Habe Spectre gestern auch im TV geschaut und damit zum ersten Mal seit dem Kinobesuch 2015 gesehen (hab den noch nicht auf Scheibe). Und ich muss Maibaum zustimmen:
Richtig begeisternd war es nicht. Eher sehr ernüchternd. Ich würde den Film jetzt auch deutlich näher an SF sehen qualitativ als vorher. Die Opening Scene in Mexico ist ziemlich gut (wenn auch nicht so richtig packend, ist das nett inszeniert), Craig steht etwas mehr Humor besser als diese verkrampfte Ernsthaftigkeit (zumal die paar Moore-Flashbacks alle schön sind), Fiennes ist als M eine Wohltat nach den langen Dench-Jahren und ich mag Lea Seydoux einfach, egal was sie spielt, sie gefällt mir auch in SP richtig gut. Ich mag auch die Rolle. Sehe das Problem an ihr nicht (Ja, die Beziehung zu Craig ist nicht gerade ein Höhepunkt in der Karriere der Autoren, aber mein Gott. Gibt schlimmeres.) Außerdem ist die Action in Österreich deutlich besser als alles, was SF an Action zu bieten hat und die Rolle von Hinx ist ein schöner Schritt in Richtung "Klassischer Bond", wenngleich sein Potential komplett verschenkt ist. Ansonsten: Die Dialoge sind wirklich hart an der Schmerzgrenze (nahezu alles, was Andrew Scott, Naomie Harris und Christoph Waltz vom Stapel lassen, ist öde wie sonst was - mein Highlight ist in der Wüste zu finden, als Blofeld völlig unmotiviert "Information ist alles" zum Besten gibt, und dann sogar kurz eine Pause macht, als wolle man dem Zuschauer Zeit geben, diese höchst komplexe Aussage überdenken zu können

) und mit der neuen MI6 Crew werde ich überhaupt nicht warm (Ben Whishaw als "Puberty Sheldon" ist furchtbar (das Mission: Impossible Äquivalent Benji (Simon Pegg) ist da viel besser!), hat viel zu viel Screentime und keiner seiner Witze zündet bei mir. Und wen Samantha Bond bei Brosnan als feministische Kratzbürste bereits gestört hat, der muss bei allen Szenen mit Harris die Ohren zuhalten: Mal ehrlich jetzt, Miss Moneypenny ist eine komplett altmodische Figur, der Stereotyp der verknallten Vorzimmerdame. Wir Fans wissen das. Das so eine Figur im 21. Jahrhundert in der Form nicht mehr klar geht oder vom gemeinen Kinogänger nicht mehr akzeptiert werden würde: Okay. Muss man einsehen. Aber warum die Figur (oder besser: den Namen) dann überhaupt noch benutzen? Weg mit ihr!). Was mich gar nicht stört: Der Blofeld-Twist. Ja, das ist völlig unnötig und kein Schwein interessiert es, ob Oberhauser eigentlich Blofeld, Kananga, Goldfinger oder Khan heißt. Die Präsentation des Ganzen ist purer Fanservice. Aber andersrum: Stört mich nicht. Heißt er halt Blofeld. Who cares? Genauso mit der Enthüllung, dass Oberhauser/Blofeld hinter den Ereignissen in CR, QOS und SF steckt: Mir doch egal. Meinetwegen. Richtig Sinn ergibt's natürlich nicht, und eine so oberflächliche Fantasieidee wie Spectre passt nicht so recht mit der Organisation aus CR und QOS zusammen. Aber stört es mich? Nö. Seit Marvel ist dieses horizontale Erzählen in großen Blockbuster-Reihen eben stark in Mode, in Zeiten von Fantheorien und Internet-Spekulationen müssen Franchise-Filme eben miteinander verknüpft sein. Lässt sich nicht verhindern und bei SP dient es ja auch nur im Hintergrund dazu, etwas mehr Impact in die Beziehung zwischen Bond und Antagonist zu verwurschteln. Ist schon okay, betrifft auch nicht direkt den Plot. Toll fand ich sogar den Moment, als Bond kurz die Kassette mit der Aufschrift "Vesper Lynd" in den Händen hält. Sowas können die meinetwegen häufiger bei Bond machen. Passt zum Zeitgeist und warum nicht?
Was mir halt mal wieder (wie auch bei Zweit- oder Drittsichtungen von SF) aufgefallen ist: Für mich ist der Bond-Charakter unter Mendes (aber in Teilen auch schon bei den beiden Vorgängern) komplett fehlinterpretiert. Womit ich gar nicht mal sagen will, dass jetzt Connery, Lazenby, Dalton, Moore und Brosnan ein homogenes Ganzes gebildet haben oder das es Craig nicht erlaubt sein sollte, seine eigenen Facetten in die Rolle zu kriegen. Aber mir gefällt diese Auslegung ganz und gar nicht. James Bond ist nicht Bruce Wayne und warum man trotzdem IMMER WIEDER absolut offensichtlich Momente aus den Dark Knight Filmen von Nolan abkupfern muss, will nicht in meinem Kopf. In SF war das natürlich offensichtlicher (Vor allem in der Shanghai-Sequenz, als er in der Dunkelheit plötzlich verschwindet: Seit wann ist Bond ein Ninja? Hab ich den Teil in CR etwa verpasst?), in SP ist es aber immer noch vorhanden. Q ist längst mehr Alfred als einfach nur Quartermaster. Bond ist längst kein Agent mit Hang zum Genuss und zum Luxus mehr, sondern ein ewig Getriebener, der seine Kindheitstraumata und persönlichen Probleme auf seinen Schultern trägt. In den Filmen geht es nicht mehr einfach um "a man on a mission", es muss nebenbei immer auch ganz viel über die Richtigkeit von Bonds Handeln und über Moral diskutiert werden. Auch hier wieder: Bond ist eine altmodische Figur, eine Wunschprojektion aus der Zeit des Kalten Krieges. Ein Mann, der in allem begnadet ist, dem die Frauen die Fußsohlen willig abschlabbern, der säuft und raucht wie ein Schlot und der als Idealversion des kultivierten Westlers Sicherheit in einer schwierigen Zeit bringt. Ist das heute noch zeitgemäß? Nein. Muss man es daher modernisieren? Vermutlich. Kann man nicht ändern. Muss ich als Fan mitleben. Aber bitte: Dann nehmt nicht immer den Easy Way Out. Nicht dieses blöde Zwitterwesen. Wenn ihr Bond hinterfragt, dann macht es doch endlich mal wirklich. Wenn ihr ihn modernisieren wollt, dann tut das einfach. Aber diese blöden Versuche, einer zweidimensionalen Figur Ecken und Kanten zu verleihen, ohne ihre Zweidimensionalität aufzugeben, sind zum Scheitern verurteilt. Es nervt. Ganz persönlich gefällt mir aber dieser ganze realitätsbezogene Kram ohnehin nicht so wirklich: Müssen M und C echt über die Angebrachtheit einer "Licence to kill" verhandeln? Muss das große Thema wirklich mal wieder Überwachung sein, sodass man 2-3 bedeutungsschwangere Sätze einbauen kann? "Kingsman" und - wieder - "Mission: Impossible" zeigen, wie das besser geht. Klassisch, aber ohne veraltet zu wirken. A propos Fanservice: Ich möchte bitte den Aston Martin DB5 nicht mehr sehen. Er löst in meinem vegetativen System einen Gähnreflex aus.
Ansonsten bleibt für mich festzuhalten, dass SP flüssiger als SF ist (weil er konstanter auf sich selbst aufbaut, weil der Handlungsverlauf weniger überladen ist), aber leider dramaturgisch ebenfalls nicht so richtig funktioniert. Keiner der 25 Bondfilme hat ein geniales Drehbuch. Das ist uns allen klar. Die meisten haben nicht mal richtig clevere Plots. Trotzdem funktionieren für mich die Connery, Moore und Brosnan Filme auf einem ganz simplen Niveau deshalb, weil sie dramaturgisch zielgerichtet auf einen Höhepunkt zusteuern. Exposition, Verdichtung, Höhepunkt, Konklusion. As simple as that. In SP stimmt aber im dritten Akt quasi gar nichts. Der Hinx Charakter wird mit voller Wucht an die Wand gefahren. Der Blofeld Charakter hat für die eigentliche Handlung 0 Relevanz. Und C, der eigentliche Antagonist, spielt kaum eine Rolle und hat auch keine echte Funktion in seinem eigenen Showdown, weil dieser aus einer Hacking-Aktion besteht (also kein physisches Element gegeben ist). Bond und Blofeld bekämpfen sich auf einem persönlichen Nebenschauplatz, wobei mich das (natürlich erzwungene) persönliche Element nicht stören würde, wenn es wenigstens der Höhepunkt des Plots wäre. Aber nein, das wahre Finale bestreiten Q und M im Büro von C. Was für ein zerfaserter Kram und die Scriptprobleme sind hier einfach offensichtlich. Die Kritik vieler Fans, dass die Action am Ende zu wenig ist: Ja und Nein. Ich mag die Szene auf der Themse. Warum nicht? Ist auch nicht unrealistischer als gewohnt und ich mag die Idee, dass Bond mit seiner kleinen Walther den großen Helikopter vom Himmel ballert. Hat was maskulines an sich. Passt schon. Was nicht passt, ist der ganze Kram im Krater davor. Das ist furchtbar. Die Folter-Szene ist Käse, der Dialog ist Käse, die Inszenierung ist Käse ins Quadrat. Und das bisschen Entkommens-Geballer ist TV-Niveau. Breaking Bad hatte besser inszenierte Schusswechsel. Von The Walking Dead oder Sons of Anarchy ganz zu schweigen. In meinen Augen sieht das nach Videospieldramaturgie aus und ehrlich gesagt auch etwas nach einem Videospiel-Schusswechsel. Bond ballert mehrmals auf eine Person (ohne Deckung!), bis diese dann umkippt und erst jetzt nimmt ihn der nächste Gegner ins Visier. Ganz schwach. Vor allem, wenn man sich dann neuerdings damit rühmt, einen Mann wie Sam Mendes (oder eben überhaupt Oscar-prämierte Regisseure) an Bord zu haben. Dann muss auch mehr kommen.
Gemein ist natürlich, das Kritik wie "zu prätentiöse Dialoge", "zu flache Thematisierungen" etwas albern wirken, wenn man SP mit den Moore Bonds vergleicht. Da könnten böse Geister den Eindruck kriegen, man messe mit zweierlei Maß. Aber ich sehe da einen Unterschied, denn die Craig Filme sind merklich mit einem anderen Anspruch produziert, gehobenes Entertainment zu sein. Da erwartet man dann natürlich auch, dass dann in diesen Bereichen abgeliefert wird. Und hier liegt mein Problem: In der Unterhaltung. Ich kann mich mit den Connery, Moore und Brosnan Filmen gut die Zeit vertreiben. Einige liebe ich sogar. Wäre ja sonst kein Fan. Aber so richtig die Knüller-Entertainment-Erfahrung will sich bei den Craiglern von Mendes nicht einstellen. Weil ich alt werde und die Filme zu neu sind? Kann sein, glaub ich aber nicht, da mit ja anderer Kram sehr gut gefällt (die Mission: Impossible Filme bieten mir längst das, was ich an Bond immer geschätzt habe). Für mich ist es der sehr unausgegorene Mischmasch zwischen Klassik und Moderne, der sich nie richtig entscheiden kann, wo man mit der Reihe, dem Charakter und den Inhalten hin will und leider auch die wirklich miese Dramaturgie (die in SF für mich etwas schlimmer ist, da der Film da schon nach 60 Minuten einbricht, bei SP erst im letzten Drittel). Platte Dialoge hatten Bondfilme immer, aber das sie mich erst stören, seit sie mehr sein sollen, als Überbrückungen bis zur nächsten Actionsequenz halte ich ebenfalls für vielsagend. Oder ich bin eben einfach alt und die Filme sind mir zu neu. Wer weiß? Auf jeden Fall habe ich mich gestern leider lange Zeit - wie schon bei SF - wirklich ziemlich gelangweilt. Und das sollte mir bei Bond eigentlich nicht passieren. Was sagt da das Entertainometer? 5 Punkte? 6? Keine Ahnung. Bond ist vielleicht zum bepunkten auch eine zu emotionale Angelegenheit. Oder doch nicht? Auf meiner Rangliste wird SP jedenfalls jetzt eine kräftige Rutschpartie unternehmen.
Kleine Anmerkung noch: Der Score von Newman, den ich im Kino noch als Besserung zu SF empfunden habe, ist katastrophal schlecht. "Trying too hard" trifft es gut. Und er ist nicht deshalb schlecht, weil er überhaupt nicht nach Barry oder Arnold oder Bond klingt. Sondern weil es genau dieses orchestral-treibende Gedudel ist, für das ich auch Hans Zimmer, Harry Gregson-Williams, Steve Jablonsky und all die anderen Typen immer verteufle, wenn es in einem ihrer Filme ertönt. Ausgeklügelte Melodien, raffinierte Arrangements, da muss man dann wohl heute aber wirklich das TV einschalten, um zu sehen, wie weniger bekannte Komponisten wie Ramin Djawadi (Westworld, Person of Interest, Game of Thrones), Dave Porter (Breaking Bad, Better Call Saul) oder Blake Neely (The Mentalist, Riverdale, Arrow, The Pacific) den Kino-Komponisten den Rang ablaufen.