[quote=Invincible1958 post_id=351021 time=1633266096 user_id=704]
No Time To Die (Cary Fukunaga, 2021)
Meine Gedanken zum Film bzw. zum Ende, basierend auf vier Sichtungen in der englischen Originalfassung.
28. September 2021, 19:00 Uhr, Royal Albert Hall, London (Cast & Crew anwesend)
30. September 2021, 00:01 Uhr, BFI IMAX, London
30. September 2021, 19:15 Uhr, Ciné Lumière, London (Kostümdesignerin Suttirat Anne Larlarb anwesend)
02. Oktober 2021, 18:30 Uhr, Savoy Filmtheater, Hamburg
Zum zweiten Mal nach „Skyfall“ (Weltpremiere am 23. Oktober 2012) durfte ich über den Roten Teppich bei der Premiere eines neuen Bondfilms schreiten. Anders als 2012 war der Teppich diesmal in zwei Bereiche geteilt, so dass geladene Gäste und zahlendes Publikum sich nicht vermengten. Es war dennoch wieder eine tolle Erfahrung, auch wenn man den ein oder anderen Regenschauer wahrscheinlich nicht vermisst hätte. Dass der Himmel weinte könnte man nach dem, was folgte, in zwei Richtungen deuten.
Am 21. August 2018 verkünden die offiziellen 007-Kanäle, dass Danny Boyle aufgrund kreativer Differenzen entschieden hat den Regieposten bei Bond 25 abzugeben.
Am 26. August 2018 verkündet die SUN den Grund für Boyles Abschied:
Danny Boyle quit James Bond franchise after he ‘REFUSED to kill off Daniel Craig’s 007 in spectacular finale to 25th film’
https://www.thesun.co.uk/tvandshowbiz/7 ... 25th-film/
Seit diesem 26. August 2018 war mir klar, dass Broccoli und Co. kein herkömmliches Ende planen. Und Bonds Tod war sehr wahrscheinlich geworden. Denn wenn Boyle die Produzenten nicht umstimmen konnte, warum sollte dann der einigermaßen zügig gefundene Fukunaga auf einmal einen Film ohne Bonds Tod inszenieren dürfen? Ja, es gab im Anschluss wahrscheinlich diverse Drehbuchfassungen. Aber das Ende stand in den Köpfen fest. Da bin ich mir sicher.
Als im April 2019 das Kick-Off-Event zum Film stattfand, waren die „Bond stirbt“-Stories rund um den Regiewechsel schon fast vergessen. Aber das Thema kam später immer wieder auf, je mehr man über den Film erfuhr. Als dann im Frühjahr 2020 kurz nach der ersten Corona-Verschiebung bei eBay Call-Sheets von verschiedenen Drehtagen verkauft wurden, auf denen Folgendes zu lesen war, war mit klar, dass zumindest mit Bonds Tod gespielt werden würde:
Scene #243: EXT NEARBY ISLAND - Coverage and wide shot (Madeleine, Nomi, Mathilde)
Scene #253: INT VANTAGE, MATERA - "Madeleine is going to tell Mathilde a story, they drive into a tunnel"
Die Szenenummern und Charakterinfos zeigten, dass es sich um Szenen handelte, die sehr spät im Film vorkamen, und dass Bond selbst in diesen Szenen nicht mit von der Partie sein würde.
Die letzten 1,5 Jahre bis zur Premiere hatte ich mir alle möglichen Szenarien im Kopf ausgemalt, mit welchem Clou man Bond doch am Leben halten könne. Am Ende war es dann ja bekanntlich doch der naheliegende Schluss.
Das war schon ein Schock als man dort in der Royal Albert Hall saß und nicht wusste wohin mit seinen Gedanken und Gefühlen. Und das, obwohl ich wie gesagt über all die Monate gespürt hatte, dass es so kommen würde. Wenn man es dann sieht, ist es eine ganz andere Sache.
Am nächsten Morgen bin ich aufgewacht, und es fühlte sich so an als sei ein enger Freund oder Verwandter gestorben. Man lebte plötzlich in einer Welt ohne James Bond. Dass eine fiktive Figur sowas schafft, ist schon besonders, finde ich.
Dennoch spürte ich auch sofort, dass ich diesen Film sehr mag.
Und dieses Gefühl verfestigte sich dann nochmal enorm beim folgende Midnight-Screening im IMAX. Anders als in der Royal Albert Hall füllte hier die Leinwand das komplette Blickfeld aus und der perfekte Sound tat sein Übriges. Mit dem Wissen über das Ende gefiel mir der Film dann noch besser als bei der Erstsichtung. Die Dritt- und Viertsichtung verfestigten diesen Eindruck. Ich kann noch nicht sagen wie viele Kinovorstellungen von NTTD ich am Ende besucht haben werde. Aber es folgend sicherlich noch einige.
Warum habe ich mit Bonds Tod und auch der Art und Weise wie er inszeniert wurde kein Problem, obwohl er starke Reaktionen in mir auslöst, die ich nicht als „wohlige Gefühle“ beschreiben würde?
Meine einzige Antwort darauf ist: weil ich kein Problem damit habe Bond als Menschen wahrzunehmen und nicht als superhelden-artige Projektion eines Geheimagenten. Bond darf sterben, weil der Charakter sowohl bei Fleming als auch (zumindest in den Craig-Filmen) darauf angelegt ist. „Double-0's have a very short life expectancy.“
Dass durch das Zeigen des Todes natürlich die Aura, die Bond für viele Menschen versprüht, evtl. erlischt, kann ich absolut nachvollziehen. Alle wissen, dass so jemand womöglich nicht mit 90 im Schaukelstuhl auf der Veranda sitzen wird. Aber da zumindest die Filme bislang nie die Zukunft von Bond thematisiert haben, ist das ein Thema, welches eigentlich irrelevant war.
Umso stärker wirkt der Moment, wenn es dann doch passiert. Und mich holt er immer wieder ab. Es funktioniert einfach auf emotionaler Ebene und wie gesagt auch, wenn man den Charakter als den Menschen sieht, den Craig in seinen Filmen darstellt. Einige sagen: Das sind Filme mit einem Charakter namens James Bond, aber keine Bondfilme. Hab ich nichts gegen. Aber es sind gute Filme mit einem Charakter namens Bond. Und ich gucke lieber einen guten Film, der mich erreicht, als eine Goldfinger 2.0-Kopie.
Dass man das anders sehen kann, ist klar. Und ich will auch niemandem widersprechen, der mit NTTD oder evtl. auch weiteren Entscheidungen von EON der letzten Jahre nichts anfangen kann.
Ich zähle mich nun zu den Glücklichen, die den Film wunderbar finden. Ich kann mich in den Kinosessel sinken lassen und einfach genießen, all die spektakulären Momente, die humorvollen Szenen, die dramatischen Szenen, alle Performances, die Bilder, die Musik …
Für Filme wie diesen wurde das Kino erfunden.
Und der Himmel weinte bei der Premiere, weil wir Daniel Craig, seinen Bond, und diese ganze Ära noch vermissen werden.
8,5/10
[/quote]
Danke. Dankedankedanke. Den Text muß ich nicht mehr selber schreiben und ihm auch nix mehr hinzufügen! Paßt!