE Score von Eric Serra war TND für mich wie eine Offenbarung. Bei- spiele sind der schöne Einsatz des Bond Themas oder mysteriöse Themen in spannenden Szenen (Bond in Carvers Labor...).
TND ist vielleicht der Bondfilm mit dem perfektesten Pacing. Keine Szene ist verschenkt, die
Bedrohung wird in der ersten Szene klar gemacht, es gibt Zeitdruck, es steht viel auf dem Spiel, Bond ermittelt und erfährt immer mehr, die Action treibt die Handlung voran und keine der vielen Actionszenen wirkt Fehl am Platz. Auch gibt es keine nervigen Nebenplots, wobei die Involvierung des chinesischen Generals besser hätte herausgearbeitet werden müssen.

Was das Thema Pacing und Logik angeht, beispielhaft zwei Vergleiche zu TB:

1. Die Szene in der Stampers Leute die Rakete aus dem Schiff unter Wasser entfernen: An- statt wie in TB Minuten darauf zu verwenden, wird die Szene hier nur angedeutet. Man weiß also was passiert und das Tempo bleibt erhalten
2. Bonds erstes Zusammentreffen mit Carver verläuft praktisch analog zum ersten Treffen mit Largo. Auch hier gibt Bond dem Bösewicht durch seine Sprüche zu verstehen, dass er
ihn durchschaut hat. Nur ist es hier so, dass Carver ihm danach direkt eine Lektion erteilt.

Fazit:

TND ist ein wirklich unterhaltsamer, logischer, schlüssiger Bondfilm mit einer Story basierend auf der Realität und dennoch verrückt genug für einen Bond. TND ist der beste Actionfilm der Serie ohne die üblichen Klischees zu vernachlässigen. Der Showdown ist dann doch eine zu MG-lastige Materialschlacht aber immerhin sind Bond und Wai Lin auf sich gestellt und verhindern eine permanent akute Bedrohung.
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Bondfilm-Rezensionen - user: danielcc

21
The World Is Not Enough, 1999, Regie: Michael Apted

Wieder etwas Persönliches als Einstieg:

GE war mein erster Bond im Kino und TWINE somit mein Dritter. Als ich TWINE damals ge- sehen hatte, war ich mir sicher, grade den besten Bondfilm aller Zeiten gesehen zu haben (das sehe ich heute anders!).

Warum habe ich damals so gedacht? Weil TWINE neben den üblichen Zutaten einige wirklich gute Drehbuchzeilen und Dialoge enthält und ein Film ist, der mehr als alle Bondfilme bis dahin Charakterzeichnung und -entwicklung in den Vordergrund stellt – oder es zumindest versucht (ja, das sehe ich heute noch so zumindest bis CR kam).

Doch von Anfang an:

Die PTS ist natürlich der Wahnsinn, wobei man wissen muss, dass die Bootsverfolgung eigentlich nicht für dies PTS gedacht war, sondern danach kommen sollte. Ich finde aber schon die kurze Episode in Bilbao sehr gelungen und spannend. Man ist schneller denn je in der Handlung und mit Bond in einer spannenden Mission ohne zu wissen, um was es geht (und um ehrlich zu sein, ich habe bis heute nicht ganz verstanden, was es mit dem Geld auf sich hat).

Die Bootaction ist superb, hier stimmt alles. David Arnold ist hier auf dem Höhepunkt seiner Arbeit für Bond. Die richtige Kombination aus Spaß und over-the-top Action an originalen Schauplätzen.

Was mir an TWINE besonders gut gefällt, sind die Beziehungen der Hauptcharaktere unter- einander! Seit GE hat sich das Verhältnis von Bond und M konstant entwickelt. Hier sieht man den Respekt den sie sich gegenseitig entgegen bringen. M vertraut Bond soweit, dass sie ihn in persönliche Entscheidungen einbezieht und ihm eigentlich geheime Dinge aus älteren Missionen mitteilt. Sie gesteht praktisch sogar Fehler ihm gegenüber ein. Außerdem verlässt sie sich - man vergleiche mit GE - auf seinen Instinkt!
Ähnlich gut, ist es bei der Bond-Q Beziehung. Wie schon bei GE und TND zu sehen, ist der Brosnan-Bond Q am nächsten. Wieder diese Art von Respekt, die Brosnan sehr gut rüber- bringt. Ein schöner, persönlicher und sehr gelungener Abschied für Llewelyn! Qs Nachfolger "R" ist natürlich hier eine Witzfigur (leider trägt Dannebergs Synchronisation noch dazu bei), doch schön ist, wie viel Spaß Bond und Q haben, sich über ihn lustig zu machen. Nach dem Motto "Wir sind die alten Hasen und zeigen dem Grünschnabel mal wo es lang geht..."

Die Story an sich ist wieder wie immer bei Brosnan mit aktuellem Hintergrund (den man auch so heute noch mal verfilmen könnte...Ukraine, Russland, Erdgas, Pipelines...). Wieder nimmt man sich ein wichtiges Thema vor und bereitet es Bond-mäßig auf. Dennoch habe ich ein Problem mit der Handlung, bzw. der eigentlich Motivation für Bonds Mission. Denn über lange Zeit geht es ja nur um M und ihr Verhältnis zur King Familie. Kann sie dafür ihre 00- Abteilung einsetzen? Überhaupt ist M hier sehr mobil, was sicher unangemessen ist, den- noch sind ihre Szenen toll und treiben ja die Handlung.

Die Drehorte bilden dieses Mal einen erstaunlichen Kontrast zu vielen anderen Bondfilmen. Hier sind es mal nicht die schönen, angenehmen und luxuriös exotischen Urlaubsorte der Welt, sondern durchaus dreckige aber zur Story passende Regionen (sehr schöne Aufnahmen von den Ölfeldern..). Die Kameraarbeit ist meiner Meinung nach wieder besser als bei TND, dessen Bilder ich zu oft merkwürdig grob und nebelig fand. Die Eleganz der Campbell/Meheux Bildern und die Brillanz der GoldenEye Kulissen werden aber nicht erreicht.

Kommen wir zum Protagonisten: Bond. Brosnan ist hier auf dem Höhepunkt seiner Darstellung. Wirkte er in GE noch etwas steif und vor allem eingeschüchtert durch die Verwirklichung seines Kindheitstraums (Bond zu spielen), hat er hier die totale Kontrolle übernommen. Er IST Bond, oder zumindest der Bond der er sein wollte (und den viele Filmfreunde eben toll finden). In vielen Szenen ist er aber darüber hinaus schauspielerisch viel besser als manche uns heute weis machen wollen:

- die Szenen mit M und Q habe ich genannt
- sein knallhartes Gesicht in den ersten Minuten, nachdem er die Helfer in der Bank erledigt hat
- die Szenen mit Elektra zeigen eine Tiefe, die ich bis dahin nicht in Bondfilmen für möglich
gehalten hatte. OK, nach Craig mag man das relativieren aber es ist so! Hier geht es wirklich um Charaktere, die Figuren sind viel menschlicher als viele zuvor und haben Tiefe - und die Entwicklung der Beziehung Bond-Elektra ist interessant. Auch wird mal wieder Bonds Schwäche (Frauen) thematisiert und zwar besser denn je
- Höhepunkt ist für mich die Folterszene und Elektras Tod! Wie Brosnan hier knallhart mit ihr umgeht und dann noch einen Oneliner rüberbringt, der hier schnell billig wirken könnte aber
eben doch gut rüberkommt...
- Bonds Dialoge mit und sein Umgang mit Renard sind auch sehr sehenswert

Auch andere Szenen wissen zu gefallen, so der Dialog zwischen M und Renard sowie Renards Szenen mit Elektra - wundervoll. Ohnehin ist Renards Charakter interessant und neu für Bondfilme: Zunächst hält man ihn für den Bösewicht, dann erkennt man, dass er nur der Gehilfe für Elektras finstere Pläne ist - und dennoch ist er eine fast traurige Gestalt, der zwar seine eigene Motivation hat, dessen Glaube daran und seine Liebe zu Elektra von ihr schamlos ausgenutzt wird.

Leider hat der Film aber auch deutliche Schwächen: Während GE wie aus einem Guss wirkt und TND ein gelungener Action-Kracher ist, habe ich bei TWINE das Gefühl, dass man zu viel wollte. Zu viele wichtige Charaktere und zu viele Szenen zur Charakterzeichnung. Dann kommt noch hinzu, dass es Szenen gibt, die überflüssig zu sein scheinen - zumindest an Bond-Maßstäben gemessen. Auch erscheint mir TWINE nicht so logisch wie GE oder TND. Beispiele:

- warum der Anschlag beim Skifahren auf Bond und Elektra? War das nicht gefährlich, da ja Elektra die Chefin ist? Oder galt der Anschlag nur Bond, dann aber unlogisch wie er so schnell organisiert werden konnte, da Bond grad erst unverhofft angekommen war.
- dass Elektra ausgerechnet im Kasino in einer so offensichtlichen Art Valentin bezahlt, während Bond dabei ist, ist merkwürdig.
- der Mord an Prof. Arkov ist dumm. Selbst wenn Bond nicht die Rolle von Davidov (und da-
mit ja Arkov) übernommen hätte, wäre der Schwindel später Dr. Jones aufgefallen, da
Davidov ja noch jünger als Bond ist
- warum um alles in der Welt kann Bond so einfach Davidovs Rolle übernehmen, obwohl niemand der Terroristen im Flugzeug Bond kennt? Hätte also jeder sich einfach so in die
Operation der Terroristen einschleichen können?


Zur Action: Die lange PTS ist ein früher Höhepunkt, fast noch besser gefällt mir aber die Bunkerszene mit ihrem tollen Set Design. Hat es jemals bei Bond eine so spannende Szene gegeben, bei der sich aus einem Dialog eine so tolle Action ergibt? Auch schön ist, wie Renard sich über Bond lustig macht, da dieser ja wirklich noch keine Ahnung hat, worum es geht (wir als Zuschauer auch nicht). Wie Bond am Ende auf Renard schießt und der seelen- ruhig hinterm Panzerglas steht - sehr witzig.

Der Film hat insgesamt sehr viel Action. Während mich die neuartige Pipeline Szene noch überzeugen konnte, und der Showdown unter Wasser davon lebt, dass man Brosnan oft bei eigenen Stunts erkennen kann, fallen für mich die Skiszene und die Kaviar Fabrik total ab. Skiszenen haben wir bei Bond schon deutlich besser gesehen. Außerdem glaube ich der Szene anzumerken, dass sie schlecht aus First- und Second-Unit Aufnahmen zusammengesetzt worden ist. Die Action in der Kaviar Fabrik ist einfach nur übertrieben. Um was geht es hier eigentlich? Und während eine Auto-Fernsteuerung im Handy noch OK war, ist diese im Schlüsselanhänger dann doch „too much“.

TWINE zeigt ganz offensichtlich, wann eine Actionszene funktioniert und wann nicht: Die guten Actionszenen des Films treiben alle die Handlung voran (Bootverfolgung, Bunkerszene als Schlüsselszene für Renards Plan, die Pipeline und der Showdown) wohingegen die schlechte Skisequenz und der Kaviar-Angriff einfach überflüssig sind und aufgesetzt wirken. Sie treiben nichts voran sondern sind einfach nur effekthaschend unter dem Vorwand eines generellen Angriffs auf Bond.

Sehr schön finde ich im Film wie Valentin, Elektra und Renard ihr Ende finden. Bei Valentin zeigt sich in seiner letzten Handlung noch ein gewisser professioneller Respekt gegenüber Bond - wie er in GE thematisiert wurde -, bei Elektras Tod hat mich die Kaltblütigkeit Bonds beeindruckt, und Renards Tod ist ja das würdige Ende eines guten Showdowns. Immerhin, hier hat ein Film mal wieder einen Showdown ohne MGs und große Massenszenen.

Fazit:

Brosnans dritter Auftritt überzeugt durch seine Darsteller und Charaktere, weniger durch die Handlung, die etwas wirr und unlogisch scheint. Der Film leidet darunter, dass die beste Action schon am Anfang steht und gegen Ende eher schlechter wird. Stark sind die Dialoge und die Charaktere, doch irgendwie scheint der Film dabei auch etwas übers Ziel hinauszuschießen. TWINE ist für mich der drittbeste Brosnan Film.
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Bondfilm-Rezensionen - user: danielcc

22
Die Another Day, 2002, Regie: Lee Tamahori

Ich kann mir bis heute nicht erklären, was bei diesem Film passiert ist. Ausgerechnet zum
40jährigen Jubiläum, beim 20sten Film waren wohl die Erwartungen besonders hoch. Vielleicht war das der größte Fehler von allen.

Ich möchte behaupten, dass DAD wohl die beste erste Stunde hat, die es jemals in einem Bondfilm gab! So lange dauert es bis der unsichtbare Aston Martin auftaucht und mit ihm die umso offensichtlicheren Mängel des Films.

Bis dahin kann sich Brosnan zum ersten Mal in der Art von Story und Erzählung austoben, die er wohl immer wollte als Bond: Eine dreckige und härtere Handlung. Um es direkt zu sa- gen, Brosnan spielt den ganzen Film sehr gut in einem denkbar undankbaren Szenario. Nach einer PTS die im Grunde versucht den Action-Overkill der TND PTS zu toppen, gerät Bond in Gefangenschaft und wird 14 Monate gefoltert. Auch zeigen sich hier die gelungenen künstlerischen Ansprüche des Films, wie etwa die Folter übergeht in den Vorspann. David Arnold leistet im Film ganze Arbeit mit teilweise unglaublich modernen Arrangements, die den unorthodoxen Schnitt und Kamerastil von Tamahori (MTV lässt grüßen) in nichts nach- steht. Ich möchte betonen, dass ich Madonnas Song nicht mag, aber zu dieser Szenerie und dem Vorspann passt er besser als etwa You Know My Name zu dem Retro Vorspann von CR.

Auch nach dem Vorspann - der erstmals die Handlung weiter erzählt - folgen brillante Szenen, wie der wirklich spannende Gefangenenaustausch auf der nebeligen Brücke, Bonds Auseinandersetzung mit M und seiner anschließenden Flucht aus der "zweiten Gefangen- schaft". Auch der Dialog zwischen Bond und M gehört zu dem besseren was für Bond bisher geschrieben wurde. Erstmals bekommt man ein Gefühl dafür, dass Bonds Job ein harter und dreckiger ist, für den es wenig Lob gibt, wenn er erfolgreich ausgeführt wird, und wenn etwas schief geht, wird Bond vergessen. Das ist sein Leben, und nie haben wir das in den Filmen deutlicher gezeigt bekommen.

Bonds anschließenden "Hoteleinzug im Pyjama" spielt Brosnan mit dem bis dato erworbenen selbstverständlichen Selbstbewusstsein wie es Connery nicht besser getan hätte. Besonders schön, die Unterhaltung mit dem Hotelmanager (und chinesischen Agenten): "just surviving“
- Bond hat überlebt, wie er es immer tut, und nach einer Rasur ist er auch wieder ganz der Alte und zum Flirt mit der hübschen Masseuse aufgelegt („Oder steht das Angebot mit der Massage noch?“).

Es folgt der Ausflug nach Havanna (gedreht in Spanien). Bond im Freizeithemd, das Bond- Thema im kubanischen Stil, und jede menge exotischer Atmosphäre, da kommen Erinnerungen an Dr. No auf. Dass Bond mal nicht auf Leiter trifft sondern einen zur Umgebung passenden Agenten aufsucht, macht es noch realer. Die Szenen auf Kuba machen einfach nur Spaß! Bond im echten Straßenkreuzer mit stilechter Musik, Bond beim Zigarrerauchen und Mojito trinken, der jetzt schon legendäre Auftritt von Halle Berry und der folgende unglaublich freche und versaute Dialog der Beiden... und danach landen sie sofort im Bett. Auch hier lässt Dr. No grüßen. Bondfans, was wollt ihr mehr?

Wer noch nicht genug hat vom echten alten Bond, erlebt Brosnan noch beim dreisten - aber stilvollen - Eindringen auf die verbotene Insel Los Organos. Herrlich! Die dann thematisierte DNA Umwandlung ist natürlich absurd und dass ausgerechnet darauf ein wesentliches Storyelement beruht, ist traurig und lässt schon erahnen was später noch kommen soll. Dennoch ist die Szene mit Bond und Zao spannend und ich gebe zu, wenn es jemals etwas bei Bond gab, was bei mir ein gewisses Unbehagen ausgelöst hat, so diese Szene im steri- len Raum mit dem befremdlichen Zao. Leider ist der kurze Kampf der Beiden eine der vielen verschenkten Potenziale des Films - und warum tötet Jinx so mir nichts dir nichts den Arzt? Hätte sie nicht viel erfahren können? Hat er einen solch kaltblütigen Tod verdient? Merkwürdig...

Die Flucht Zaos ist gut inszeniert aber Jinxs flucht ist ein erstes unnötiges CGI Element. Wäre es doch nur dabei geblieben…

Doch es geht im Grunde sehr schön weiter: Der kurze Einblick in Bonds Anreise nach London weckt bei mir Fleming Erinnerung und ist dank des modernen Musikeinsatzes echt gelungen. Wunderbar auch der Übergang zur "Anreise" von Graves. Nicht von ungefähr, ist die Szene eine bewusste Reminiszenz an typische Bond-Stunts – versucht doch Graves der bessere Bond zu sein!
Allerdings taucht Graves erstmals nach 50 Minuten auf, das ist zu spät für einen Bösewicht, zumindest wenn der Film nicht durch eine Story getragen wird. Ich komme später zu dem Übel.

Nächster Höhepunkt dieser besten Bond-Halbzeit spielt (endlich mal) im Blades Club in Lon- don. Mehr oder weniger aus dem Nichts entwickelt sich zwischen den Kontrahenten ein Gefecht, welches für mich im Grunde der Höhepunkt des Films ist. Leider ist die Motivation für die Intensität der Szene nicht gut erklärt. Bond wurde das Einzige genommen was ihm etwas bedeutet: Seine Berufsehre und das Vertrauen in seine unerschütterliche Loyalität, wofür er Graves mitverantwortlich wähnt. Im Grunde ist ja der Film lange Zeit eine sehr persönliche Mission für Bond! Dies hätte besser herausgearbeitet werden können - die suche nach den Hintermännern hätte vielleicht für eine wirklich spannende Agentenstory herhalten können. Noch spannender wäre es gewesen, wenn die Fechtszene durch mehr Dialog zwischen den Kontrahenten unterbrochen worden wäre - aber nun gut. Zweifellos ist die Inszenierung genial, die permanente Temposteigerung und gleichzeitige Intensitätssteigerung, - das hat was. Genauso wie die schöne, humorvolle Auflockerung zum Abschluss der Sequenz.

Mit dem Treffen von Bond und M im Untergrund - und einem weiteren guten Dialog - endet die erste Hälfte und damit auch jede Qualität die der Film hat. Was folgt spottet jeder Beschreibung – aber da müssen wir jetzt durch.

Was nun auch erstmals auffällt, ist dass der Film in der ersten Stunde von tollen Szenen lebt, aber in keinster Weise eine Story entwickelt wird. Graves Diamanten Background ist dumm und unnötig (warum um alles in der Welt fällt keinem Experten auf, was Bond und Raoul nach 10 Sekunden bezüglich der Herkunft der Diamanten auffällt?)

Einige der No-Go’s der zweiten Hälfte:

- die Virtual Reality Szene (mein Gott, wie spannend könnte ein echtes Eindringen von Ter- roristen ins MI6 HQ sein!)
- der unsichtbare Aston Martin (besonders tragisch weil vollkommen unnötig für den Film)
- der gesamte Eispalast und die damit verbundenen Tricks
- der Icarus Laserstrahl
- der peinlich schlecht inszenierte Raketenangriff auf Icarus
- Graves Raketenschlitten
- Bonds Flucht mit dem Raketenschlitten
- die „berüchtigte“ Surfszene (Autsch! Traurig, wie Brosnan im Audiokommentar versucht, der Szene etwas Positives abzuringen)
- die epische Musik bei Icarus
- Graves Technik-Buddy
- Graves Rüstung
- das Transport Flugzeug auf dem Eis

Das sind alles einzelne Peinlichkeiten, wichtiger sind aber das vollkommene Fehlen einer Story und vor allem die traurige Dramaturgie. Mein persönliches "Highlight der Schwachsinnigkeit" ist wie Bond aus dem Eispalast flieht, um wieder dorthin zurückzukehren, um dann in einer unglaublich schlechten Autoverfolgung (die MTV Teenies werden sie lieben) wieder von dort weg gejagt zu werden, um anschließend wieder zum Eispalast hinzufahren, um Jinx zum zweiten Mal zu retten. Muss man mehr sagen? Das ist mieses Storytelling. Eine Actionszene hat für mich nur eine Berechtigung, wenn der Ausgang einen Charakter (Bond) weiterbringt als er zuvor war. Wenn die Action aber die ganze Zeit schreit: "Ich mache eigentlich keinen Sinn aber es ist doch spektakulär, oder?" dann läuft was schief. Mich erinnern die Eispalast Szenen in ihrem stumpfsinnigen Aufwand an die seelenlose Action von „Batman und Robin“. Zaos Tod ist dann gleichsam schwach.

Alles nach dem Eispalast ist sowieso indiskutabel. Erst nach 110 Minuten wird mal kurz er- wähnt, was Graves vorhat. Dafür wird aber dann alles in die Luft gejagt, was sich in bits und bytes darstellen ließ.

Madsen ist mies in einer miesen Rollen (hatte er überhaupt darauf Lust? Hat er das Dreh- buch gelesen?), Halle Berry ist unfreiwillig komisch in einer Rolle, die zugegebenermaßen furchtbar geschrieben ist, und der Bösewicht im Ego-Shooter-Fantasie-Anzug ist einfach nur peinlich. Ein weiterer Henchman hört auf den wenig geistreichen Namen „Mr. Kill“. Ohne Worte! Erschreckend, dass der gesamte Showdown praktisch nur noch ein CGI Fest ist, wohlgemerkt mit schlechten Effekten!

Fazit:

DAD ist eine traurige Mischung aus einer viel versprechenden ersten Stunde im echten, al- ten Bond-Stil, und einer zweiten Hälfte in der die fehlende Story durch eine Vielzahl von uninspirierten Actionszenen und schlechten CGI Effekten nicht kompensiert wird. Der Film wirkt, als habe man Drehbuchautor und Regisseur nach der Hälfte ausgetauscht. DAD ist so in Summe vermutlich der schlechteste Bondfilm. Traurig.
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Bondfilm-Rezensionen - user: danielcc

23
Casino Royale, 2006, Regie: Martin Campbell

Der 21ste Bondfilm sollte endlich die Verfilmung von Flemings Erstlingswerk Casino Royale werden. Eigentlich hatte Pierce Brosnan ja schon eine Rückkehr zum ursprünglichen Bond gewünscht und auch eine Verfilmung von eben CR, doch es sollte anders kommen und so übernahm nach vier sehr erfolgreichen Brosnan Filmen Daniel Craig die Hauptrolle.

Casino Royale ist in vielerlei Hinsicht eine Revolution im eingefahrenen Bond-Universum. Verantwortlich dafür ist die mutige Entscheidung der Produzenten, einen neuen Weg einzuschlagen, ihre Entscheidung Martin Campbell zurückzuholen, Daniel Craig zu engagieren und dem Drehbuch von Purvis & Wade eine Generalüberholung durch Paul Haggis zu gönnen.

Was dabei herausgekommen ist, hatte das Potenzial einen Großteil der Bondfans zu verschrecken. Doch es wurde ein Triumph auf ganzer Linie - sprich bei Fans, Nicht-Fans und Kritikern (man höre und staune).

Der Reihe nach: CR ist nicht nur stilistisch und storymäßig Neuland, nein man hat das Fran- chise auch einem "reboot" unterzogen. CR zeigt in einer PTS, die in ihrer Kürze und Konsequenz an GF erinnert, die Anfänge von Bonds Karriere. Mit zwei Tötungen wird er zum 00- Agent. Wie bei GF dient diese PTS vor allem der Charakterzeichnung - anders als damals wird es auch im restlichen Film mehr um Charaktere und deren Entwicklung gehen, als um das übliche Welt-Bedrohungsszenario. Doch die düstere, grob aufgelöste und schwarz/weiße PTS bestimmt auch den Ton des restlichen Films: es geht dreckiger, düsterer und erdiger zur Sache. Bond ist hier kein vollkommener Gentleman, kein Superheld, kein Weichei, das kleine Asiatinnen für sich kämpfen lässt oder Schlägereien im faltenfreiem Smoking überlebt, nein, er ist ein Killer mit Gewissensbissen, ein Werkzeug für die "besonderen Aufträge" in den Händen des MI6. Das bewusste Weglassen vieler Bond-Klischees (Moneypenny, Q, Gadgets…) gibt den Macher endlich wieder Luft zum Atmen. Der Film befreit die Serie so aus ihrem zuletzt eigenen starren Korsett – sozusagen „reduced to the max“

Nach der PTS und den innovativen Retro-Titles zum Song von Chris Cornell erleben wir Bond bei seiner (vermutlich) ersten Mission mit Lizenz zum Töten - von der er auch hier schon gebrauch machen wird. Die sich daraus entwickelnde Verfolgung durch den Dschungel, auf Baukränen und über eine Großbaustelle sucht ihres Gleichen im Actiongenre! Großes Kompliment an das Team, welches es schafft, echte, handgemachte aber dennoch unglaublich spektakuläre Actionsequenzen in vollkommen nachvollziehbaren Bildern einzufangen.

CR ist ein nahezu vollkommener Film, der auf mehreren ebenen funktioniert:
- die Story ist spannend, nachvollziehbar und hat das richtige Tempo
- die Charakterzeichnung ist ohne jeden Zweifel die beste aller Filme der Serie. Bond ist ein Mensch mit Fehlern, und dadurch verletzlich. Dies verleiht dem Film eine neue Spannung, eine neue Dimension
- die Beziehung der Charaktere unter einander ist um so viel besser geschrieben als bei den anderen Filmen, dass diese schon fast traurig im Vergleich wirken
- es gibt ein übergreifendes Thema, was dem Ganzen eine wirkliche Bedeutung verleiht. Hier geht es um Vertrauen und Täuschung. So funktioniert das Pokerspiel in doppelter Hinsicht.

Man könnte jetzt Szene für Szene durchgehen, und so aufzeigen, wo CR besser funktioniert als die meisten Bondfilme. Aber ich glaube, dass es im Wesentlichen die oben genannten Punkte sind, die den Unterschied machen. CR ist nicht nur ein guter Bondfilm, es ist ein guter Film, in dessen Zentrum funktionierende, faszinierende Charaktere und deren Beziehungen stehen. Hier vor allem die Beziehung zwischen Bond und Vesper. Nie zuvor gab’s es so etwas in einem Bondfilm und die Bond-Tracy "Romanze" aus OHMSS kommt natürlich nicht annähernd heran. Allein die Szene, in der die beiden sich kennen lernen im Zug, ist eine Wucht und zweifellos die am besten geschriebene Szene der Bondgeschichte. Wie die bei- den sich auf Augenhöhe begegnen, wie sie sich necken („…denn was sich neckt das liebt sich“), wie sie sich gegenseitig analysieren und dabei voll auf den Punkt treffen, wie sie

gleichzeitig die Handlung vorantreiben in dem die Mission erläutern und dabei auch das doppelbödige Thema des Vertrauens und Misstrauens/des Bluffens mit einflechten lassen, das ist schon genial und übertrifft sogar die Original-Szene in Hitchcocks "Der Unsichtbare Dritte". Schön auch wie die beiden dann nach dem Poker wieder zu Tisch sitzen und ihr Gespräch nun unter neuen Voraussetzungen fortführen.

Auch der Aufbau des Films ist revolutionär für die Bondserie. Normalerweise wird sofort die Bedrohung aufgezeigt. um so etwas Banales geht es hier gar nicht. Im ersten Drittel ermittelt Bond um überhaupt zu verstehen, um was es geht. Der Bösewicht heißt hier "Terrorismus" und der ist überall und hat kein Gesicht. Nachdem Bond die wesentlichen "Player" ausgemacht hat, konzentriert sich das zweite Drittel auf das Pokerspiel - die Konfrontation mit dem Bösewicht. Hier zeigt sich Campbells große Kunst. Er schafft das Unmögliche: eigentlich ist es langweilig ein Pokerspiel zu beobachten, doch er schafft es durch die Personalisierung (Bond vs. LeChiffre) und durch die ständige Unterbrechung durch andere Szenen, einen wirklich tolle Spannung aufzubauen. Im Nachhinein empfindet man wirklich, dass man einem mehrtägigen spannenden Pokerturnier beigewohnt hat, in Wahrheit waren es nur ca. 5 Minuten Poker.

Im letzten Drittel wird zunächst bewusst das Tempo gedrosselt – die Ruhe vor dem Sturm -, die Romanze wird weiterentwickelt, es wird emotional, doch nur um am Ende dann noch einmal richtig zuzuschlagen. Wer den Roman nicht kennt, wird vom Ende doppelt überrascht sein. Die Szene in der Bond (und wir mit ihm) in Venedig erkennt, dass Vesper ihn hintergangen hat, ist einfach umwerfend und nimmt einem fast den Atem. So baut man einen Film spannend auf, auch wenn sich die Kiddies gerne mal über "Langeweile am Ende" beschweren werden. Nein, so ist es genau richtig. Man braucht die Zeit um eine Emotionalität aufzubauen, sonst bleibt jede Action bedeutungs- und spannungslos.

Kommen wir zu einigen herausstehenden Einzelszenen:

- Bond gewinnt beim Poker seinen Aston Martin DB5 und gleichzeitig das wunderschöne
Bondgirl für sich. Was Craig hier an Charisma zeigt, würde Connery zur Ehre gereichen
- die anschließende Verfolgung bis hin zur Actionszene auf dem Flughafen ist ein meisterhaftes Beispiel für mein Credo für Actionszenen die die Handlung voran bringen: Bond ermittelt, beschattet, erkennt den Ernst der Lage und wir mit ihm, greift ein und entschärft die dramatische Situation, deren Ausgang gleichwohl wieder die spätere Handlung des Films ins Rollen bringt. Zudem ist die Szene natürlich brillant inszeniert: Echte Stunts, echte Action.
- die nächste Actionszene ist die Schlägerei im Treppenhaus, kurz, dreckig, brutal. An- schließend verschwindet Bond im Hotelzimmer, behandelt seine körperlichen und seelischen
Wunden mit Alkohol - Fleming pur!
- Bond tröstet Vesper unter der Dusche. Mehr Gefühl gab es bei Bond nie und dennoch ist die Szene nicht peinlich, weil brillant von Beiden gespielt
- Bond bestellt am Pokertisch seinen Vesper Cocktail erstmal nach Originalrezept.
- Bond wird vergiftet und wird in letzter Sekunde von Vesper gerettet – auch das gab’s noch nie.
- Zwischendurch kehrt er immer wieder zum Pokertisch zurück und nimmt es im Blickduell
mit LeChiffre auf
- Schauspielerischer Höhepunkt ist sicher die Folterszene. Klar, ähnliche Szenen hat man häufiger gesehen aber Craig spielt umwerfend gut. Wieder geht es nicht um die Folter oder
die Brutalität an sich, es geht um die Auseinandersersetzung der beiden Männer und somit praktisch die physische Fortsetzung des Pokerduells. Craigs Scherze in der Szene sind nicht
aufgesetzt cool wie in diversen ähnlichen Szenen beliebiger Actionfilme (Lethal Weapon, Die Hard…), sie sind Ausdruck der psychischen Stärke des Doppelnullagenten. Letztlich ist die Folterszene vielleicht die erste würdige Nachahmung der Laserszene in Goldfinger.

Ach was soll’s, im Grunde hat der Film keine schlechte Szene! Jede Szene erfüllt ihren Zweck. Die Action kommt stets zum richtigen Moment und ist jedes Mal spektakulär. Doch noch schöner sind die emotionalen Momente, die CR wohl auch für einen vollwertigen Film für Frauen machen. Bemerkenswert ist insgesamt die Balance.

Als ob diese Elemente nicht genug wären, entwickelt sich Craig zwischendurch auch noch vom "blunt instrument" zum "Bond - James Bond". Sehr schön dabei, wie Vesper diese Entwicklung in jeder Hinsicht vorantreibt: Sie kleidet ihn ein, sie inspiriert seinen Lieblings-Drink, und ihr Verrat und Tod ist es letztlich, der ihn für immer beeinflussen wird. Absolut genial.

Was ist schlecht am Film? Nun, man könnte jetzt alles aufzählen, was vielleicht im Vergleich zu "früher" fehlt aber macht das den Film schlecht? Wenn er doch so funktioniert wie er ist. CR war der notwendige Schritt zum richtigen Zeitpunkt. Man kann ewig das Gleiche machen und irgendwann in der Bedeutungslosigkeit versinken oder man kann sich selbst neu erfinden.

Ein kleiner Schönheitsfleck ist vielleicht, dass man den Film aufgrund seiner Länge nicht wiederholt mal eben so zwischendurch schauen kann.
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Bondfilm-Rezensionen - user: danielcc

24
Quantum of Solace, 2008, Regie: Marc Foster

Zunächst einiges vorab:
Ich habe CR geliebt und der damit eingeleitete Neubeginn der Serie war richtig und konsequent. Daniel Craig ist ein großartiger Bond der schlicht alle Bond-Merkmale perfekt in sich
vereinigt:

- Frauen wollen ihn
- Männer wollen sein wie er
- er ist cool er ist charmant, er hat Witz und Härte je nach Situation

Auch schafft er es (im Gegensatz zu Connery) in beiden Filmen den gleichen Charakter zu spielen. Er bleibt sich treu und man hat nach QOS wirklich das Gefühl, dass man "diesen Bond" nun kennt, man weiß was ihn zu dem gemacht hat, was er nun ist. In diesem Zusammenhang ein schönes Motiv seiner beiden Filme: Bond wird zu 007 indem er zwei Leute eis- kalt ermordet. 007 wird aber erst zu dem coolen, souveränen Agenten den wir lieben, als er zwei Bösewichte eben nicht tötet. Ein schöner Rahmen um seine beiden Bondfilme.

Mit Marc Foster hat man einen Regisseur gewählt, der ohne jede Action-Erfahrung eine ko- mische Wahl zu sein schien. Foster ist aber weiß Gott nicht der "arthouse Regisseur" als der er dargestellt wird. Er ist ein Mann, der kommerzielle Filme dreht, die auch mal Anspruch haben dürfen, und der sich manchmal auch schwere Stoffe aussucht.

Zum Film selbst:
Meine Überzeugung ist es, dass die PTS eines Bondfilms den Ton und die Stimmung vor- gibt. Und hier ist auch gleich der Schlüssel zu einem der Probleme, die viele scheinbar mit dem Film haben. Die Autoverfolgung ist so ziemlich alles - sie ist spannend, sie ist atemberaubend, sie ist aufwendig, sie ist schnell und heftig. Aber sie ist eines nicht und zwar witzig. Bondfilme sind aber dadurch berühmt geworden, dass der Zuschauer inmitten harter Action Luft zum Durchatmen hat und die Härte und Ernsthaftigkeit immer durch Witz unterbrochen werden. Dies fehlt in QOS vollständig und darunter leidet der Film! Da schon die PTS so ernst ist und einem das Lachen auch beim versuchten Lacher am Ende der PTS eher im Halse stecken bleibt, ist einem auch im restlichen Film nicht mehr so leicht zu Lachen zu Mute (man achte mal darauf, wie stark die frühen Szenen den Rest eines Films bestimmen), obwohl der Film sarkastisch-ironischen Bond-Humor en masse bietet.

Um eines gleich vorweg zu sagen: Ich hasse die den Bourne Filmen nachempfundene Kameraführung und Schnitttechnik. Sie ist zu schnell als das man auf der großen Leinwand eine Möglichkeit hätte, Details zu erkennen, dem Gehirn fehlen wichtige Fixpunkte, man verliert die Orientierung. Das mag Absicht sein aber warum? Hier liegt der Hase begraben: Ein solcher Stil kann Sinn machen, wenn er die Hektik der Story widerspiegelt (Bournes permanente hektische Flucht-Situation!). Dies ist aber hier gar nicht gegeben! Bonds Mission ist ja keineswegs durch Zeitdruck bestimmt und somit ist der Stil vollkommen unnötig (hingegen hätte TB oder TND einen solchen Stil vertragen, da in beiden Filmen Bond ja unter Zeitdruck handelt). Ich denke Foster hatte nicht genug Zeit und Erfahrung und hat daher auf Teile des Bourne Teams bei der Second Unit vertraut. Dennoch ist schön zu sehen, wie im Laufe des Films die Action übersichtlicher wird. Je klarer Bond sieht, je mehr er weiß und je weniger er durch Emotionen getrieben wird, desto strukturierter erscheint auch die Action. Wunderbar statisch inszeniert sind dann die beiden Schlussszenen (Konfrontation mit Vespers Ex-Freund und Dialog mit M). Bond hat sein Gleichgewicht wieder gefunden. Seine Welt ist wie- der geordnet, seine Emotionen hat er unter Kontrolle. Nicht umsonst erinnert das statische Warten Bonds auf den Ex-Freund an das Warten zu Beginn von CR, als noch vor der Begegnung mit Vesper seine emotionale Welt in ihren Fugen war.

Wir gehen chronologisch durch den Film. Dieser hat wie ich finde große Pacing Probleme im ersten Drittel! Ein großer Fehler ist für mich die Position des Vorspanns (also des Titelsongs). Man hätte es machen sollen wie bei TWINE: Autoverfolgung, das viel zu kurze Ver- hör Mr. White`s und die anschließende Sienna Action wären zusammengenommen eine her-

vorragende, wenn auch lange PTS gewesen, die in sich auch schlüssig gewesen wäre. Mitchells Tod am Ende wäre die perfekte Einleitung des Songs gewesen.

Nach dieser PTS und dem Vorspann hätte es mit einem echten Location- und Stimmungswechsel wunderbar mit den London Szenen weitergehen können. Letztlich ist die gesamte "Exposition" des Films ja mit Mitchells Tod beendet, nicht mit Bonds Ankunft im Safehouse! So hätte es Sinn gemacht. Auch wäre das anschließende wiederholte Reisen Bonds nicht so aufgefallen, eben da der Vorspann einem die nötige Zeit zum Durchatmen an der richtigen Stelle gegeben hätte.

Darüber hinaus halte ich die Parallelmontage beim Palio Rennen für Effekthascherei. Sie macht keinen Sinn und zeigt nur um so deutlicher, dass man eben NICHT vor Ort war und die Action während des Palios drehen durfte. Gleichzeitig zeigt sich beim Palio eine der Stärken des Films, nämlich Arnolds Soundtrack. An Stellen hält dieser den Film zusammen.

Man mag die schnell inszenierten Actionszenen lieben oder nicht, ich finde es aber schade, dass dadurch in einigen Momenten Spannung verschenkt wird (etwa wenn Bond vom Dach zu rutschen droht). Wenn man keine Gelegenheit hat, das Geschehen zu verstehen, dann kann man auch nicht mitfiebern. Es fehlen oft ruhige Einstellungen, die einem die nötige Orientierung geben. Ich muss gestehen, QOS war für mich der erste Bondfilm, bei dem ich auf den Ausgang einer Actionszene mehr gewartet habe, als auf die Action selbst.

In gewisser Weise ist QOS der erste „impressionistische Film“ der Reihe. Wie ein solches Gemälde, ergibt sich der Gesamteindruck zwar durch die Summe der Details, geht man aber näher ran, verliert man eher an Durchblick als das man gewinnt. Jedes einzelne Bild und jeder Schnitt in QOS ist wie ein Pinselstrich gesetzt.

Nun ja, Bond landet in Haiti - die Bondmelodie wird angedeutet - und es geht spannend weiter. Nach dem hervorragend inszenierten, knallharten Kampf gegen Mr. Slate (gute Action braucht keine Musik!) kommt die wohl schwächste Actionszene des Films, die Bootsszene. Hier gilt wie immer, dass eine Actionszene dann gut ist, wenn sie Bond weiterbringt und der Aufwand im Verhältnis zum Ausgang steht. Hier bringt die Szene Bond gar nicht weiter, und man weiß nicht mal, warum er Camille erst rettet, um Sie dann zurückzulassen. Auf diese Actionsequenz trifft als einzige der Vorwurf zu, der dem Film oft gemacht wird – nämlich, dass es eher ein „RamBond“ sei. (Dass der Ausgang der Szene nicht mal in SlowMo zu er- kennen ist, soll hier nicht näher besprochen werden).

Was im ganzen Film auffällt, ist die unglaublich "effiziente" Inszenierung Fosters. Wäre der Film "gewöhnlich" inszeniert worden, er wäre leicht 20-30 Minuten länger – und hiermit meine ich nicht mal die schnellen Actionszenen. Foster deutet unzählige Dinge nur an, und schneidet dann Bewegungen, die in anderen Filmen in Gänze gezeigt würden (Beispiel: Dia- log mit M und Bond später im Hotel; Bond schaut zum Schlafzimmer, CUT, er öffnet die Tür; der Weg dorthin wird gar nicht gezeigt). Oft kann man wichtige Details verpassen, die nur in einer Blitzeinstellung gezeigt werden, andere Zusammenhänge muss man sich gleich ganz denken. Foster zeigt oft nur Ergebnisse oder den Ausgang einer Aktion, ohne jedes Detail zu zeigen (man denke an die Opernszene, wo nicht gezeigt wird, wie Bond den Quantum Mann auf der Toilette überwältigt).

Nach 30 Minuten hat Foster nun 4 Actionszenen gezeigt, und dennoch beginnt für mich der Film erst danach. Der Vergleich ist übertrieben, aber das erste Drittel wirkt im Vergleich zum starken Rest fast wie das letzte Drittel von DAD im Vergleich zu dessen Anfang. Am Ende der Bootsszene nimmt sich Foster erstmals Zeit für Atmosphäre. Endlich gibt es mal einen ruhigen Moment. Endlich kann auch Bond mal durchatmen. Erstmals nehmen wir auch die Umgebung richtig wahr (Foster zeigt erstmals nach der ersten Einstellung des Films wieder eine weite Landschaftsaufnahme). Von nun ja geht es ruhiger weiter. Dies gilt für die Inszenierung, nicht aber für das permanente Reisen Bonds.
Es folgt die Opernszene, die leider unter verschenktem Potenzial leidet. Während Bonds Beobachtung der Situation noch toll inszeniert ist, macht die anschließende Action keinen Sinn, sie ist nicht zu erkennen, und die Parallelmontage ist abermals stumpfsinnig und effekthaschend. Auch Bonds kurze Konfrontation mit Greene auf der Treppe ist eher traurig als spannend. Immerhin folgt die schöne kleine Bond-Szene am Schalter der Fluggesellschaft (typisch Bond!) und es geht weiter nach Italien und damit zur wunderschönen Mathis Einführung. Einer der wenigen ruhigen Dialoge im Film, eine Szene, die vor Atmosphäre nur so strotzt und in deren Dialog und Inszenierung wirklich mal Präzision steckt. Langsam hat sich der Humor auch seinen Platz im Film zurück erkämpft, der durch die ernste Exposition fast auf hoffnungslosem Posten schien. Foster legt nach mit einer der für mich schönsten Bondszenen überhaupt, im Flugzeug unter erkennbarem Einfluss diverser Vesper-Cocktails. Wunderschöne Metapher: "What’s keeping you awake?" fragt Mathis - Natürlich Vesper! Ja, der Cocktail aber eben auch die Erinnerung an sie! Welcher Bonddarsteller hätte diese Szene bitte besser spielen können als Craig?

Angekommen in Bolivien wird es nun immer spaßiger. Fields ist ein perfektes Bondgirl der alten Schule, die Dialoge sind auf den Punkt gebracht. Bond pur!

Leider ist die Konfrontation zwischen Bond und Greene bei dessen Party abermals etwas verschenkt, und damit wird auch ein weiterer Schwachpunkt des Scripts klar insbesondere wenn man mit Goldfinger (oder eben CR) vergleicht, der vor starken Bond-Bösewicht- Konfrontationen profitiert.
Nächster emotionaler Höhepunkt ist Mathis Tod. Wieder wird Bond weiterentwickelt und wächst als Charakter. Mathis letzte Worte bringen Bond letztlich dazu, im Showdown auf bloße Rache zu verzichten.

Parallel entwickelt Foster eine Nebenstory, die leider nicht würdig ausgestaltet wird: Bond steht immer mehr unter Verdacht, M zweifelt immer mehr an ihm. Alles letztlich geschickt eingefädelt von Greene und seinen CIA Kontakten (auch hier verstecktes Potenzial bei der Oper, da der Leibwächter vom Dach ja von Greenes Männern unbewusst erschossen wird, ohne dass dieser Mord gezielt auf Bonds Konto gehen soll, was er dann aber doch tut). Die Machenschaften Greenes und die Art wie er alle ausspielt sind genial und passen in unsere Zeit. Auch hat der Zuschauer M’s Dilemma noch gar nicht verstanden als es sich auch schon wieder auflöst. Dennoch schön zu sehen, wie sie letztlich erkennt, dass sie eben nur Bond vertrauen kann.

Die Flugzeugaction ist nett und ehrlich inszeniert. Der Abschluss ist aber schwach und wirkt aufgesetzt. Der Zufall bringt Bond weiter und erst nun erkennt man, worum es im Film eigentlich geht - bzw. worum es Greene geht. Eine oft gehörte Kritik, ist die dass die Story schwach oder nicht existent sei. Das ist Quatsch! Die Story ist relevant, aktuell und sehr präzise entwickelt. Doch es ist Fosters "effizienter" Erzählstil, der es schwierig macht, alles mit- zukriegen. Fragwürdiger „Höhepunkt“ dieses Stils ist die Taxi-Szene, in der man in den sich doppelt überschneidenden Untertiteln der Unterhaltung mitbekommen kann, dass die Dürre in Bolivien ein Problem für die Menschen darstellt. Hier wird nicht in alter Bondtradition alles doppelt erzählt so, dass auch wirklich jeder versteht, worum es geht. Der Grund ist klar: Es soll um Charakterentwicklung im Film gehen, nicht um eine typische Weltbedrohungs-Story. Greenes Plan, so schön und raffiniert er auch ist, stellt nur den Background dar und steht nicht im Vordergrund der Erzählung. Doch CR zeigt wie man diese Balance besser gestalten kann.

Schön hingegen sind die Parallelen zu CR, so etwa gleicht die Szene mit Bond und Camille im „Sinkhole“ der Duschszene in CR, und Bonds Dialoge mit M führen deren Gespräche über Vertrauen und Misstrauen aus CR weiter. Überhaupt halte ich die Szene im Hotel bei M für eine der besten im Film.

Der Film endet mit einem schönen, aber überraschend kurzen Showdown. Fast wie bei DN ist Bond fernab von der Zivilisation und jeder Unterstützung auf sich allein gestellt (schön, wie plötzlich die sonst omnipräsenten Kommunikationsmittel keine Rolle mehr spielen). Wie er im richtigen Moment Camille hilft anstatt Greene zu töten, auch schön. Seine finale Konfrontation mit Greene in der Wüste ist brillant. Er hat seine Lektion gelernt und lässt Greene in dessen Wüste von seinen Leuten töten (während seine Vesper ertrunken war!).

Die Russland Sequenz am Ende bringt alles zu einem würdigen Abschluss. Bonds Vesper- Komplex ist aufgearbeitet, seine Reputation hergestellt, M vertraut ihm, wir haben "unseren" Bond zurück. Sorry, he "never left".

Fazit:
QOS ist ein schwieriger Film. Ein Film der unter zu viel Hektik in der Entstehung leidet, der sehr viel Potenzial hatte, was leider hier und da verschenkt wurde. Letztlich wird der Film
aber wachsen, da er auch aufgrund seiner Kürze auf kleinerem Fernsehformat immer wieder
begeistern kann. Mich erinnert er in seiner Gradlinigkeit, Bodenständigkeit und Kürze an Dr. No. Die technische und optische Umsetzung ist in wesentlichen Actionszenen leider indiskutabel. Was zudem fehlt ist ein übergreifendes Motiv, eine wiederkehrende Metapher, eine gewisse Bedeutung, die man von einem Foster und vor allem nach CR hätte erwarten können.
Ansätze dafür gibt es genug, zwei potenzielle Motive möchte ich herausgreifen:

1. Das Ende des Showdowns im Wüstenhotel (Bond mit Camille im brennenden Zimmer) hätte mehr Sinn gemacht, wenn im Film zuvor andeutet worden wäre, dass Bond bereit ist, sich selbst zu opfern, wenn er dadurch seine Rache bekommt. Viele Szenen würden da- durch gewinnen, etwa die Parallelen zu Camille, vor allem aber der gute letzte Rat von Ma- this „Forgive yourself!“. Auf diese Weise hätte es im Showdown viel mehr Spannung gegeben, das Bond ja wirklich kurz davor ist, sich und Camille aufzugeben.

2. Der Film bietet darüber hinaus viel Potenzial für ein „Überwachungs- & Kontroll-Motiv“. Sinnbildlich dafür wäre die Tosca Oper mit dem riesigen Auge als Kulisse. Hier überwacht Bond die Machenschaften Quantums, gleichzeitig hätte man aber zeigen können, wie Bond selbst von Mr. White beobachtet wird, der dann seine Leute auf Bond hetzt. Auch an vielen anderen Stellen hätte dieses Motiv Sinn gemacht, etwa wie M durch den Außenminister überwacht wird, der wiederum durch den CIA kontrolliert wird, dieser wiederum durch Greene, der selbst wieder durch höhere Instanzen Quantums beobachtet wird und letztlich durch diese liquidiert wird. Letztlich wird jeder von einer höheren Instanz beobachtet und kontrolliert und man weiß nicht, wer wirklich das Sagen hat und hinter allem steckt. Dieses Motiv wurde ja schon in CR angedeutet, wo Mr. White unbeteiligt, die ganze Venedig Szene beobachtet.
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Bondfilm-Rezensionen - user: danielcc

25
Skyfall, 2012, Sam Mendes

„Sky(fall) is the limit“

„...We are not now that strength which in old days
Moved earth and heaven, that which we are, we are;
One equal temper of heroic hearts,
Made weak by time and fate, but strong in will
To strive, to seek, to find, and not to yield”

Es ist für mich einer der Schlüsselszenen im Jubiläums Bondfilm. Auf der einen Seite muss die großartige Judi Dench ihren „Mann“ vor einem öffentlichen Untersuchungsausschuss stehen, nachdem nicht nur ihre Fähigkeit als Geheimdienst Chefin angezweifelt wird, sondern auch die Bedeutung und Relevanz der Institution an sich. Während sie die obigen Zeilen aus Tennysons Gedicht über Heroismus zitiert, zeigt Mendes in einer wundervoll gelungenen Parallelmontage unseren Helden. Er ist gestorben, er war gebrochen, alle haben an ihm gezweifelt – und doch ist er zur Stelle, wenn die Not am größten ist.
Skyfall ist ein Film über Helden, die im richtigen Moment zur Stelle sind. Er zeigt den Unterschied zwischen Leuten die „an der Front“ kämpfen, und denen die an Schreibtischen die Entscheidungen treffen. Er zeigt das Altmodische und das Moderne, Jugend und Alter. Das Beachtliche dabei ist, dass das vorzügliche Skript von Purvis, Wade und Logan keine Vorverurteilungen macht und keine Schubladen kennt. So braucht der altmodische Haudegen Bond dann doch die Fähigkeiten des zunächst von ihm verspotteten jugentlichen Qs und gleichsam sehe dieser Jüngling ziemlich alt aus, wenn Bond nicht für ihn den Karren aus dem Dreck ziehen würde, nachdem seine Hacker-Kenntnisse zum Eigentor werden. Der zunächst unsympathische oder zumindest ambivalent wirkende Schreibtischtäter Mallory, erweist sich als tapfer in Wort und Tat. Selbst der vermeidliche Bösewicht hat seine guten Gründe für sein Handeln. Es gibt kein Schwarz und Weiß mehr – und so ist Skyfall der wohl nuancierteste aller Bondfilme. Jeder Charakter ist liebevoll gestaltet und entwickelt. Da hilft es gewaltig den ohne jeden Zweifel besten Cast der 50 Jährigen Historie zu haben.

Daniel Craig spielt auf einem Level, wie vor ihm kein anderer. Er ist Bond und als solcher ein abgerundeter Charakter, keine Type, kein Kleiderständer, kein bloßer Sprücheklopfer. Alles was er macht ist glaubwürdig, er ist unglaublich greifbar als Mensch, und dennoch ist er hier mehr der coole Bond als in seinen ersten beiden Auftritten. Der Witz ist zurück, der Stil ist zurück, der Charme und der Sex sind zurück. Unzählige witzige Sprüche, die nur sehr selten übertrieben oder unangemessen wirken. Wunderbar die Wortgefechte zwischen ihm und Q, ihm und Silva. Doch noch faszinierender ist wie er die verwundbare Seite von Bond spielt. Von den Toten auferstanden ist er körperlich und geistig nicht der Alte. Tapfer kämpft er sich zurück und versucht dabei eine Fassade aufrecht zu halten. Bloß keine Schwäche vor Anwesenden anmerken lassen, nur um dann im nächsten Moment zusammenzubrechen. Er trinkt, er nimmt Painkiller, er zweifelt an seiner Rolle in der Welt. Das sind charakterliche Tiefen, die kein anderer Bonddarsteller vor ihm hätte spielen können und das das alles den Charakter Bonds nicht entmystifiziert oder gar lächerlich macht, das ist ein großer Verdient der Drehbuchautoren, des Regisseurs und allen voran Craigs. Fleming selbst dürfte seine Freude an dieser Interpretation haben, denn es ist genau der Bond, den er geschrieben hat. Bond braucht die Herausforderung, den Thrill, die besonderen Aufgaben, nur dann wächst er über sich hinaus und Schmerz, Angst, Fehlbarkeit ist vergessen.
Aber Bond ist immer nur so groß wie seine Feinde und mit Javier Bardem steht ihm gegenüber der beste Bondbösewicht seit Fröbes Goldfinger. Großartig geschrieben, faszinierend von Bardem zum Leben erweckt. Silva ist Bonds böses Spiegelbild. In ihm zeigt der Film sein zweites Motiv, nämlich die Frage, wie man mit seinem Schicksal umgeht. Ihm und Bond ist Ähnliches widerfahren. Von M verraten bzw. im Stich gelassen, tief gefallen, körperliche Narben davon getragen. Doch entscheidend ist wie beide mit ihrem Schicksal umgehen. Für Bond ist Rache keine Option. Er wird gebraucht und seine Loyalität ist wichtiger als seine persönliche Enttäuschung, zumal er weiß, dass M ihren Job getan hat, so wie er seinen tut. „We’re under attack and you know we need you!“

Bardem überrascht anfangs mit einer leicht übertrieben homoerotischen Darstellung, wird aber dann immer bedrohlicher ohne zu überdrehen. Eigentlich eine viel glaubwürdigere Darstellung als der oft zum Vergleich herangezogene Heath Ledger als Joker. Im Showdown ist Bardem dann überragend und stellt genau die Herausforderung dar, die Bonds Einsatz rechtfertigt.

Mehr als in den beiden Vorgängern spielen hübsche Bondgirls wieder eine Rolle. Die permanenten Flirts mit Harris‘ Eve sind ein echter Genuss und zudem oft wunderbar von Mendes in Szene gesetzt, wie etwa im Kasino oder zuvor bei der Rasur. Harris spielt die Rolle mit einer Souveränität, dass man meint, sie hätte schon immer an Bonds Seite sein müssen. Sie ist eine großartige Wahl für die Rolle von Bonds Dauer-Flirt Miss Moneypenny und das in der PTS geschilderte Ereignis verleiht der „Beziehung“ nun etwas ganz besonderes.

Doch die Überraschung des Films ist für mich die Newcomerin Bérénice Marlohe. Mit ihr hat die Serie nicht nur endlich wieder eine spektakuläre, glamouröse Schönheit. Nein sie überzeugt viel mehr mit einer brillanten Darstellung. Eine selbstbewusste Fassade, hinter der immer wieder Furcht und Horror zum Vorschein kommt. Dazu flirtet sie mit Bond, wie wir es sehr lange nicht mehr gesehen haben.

Gewohnt souverän ist auch Ralph Fiennes in einer jedoch beachtlich nuancierten Rolle. Leicht hätte man diese Rolle vor allem zu Beginn als zu glatt oder arrogant spielen können. Doch Fiennes lässt schon von Anfang an etwas mit in sein Spiel einfließen, was uns Mallory sympathisch erscheinen lässt. Sein tapferer Einsatz im Gerichtssaal und der folgende kurze gemeinsame Kampfeinsatz mit Bond ist für mich eine der schönsten Szenen des Films.

Die Riege der Darsteller ist beachtlich und umso schöner, als dass der Film ihnen wirklich Zeit gibt, so kommt erstmals Rory Kinnear wirklich zur Geltung. Eine großartiger Zugang zur „Bondfamilie“ ist Ben Whishaw als Q. Er spielt eben keinen platten Computer-Nerd sondern einen Charakter mit Ecken und Kanten und einem Sinn für feingeistige Kommentare. Schön auch, dass die Autoren ihre Charaktere mit vielen Details abrunden, so erfährt man nebenbei, dass Q Angst vorm Fliegen hat. Die Szene des ersten Aufeinandertreffens mit Bond ist ohne Zweifel eine der besten Szenen der Serie.

Überhaupt ist das Drehbuch Extraklasse. Es fehlt vielleicht das letzte Quäntchen Klasse, um zumindest an die Topszenen von Casino Royale heranzukommen aber dafür bietet Skyfall eine mustergültige Struktur, eine nachvollziehbare Story, voll entwickelte und facettenreiche Charaktere und wie ich finde, den besten Spannungsbogen aller Bondfilme. Gebannt sitzt man 140 Minuten im Kino, saugt förmlich jede Szene und wundert sich am Ende, wo die Zeit geblieben ist.
Ich hatte im Vorfeld eine große Befürchtung, nämlich die, dass die Agentenliste ein schwacher MacGuffin ist und zudem die Festplatte, um die es ja zu Beginn geht, ein doch recht dünner Aufhänger ist, da die Daten ja ohnehin vielfach kopiert werden können und so diese Gefahr nicht zu bannen ist. Auch hatte ich befürchtet, dass das Ende einem Scheitern von Bonds Aufgaben gleichkommen müsse, da sowohl M stirbt als auch die Veröffentlichung der Agenten nicht verhindert werden könnte. Doch der Film ist im Grunde viel raffiniertet. Bond gewinnt letztlich, da er dafür sorgt, dass M nicht zum Opfer von Silva wird. Sie überlebt ihn und so bekommt er seine Rache nicht und die Veröffentlichung der Agenten war für ihn ja ohnehin nur ein Mittel zum Zweck. Das ist raffiniert und spannend strukturiert.
Absicht oder nicht aber es ist witzig, dass das Finale im Grunde eine klare Kopie von Flemings „The Spy Who Loved Me“ Roman ist. Umso bemerkenswerter, wenn man die Bedeutung des Titels auf die Personen im Showdown anwendet...

Nun, ein Film kann aus vielen guten Komponenten bestehen, den Darstellern und dem Drehbuch, doch es ist Aufgabe des Regisseurs, dass das Gesamte mehr ist als die Summe der Einzelteile. Sam Mendes hat hier wahrlich Großes geleistet. Er zeigt wie schon Martin Campbell aber mit noch mehr Können und Raffinesse, was ein Liebhaber der Serie inszenieren kann, wenn er sein Können und seine Begeisterung in den Dienst der Sache stellt und sich kein selbstverliebtes, künstlerische Denkmal setzen will. Mendes inszenierte den spannendsten Film der Serie. Eine Spannung die sich nicht allein aus der Story herleitet, sondern die in der faszinierenden Inszenierung liegt. Mendes ist der Anti-Forster, er zelebriert die Bilder, er lässt Momente wirken, er hat Gefühl für Tempo und Pausen, er komponiert Bilder und Bewegungen so, dass sie jederzeit nachvollziehbar und erst dadurch so richtig faszinierend sind. Da ist keine Szene einfallslos, alles scheint durchdacht und faszinierend. Etwa wenn Bond und Eva sich im Kasino per Funk unterhalten aber sich ihre Wege mehrmals kreuzen. Selbst kleinste Details wirken überlegt wie das Gemälde in der National Gallery bis hin zum Bild im neuen M Büro. Einzelne Szene sind wahrlich atemberaubend eben weil Mendes dieses Gefühl für Momente hat. So der Moment nachdem Bond in der PTS getroffen wird, M sich von der Kamera abwendet, keine Musik spielt, nur der Regen wird lauter und blendet über in den dahin treibenden Bond unter Wasser.

Mendes Regie wird dabei unterstützt von der besten Kamerarbeit aller Bondfilme. Roger Deakins versteht sein Handwerk wahrlich meisterhaft. Da behält man stehts den Überblick und ist grade deswegen mitten in der Action. Nie zuvor hatte ich das Gefühl, so dicht dran zu sein. So macht man das und nicht mit Zappelkamera und Stakkatoschnitt. Deakins zaubert Bilder auf die Leinwand von malerischer Schönheit, etwa die Aufnahmen der von Nebel verhangene schottischen Berge. Eine weiteres wundervolles Beispiel für die überlegte und überlegene Inszenierung ist der Zweikampf vor den Neon-Werbungen Shanghais, bei dem nur Silouetten auszumachen sind. Meisterlich auch die Bildkomposition in der Szene mit Silva im Glaskäfig, der bemerkenswerte erste Auftritt von Silva „aus der Tiefe des Raums“. Hier zeigt sich auch wie Production Design und Inszenierung eine fabelhafte Symbiose eingehen ähnlich wie beim stimmungsvollen Macau Kasino oder Silvas zerfallenem Insel-Refugium. Darüber hinaus stimmen auch die Spezialeffekte, die hier erheblich mehr Anteil haben, als man oberflächlich zu erkennen vermag. Silvas Insel, der Hotelpool in Shanghai, Bonds Ankunft im Macau Kasino oder das Finale auf Skyfall Manor – Skyfall enthällt eine Menge gelungener CGI Aufnahmen. Auch die Szene mit den Kommodo Drachen, die Explosion des MI6 Headquarters oder Silvas Demaskierung halte ich für sehr gelungen.
Schön finde ich auch, dass die Kämpfe in Skyfall viel realistischer sind. Da hat man das Gefühl, dass wirklich ebenbürtige Gegner kämpfen und keine Superhelden. Beide Aufeinandertreffen von Bond und Patrice sind atemberaubend und glaubwürdig zugleich.

Skyfall ist wahrlich ein Augenschmaus, ein Fest für die Sinne. Während ich bei QOS froh war, wenn die unsäglichen Actionszenen vorbei waren, kann ich bei Skyfall selbst von Dialogszenen nicht genug bekommen. Die Geschichte ist klar, nichts ist unnötig verkompliziert, auch sind die Positionen der handelnden Figuren viel klarer als im Vorgänger. Alles sicher ein Verdienst der langen Pre-Production Zeit.

Noch etwas persönliches.
Entgegen vieler Fan-Rezensionen hatte ich bei Skyfall nie ein befremdliches Gefühl. Ja sicher, einiges ist anders und vor allem die Kombination aus Mendes Regie und Newmans schönem, andersartigem Score lässt den Film viel frischer wirken. Dennoch habe ich mich sehr wohl gefühlt und habe von Anfang bis Ende einen echten Bondfilm empfunden. Ja, Skyfall ist wieder ein Film, bei dem man als Fan der Reihe begeistert aufschreien möchte. Mendes bedient die Erwartungen mehr als CR oder QOS, ohne routiniert zu wirken, ohne in Klischees zu verfallen. Anspielungen an die eigene Historie sind vorhanden aber nie so platt wie in DAD. Es gab mehrere Momente im Film, wo ich am liebsten laut und stolz geschrieben hätte vor Glück. Alles kumuliert in der wundervoll nostaligischen Szene bei M und in dessen Vorzimmer. Skyfall macht wahrlich Spaß und voller Stolz kann man sich Fan freuen: Bond is back!

Bleibt die Frage, was nun noch die Grenze für Bondfilme ist. Mit CR und SF ist das Franchise in eine ganz neue Dimension vorgestoßen. Während es früher einfach war, mit ein paar Dollar mehr Budget noch spektakuläre Action zu inszenieren, ist die Messlatte heute viel höher. Im Hinblick auf Charakterentwicklung, Drehbuch und Inszenierung wird Skyfall kaum zu toppen sein. Hoffen wir, dass das gleiche Team genau damit beauftragt wird!

Skyfall ist ein Film, den ich mit Genuss meinem Vater zeigen kann, und den ich ebenso stolz in 20 Jahren meinen eigenen Kindern zeigen kann - eine Klasse die dem direkten Vorgänger vollkommen abging.
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Bondfilm-Rezensionen - user: danielcc

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SPECTRE, 2015, Sam Mendes
“It’s been a long time – and finally, here we are“

Wie schon bei Skyfall, gelingt es auch bei SPECTRE geschickt doppeldeutige Aussagen im Script unterzubringen und so trifft dieser Satz gesprochen vom Bösewicht zwar oberflächlich auf den Inhalt der bisherigen Craig Filme zu, doch in Wahrheit drückt Regisseur Sam Mendes hier auch das aus, was viele Bondfans wohl beim Schauen von SPECTRE über den Stil der Serie an sich decken sollen. So versprach es schon der erste Teaser.

Nach dem riesigen Erfolg von Skyfall, hatte man sich bewusst entschieden nun stärker in Richtung der Spektakel-Bonds zu gehen und damit auch die Fans zufriedenzustellen, die von der Über-Dramatisierung und Emotionalisierung der Craig Filme bei gleichzeitigem Verzicht auf Over-the-Top Elemente und Humor nicht so begeistert waren.

Ich bin immer der Meinung gewesen, dass die Bondfilme wirklich „groß“ werden, die es schaffen die verschiedenen „Glaubensrichtungen“ innerhalb der Fan- und Zuschauer-Schichten zu vereinen. Da gibt es Leute die stehen stärker auf bodenständige, emotionale, dramatische Agentenabenteuer, und da gibt es die, die sich auf jeden Fall den Epos wünschen, auch Over-the-Top Elemente und flache Sprüche in Kauf nehmen. Letztlich muss jeder Bondfilm alles abdecken, doch manchmal schlägt das Pendel zu stark in eine Richtung aus.
Zudem erfuhr der Protagonist in den bisherigen drei Filmen eine kontinuierlich und durchaus einzigartige Charakterentwicklung, vom rauen Anfänger der sich unsterblich verliebte, enttäuscht wurde, nach Rache sinnte, den Verlust verarbeiten musste und dann gleich vollends ob seiner Tauglichkeit, seinem Alter und seiner Bedeutung in Frage gestellt wurde.

SPECTRE ist nun der Film, der alle glücklich machen soll. Sieht man sich den Erfolg von Skyfall an, ist die Frage berechtigt, warum eigentlich eine Richtungsanpassung nötig sein sollte. Kein Bondfilm hat mehr Tickets verkauft. So erscheint es fast eher gefährlich, dass man es allen Recht machen will.

In der Tat hat diese schwierige Aufgabe schon in der Pre-Production für erhebliche Probleme gesorgt. Letztlich zeichnen vier Autoren für das Drehbuch verantwortlich, wo eigentlich John Logan nicht nur Bond 24 sondern gleich auch Bond 25 alleine schreiben sollte. Doch die von den Sony Servern geleakten Informationen zeugen davon, dass Logan über lange Zeit in die falsche Richtung entwickelte und letztlich das zuvor verabschiedete Duo Neil Purvis & Robert Wade in Kombination mit Jez Butterworth ran mussten. Spricht nicht grade für einen reibungslosen Ablauf in der Entwicklung des 24ten Bondfilms.

Umso mehr stellt sich die Frage:
Kann SPECTRE die exorbitanten Erwartungen dennoch erfüllen und wie gelingt Mendes die Kombination von all den Elementen die sich Fans wünschen?

SPECTRE bringt in der Tat den „alten“ bzw. „mittelalten“ Bond der Zeit TB bis TSWLM zurück –in mancher Hinsicht noch mehr als es die Brosnan Filme taten. SPECTRE ist stolz, bunt, groß, episch und bombastisch, er ist lang aber kurzweilig, er ist in Teilen etwas naiv oder albern aber immer ein unterhaltsames Event. Eine Überraschung und Erleichterung vor allem für Fans, die bis dato in Craig keinen würdigen Bond gesehen haben, die seine Filme als zu bodenständig und trist, zu tragisch und humorlos gesehen haben. Ein Fest für alle, die nicht genug von der Wandlungsfähigkeit und Coolness des blauäugigen Engländers bekommen können.
Der Sprung den SP im Vergleich zu SF in dieser Hinsicht nimmt, ist streckenweise gewaltig. Das mag andererseits die Hardcore-Verfechter des Craig-Ansatzes sogar etwas abschrecken. SP ist kein Film den man auf Anhieb einschätzen kann. Man muss ihn verdauen und irgendwie ist er beim ersten Mal wohl für viele doch anders als erwartet.

Dabei strotz der Film nur so vor einer Liebe zum Bond Franchise auf Seiten Craigs und Mendes. Da werden Bond Klassiker liebevoll zitiert und da findet auch ein nie genutzter Fleming Titel seinen Platz. Da darf Craig nun endlich voll und ganz Bond sein, eiskalt aber humorvoll, stolz und selbstbewusst. Da wird in allerbester Moore Manier einem Bösewicht hier und da zugelacht oder gleich zugewunken, da ist inmitten einer Actionszene auch mal Platz für eine Ablenkung, und da sind endlich ausreichend hübsche Girls um den Appetit unserer Lieblingsagenten zu befriedigen. Craig spielt das alles mit einer Souveränität, als habe er nie etwas anders gemacht und als solle er nie wieder etwas anderes machen. Ja, Daniel Craig IST jetzt der beste Bond aller Zeiten.

Bei Bondfilmen im Besonderen lohnt es vorne anzufangen, und so kommt man nicht umher über die Pre Title Sequenz zu sprechen. Oft ist es die Szene, die den Ton eines Bondfilms bestimmt, das Publikum in die richtige Stimmung bringt, und eben deswegen hat Mendes hier besonders viel Arbeit reingesteckt. Dabei gehen Drehbuch und Umsetzung in Form einer unfassbaren Arbeit von Special Effects und Stunt Personal hier Hand in Hand, garniert mit einer besonders starken und in der Serie einzigartigen Art der Inszenierung und einer extra für die Szene geschriebenen, beinahe hypnotischen Trommler-Komposition. Doch schon hier werden frühzeitig Girls und Humor eingebaut. Ohne ins Detail zu gehen: Die PTS gehört für mich nicht nur zu den besten ihrer Art innerhalb der Serie, es sind vielleicht die inszenatorisch besten zehn Minuten der Serie.

Kaum weniger beeindruckend ist abermals Daniel Kleinmans Arbeit an der Titelsequenz und auch hier geht man stolz und furchtlos neue Wege – die hier nicht verraten werden sollen. Kleinman ist ein Segen für die Reihe und kann in seiner Bedeutung für diese auf eine Stufe mit Ken Adam oder John Barry gestellt werden.

A propos: Auch bei der tollen Arbeit von Denis Gassner zeigt sich der neue Mut zum Bombast. Da wird bei Locations und Sets geklotzt und nicht gekleckert. Entsprechend dem Motto des Films scheut man sich auch nicht vor einer Rückkehr zum guten alten „Villain Lair“ zurück. Alles zumeist wunderbar eingefangen von Kameramann Hoyte van Hoytema. Dieser scheint sich jedoch mit großen Panorama Aufnahmen leichter zu tun als mit Interiors. Seine Außenaufnahmen sind allesamt toll, nicht selten wahrlich atemberaubend – wobei oft auch ein irrsinniger Aufwand in Ausleuchtung der vielen Nacht-Locations gesteckt wurde. Dagegen wirken einige Innenaufnahmen etwas trübe oder nebelig. Schade, dass in einem starken Stuntmoment einer Actionszene durch falsch gewählte Nahaufnahmen die Szene unnötig künstlich wirkt – hier hätte man den ganzen Stunt zeigen müssen.

Unbedingt ausdrücklich erwähnen möchte ich die Arbeit von Komponist Thomas Newman. Sein Score ist pulsierend, pompös und oft bombastisch. Dabei setzt er weniger auf ausgefeilte Melodien sondern auf reduzierte Akkorde die aber mit brutaler Wucht wiederholt und variiert werden. Ja, einige Verwendungen von SF Motiven sind auffällig, aber es wird entschädigt durch eine viel bessere und stärkere Integration des Bondthemas – und ja, auch der Titelsong findet akustisch seinen Weg in den Film.

Was wirklich bemerkenswert ist, ist die brillante Inszenierung der gesamten ersten zwei Akte des Films. Hier reiht sich eine tolle Szene an die andere, mit flüssigen Übergängen, nahezu ausschließlich tollen und interessanten Einstellungen. Das ist locker das Beste was ich in der Reihe bislang gesehen habe. Mexiko, London, Rom, Österreich bis hin einschließlich der Folterszene – Action, Humor, mysteriöse und hoch spannende Szenen, Bond-Standards mit teilweise netten Abwandlungen und gänzlich Neues. Man merkt, dass dieser Teil des Films schon lange feststand, entsprechend durchdacht und brillant wirkt er.

Einer der viele Höhepunkte ist die aus dem Trailer bekannte Szene des Spectre Meetings. Wie es Mendes hier versteht mit Ruhe, Pausen, Licht und Ton eine Stimmung zu kreieren ist atemberaubend. Waltzs Oberhauser wird hier so bedrohlich aber auch auf gute Weise over-the-top präsentiert, das es eine Wonne ist und ein wunderbarster Fan-Service.

Gleichzeitig wird uns hier der beste Henchman der Reihe seit Odd Jobb oder dem TSWLM Beißer geschenkt. Dave Bautista ist nicht nur ein würdiger Gegner für Craigs physischen Bond, er ist auch nach langer Zeit der erste Henchman mit einer ausgeprägten „Spezialität“. Doch es ist vor allem Bautistas physische Präsenz und seine wuchtige Schnelligkeit die eine Konfrontation mit Bond zu einer weiteren Franchise-Sternstunde werden lässt. Auch in dieser Szene fällt die präzise geplante Inszenierung auf. Wie bei allen Actionszenen behält man den Überblick selbst wenn man richtig nah dran ist und Craigs Bond Schnaufen und schmerzverzerrt Aufschreien hört.

Die erste Hälfte des Films ist auch so stark, weil wir einen Bond erleben, der voller Tatendrang ist und die Handlung treibt. Stärker als bei Skyfall ist er Herr des Geschehens und es macht Spaß Bond bei seinen Ermittlungen von einem Ort zum anderen zu begleiten.

Stärker auch als bei Skyfall gibt es jedoch auch eine Nebenhandlung, die sich mit M in London abspielt. Überhaupt fällt auch, dass SP sehr stark auf das MI6 Team setzt. M hat seinen eigenen „Kampf“ zu kämpfen, Moneypenny wird zu einer echten Vertrauten des Vertrauens-scheuen Bonds und dann ist da Q… Tja, Ben Whishaw als Q ist vielleicht sogar der heimliche Star des Films. Auf sein Konto und die vielen Interaktionen mit Bond gehen die meisten Lacher. Man hat wirklich das Gefühl, hier ist ein Q für die nächsten Jahrzehnte. An den Gadgets kann noch etwas gearbeitet werden – vieles davon kennt man schon aber nett, dass auch mal was schief geht. Trotz des starken Casts und der vielen Interaktionen gerät SP nicht zum Buddy Movie oder zu einem „Rogue Nation“ artigen Teamplay. Im richtigen Moment ist Bond dann wieder ganz auf sich gestellt.
Eine Nebenbemerkung: auch Rory Kinnears Nebencharakter Tanner darf nebenbei schön unauffällig ein paar Nebensätze anbringen. Immerhin wirkt er dabei nicht ganz so dusselig unterfordert wie in SF.

Das Ensemble ist ohnehin dieses Mal sehr stark. Eine frühe Szene mit Bonds ehemaligem Widersacher aus CR und QOS mit Jesper Christensen wird zu einem der Glanzpunkte an intensivem Spiel. Monica Beluccis Auftritt im Film wird sicher kritisiert werden, aber ihre Szenen mit Bond sind ebenfalls vom Feinsten und liefern ganz nebenbei den erotischsten Kuss der Serie.

Komplizierter verhält es sich mit Lèa Sedoux als Madeline Swan. Dem oft missbrauchten Wort vom „untypischen Bondgirl“ wird sie durchaus gerecht. Sie verfällt nicht gleich Bonds Charme sondern schreit ihn an, sie steht auf eigenen Füßen und in einer besonders ausweglosen Situation rettet sie einem hoffnungslos unterlegenen Bond mal eben den Allerwertesten. Doch ist auch eine gewisse Ambivalenz in ihrer Rolle und ihrem Spiel, die ihren Charakter etwas unnahbar wirken lässt. Spät im Film wird klar, dass sie für Bond mehr bedeutet als die beiden anderen Girls im Film. Doch keine Angst: Mendes und das Drehbuch überschreiten hier nicht den schmalen Grat zwischen einem gekonnten Mehr an Emotionen und einem kitschigen und wiederholten sich verlieben. Nein, auch SP macht klar, dass es in Bonds Leben nur eine besondere Frau gab und dabei bleibt es.

Was mich an den Craig Filmen immer schon verblüfft hat, sind die vielen Dinge die Bond vermenschlichen und die Filme so viel zugänglicher machen. Davon gibt es in SP sogar noch mehr. Oft sind es Kleinigkeiten deren Andersartigkeit im Rahmen des Franchises man nur wahrnimmt, wenn man sich en Detail mit dem Film beschäftigt. So erlebt man hier einen Bond, der auch mal emotional und wütend aufschreit, einer der sich gefühlvoll aber ohne Kitsch einsetzt für seine Begleitung. Oder er lässt aggressiv seine Drinks fallen und schaltet blitzschnell von Romantik auf Aggressivität um.

Sehr viel könne ich noch lobend erwähnen. Ich bin mir sicher, dass SP für viele weitere Sichtungen Potenzial hat, viele Serien Highlights liefert und inszenatorisch zu den Top 3 gehört. Doch ich möchte auch die Schwächen des Films nennen.

Alles beginnt wie immer mit dem Script. Was man unterbewusst im Film merkt, bestätigt sich mit dem Wissen aus den Sony Leaks. Es gab Probleme mit dem dritten Akt und so wurde kurzer Hand noch bei Drehbeginn einiges umgeschrieben oder es wurde auf ältere Drafts des Films zurückgegriffen. Das ist nicht schlimm, da man hier mit einer komplett neuen Folterszene sogar eine gruselige Anomalie für das Franchise geschaffen hat. Doch man merkt auch, dass in diesem Teil weder die Dialoge so geschliffen sind, noch die Inszenierung durch Mendes besonders raffiniert ist.

Ein weiteres Problem ist die Dramaturgie und der Plot an sich. Nein, SP ist nicht ein solches Logik-Loch wie SF. Die Handlung ist weitestgehend logisch und vor allem flüssig. Aber es fehlt eben - und das scheint sich durch alle Craig Bonds zu ziehen – eine echte Bedrohung. Man hat hier etwas unschlüssig versucht, Persönliches mit Ermittlungstätigkeit zu verbinden und dann noch parallel eine Bedrohung einzubauen, die aber am Ende nicht für die nötige Spannung sorgt. Zu offensichtlich naiv ist ein später Versuch, über zwei Countdowns Spannung einzubauen. Auch gibt es eine kleine Phase im Film, wo zu häufig zwischen den Handlungsorten gewechselt wird.
Ein Schwachpunkt ergibt sich – fast eine Konsequenz aus dem genannten – auch im Hinblick auf den Bösewicht. So grandios dieser auch eingeführt wird, so bedrohlich er anfangs inszeniert wird – gegen Ende fragt man sich was nun wirklich seine Motivation ist. Zudem hätte Mendes in den späteren Szenen stärker eingreifen müssen und auf mehr Kontinuität im Spiel des Darstellers achten müssen.

Unvermeidlich dagegen war wohl – und das ist keine Schuld von SP -, dass man nur mühsam die Integration von Spectre in die bisherigen Filme geschafft hat. Zwar wird dies optisch und Drehbuch-mäßig mehrmals im Film versucht, aber so richtig schlüssig ist dies nicht.


Fazit:
Wenn man sich erstmal damit abgefunden hat, dass nicht jeder neue Beitrag zur Serie direkt das Prädikat „bester Bondfilm aller Zeiten“ bekommen muss, kann man ganz entspannt feststellen, dass SP ein weiterer sehr starker Beitrag zur Serie ist. Ein Film der gleichzeitig den Bogen der Craig Filme weiter spannt, aber auch vom Stil her in eine deutlich andere Richtung geht. Bombast, Epos, Humor und „Sex“ sind wieder stärker an Bord. Mendes inszeniert weite Teile des Films auf absolutem Spitzenniveau und die grandiosen Leistungen der Crew (Kamera, Musik, Production Design, Special Effects) und des Casts (Craig! Whishaw! Fiennes, Sedoux, Christensen und Waltz) tragen dazu bei aus dem Drehbuch noch deutlich mehr zu machen. Schade, dass man nicht die Zeit oder den Überblick hatte, die Dramaturgie des Films im Hinblick auf den letzten Akt zu schärfen – ein Ansatzpunkt dafür lege eigentlich auf der Hand. Emotional kann SP nicht so berühren wie CR, und er bietet nicht das persönliche Drama was SF so erfolgreich gemacht hat. Aber vielleicht hat er dadurch das Potenzial, die Craig Fans und seine bisherigen Ablehner zu versöhnen.
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Bondfilm-Rezensionen - user: danielcc

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Zur Einordnung

Als 2005 der 37jährige Daniel Craig der Weltöffentlichkeit als neuer James Bond Darsteller vorgesellt wurde, brach ein bis dahin ungekannter medialer „Shitstorm“ auf die Produzenten und vor allem den Briten herein. Eine besonders laute Gruppe von Fans und Beobachtern fühlte sich berufen darüber zu urteilen, wie „ihr“ Bond auszusehen habe und sein müsse.
Doch die Produzenten – allen voran wohl der weibliche Teil des Eon Produzenten-Duos, Barbara Broccoli – hatten mehr in diesem Darsteller erkannt, und sie hatten auch mehr mit ihm vor.
Ihr erster Bond mit Daniel Craig sollte eine Revolution innerhalb der Serie sein, ein Neustart, ein Ausbrechen aus dem strengen Korsett, in welches sich die Serie aus falsch verstandener Loyalität gegenüber einer vermuteten Erwartungshaltung des Publikums begeben hatte.
Bereits vier Mal in der Serie hatten die Produzenten mehr oder weniger konsequent etwas Besonderes versucht:
  • 1969 mit OHMSS: Bond verliebt sich, heiratet sogar, bevor seine Frau direkt danach vom Erz-Bösewicht getötet wird. Sie stirbt in seinen Armen und der Zuschauer bleibt emotional berührt zurück. Der emotionale Kern der Geschichte bleibt im Kontext der vorausgegangen Connery Filme völlig unglaubwürdig, wurde aber ob der literarischen Vorlage akzeptiert. So entwickelte sich der Film vom Sonderling zum Fan-Liebling mit Ausnahmestellung
  • 1981 mit FYEO: Wie 1969 (nach YOLT) war die Serie 1981 an einem Wendepunkt angekommen. Bond war inmitten von überbordenden Sets, Effekten, Action und Gadgets nur noch zum Sprücheklopfer verkommen. Mit FYEO wollte man sich wieder auf die Ursprünge besinnen, bodenständiger werden, und man verlieh dem Film durch die persönliche Rache von Melina einen emotionalen Aufhänger. Man traute sich aber (noch) nicht, dem Bondcharakter selbst diesen emotionalen Dreh- und Angelpunkt zuzuschreiben
  • 1989 mit LTK: Die emotionalen Einschläge kamen näher. Bonds bester Freund heiratet, seine Frau wird getötet und er selbst verstümmelt. 007 begibt sich auf einen emotionalen Rachefeldzug und verlässt dafür den MI6.
  • 1997 mit TWINE: Wie mehrfach von Darsteller Brosnan gefordert, sollte seine dritte Mission persönlicher werden und mehr „Impact“ haben. So verletzt sich Bond erstmal nachhaltig, und er geht eine Beziehung mit einer Frau ein, die sich als der Bösewicht der Story herausstellt, so dass er sie abschließend töten muss
Ich behaupte, dass all diese Versuche aus Sicht der Produzenten nie richtig funktioniert haben, denn immer wieder wurde die Richtung danach leicht korrigiert. Es fehlte entweder an der Klasse der Drehbuchschreiber, oder an der schauspielerischen Klasse des Darstellers, und wenn beides eigentlich vorhanden war, wurden Richtung und Darsteller so nicht vom Publikum akzeptiert.
2005 war es nun endlich anders: Mit CR hatte man eine starke Story mit großartigen Dialogen von Paul Haggis, und mit Daniel Craig hatte man einen Darsteller, der die notwendige Klasse hatte, um die geforderten Emotionen zu transportieren, und der dabei noch vom Publikum akzeptiert wurde. CR sollte so ein großer Triumpf bei Kritikern und Publikum werden. Angestachelt dadurch machten sich die Produzenten und der nun an Einfluss gewinnende Hauptdarsteller daran, die Serie entsprechend weiterzuentwickeln: Mit mutigeren Entscheidungen bei der Wahl der Regisseure, und ambitionierteren Geschichten in Bezug auf die Charakterentwicklung der Hauptfigur.
Mit NTTD verabschiedet sich Daniel Craig als der Dienstälteste aller Bonddarsteller. In 15 von 60 Jahren der Reihe war er Bond. Für einen großen Teil des heutigen Publikums gab es nur Daniel Craig in der Rolle, und er ist der Erste dessen Weg wir von seiner Ernennung zum Doppelnull-Agenten mitverfolgt haben.
Man muss vor allem die Entwicklung des Bondcharakter über die ersten vier Filme sehen, um zu verstehen, was in NTTD mit ihm passiert.


No Time To Die, 2021, Cary J. Fukunaga

„His name was Bond, James Bond”

Mit dem letzten Satz im Film erlauben sich die Macher – bewusst oder unbewusst – eine bittersüße Doppeldeutigkeit. Ja, James Bond ist gerade im Film gestorben und so ist es zunächst nur eine geistreiche Abkehr von der Regel, insofern als dass der Satz nicht als Vorstellung aus dem Munde Bonds kommt und auch in der Vergangenheitsform fällt. Aber auf das Franchise bezogen könnte der Satz auch verbittert aus dem Munde manch treuer Fans stammen, von denen nicht wenige (wie heute sozialmedial üblich) feststellen werden „They killed my Bond!“
Ist das noch der Bond den wir kannten? Ist das noch der Bond den wir wollen?
Wenn ich die vorausgegangen 24 Bondfilme heute schaue, so sehe ich keine homogene Masse von ewig gleichen Filmen, die einer starren Formel folgen. In der Tat wundere ich mich, welche Ausprägungen die Serie angenommen hat und welche Auswüchse das Publikum hingenommen hat. Wer dem Super-Macho der ersten fünf (Connery) Filme auf einmal eine Ehe andichteten wollte, wer nach Connery als Nachfolger Roger Moore besetzte, wer den kolonialen Ermittler und Kalte-Krieg-Spion mit Laserwaffen ins Weltall oder mit einem Minijet aus dem Hintern eines Pferdes schickte, der hatte James Bond bisher vielleicht nicht getötet aber doch mindestens mehrfach einer Gehirnwäsche unterzogen und umgepolt. Dennoch hat das Publikum das immer irgendwie mitgemacht, und die Fans haben es - zumeist mit Verzögerung - akzeptiert und später gar bejubelt.

Wenn die Leute hinter den Kulissen dieses Mal eines anders gemacht haben, dann ist das die Konsequenz, mit der sie über vier Filme hinweg eine Entwicklung vorangetrieben haben, die nun in NTTD kumuliert. Alles was den Film von Cary J. Fukunaga ausmacht, alle Motive wurden in den vier Vorgängern eingeführt. „No Time To Die“ schafft das, woran der direkte Vorgänger eher gescheitert war. Er führt Fäden der Craig-Ära zusammen, ohne bemüht zu wirken oder Geschehnisse im Nachhinein umzudeuten. Dies funktioniert nicht nur in Bezug auf die eigentlichen Handlungselemente und Charaktere, sondern vor allem auch in dem der Film die vorab eingeführten Motive aufgreift und Bond als Charakter dadurch weiterentwickelt.
Es geht um Spectre und die persönliche Vendetta mit Blofeld, die Erinnerung an seine unglückliche Liebe zu Vesper und wie dies einen Schatten auf seine aktuelle Beziehung mit Madeleine wirft. Ganz allgemein spielt der Film mit dem Thema „the past isn’t dead“, so wird folgerichtig und für den Film wichtig mit einer Sequenz aus Madeleines Vergangenheit eröffnet. Diese Episode (wie auch manch andere im Film) sind in Inszenierung und Skript völlig einmalig in der Bondhistorie. Jede Figur trägt Ballast aus der Vergangenheit mit sich rum und wird dadurch geprägt in diesem außergewöhnlich vielschichtigen Film.

Vertrauen und Misstrauen, der Kampf gegen neue Gefahren, Bonds Pflichtgefühl, seine Relevanz in der heutigen Zeit – das sind Themen, die schon in den vorherigen Craig Filmen einen wichtigen Platz einnahmen. Schon in Casino Royale hatte er sich eingestanden, dass von der Seele nicht viel übrigbleibt, wenn man diesen Job zu lange mache. In SPECTRE bleibt er auf die Frage Madeleines, was wenn er einfach damit aufhören würde, eine Antwort schuldig. In NTTD werden diese Themen folgerichtig weiterverfolgt. Zudem bringt der Film die Frage auf, wie man sein Leben wirklich lebt, das Beste aus der einem gegebenen Zeit macht, und wie man etwas Nachhaltiges schafft und hinterlässt. Man muss dies alles erfassen, um zu sehen, wie schön das Drehbuch geflochten ist. Bond versucht mit Vesper abzuschließen, versucht Madeleine Vertrauen zu schenken, welches dann durch Blofeld eingerissen wird („Ich wollte dir eine leere Welt bereiten wie du mir“). Er entscheidet sich aufgrund der Enttäuschung für ein leeres Leben auf Jamaica, kommt zurück, weil es in dieser leeren Welt für ihn nur den Thrill der Missionen gibt, um festzustellen, dass er die letzten fünf Jahre ein ganzes „Leben“ verpasst hat. Gerade als dieses verpasste Leben wieder zum Greifen nah ist, wird es ihm für immer entrissen. Dadurch wird das Ende des Films zu einer wunderbaren Tragödie. Während Bond durch seinen Einsatz die Welt rettet, kann er das Leben, welches nun auf ihn warten würde, nicht leben.

Doch ebenso wie auf diesen „Meta-Ebenen“ funktioniert NTTD für mich schlicht und ergreifend als meisterhaft erzählter Unterhaltungsfilm. Wo die drei Vorgänger teils gravierende Logiklöcher offenbarten, bietet NTTD eine erstaunlich schlüssige Story, bei der eine Szene in die andere greift, wichtige Dinge auch schon mal mehrfach deutlich gemacht werden, so dass fast keine Fragen offenbleiben. Dort wo dies der Fall ist, bietet der Film genügend Material, um diese Leerstellen mit etwas Fantasie auszufüllen. In Anbetracht der Vielzahl von Autoren und mit dem Hintergrundwissen, dass man noch während der Dreharbeiten am Skript gearbeitet hat, mag es Zufall sein wie gut alles zusammenpasst, In jedem Fall kann man mehr von einem Bondfilm kaum erwarten.
Ja, man kann die Frage stellen, ob ein Bondfilm 165 Minuten laufen muss. Es gibt genug deutlich kürzere Vorgänger, bei denen es Szenen oder ganze Passagen gibt, wo man als Fan nach mehrmaligem Sehen gerne mal vorspult. Bei NTTD aber möchte ich keine Szene missen, denn das erzählerische Tempo bleibt immer hoch. Dabei macht es sich Regisseur Fukunaga, der auch stark am Drehbuch beteiligt war, nicht leicht, denn der unglaublich atmosphärischen Einführung in Norwegen folgt alsbald die beste Actionszene des Films in Matera, und nach einer berauschenden (aber leicht überladenen) Titelsequenz eine weitere knallharte Actionszene mit dem Diebstahl des Waffensystems Herakles. Einem Film, der so startet, kann schnell die Luft ausgehen. Für mich aber wird es zu keinem Zeitpunkt langweilig. Tatsächlich werden die folgenden 140 Minuten weniger durch Action gefüllt als vielmehr durch Charaktere und Dialoge. Für nicht wenige zählen an einem Bondfilme vor allem Gadgets, Stunts, Action und Locations – und sicher sind das wichtige Elemente der „Formel“. Doch für mich hat Bond schon immer einen besonderen Reiz aus „Begegnungen“ gezogen. Nicht umsonst gelten Filme wie „Goldfinger“, „Der Spion, der mich liebte“ oder auch „Casino Royale“ gemeinhin als Perlen der Reihe. Ich behaupte, dies liegt nicht unwesentlich daran, dass Bond hier besonders reizvolle Interaktionen mit anderen starken Charakteren hat. Nur durch diese erfährt man etwas über die Figur Bond, nur so kann der Held scheinen. Genau da sehe ich auch die größte Stärke von NTTD. Die Autoren lassen Bond hier auf eine wahrlich großzügige Schar von Nebenfiguren treffen, und jede dieser Interaktionen funktioniert für mich völlig und dient der Charakterzeichnung. Da ist Jeffrey Wrights wunderbarer Felix Leiter, der mit Bond in kurzer Szenen und Sätzen über den Wert ihres Lebens sinniert. Da ist die etwas provokante Nomi, durch die uns vermittelt wird, dass alles eben vergänglich ist und die Welt sich weiterdreht, auch wenn Bond mal nicht mehr 007 sein sollte. Da sind großartige Comic Relief Momente mit Paloma auf Cuba (Ana de Armas als heimlicher Star des Films) oder Moneypenny und Q, aber auch klassische Bond Auseinandersetzungen mit Henchman Primo. Da sind besonders starke Auseinandersetzungen mit M (Ralph Fiennes bisher beste Szenen in der Reihe), Blofeld (Christoph Walz in einer kurzen, aber intensiven Szene) oder eben zum Schluss dem Bösewicht Safin.

Doch der emotionale Kern des Films ist Léa Seydoux aus Spectre bekannte Madeleine und ihre Beziehung zu Bond. Wirkte sie im Vorgänger noch sehr wechselmütig und teils abweisend, wird sie in NTTD zu einem wirklich dreidimensionalen Charakter, eine Frau die schon als Kind gefordert wurde, gelernt hat, sich vor allem nur auf sich selbst zu verlassen und notfalls sich auch selbst verteidigen muss, die einen Schutzpanzer in ihrer Profession als Psychologin auflegt, und generell wenigen vertraut. Mit diesem Hintergrundwissen wird auch ihr Verhalten in SP klarer und ihre Rolle dort aufgewertet. Seydoux spielt den sicherlich vielschichtigsten weiblichen Charakter der Reihe mit Bravour. Auch in den romantischen Szenen zu Beginn ist sie nicht nur ein süßes Liebchen, nein da schwebt immer eine Reife und ein „Hinterfragen“ mit. Ihre stärksten Momente hat sie jedoch, wenn sie im Film emotional gefordert wird, etwa wenn Bond sie in Frage stellt und in den Zug abschiebt, beim Wiedersehen mit Maleks Safin, oder wenn sie wie eine Löwin um ihr Kind kämpft (weil sie eine ganz andere Mutter sein will als ihre eigene es für sie war). Ihre gefühlvollen Momente mit Craig in der zweiten Hälfte sind eben deshalb so glaubhaft, da die beiden so gut spielen. Vor allem aber schafft es der Film immer aufzulockern, bevor es zu kitschig wird (etwa, wenn Bond ihr seine Liebe gesteht, das Kind erscheint, oder wenn Bond später Nomi seine „Familie“ vorstellt). Es ist großartig zu sehen, dass der Film, von dem einige Fans schon vorab zu viel Anbiederung an die „woke“ und feministische Bewegung fürchteten, ganz simpel durch zwei starke Frauenrollen (Madeleine, Nomi) überzeugt, ohne sich je an etwas anbiedern zu müssen. In gewisser Weise setzt der Film Seydoux auch ein Denkmal, da (fast) zum ersten Mal in der Reihe der Film nicht mit Bond endet, sondern eben mit ihrer Figur, und durch die letzte Szene sogleich der Film oder alle Filme der Reihe fast durch ihre Perspektive erzählt sein könnten.
Das bringt mich zum Hauptdarsteller. Ohne jede Frage zeigt Daniel Craig hier seine stärkte Leistung in der Rolle, da das Drehbuch ihm eine gewaltige Bandbreite abverlangt - oder sagen wir: offeriert. So menschlich haben wir Bond noch nie erlebt. Mit vollem Körper-, Sprach-, und Herzens-Einsatz ist Craig dabei. Nie hatte ein Darsteller so viel Einfluss auf die Filme und den Charakter seiner Figur. Nie hat ein Darsteller so viele für die Rolle gegeben, so viel eingebracht. Craig hat nie versucht, der Bond zu sein den andere Darsteller schon gezeigt haben oder den Fans haben wollten. Er hat seinen eigenen Bond definiert. Das ist genau mein Bond – aber eben in ungewohnten Situationen! Gerade dadurch funktionieren auch für mich die emotionalen Momente des Films.

Aber nein, NTTD ist weder ein perfekter Film noch ein perfekter Bondfilm, weil es sowas wohl auch nicht gibt. Man merkt im letzten Drittel, dass bei all den Überarbeitungen des Drehbuchs irgendwann die klare Motivation des Bösewichts nebulös geworden ist. Dadurch kann das einzige Aufeinandertreffen zwischen ihm und Bond nicht das hier wichtige verbale Feuerwerk zünden. Wahrscheinlich will der Film auch zu viel und das mit zu vielen Charakteren. Klar, vor allem Ana de Armas Rolle ist dann doch als ironischer Kommentar auf die Debatte um Femininums in Bondfilmen zu verstehen, wenn sie auf einmal zur männermodernden Kampfmaschine mutiert – aber weiß Gott macht das Spaß! Auch Lashana Lynch als neue 007 ist so stark, dass sie eigentlich eine größere Rolle verdient hätte. Doch wer würde sich über zu viel von Gutem beschweren wollen? Actionseitig wünschte man sich, dass nach den ersten zwanzig Minuten noch mehr kommen würde, dass Bond mal wieder Maßstäbe setzt, anstatt Action etwas lieblos abzuarbeiten. Es zeigt aber auch, dass Bondfilme längst über den Status hinaus sind, wo Actionszenen Selbstzweck sind, für den die eigentliche Story unterbrochen wird.

Dass dies hier nicht der Fall ist, das und vieles mehr ist das Verdienst von Co-Autor und Regisseur Cary J. Fukunaga. Wie schon sein eigenes Verhalten vor, während und auch nach der Produktion überzeugt seine Inszenierung nicht durch großes Tamtam, sondern er liefert unaufgeregt ab. Anstatt inszenatorischer Gimmicks bietet er einen immer strammen und manchmal raffinierten Stil. Jede Szene erscheint durchdacht und interessant, Dialoge bekommen die gleiche Aufmerksamkeit wie Actionszenen, wobei diese durch eine eigene Dynamik und Härte überzeugen. Oft ist die Kamera ganz nah dran und lässt keinen Raum für (erkennbare) Tricks. Höhepunkt ist eine minutenlange, praktisch schnittfreie Actionsequenz im Showdown, in der ein Treppenaufstieg Bonds zu einem intensiven Parforceritt voller Kämpfe, Stürze, Schüsse und Explosionen wird, und auch dabei dient die Art der Inszenierung nicht als auffälliger Selbstzweck, sondern saugt den Zuschauer unauffällig und völlig flüssig in das Geschehen rein.
Nicht nur bei dieser Szene fällt auch der Score von Hans Zimmer und Steve Mazzaro positiv auf, hier mit einer im Film mehrfach gespielten extrem harten Version des Bond Themas. Auch Zimmer nimmt sich selbst überraschend zurück und liefert einen sehr vielfältigen Soundtrack, indem neben dem Bond Thema auch zwei Melodien aus dem Bondklassiker OHMSS, das Vesper Thema aus CR, Eilishs Titelsong, aber auch etwas Zimmerscher Bombast platzfinden.

Fazit:
So spiegelt Zimmers erste (und hoffentlich nicht letzte) Arbeit für Bond sehr schön den Charakter des Films wider: Ein extrem abwechslungsreicher und nie langweiliger, gleichermaßen klassischer wie moderner Bond, ein Film der seinen Protagonisten in ungewöhnliche, neue Situationen bringt aber ihn dabei niemals verrät. No Time To Die ist ein nahezu perfekter Unterhaltungsfilm, der alle Zutaten des Bond Cocktails - Action, Spaß, Flirts, Bombast – bietet aber eben auch darüber hinaus geht mit einer ungewöhnlich emotionalen Story, die mit Drama und Tragödie endet.

James Bond is dead.
Viele fragen, ob ein solch tragisches Ende bei Bond funktionieren kann. Für mich funktioniert es, gerade weil es Bond ist. Warum sollte mich das Schicksal von beliebigen Filmfiguren berühren, aber nicht das Schicksal der Figur, mit der ich Jahrzehntelang groß geworden bin? Gerade weil Bond 45 Jahre lang nahezu emotionslos geblieben ist, gerade weil die Craig Ära dies dann auf so stimmige Weise und Stück für Stück geändert hat, gerade weil Craigs Bond klar ein „echter“ Mensch ist, kann ich dieses Ende akzeptieren. Ja, es ist gleichsam tragisch und frustrierend, aber auch befriedigend. Bond hat die Welt gerettet, hat sein Leben in vollen Zügen gelebt und jetzt auch etwas hinterlassen.
Dieser Bond gehört nicht einer kleinen Zahl von Hardcore Fans, und diese entscheiden nicht darüber wie Bond sein muss und was man mit ihm machen darf. Bond hat sich immer weiterentwickelt und angepasst, und so wird auch dieser Film weder die Figur noch die Reihe zerstören. Wenn die Produzenten der Versuchung widerstehen, ein solches Ende zu wiederholen oder auch nur zu variieren, dann stehen vielmehr die Chancen gut, dass auch dieses Mal genau diese Fans genau diesen Film als Perle in der Reihe betrachten werden, als die Ausnahme von der Regel, ein Wagnis aber ein Erfolgreiches. Um das zu erkennen, haben sie ja alle Zeit der Welt.
James Bond will return!
"It's been a long time - and finally, here we are"