Re: Der Hitchcock Thread

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GoldenProjectile hat geschrieben: 4. Juni 2019 12:32

Ein weiterer Film, der als Inspiration recht offensichtlich ist, aber in der Top Ten nicht auftaucht, wäre Bergmans Persona (wobei Lynchs beste Filme dem natürlich turmhoch überlegen sind).
Du magst Persona nicht? Ei warum dat denn? der ist doch fantastisch, und neben (oder gleich nach) Die Stunde des Wolfs sein fasznierendstes Werk. Und würde damit bei mir auf einer Stufe stehen mit Hitchs Besten

Re: Der Hitchcock Thread

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Ich mag ihn nicht nicht (schön gedeutscht), aber habe wie bei allen drei im Kino gesehenen Bergmänner noch mehr erwartet, nämlich die 10, die aber bei keinem der Filme so recht kommen wollte. Einzelne Szenen sind bei Bergman immer herausragend, und die Filme als Ganzes zumindest recht interessant, aber die sehr hohen Hoffnungen hat er bei mir (noch) nicht geknackt.

Da mag ich Lynch mit ähnlichen Filmen einfach mehr. Das Kernthema ist in Mulholland Drive und Persona ja ähnlich (die Beziehung der beiden Frauen) aber den Lynch-Film finde ich faszinierender. Und auch Hitchcocks beste mag ich mehr.
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Re: Der Hitchcock Thread

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Persona habe ich kürzlich noch mal geschaut, und das war sehr beeindruckend, und auch sehr viel mehr als ich es in Erinnerung hatte. Auf ein solches Erlebnislevel kommen andere gleichfalls berühmte Bergmänner nicht (wie z.b. Wilde Erdbeeren oder Schreie und Flüstern), außer eben Die Stunde des Wolfs, den fand ich schon immer umwerfend, und den habe ich dann auch schon fast 10 mal geschaut, und der ist in meiner Top 20. Da ist Lynch aber auch mit Mulholland Drive. Hitchcocks für mich bester Notorious könnte aber auch Top 50 sein, Top 100 auf jeden Fall

Re: Der Hitchcock Thread

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Maibaum hat geschrieben: 4. Juni 2019 18:36 außer eben Die Stunde des Wolfs, den fand ich schon immer umwerfend, und den habe ich dann auch schon fast 10 mal geschaut, und der ist in meiner Top 20.
Hm ne, die merkwürdige (Traum-)Szene mit dem lästigen Kind am Strand war schon sehr cool, und auch sonst gab es zwischendurch tolle Sachen und ich habe wie bei jedem Bergman ein schwedisches Wort gelernt (hier "Dagbok") aber wie gesagt, gemessen an meinen sehr hohen Erwartungen war ich nicht überwältigt. Für mich kein Vergleich zu Vertigo, NBN, Fenster, Psycho oder eben auch Mulholland Drive oder dem Besten aus dem Twin-Peaks-Universum.
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Re: Der Hitchcock Thread

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Invincible1958 hat geschrieben: 4. Juni 2019 00:24

Aber genau das ist es: es kommt in (fast) jedem Film bzw. erzählenden Werk vor. Hitchcock hat ihm nur einen Namen gegeben.
Aber ein MacGuffin ist nicht die Ausnahme, sondern der Regelfall. Es war nie als etwas "Besonderes" gedacht.

Und jetzt die Frage an dich, Maibaum: warum muss ein MacGuffin etwas Besonderes sein? (*duckundweg*?
Der MacG im Filmsoll zwar nichts besonderes sein, aber die Idee die hinter dem MacG steht soll natürlich etwas ungewöhnliches darstellen. Schau mal, das sagt einem doch schon der gesunde Menschenverstand. Warum soll man sich so einen etwas blöden Namen und eine absurde Geschichte dazu ausdenken, nur um etwas zu bezeichnen was fast jeder Film enthält bzw der Regelfall ist? Das macht wenig Sinn.

Letztendlich ist der MacG auch nur vage definiert, jedenfalls nicht eindeutig beschrieben, aber was Hitch (und Truffaut) meinen, ergibt sich auch aus dem Kontext in dem das diskutiert wird. Es sind dann halt ein paar Dinge mit denen der MacG beschrieben wird (er wird auch im ganzen dicken Buch überhaupt nur an dieser Stelle erwähnt), und die reichen zumindest um es auf eine sehr kleine, sehr überschaubare Anzahl von Filmen zu beschränken.
Hitch führt die Grundidee auf Spionageromane von Kipling zurück "bei denen es ohne Unterschied um den Raub von Festungsplänen ging, Und das war der Macguffin. MacGuffin ist also eine einfach eine Bezeichnung für den Diebstahl von Papieren, Dokumenten, Geheimnissen. Im Grunde sind sie ohne Bedeutung, ... " Und nach der Beschreibung wie das in NBN funktioniert sagt er noch mal es sei "reduziert auf seinen reinsten Ausdruck nichts", worauf Truffaut meint "Nichts konkretes". Der MacG wird außerdem noch "eine Finte, ein Trick, ein Dreh genannt, "wir nennen das gimmick."
Der Rest ergibt sich aus den 3 Beispielen aus den Filmen The 39 Steps, Foreign Correspondent und NBN. Es sind Dinge die nur im Dialog auftauchen, die nicht näher erklärt werden, die ein wenig austauschbar sind, die die Schurken motivieren, aber unwichtig für den Helden sind.

Es sind also Dinge die, wie in den genannten Filmen, selber nie so richtig konkret werden, nicht wirklich in der Handlung auftauchen, sondern im Wesentlichen über ein paar dürre Erklärungen in Dialogen und nur am Rande erwähnt oder erklärt werden. Jedoch gäbe es ohne das gar keine Handlung. So ist der MacG im gleichen Maße unwichtig wie auch essentiell, und das macht das Besondere aus.

Und das ist an sich unkommerziell, denn der Zuschauer möchte normalerweise daß die Dinge konkret werden, so wie in The Man Who Knew too Much, in der die Protagonisten nicht nur in eine Verschwörung verwickelt werden, sondern diese dann auch direkt und unter Gefahr vereiteln.
Das mit dem MacG kann dann auch nur in ganz bestimmten Filmen funktionieren, in denen der Zuschauer dann diese Auflösung der Hintergrundgeschichte am Ende eventuell gar nicht groß vermisst.

Aber wie jemand sich bei MI III beschwerte: "was die mysteriöse Hasenpfote sein soll, wurde auch nicht erklärt"

Re: Der Hitchcock Thread

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Jetzt auch noch den 1956er-Jahrgang des vielwissenden Mannes.

Auch wenn's Spass macht mit Hitchcock, wenn daraus eine Gewohnheit wird, die alle wiederzusehen, dann wird das ein langer Run.

Der vielwissende Mann ist aber immer noch ein höchst unterhaltsamer Thriller, der sich zwar immer eine gewisse Leichtigkeit behält, aber dennoch diverse Szenen an Bord hat, die das Maximum an Spannung oder Dramatik rausholen. Leicht und fröhlich ist der Film bei der herrlichen Gesangsszene mit elegant schwebender Kamera vor der marokkanischen Nachtkulisse, oder wenn Jimmy Stewart sogar eine kurze Slapstickeinlage auf einem zu niedrigen Sitzpolster zum Besten gibt, spannend und dicht wird es, wenn er paranoid durch die Gassen Londons schleicht oder beim Besuch in der Kapelle. Es gibt noch unzählige weitere Beispiele und beide Stimmungen ergänzen sich oft gegenseitig. Jimmy Stewart und Doris Day sind ein grandioses Paar, die verzweifelten aber tatkräftigen Eltern nimmt man ihnen jederzeit ab und gerade die Szene, in der Jim ihr die Entführung des Balgs beichtet ist von beiden hervorragend gespielt.

Alles kulminiert in der brillanten Konzertszene die rund zehn Minuten und 7000 Schnitte dauert und in der der Vielwisser kurz zum Stummfilm wird, wobei jede Handlung von Akteuren, Kamera und Cutter zusammen mit der Musik zum dramaturgischen Höhepunkt ansteigt. Eine grosse Leistung von Hitch.

Die Wertung darf sich jeder selbst aussuchen, zur Auswahl stehen aktuell 8 oder 8,5 Punkte.
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Re: Der Hitchcock Thread

639
Toll geschrieben. Ja, Stewart und Day funktionieren phänomenal als Elternpaar und der Schlussteil mit dem Orchester sowie der Que Sera Sera Nummer ist große Klasse. Sieh zu, mal das 34er Original mit einem überragenden Peter Lorre zu gucken.
https://filmduelle.de/

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Re: Der Hitchcock Thread

640
Über den Dächern von Nizza

Für seinen Film über einen ehemaligen Juwelendieb, der seine Unschuld an der Riviera beweisen muss, hat Alfred Hitchcock für seine Verhältnisse eher ungewöhnliche Wege beschritten und einen großen Teil des Films tatsächlich vor Ort gedreht. Die vielen Außenaufnahmen vermitteln das südfranzösische Flair auch äußerst gut und geben dem Film seine eigene Atmosphäre, die ihn von vielen anderen Hitchcockfilmen klar unterscheidet.
In der Story schwächelt „Über den Dächern von Nizza“, der im Original passender „To catch a thief“ heißt, aber. Eine wirklich packende Spannung kommt nicht auf, viele Entscheidungen von Charakteren sind zumindest in Teilen fragwürdig und wie in manch anderem Film Hitchcocks verhalten sich sämtliche Detektive wie die letzten Deppen und lassen den Film unglaubwürdig wirken. Das fällt für mich aber nicht so negativ ins Gewicht wie beispielsweise in Vertigo, weil „Über den Dächern von Nizza“ durch seinen starken Anteil an Humor eine andere Tonalität einschlägt, sodass solche Szenen auf ihre Weise zum Witz des ganzen beitragen.
Das große Plus sind aber eindeutig die beiden Hauptakteure Cary Grant und Grace Kelly, die nach „Fenster zum Hof“ erneut voll zu überzeugen weiß und in meinen Augen eine der bezauberndsten Frauen der Filmgeschichte ist. Die Chemie zwischen den beiden stimmt zu jeder Sekunde und da beide genug Charisma und Leinwandpräsenz aufweisen um alleine einen Film tragen zu können, schaffen sie es im Doppelpack mit Leichtigkeit.
Alles in allem ist „Über den Dächern von Nizza“ für mich keiner der stärkeren Filme Hitchcocks, der aber dennoch Spass macht und auf seine Weise funktioniert.

7/10
"You only need to hang mean bastards, but mean bastards you need to hang."

Re: Der Hitchcock Thread

642
The Birds

Alfred Hitchcock gilt in der Filmwelt als „Master of Suspense“, als Meister der Spannung. Mit seinem 1963 erschienenen Klassiker „The Birds“ stellt er das einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis und zeigt zudem, dass er sich nicht nur im klassischen Thriller, sondern auch im Horrorgenre sicher zu bewegen weiß. Dabei vergisst er, im Gegensatz zu manch einem seiner modernen Nachfolger aber seine Charaktere nicht und erzeugt in der ersten, ziemlich langsam, dafür aber sehr charmant erzählten Filmhälfte ein Interesse für die Charaktere und bindet den Zuschauer an sie.
Beeindruckend ist die Art und Weise wie der Film, trotz seiner teils veralteten Effekte heute noch wirkt, was unter anderem an der Art und Weise liegt, wie Hitchcock die Effekte nutzt. Er stellt sie nicht zur Schau, prahlt nicht mit der für damalige Verhältnisse spektakulären Tricktechnik, sondern sie dient ihm immer zu einem bestimmten Zweck, muss keine Szene, ja nicht mal eine Kameraeinstellung alleine tragen. Wenn beispielsweise vor dem großen Vogelangriff auf Bodega Bay das Dorf samt brennender Tankstelle aus der Vogel- oder Gottperspektive gezeigt wird und nach und nach die Möwen ins Bild fliegen sieht man durchaus, dass das keine einzelne echte Aufnahme ist, sondern die Vögel später ins Bild hinzugefügt wurden. Dennoch funktioniert die Szene fabelhaft, durch die Wahl der Kameraeinstellung, die furchterregenden Geräusche und durch das was bereits zuvor geschehen ist.
Mit Ausnahme des ein oder anderen Kinderdarstellers machen alle Schauspieler einen hervorragenden Job, Tippi Hedren merkt man das Filmdebüt kaum an, sie spielt Melanie Daniels in nahezu all ihren Facetten hervorragend. Auch Rod Tayler, Jessica Tandy, Suzanne Pöeshette, sowie die ganzen Nebendarsteller wissen zu überzeugen. Lediglich Tandys Schauspiel nach dem Zwischenfall auf der benachbarten Farm konnte mich nicht wirklich überzeugen, was aber auch etwas an der Regie liegen dürfte.
Die Vögel war einer meiner ersten Hitchcockfilme und damit auch einer meiner ersten Spielfilme die ich gesehen habe (abgesehen von einzelnen Kinderfilmen) und ist mir immer positiv im Gedächtnis geblieben, auch wenn ich ihn nie als Meisterwerk angesehen habe. Ganz so weit würde ich auch jetzt noch nicht gehen, doch er ist definitiv nochmal gewachsen.

8,5/10
"You only need to hang mean bastards, but mean bastards you need to hang."

Re: Der Hitchcock Thread

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Nachdem ich ihn gestern spät zum vierten oder fünften Mal gesehen habe: Welcher Tor gibt hier Rear Window eigentlich keine 10 Punkte?

Was für ein Film! Wie die drei Handlungsebenen - der Kriminalfall, die kleinen Lebensstudien der Nachbarn und die Beziehung zwischen Kelly/Stewart - zusammenfliessen ist schlicht meisterhaft. In der von Hitch orchestrierten eleganten Kameraführung ist jede Einstellung ein Genuss in Kadrierung, Bewegung und Arrangement, ganz gleich ob innerhalb der Wohnung oder mit Blick auf die anderen Fenster, aber ganz besonders im Wechselspiel der beiden. Die pointierten, eleganten und schlagfertigen Dialoge sind mit die besten, die je für einen Film geschrieben wurden, Thorwald ist in Konzept und Ausführung, schauspielerischer Präsenz und Inszenierung einer der eindrucks- und wirkungsvollsten Schurken überhaupt. Die fast durchgängige und dennoch sehr abwechslungsreiche akustische Kulisse aus Musik, Dialogfetzen und Geräuschen des Innenhofs fügt ein ganz eigenes Flair hinzu. Was für ein Film, was für ein Spass! Ich könnte ihn gleich nochmal schauen.
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Re: Der Hitchcock Thread

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GoldenProjectile hat geschrieben: 23. September 2020 13:22 Welcher Tor gibt hier Rear Window eigentlich keine 10 Punkte?
Wenn ich in der Hilleschen Datenbank nachschaue: Offenbar bin ich ein solcher Tor! :D Müsste den Film allerdings nochmal anschauen, um dir erstens Gründe dafür zu liefern oder mich zweitens direkt zu korrigieren. Aus der Erinnerung ist das ein fabelhafter Film – wie könnte es bei Großmeister Hitch auch anders sein? Am meisten gefällt mir, wie der Film auch als simple Metapher auf Filme selbst funktioniert: James Stewart als Zuschauer, die Fenster als seine Leinwände.
Maibaum hat geschrieben: 9. Juli 2019 19:49 Bei To Catch a Thief sehe ich die Grant/Kelly Geschichte als den Hauptaspekt des Films, während die ganze Diebstahl Geschichte das Gerüst drumherum liefert. Und von der Warte aus betrachtet macht er wirklich Spaß.
Um das kurz hevorzuholen: To Catch a Thief habe ich noch kurz vor Corona-Ausbruch im Kino in einer Retrospektive gesehen und das ist ein Film für Träumer. Die Diebstahl-Geschichte habe ich kaum verfolgt, aber ich war begeistert von den tollen Farben, der romantischen Stimmung, dem herrlichen Humor etc. Hat auch meiner Begleitung sehr gut gefallen, und er ähnelt im gewissen Sinne stimmungstechnisch Charade, Ärger im Paradies oder in Teilen auch Hitchs späterem Der unsichtbare Dritte.
https://filmduelle.de/

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Re: Der Hitchcock Thread

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Casino Hille hat geschrieben: 23. September 2020 13:29 Um das kurz hevorzuholen: To Catch a Thief habe ich noch kurz vor Corona-Ausbruch im Kino in einer Retrospektive gesehen und das ist ein Film für Träumer. Die Diebstahl-Geschichte habe ich kaum verfolgt, aber ich war begeistert von den tollen Farben, der romantischen Stimmung, dem herrlichen Humor etc. Hat auch meiner Begleitung sehr gut gefallen, und er ähnelt im gewissen Sinne stimmungstechnisch Charade, Ärger im Paradies oder in Teilen auch Hitchs späterem Der unsichtbare Dritte.
Ja, To Catch a Thief ist fast schon mehr Lubitsch als Hitchcock. Litchcock sozusagen ...