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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Damit hinterher keiner sagt, ich wolle nur gegen den Strom schwimmen – und damit hübsche Grüße an Daniel, der hier bitte aufhört zu lesen!
Für mich ein Tiefpunkt der bisherigen Reihe und ein Film, der mich wirklich, wirklich traurig, deprimiert und enttäuscht hinterlässt. Das Drehbuch ist absoluter Nonsense und hat den vielleicht schwachsinnigsten Plot, den sie bei Bond je erzählt haben (Konkurrenten sind allenfalls DAF, DAD und SF, aber ich denke, N2TD macht da locker Platz 1 für mich), der Film ist völlig mit Figuren überladen (Nomi könnte man ersatzlos aus dem Film streichen – es würde keinen Unterschied machen!), das Teil geht ewig lang und hat ein katastrophales Pacing, jede Szene mit Bond und Madeleine ist entweder Kitsch pur oder extrem pathetisch (auf eine für mich befremdliche Art, und es hilft wenig, dass die Chemie zwischen den beiden bei 0 liegt), Rami Malek hat kaum Screentime und ist easy einer der schwächsten aller Bondschurken (was nicht an ihm liegt, sondern an der nicht existierenden Rolle), und die letzte halbe Stunde ist an Schwulst schwer zu überbieten. Da erstickt der Film völlig in Pathos und behaupteter Emotion, und ist so damit beschäftigt, ein "Abschluss der Daniel-Craig-Ära" zu sein, dass er sich für mich wie eine Selbstparodie angefühlt hat. GoldenProjectile hat oben in seinem Fake-Beispiel "eine sich masslos steigernde epische Wucht" herbei fantasiert und die ist tatsächlich das, was der Film anstrebt, aber nie so wirklich erreicht, weil es dafür an dramaturgischem Fundament fehlt.
Fukunaga entwickelt indes überhaupt keine eigene Handschrift hier, inszeniert im üblichen neumodernen Schick, ohne Akzente zu setzen. Ein okayer Job, aber da waren seine drei Vorgänger (ja, auch der hier im Forum viel gescholtene Mendes) viel inspirierter hinter der Kamera unterwegs. Die Schwäche ist definitiv das völlig dämliche Script – und nein, es geht mir nicht um die "kontroverseren Ideen" des Films, die ich zugegebenermaßen alle ziemlich blöde finde, aber bei denen mich eigentlich stört, wie unglaublich billig und faul sie umgesetzt wurden. Ich habe mich teils an die grausige vierte Staffel von "Sherlock" erinnert gefühlt, die zurecht selbst unter Fans der BBC-Serie als Schandtat gilt.
Einiges war zugegeben aber auch ganz gut. Es gibt eine Szene zwischen Bond und Fiennes, die locker der stärkste Dialog der Reihe seit vielleicht 2006 ist, zwei Actionszenen waren sehr schick (insbesondere eine längere Sequenz in Norwegen gefiel mir inszenatorisch sehr gut), Ana de Armas ist hot (!), es gibt eine phänomenale One-Take-Szene (die mich sehr an "Atomic Blonde" erinnert hat), Ben Whishaw hat mir ENDLICH als Q gefallen, ich mochte die meisten Oneliner (einige hatten eine deutliche Moore-Note) und an einer Stelle spielt Zimmer die männlichste Version des Bond Themes ever. Wer da nicht zumindest ein wenig das Testosteron spürt, ist kein Fan. Auch ein kleines M-bezogenes Easter Egg war ganz hübsch und hat mich kurz davon abgelenkt, wie wenig ich mit diesem Film als Gesamtwerk anfangen konnte.
Übrigens war mir erstmals der Bond-Charakter in einigen Szenen fast schon etwas unsympathisch, ganz besonders bei einer bestimmten Stelle in der langen Matera-Actionszene (wer den Film gesehen hat, kann sich vielleicht denken, was ich meine). Und dann gibt es da einen bestimmten Einsatz sich mehrfach wiederholender Musik, der mir die Nackenhaare aufgestellt hat. Kinder, was ein Kitsch! Höchstens eine 4/10, ohne eine Nacht drüber geschlafen zu haben.
Besonders schmerzen an diesem Film tut aber für mich eine Einsicht, die mir schon in den letzten Monaten die Vorfreude etwas genommen hat, wie hier viele im Forum bemerkt haben. NTTD ist ein Film für die Fans, so werden es viele Kritiker schreiben, so werden es viele hier im Forum schreiben, und ich bin ein gewaltiger Bond-Fan, ich liebe die Filme so lange ich denken kann, dennoch ist NTTD kein Film für mich. Was ich aus dem Kinosaal mitnehmen werde, ist, dass ich trotz meines Fan-Daseins nicht mehr die Zielgruppe bin, die EON mit den James-Bond-Filmen derzeit anpeilt – und das ist wahnsinnig frustrierend.
Und jetzt wünsche ich euch allen, dass euch der Film wahnsinnig gut gefällt, dass ihr bei jedem meiner Worte den Kopf schüttelt, dass ihr euphorisiert, begeistert und überwältigt seid. Ich wünschte nämlich, ich wäre es auch.
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Let the sheep out, kid.