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Ich versuche mich mal an einer (meine erste) Review. Das Review werde ich anhand einzelner Punkte und nicht chronologisch gemäß der Handlung darstellen. Ich habe den Film zuerst in der Premierennacht gesehen und 4 Tage später erneut. Meine Gedanken zum Film haben sich nun halbwegs gesammelt.
Daniel Craig als Bond
Daniel Craig schafft es in diesem Film, seine komplette Gefühlspalette auszupacken und uns vor die Knie zu legen. Sei es Bonds Besuch an Vespers Grab, seine Unsicherheit und Enttäuschung wenige Minuten später im Hotelzimmer und im Auto, oder sein lässiges und cooles Auftreten während der Cuba-Szenen. Es ist einfach eine Wonne, Daniel Craig in seinem letzten Bondfilm zuzusehen. Ganz großes Kino!
Lea Seydoux als Madeleine
Sie bekommt in diesem Film alle Freiheiten, sich vollständig zu entfalten. War sie doch in Spectre noch das abweisende und unsichere Mauerblümchen, entwickelt, bzw. zeigt sie hier ihre volle Kraft und ihr ganzes können. Die Beziehung zu Bond sehe ich persönlich als gelungen und überzeugend.
Rami Malek als Safin
Er wurde als großer Schurke angekündigt, geht aber doch im ganzen Trubel des Films etwas unter. Habe in bisher nur in der Synchro gesehen, aber die OV soll ja wohl noch einiges rausholen. Er ist einer von wenigen Bösewichten, den wir bereits in der PTS zu sehen bekommen und der einzige, der im Craig-Kanon eine Hintergrundgeschichte bekommt. Die Tatsache, dass er Mathilde am Ende einfach gehen lässt sehe ich auch wie einer meiner Vorredner: Er kann keinem Kind Schaden zufügen, wie auch schon Jahre vorher bei Madeleine. Was mich wundert, warum hier noch nicht drüber gesprochen wurde. Zu Beginn dachten viele, dass Satin über die Jahre nur so jung bleiben konnte, da er sich mit modifizierten Genen jung halten kann. Bei genauerer Betrachtung fällt aber auch, dass er schon z.T. graues Haar hat. Und die Narben im Gesicht verschleiern den Alterungsprozess. Malek überzeugt dennoch in seinen Szenen und liefert eine klasse Performance.
Ana de Armas als Paloma
Ähnlich wie in Knives-Out sehr stark gespielt von ihr. Hier merkt man doch den Eingriff im Script von PWB, was aber nicht negativ, sondern äußerst positiv gemeint ist. Ein cooler und sympathischer Charakter, mit vllt für den ein oder anderen zu kurzen, für mich aber genau passend dosierten Screentime.
MI6-Gang
In diesem Fall weniger Screentime als in Spectre, aber hier sehr gut ausgewogen und immer die Handlung voranbringend.
Ralph Fiennes als M ist der besten M seit Bernard Lee. Ben Wishaw (obwohl doch recht stark gealtert seit Spectre) einfach göttlich ("Oh Bond. Sie sind also.. Ich meine... Wie lange haben wir uns nicht gesehen? Das ist ja..." - "Q ich weiß, dass er bei Ihnen wohnt"
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Christoph Waltz als Blofeld
Die Szene im Gefängnis gefällt mir richtig gut und Waltz spielt hier einfach perfekt ("Kuckuck" - Warum muss ich jetzt dabei immer an Don denken???). Blofeld weiß wahrscheinlich vom Gift und Bond. Deswegen stichelt er solange gegen Bond, bis dieser ihn berührt und tötet. Auch hier die Referenz zum UOL2-Roman (hier gemeint You Only Live Twice) hat mir sehr gut gefallen. Eine tolle Schlussszene für einen in Spectre leider etwas unterentwickelten Charakter.
Mathilde
Ich weiß nicht, was manche hier für Erwartungen von schauspielerischen Leistungen an ein 5-jähriges Kind haben... Ich hab ihre Screentime gemocht. Zudem hat sie während beider Vorstellungen von Publikum mit die meisten Lacher abgestaubt.
Primo
Ein solider Henchman, aber nicht der beste. Bautista hat mir besser gefallen und hatte die typische Physis für einen Henchman. Sein Abgang war aber legendär.
PTS
Die Szene in Norwegen ist einfach stark und gehört vom Vibe her zum besten, was wir bisher bei Bond zu sehen bekommen haben. Starke Einführung eines (eher durchschnittlichen Bösewichts).
Die Szenen in Italien sind klasse. Die Bilder, das Ambiente... Hier passt einfach alles. Bei der zweiten Sichtung konnte ich schon fast nicht mehr erste Tränen während der DB5-WHATTITW Szene und Vespers Grab-Szene (mit dem fantastischen Score von David Arnold) zurückhalten. Die DB5 Verfolgung ist mir dennoch viel viel zu kurz gekommen. Anhand der BTS-Videos bin ich von 7-8 Minuten Carchase ausgegangen. Am Ende waren es nur 4-5 (?). Da habe ich mir mehr erhofft.
TS
Kurz gesagt: Einfach fantastisch. Der Song wirkt perfekt mit den Bildern. Coole Hommage an Dr. No, OHMSS und TB.
weitere Action
Sei es die Szene im Spectre-Meeting (Kuckuck), auf dem Schiff, in Kuba, in Norwegen oder in Safins Bunker. Alles sehr übersichtlich, ohne große Wackelkammera und absolut bildgewaltig. Aber dennoch bleiben die Szenen nicht sonderlich im Kopf, weil die Ereignisse nichts neues sind und man das schonmal irgendwo so gesehen hat (anders als die Parcour-Szene in CR). Für mich sticht dabei dennoch die Szene in Norwegen (gedreht in Schottland) heraus, in der Bond, Madeleine und Mathilde mit dem Auto in den "Nebelwald" fahren. Sehr atmosphärisch, geniale Dichte und sehr stark inszeniert.
Plot
Für mich absolut schlüssig. Natürlich muss hier in (relativ) kurzer Zeit viel erzählt werden, das tut dem Spaß dennoch keinen Abbruch. Safins Motiv ist mir, wohl als einer der wenigen hier, klar und schlüssig. Da passt alles. Safins Plan sehe ich dennoch eher als Nebenplot im eigentlichen Film.
Soundtrack
Hier liefert Hans Zimmer ab. Mir gefällt die musikalische Unterlegung (gerade in Matera, Norwegen und Safins Bunker) extrems gut. Das HZ auf John Barry zurückgreift hat ich zunächst kurz abgeschreckt. Während ich die Szenen dann gesehen habe, hat es komplett Sinn ergeben und passt zu 100%. Jemand hat hier geschrieben, dass "Hans Zimmer über Szenen Zuckerguss gießt, damit man als Zuschauer wissen soll, wie man sich fühlt". Wäre ja blöd, wenn das ein Komponist nicht machen würde. Stellt euch mal vor, Thomas Newman hätte Severins Musik während Bonds Kampf gegen Patrice im Hochhaus genutzt. Da wäre wahrscheinlich jeder Zuschauer vor Romantik im Sessel versunken....
Die letzten 15 Minuten
Nach der ersten Sichtung habe ich mich mit dem Ende sehr schwer getan. Was wird aus dem Franchise? Warum lässt man Bond sterben? Der hier sooft beschriebene rote Faden wurde durchbrochen.
Meine zweite Sichtung (und die 4 Tage dazwischen) haben mir aber sehr geholfen, das Ende zu verstehen. Es gibt für mich keinen roten Faden bei Bond. Jeder Bond-Darsteller erzählt seine eigene Bond-Geschichte. Natürlich gibt es zwischen manchen Filmen auch Querverweise, aber Roger Moores Bond war nicht der Bond, der in OHMSS Tracy geheiratet hat. Er wird sie geheiratet haben, aber das sehen wir bei Roger Moore nie. Das zählt zum Fanwissen, oder wissen aus dem Buch OHMSS, das mit Roger Moores Bond nie verfilmt wurde, aber irgendwann in seinem Leben passiert ist. Somit erzählt jeder Bond-Darsteller seine Geschichte von Anfang bis zum Ende. Bei NTTD (ich hasse NT2D) wusste man eben, dass es definitiv Craig's letzter Film ist. Und das Bond stirbt liegt, nach meinem Empfinden, am Zeitgeist der aktuellen Filme. Das hätte früher nicht funktioniert, wie man es ja bei der Kinoauswertung zu OHMSS gesehen hat. Der Film hat erst mit den 00er-10er Jahren an Zuspruch gewonnen - eben zu der Zeit, als persönliche Geschichten in Filmen beliebt wurden.
Für mich ist das Ende von NTTD im Kontext der Craig-Ära absolut passend und passt perfekt.
Mit dem neuen Bond gehts dann halt wieder von vorne los. Wie zuvor auch schon.
End Credits
Ich musste mich echt zurückhalten, um beim Einsetzen des absolut grandiosen Songs von Armstrong nicht in Tränen auszubrechen
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Fazit
Daniel Craig hat uns in den 15 Jahren eine absolut klasse Performance als Bond geliefert. Seine Filme und seinen Beitrag zum Franchise möchte ich keinesfalls missen. NTTD sehe ich als absolut (nahezu) perfekten Abschluss dieser Ära und bekommt von mir 10/10 Punkten.