ErnstStavroBlofeld hat geschrieben:SPECTRE bietet die beste Pretitle-Sequenz der kompletten Bondreihe. Da passt einfach alles. Punkt.
Sehe ich überhaupt nicht so. Da gibt es locker über ein halbes Dutzend bessere in der Reihe und genügend andere, die auf ähnlichem Niveau sind. Das ist alles gut gemacht, aber nie auf wirklich begeisterndem Niveau. Die lange Plansequenz ist gut und auch musikalisch nett arrangiert, wie sie langsam in das Bondthema mündet, danach ist es (nach dem wirklich spektakulären Hauseinsturz) eine gelungene, mit der nötigen Ruhe gefilmte Actionsequenz, aber nichts, was es bei Bond nicht auf demselben Niveau schon mal gegeben hätte. Finde da auf Actionseite TSWLM, MR, TND und TWINE viel beeindruckender, dramaturgisch sind auch jene von FRWL, TB, OHMSS oder TLD noch pointierter. Und auch die hier im Forum oft kritisierte SF PTS hat einen noch flüssigeren Flow, auch wenn die von SP dramaturgisch ganz offensichtlich eine 1:1 Kopie ist.
ErnstStavroBlofeld hat geschrieben:Ich erinnere nur daran, dass Blofeld in "Liebesgrüße aus Moskau" und "Feuerball" sein Gesicht überhaupt nicht zeigte.
Um ehrlich zu sein: Diese Pseudo-Anonymität von Schurken, um die bedächtig herum gefilmt wird, beeindruckt mich heute nicht mehr. Erst recht nicht, wenn jedem Hans Wurst im Kino beim zweiten gesprochenen Satz klar ist, dass die Figur von Christoph Waltz gespielt wird und daher auch ein Gesicht vor Augen hat. Sowas wie in SP, in der Rom-Sequenz, geht völlig in Ordnung, weil es auch einen inhaltlichen Zweck erfüllt, Waltz' Gesicht eine gewisse Zeit verborgen zu halten (da Craigs Reaktion auf dessen Erscheinung ja zu Gunsten der Hinx Einführung aufgeschoben werden muss). Ansonsten brauche ich aber keine künstliche Täuschung, um dann damit überrascht zu werden, dass Waltz auch in seiner neuen Rolle wirklich wie Waltz aussieht. In den alten Bondfilmen war das ein anderer Fall, Anthony Dawson war als Blofeld nicht erkennbar und die Stimme von Eric Pohlmann sorgte zusätzlich für eine Verschleierung, aber in der heutigen Zeit sehe ich in diesem konkreten Beispiel die Voraussetzungen dafür schlicht nicht gegeben. Selbst im ersten Teil von Tarantinos "Kill Bill" funktioniert dieses Stilmittel eher als Genre-Zitat oder bewusste Hommage, da auch hier der Bill-Darsteller David Carradine sofort als Bill erkennbar ist (unabhängig davon, dass er im Vorspann ja auch als Bill-Darsteller ausgewiesen wird).
ErnstStavroBlofeld hat geschrieben:Und seine Wohnung sieht so aus, als sei er - mit Moneypenny gesagt - gerade erst eingezogen. Sorry, aber das sind No-Gos bei James Bond.
Da diese Diskussion in diesem Thread durchaus auch angebracht ist: Hier lässt sich aber auch ein veränderter Zeitgeist beobachten, der diese Änderungen eben erfordert, um den Charakter in der heutigen Zeit glaubhaft zu halten. Sowohl Bonds Patriotismus als auch sein snobistisches Jetsetter-Leben (also eben jene Genießer-Attitüde, die die Bondrolle je nach Rollenauslegung mehr oder weniger stark an den Tag legte) wirken heute anachronistisch. Was in den 60er und 70er Jahren exotisch wirkte, ist in Zeiten der Globalisierung längst Alltag und hat an Besonderheit verloren. Und die Charaktere, die einen früher begeisterten, werden heute anders angelegt. In den 60er oder 70er Jahren begeisterte man sich nur zu gerne für den alleskönnenden und allwissenden Supermann im Smoking, der jede Frau bekam und mit Geld um sich warf. Heute sieht das aber anders aus, für diese Art von Wesenszug fehlt gewissermaßen ein Begeisterungspotenzial. Heute sollen die Charaktere auch in Blockbustern möglichst viel Identifikationspotential bieten, sprich: Es soll menscheln. Bond ist jetzt unter Craig kein reicher Schnösel, dem alles zufliegt und der nebenbei auch noch die Welt rettet, er muss sich seine Erfolge hart erkämpfen, wird persönlich in sie involviert und hat einen neuen Background. Er verachtet elitäre Menschen eigentlich (siehe die Zugszene in CR, den Anzug trägt er mit "Verachtung" und braucht von Vesper eine Einweisung in "Dinner Jackets") und sein prunkvolles Genießer-Verhalten ist bloße Fassade, die er aufgibt, sobald er außer Dienst ist. In diesem Sinne hat sich James Bond effektiv Helden wie Batman angenähert, denn auch Bruce Wayne ist Playboy und Verschwender per excellence, genießt diesen Luxus aber gar nicht, sondern nutzt ihn als soziale Maske, um eine mögliche Batman Verbindung soweit hergeholt wie möglich erscheinen zu lassen (siehe Burtons 89er Film, in dem Bruce lieber in der kleinen Küche als im großen Saal speist oder Nolans 2005er Batman Begins, bei dem Bruce bewusst mit Playboy-Bunnies und Topmodels öffentlich erscheint, damit die Welt ihn für einen verzogenen Milliardär hält). A propos Comichelden: Auch hier lässt sich sehr gut erkennen, dass das Menscheln solcher absolut nicht menschlichen Akteure immer gefragter geworden ist, was jüngst in Filmen wie Civil War oder Man of Steel mündete, die exzessiv das Innenleben ihrer Protagonisten beleuchten. Bleibt der Protagonist zu naiv und stereotyp, wie in Superman Returns von Bryan Singer, wird das vom Publikum bestraft. Was Campbell einläutete, hat Mendes also ganz bewusst so ausgebaut, wie das heutige Kinopublikum gepolt ist. Diese Zäsur in die Bondreihe ist an sich nicht neu. Man könnte sagen, dass Craig mit Bond jetzt da angekommen ist, wo Dalton einst Ende der 80er hinwollte, aber aufgrund des Publikumsgeschmacks nie ankommen durfte. Diese Veränderungen gehen bei Craig jedoch weit über das übliche Maß der darstellergebundenen Rolleninterpretation hinaus.
ErnstStavroBlofeld hat geschrieben:In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die gewählten Darsteller (mit Ausnahme von Hinx vielleicht) alle einen tollen Job machen.
Gerade Batista ist doch als Hinx das Aushängeschild des Filmes. Für seine schwache Rollenauflösung kann er ja nicht so viel und auch das seine an Oddjob und Jaws angelehnte Trademark-Tötung (das Augenpressen) längst ausgelutscht ist (danke an "Blade Runner") ist nicht die Schuld des Darstellers. Ich fand seine Ausstrahlung und sein natürliches Charisma in der Rolle sehr erfrischend und hätte mir gewünscht, ihn häufiger physisch genutzt zu sehen als nur in der Zugszene, da seine weiteren Actionauftritte auf zwei Autojagden festgelegt sind, in denen er natürlich angesichts seiner imposanten Statur verschenkt ist. Schön aber, dass SP überhaupt den Weg gegangen ist, das klassische Henchmen Konzept zurückzuholen, vielleicht kann man hier in folgenden Filmen noch etwas mehr der alten Stärken der Neben-Lumpen herauskitzeln.