AnatolGogol hat geschrieben: 18. August 2011 08:28
Ich möchte heute mal wieder ein kleines was-wäre-wenn Spielchen mit diesem Thread starten. Und zwar stelle ich dieses mal folgende Frage in die geschätzte Foren-Runde: welche Schauspieler wären alternativ für die Rollen in den Bondfilmen in Frage gekommen, wenn die tatsächliche „Echt-Besetzung“ nicht zur Verfügung geständen hätte. Ich möchte dabei mal die wiederkehrenden Rollen (Bond, Penny, M, Q) außen vor lassen und als gesetzt betrachten. Also: wen hättet ihr in den Schlüsselrollen alternativ besetzt und das am besten noch mit ein paar Worten warum gerade diesen Darsteller und wie sich das ganze dann auf die Rolle bzw den Film ausgewirkt hätte. Also, lasst uns mal den Casting-Chef spielen!
Tolle Threadidee, Anatol! Da musste ich gleich mal neun Jahre lang drüber grübeln!
Ne, ich habe mich nur kürzlich an diesen längst verschollenen Thread erinnert, und plötzlich kamen mir eine wie ich finde höchst amüsante Besetzungsidee nach der nächsten, und ich will euch die nicht vorenthalten. Die meisten davon werden wohl auf den ersten Blick ziemlich kurios erscheinen, aber jetzt da Revoked offiziell Cary Fukunaga als Bond vorgeschlagen hat ist alles erlaubt...
Dann will ich Connerys zweiten Auftritt mal gehörig umkrempeln:
FRWL
Tatiana Romanova - Corinne Marchand -
Referenzbild
Wir hatten ja vor geraumer Zeit über die Tatiana-Figur diskutiert, und darüber ob sie ihren eigentlichen Spionageauftrag für Klebb die meiste Zeit über gewissenhaft und berechnend ausführt, oder eher naiv Bonds Charme verfällt (ich denke man kann sich darauf einigen, dass zumindest beides irgendwann der Fall ist, aber die Schwelle ist unklar). Mit der Besetzung von Corinne Marchand, der Hauptrolle aus Vardas einem Jahr zuvor entstandenen Nouvelle-Vague-Klassiker Cléo de 5 à 7, könnte möglicherweise etwas mehr Klarheit und auch Tiefe in diese Angelegenheit kommen, da Marchand dort eine ganz eigene schauspielerische Klasse beweist in der Schnittmenge von Sexiness und Verletzlichkeit, also genau das richtige, um den inneren Konflikt der Tania-Figur zur Geltung zu bringen. Dass es sich bei Marchand um eine Französin par excellence handelt sollte für die Besetzung der russischen Rolle kein Hindernisgrund sein, da es mit der Italienerin Bianchi ja auch geklappt hat.
Kronsteen - James Coburn -
Referenzbild
Jetzt fängt er an zu spinnen! Ich hatte gestern über Coburn als Scaramanga gerätselt (kommt schon, ist auch nicht weiter hergeholt als Eastwood!), da ist mir der schnittige Coburn aus Charade eingefallen und ich habe mir überlegt, welche Rolle bei Bond sich rund zehn Jahre vor TMWTGG anbieten würde - Kronsteen natürlich. Mit Coburn 1963 würde der Stratege wohl ähnlich schlau und gerissen wirken wie mit Vladek Sheybal, aber mehr kalt und berechnend, dafür mit weniger Eitelkeit als die uns bekannte Inkarnation. Coburn stand 1963 noch relativ am Anfang seiner Karriere, er war zwar bei den Glorreichen Sieben und hatte im selben Jahr wie FRWL Nebenrollen in The Great Escape und Charade, ein Leading Man ohnegleichen war er aber noch nicht, und daher für Kronsteen nicht ganz so unrealistisch.
Ali Kerim Bey - Gian Maria Volonté -
Referenzbild
Nun werdet ihr sagen: "Der nimmt den erstbesten halbwegs südländischen Typen aus den 60ern, den er zufällig kennt!" und das ist nicht falsch. Aber warum nicht? Volonté war zwanzig Jahre jünger als Pedro Armendariz und auch jünger als Connery, ging aber für etwas älter durch, so wirkt er im kurz darauf entstandenen For A Few Dollars More mehr wie vierzig als wie Anfang dreissig. Durch den absurden Einfall, ihn als Kerim zu besetzen wäre die Rolle wohl wesentlich rustikaler und temperamentvoller, die schnelle Freundschaft zu Connerys Bond würde mehr übers amourös-animalische zustande kommen als über die weltmännische Ebene. Einem Volonté könnte ich - auf eine etwas andere, aber im Kern nicht grundverschiedene Art als bei Armendariz - abkaufen, dass er die Geheimdienstinteressen im grimmigen und exotischen Istanbul vertritt und enge Beziehungen zum örtlichen Roma-Oberhaupt unterhält. Der würde beim Besuch im Lager glatt als verlorener Cousin durchgehen.
Red Grant - Robert Duvall -
Referenzbild
Jetzt habe ich mein Publikum wohl komplett verloren, aber ich finde die Idee unglaublich cool. Duvall kann ja eh so gut wie alles spielen, warum nicht auch Red Grant? Er war ähnlich alt wie Robert Shaw, sah ihm auf einen sehr flüchtigen Blick sogar etwas ähnlich. Zugegeben, die älteste Rolle die ich als Referenz heranziehen kann ist die des Tom Hagen fast zehn Jahre später, aber ich denke man muss sich nur das verlinkte Bild aus einer 1963er-Episode von Twilight Zone ansehen um festzustellen, dass Duvall einen wunderbar sinisteren und undurchschaubaren Grant hätte abgeben können, der Bond mindestens genauso sehr ins Schwitzen bringt wie sein Real-Life-Gegenstück Shaw. Duvall stand noch mehr als Coburn am Anfang seiner Karriere und war zu der Zeit in erster Linie ein gut beschäftigter TV-Darsteller für einzelne Episoden.
Wie würde sich dieses Hirngespinst, das ich da abgeliefert habe, auf den fertigen Film auswirken? Ich denke dass FRWL in der Besetzung und Auslegung der Neben- bzw. Ensemblerollen insgesamt markanter, zügelloser und gewagter geworden wäre, was der sehr guten Originalbesetzung gegenüber gar nicht abwertend gemeint ist. Aber die teils eher kleinen Rollen würden durch die Gesichter vielleicht auf eine Art etwas mehr zur Geltung kommen und den Ensemblecharakter des Films unterstreichen, nicht zuletzt weil man sich mit Coburn und Duvall rühmen könnte, sehr bekannte Köpfe früh in ihrer Karriere genutzt zu haben, vergleichbar mit Del Toro in LTK.
PS: Ich habe mich ja kürzlich gegen einen amerikanischen Bonddarsteller ausgesprochen ohne die Gründe so genau umschreiben zu können. Jetzt ist mir nochmal aufgefallen, dass die Bondreihe auch unabhängig von der Hauptrolle immer etwas restriktiv mit US-Darstellern umgegangen ist. Meist beschränken sich Amerikaner auf einen Auftritt als Leiter oder explizit amerikanisches Bondgirl wie Holly Goodhead oder Jinx und mit Wiseman (Kanadier), Savalas, Kotto, Walken und Davi gab es nur fünf nordamerikanische Oberschurken, wenn ich richtig gezählt habe (und davon sind nur Kotto und Walken explizit amerikanische Rollen). Stattdessen dominieren europäische Darsteller, und das von den 60ern bis heute, man muss sich nur mal die Bösewichte und Bondgirls bei Craig ansehen. Von der Warte aus wäre die Besetzung von Coburn und Duvall auf europäisch angedachte Figuren für Bond sehr ungewöhnlich, aber es ist ja auch nur eine Spinnerei von meiner Seite.