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von Buero39
Agent
Ich habe jetzt auch die zweite Sichtung hinter mir. Ich habe für mich den Kontext der Craig-Bonds mal ein wenig weiter gespannt und den gesamten Zyklus betrachtet. Dabei ist mir eines aufgefallen, bei dem ich nicht so richtig weiß, ob ich es schade, genial oder losgelöst von allem finden soll.
Im Grunde machen wir mit dem Craig-Bond zum ersten Mal den kompletten Lebenszyklus der 007-Figur durch. Er wird aktiviert, beginnt, bekommt die Lizenz zum Töten. Rutscht mit seinem "Erst-Auftrag" jedoch direkt in den Kampf gegen eine Geheimorganisation hinein (CR). Das kommt zwar erst nach 2,3 Filmen heraus, dennoch ist es letztlich ein Gegner, den er in 5 Filmen bekämpft. Nur eben wie bei einer Hydra mit unterschiedlichen Köpfen. Das kann man mal so machen. Im jetzigen letzten Film ist seine Agententätigkeit eigentlich schon zu Ende (Beginn NTTD). Er wird mehr oder weniger aktiviert, um diesen letzten Auftrag zu erledigen (wieder die Geheimorganisation, bzw. deren Ausläufer/Ergebnis daraus: Safin). Und dann wird er als diese 007-Figur sowas von deaktiviert, wie wir es noch nie erlebt haben. Er stirbt. Der Unterschied zu allen sonstigen Bonds war und ist letztlich: Craig kam in diese Rolle nicht in-medias-res, sondern er zeichnete die 007-Figur von Beginn an neu und beendet sie auch. Man durchlebt mit ihm (Craig) den kompletten Lebenszyklus des Agenten, während in den Filmen zuvor bei anderen Darstellern einfach "nur" ein Wechsel der Figur stattfand. Selbst Connery in seinem ersten Film war als Agent schon etabliert. Wir stiegen da im Grunde schon in einen Ablauf ein. Bei Craig begannen wir. Und enden auch. Ich finde es jetzt auch schwierig, diesen Craig-Bond-Kosmos insgesamt in diese Figur und Abläufe in den gesamten Bond-Kosmos einzuordnen. Ich glaube man kann versuchen die Craig-Filme als abgeschlossenen Zyklus innerhalb des Bond-Kosmos zu sehen. Wie, als wenn wir diese 007-Figur mal in einem Makro-Kosmos beleuchten. Dass Ganze als Zuschauer mal detailliert mitmachen, wie mühselig, kleinteilig und über die Phasen und Zeiten ausufernd der Kampf gegen EINE Geheimorganisation sein kann. Und ja, uns auch mal damit beschäftigen, dass der Held und alle zuvorigen Helden starben. Connery, Moore, usw. dankten in ihren Filmen ja nicht ab. Die Filme endeten, es gab einen Darstellerwechsel und weiter ging es.
Es ist eine spannende Angelegenheit, was wir da seit 2006 mit Craig erleben und ich bin im Frieden mit der Vorgehensweise. Es wurden Reizpunkte gesetzt. Und es wurde aufgerüttelt, was auch bitter notwendig war. Ich schaue dennoch in Trauer und auch mit Wehmut jetzt auf dieses Ende zurück und finde es ein wenig schade, dass man bei Craig (so ging es mir beim Beginn) immer darauf wartet(e), dass er als Bond mal richtig loslegt. Dann wurde aber bei CR die "Erst-Jagd" gleich mit der Liebesgeschichte (Vesper) verknüpft und im Grunde wurde eine über 5 Filme andauernde gefühlte Neuauflage (nicht in allem inhaltlich natürlich) von OHMSS gemacht. Ich hätte mir gewünscht, dass Craig zwischendrin auch mal 1, 2 Filme bekommt, in denen er einfach random mal eine saubere Leistung, unabhängig von Erstliebe, Trauer wegen Liebe, Verarbeitung wegen Liebe und neue Liebe abliefert und mal einen unabhängigen Endgegner bekämpft und mit anderen Problemen konfrontiert wird (sowas wie OP oder MR oder AVTAK). Letztlich war der Kontext jetzt immer Spectre (die Geheimorganisation) und seine Liebesangelegenheiten. Und so wie ich oben schrieb: Es stellt sich die Frage zu Beginn, wann legt er als Bond eigentlich los? Dann aber verzettelte er sich in den Windungen gegen seinen Erzfeind Blofeld und seiner eigenen Identität und Vergangenheit (SF) und dann endete das Ganze jetzt (seine Reise als Geheimagent) in NTTD mit seinem Tod.
Ich nehme diesen Craig-Zyklus jetzt als eigenständigen Detail-Blick auf die 007-Figur, wie unterm Brennglas. Und das gelang. Und auch die innerliche zerbrochene Figur des Agenten spürt und erlebt man mit. Und der menschliche Faktor (Nähe, Gefühle zulassen, zweifeln, Leere spüren, den Sinn suchen) steht im Vordergrund. Nicht mehr der Agent, der mit spöttischen Sprüchen alles wegflext, was ihm in den Weg kommt. Es ist Craigs Interpretation der Rolle. Das muss aber beim nächsten Bond nicht so bleiben. Nicht jedem gelingt es sich selbst zu stellen, bzw. nicht jeder will das. Oder nicht jeder will verletztlich wirken und dadurch Schwäche anbieten/zeigen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass - je nach Interpretation des neuen Schauspielers - die Figur 007 wieder an Härte (zu sich selbst) gewinnt. Eine Madeleine Swann wäre in den Connery Filmen schon 2 Filme zuvor gestorben - vielleicht vom Bösen umgebracht worden oder einem Handlanger. Dann hätte Connery sein Haupt kurz in ihre Haare vergraben, 15 Sekunden getrauert und hätte dann die Welt aus zweierlei Gründen gerettet: Wegen der Rettung der Menschheit und Rache. Und genau daraus speiste sich seine Motivation. Das wäre dann knallhart erledigt worden, Haken dran und weiter gehts. Craig nahm das immer alles mit. Nichts mit Haken dran. Nur so gemacht, Selbschutz, aber weiter anfällig geblieben. Was ich ihm weissgott nicht vorwerfe - es ist eben eine Interpretation der Figur in eine sehr sehr menschliche Komponente.