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von Nico
Agent
Diesmal also Kurzgeschichten. Ich war im Vorfeld recht gespannt auf diese Neuerung innerhalb der Bondreihe. Bieten sich für Fleming als Autoren bei diesem Medium doch sowohl Vor- als auch Nachteile. Großer Vorteil natürlich: Durch den begrenzten Platz, hat er keine ewig langen Seiten mehr Platz, um jeden Charakter bis ins Detail zu beschreiben und stundenlange Hintergrundinfos zum bisherigen Leben der Figuren zu geben. Der Nachteil aber natürlich geht damit Hand in Hand, denn wenn der Autor in seinen normalen Romanen schon Karten- / Golf- und sonstige Spiele beschreibt, ohne auch nur eine Erklärung zu geben, was all die Fachwörter bedeuten sollen, wie soll er das dann in einer Kurzgeschichte machen? Diese Gedanken trieben mich also um, als ich mit der Lektüre begann.
Abschließend muss ich sagen, dass mich das Konzept nicht vollends vom Hocker gehauen hat und die Qualität der Geschichten stark schwankt. Logisch, verfolgen sie doch teilweise auch sehr unterschiedliche Ansätze. Ich denke mein Favorit ist tatsächlich „Ein Quantum Trost“, einfach, weil sie so völlig anders ist, gefolgt von „Die Hildebrandt-Rarität“ und „Risico“. Möchte mich da aber nicht genau festlegen, sondern euch eher kurz meine Gedanken zu jeder Geschichte mitteilen:
Im Angesicht des Todes
Eine hübsche kleine Geschichte – Bond wird beauftragt, den Mord an einem Kurierfahrer zu untersuchen und stößt dabei unversehens auf einen geheimen Bunker der Russen. Nett beschrieben, vor allem Bonds Interesse an seiner weiblichen Kontaktperson, aber insgesamt hat sich die Geschichte bei mir trotz ihrer Kürze sehr gezogen und mir fehlten dann – dass ich das mal bei Fleming sagen würde, hätte ich auch nie gedacht – ein paar Hintergrundinformationen zur Organisation, für die Bond da gerade unterwegs ist. Am Ende wird es völlig absurd und mitten im Niemandsland wird plötzlich ein High-Tech-Erdbunker aufgedeckt, aus dem drei Russen Kurierfahrer erschießen – wieso, wird nicht klar. Insgesamt haut mich die Geschichte nicht vom Hocker.
In tödlicher Mission
Bond wird von M persönlich darauf angesetzt, einen Gangster zu erschießen, der M’s Freunde umgebracht hat – eine tolle Ausgangssituation, aus der Fleming nicht so viel macht wie möglich gewesen wäre. Dennoch gefiel mir die Geschichte ganz gut. Erst die Beschreibung der Havelocks bzw. ihres Gesprächs mit Gonzales und ihres folgenden Todes, dann Bonds Anreise, seine Ausrüstung und schließlich die Wanderung durch die Natur, die Fleming sehr schön beschreibt. Judy Havelock bleibt als Figur relativ blass, was einerseits natürlich durch den begrenzten Platz bedingt ist, andererseits waren Frauenfiguren nicht wirklich eine Stärke Flemings. Der Showdown beginnt und bietet einen Moment lang Spannung, bis alle Gangster tot sind und Bond sich vermutlich doch noch an die bislang widerwillige Judy heranmacht. Nette Geschichte, schöne Naturbeschreibungen, aber aus der Ausgangssituation hätte man mehr machen können.
Ein Quantum Trost
Wohl die herausstechendste Geschichte unter den fünf. Ein ganz spezielles Stück Bond-Literatur, in der der Protagonist eigentlich nur Nebenfigur ist. Bond bekommt eine Geschichte erzählt über einen Mann, dessen ursprünglich glückliche Ehe sich schnell in eine Hölle verwandelt hat. Bond lauscht interessiert und am Ende bekommen er und der Leser noch als kleines Bonbon präsentiert, dass die besagte Ehefrau bereits am Anfang der Rahmenhandlung vorgekommen ist. Hier schreibt Fleming wirklich stark und nutzt das Format der Kurzgeschichte gekonnt aus. Ich habe die Geschichte in einem Rutsch durchgelesen (was aufgrund ihrer Kürze natürlich leicht von der Hand ging) und war sehr angetan. Sowas würde ich gerne öfter lesen im Bond-Kosmos, wobei man natürlich sagen muss, dass die Figur James Bond für die Handlung überhaupt nicht von Nöten war.
Risico
Bond trifft sich mit dem dubiosen Kristatos, um Informationen zu kaufen – wer wie was genau, ist mir nicht so klar. Es stellt sich dann heraus, dass gar nicht Columbo, der von Kristatos genannt wurde, der Böse ist, sondern Kristatos selbst. Es folgt eine Gefangennahme Bonds durch Columbo und eine Stürmung von Kristatos‘ Drogenumschlagplatz. Während sich das erste Gespräch zwischen Bond und Kristatos im Restaurant etwas zieht, ist Bonds Reise nach Venedig, das anschließende Gespräch mit Columbo und furiose finale erstaunlich lebhaft beschrieben und hat mir viel Spaß beim Lesen bereitet. Auch, dass man als Leser mehr weiß als Bond und das „Stühlerücken“ im Café so detailliert beschrieben wird, ist ein kluger Schachzug. Insgesamt hat mir die Kurzgeschichte, die zu einem großen Teil im Film FYEO gelandet ist, gut gefallen. Hier hatte ich wirklich das Gefühl, eine komplette Bond-Geschichte im Kurzformat zu lesen und nicht nur eine Episode, denn in Kurzform ist eigentlich alles enthalten, was Bond ausmacht.
Die Hildebrandt-Rarität
Wieder einmal ein sehr spannender Ansatz, denn auch, wenn die Geschichte im Kern recht klassisch erzählt wird, endet sie doch offen. Bond reist mit seinem Partner Barbey auf dem Schiff des großkotzigen und sehr gut als abstoßendem Charakter beschriebenen Milton Krest, um einen seltenen Fisch zu fangen. Dabei lernt er auch Mrs Krest kennen, die anscheinend nicht ganz freiwillig bei ihrem Mann bleibt. Schließlich wird der Fisch auf einer bunten Koralleninsel tatsächlich gefangen und getötet, was den angeberischen Krest noch unausstehlicher macht. Plötzlich liegt er tot vor Bond. Dieser beseitigt die Leiche und ist sich bis zum Schluss unsicher, ob sein Partner oder Mrs Krest den Mord begangen hat… Hier war ich wieder mit viel Aufmerksamkeit bei der Sache. Fleming hat ein Händchen für das Beschreiben von Unterwasserwelten und dieses kommt hier voll zur Entfaltung. Neben dem etwas blass bleibenden Barbey sind Mr und Mrs Krest stark gezeichnet, vor allem der unausstehliche Milton. Die Reise mit der Wavekrest ist gut beschrieben und auch die Suche nach dem namensgebenden Fisch, der Hildebrandt-Rarität. Interessanterweise zeigt Bond Skrupel, als Kollateralschaden tausende oder mehr Meeresbewohner zu töten. Damit ergeht es ihm wohl so wie vielen Lesern. Bond macht sich selbst auch Gedanken, wie das damit zusammengeht, dass er ständig Menschen umbringt. Gut beschrieben, wie ich finde. Das prägendste an dieser Geschichte ist jedoch das offene Ende. Wer hat Krest ermordet? Liz oder Barbey? Bond legt sich selbst nicht fest und Fleming gestaltet das Ende der Geschichte auch genau so, dass der Leser selbst es nicht erfährt und sich seine eigenen Gedanken machen kann. Ein Novum in der bisherigen Bond-Roman-Geschichte, das mir sehr gefallen hat. (Ich bin übrigens für Liz, aber so what…)
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