Casino Hille hat geschrieben:Eher einen Funken Zivilisation in einer vormodern arrangierten Gesellschaftsform, was dann ein versteckter Hinweis auf Tarantinos Intention ist, da dieser eine zivilisatorische Gedanke nicht aus humanistischen Idealen heraus entsteht. Mit Moral hat das bei ihm wenig zu tun und das wird auch sehr früh deutlich. Er ist ein Sadist und ergötzt sich am Leid seiner Gefangenen (siehe den Verweis darauf, dass er extra da bleibt, um sich anzusehen, wie seine Opfer gehängt werden). Ruth ist Kopfgeldjäger weniger wegen des Geldes, als wegen des Vergnügens. Seine Schläge an Daisy sind in diesem Zusammenhang zwar absolut als Fehlen seines Intellekts zu lesen, aber nicht nur. Warren mag ebenfalls das Leid seiner Gegenüber auskosten, hat aber einen klar genannten Hintergrund, eine klare begründete Motivlage, welche Ruth fehlt.
Dann hast du scheinbar ein ganz anderes Bild von John Ruth, als ich. Natürlich kann man die Tatsache, dass er immer wartet bis sein Opfer tot ist, als sadistisch ansehen. Andererseits gibt es ganz andere Möglichkeiten einen Menschen leiden zu lassen, als durchs erhängen. Warren zeigt das ja sehr gut. Wer einen Menschen leiden lassen will, kann das ohne Probleme auf eine deutlich einfachere Weise tun, als diese Gefahren und Anstrengungen auf sich zu nehmen. Außerdem erkennt man in seinem Verhalten gegenüber Daisy, in kleinen Gesten immer wieder auch eine Art Beschützerinstinkt.
Und es gibt ja auch einen klaren Hinweis darauf, dass er es sehr wohl aus moralischen Gründen tut. Als "der kleine Mann" über das Wesen der Gerechtigkeit philosophiert, beendet Ruth dessen Ausführungen mit einem "Amen", und das ohne jeden Hauch von Spott, und er stimmt ihm zuvor auch in Teilen zu. Dass er der einzige mit einem Hauch von Zivilisation in sich ist, sehe ich ähnlich, schließlich ist er auch der einzige, bei dem der angebliche Brief von Lincoln Wirkung zeigt (Und wer, wenn nicht der amerikanische Präsident könnte als Symbol für die Zivilisation dienen?).
Und ein weiterer Hinweis auf die moralische Grundlage von John Ruths handeln ist dessen Aussage: „You only need to hang mean basterds, but mean basterds you need to hang.“ In meinen Augen führt er damit die benötigte Strafe auf die Gerechtigkeit zurück. Leute, die nicht wirklich ganz, ganz böse waren, müssen nicht hängen. Die müssen es aber auf alle Fälle, sonst wäre der Gerechtigkeit nicht Genüge getan.
Ich würde auf keinen Fall sagen, dass Ruth wegen des Vergnügens Kopfgeldjäger ist. Er wird eher als einer präsentiert, der auch bereit ist für sein Geld hart zu arbeiten, und nicht nur für das bloße drücken des Abzugs bezahlt zu werden.
John Ruth ist ein Mann, der sowohl Moral, als auch Zivilisation in sich trägt, aber in einer Welt ohne diese beiden Attribute überleben muss. Hinzu kommt seine nicht allzu hohe Intelligenz.
Dass Warren ein Motiv hat ist vollkommen klar. Allerdings lässt er nicht nur den General und seinen Sohn leiden, sondern auch Daisy, und auch den Mexikaner Bob, indem er ihm lang und breit erklärt, warum dieser ein Lügner ist. Er kostet auch diese Situation aus. Und er ist der einzige bei dem man sadistische Züge im Film sieht. Bei Ruth besteht definitiv die Möglichkeit das hineinzuinterpretieren, aber er wird nie so gezeigt. Auch nach seinen Schlägen sieht man ihn maximal ein einziges Mal lachen und ich meine mich daran zu erinnern, dass es auch in erster Linie eine Reaktion auf Warrens Lachen ist.