Re: Zuletzt gesehener Film

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Thunderball1965 hat geschrieben:Filme, in denen Freiheit bejubelt wird, kommen immer gut.
Dramaturgisch fand ich ihn ganz gut, aber was das Storytelling angeht, war doch eigentlich klar, dass er dir nicht viel geben wird.
Ich habe es vermutet, aber klar war das nicht. Immerhin hat Darabont Walking Dead auf den Weg gebracht. Ich hatte also doch eine Chance gesehen daß der Film ganz anders ist als erwartet, was ja auch immer wieder mal passiert, im Positiven wie leider auch im Negativen.

Wie gesagt er war nett, er war unterhaltsam, aber warum ihn die IMDBler so mögen ist mir verborgen geblieben. Da hätte ich doch eher Vom Winde verweht oder Casablanca an der Spitze erwartet.

Re: Dies alles wird zerrinnen, was Müh' und Fleiß gewinnen...

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Casino Hille hat geschrieben:Nur selten sieht man im Kino ein Drehbuch verfilmt, welches das Leben in all seinen Facetten so reichhaltig widerzugeben weiß wie Lonergans eigenes Script für "Manchester by the Sea". All seine komplexen und folgerichtigen Beobachtungen und Schlussfolgerungen über das Leben und den Schmerz, den es mit sich bringt, vereinen sich in Lee Chandler, der zu den vielschichtigsten und dreidimensionalsten Charakteren der letzten Jahre zählen dürfte.

[...]

Sein Neffe Patrick, mitreißend offensiv gespielt von Lucas Hedges, bringt Bewegung in das erschlaffte Vegetieren seines Onkels. Den Tod seines Vaters verarbeitet er nicht beim kümmervollem Dreinblicken, sondern beim gleichzeitigen Anbändeln mit zwei verschiedenen gleichaltrigen Mädchen - und seinen Onkel spannt er spontan zur Mithilfe ein. Wie die beiden sich hier zusammenraufen, ohne je eine Einheit zu formen, ist strukturell und narrativ ganz großes Tennis, die Erzählweise Lonergans ohnehin ein Segen für das Medium.

[...]

Lonergans Meisterwerk ist vor allem deshalb so faszinierend, weil es so vollkommen anti-narrativ erscheint. Keine der Szenen wirkt gestellt, nichts davon wie von Menschenhand ausgedacht, keiner der Dialoge klingt aufgeschrieben oder im Dienste der Erzählung funktionell konstruiert. Es gehört so einiges dazu, ein immerhin entworfenes Handlungsgerüst so vollkommen unvollkommen, so willkürlich zufällig wirken zu lassen, dass man denken könnte, all jene Ereignisse, die sich auf der Leinwand abspielen, seien wirklich ein Resultat des Schicksals, ein Entwurf des Lebens selbst. "

[...]

Zum Ende hin spart Lonergan die Katharsis aus, sowie einen vernünftigen Abschluss allgemein. Das Leben endet nun einmal nicht an einem bestimmten Punkt und anders als die üblichen Kunstfiguren des Kinos, die nur vom Ende des Vorspanns bis zum Anfang des Abspanns da sind, werden Lee und Patrick über das Ende hinaus existieren. Und, wenn sie ihre persönlichen Konflikte eines Tages überwinden, vielleicht sogar leben.
Sehr schöne Worte zu Manchester by the Sea, besonders die von mir zitierten Ausschnitte. Die Lebendigkeit der Charaktere und ihrer Interaktionen war auch für mich die grosse Stärke, als ich den Kinosaal verlassen habe. Lonergan schafft es, den Film dezent kunstvoll und ästhetisch zu erzählen, und dennoch steht die Natürlichkeit der wie aus dem Leben gegriffenen Charaktere und die simple aber anrührend stark erzählte Prämisse durchgehend im Zentrum. Auch für mich ein sehr spannendes, reichhaltiges und da ich vorher nichts darüber wusste auch überraschendes Kinoerlebnis.
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Re: Zuletzt gesehener Film

7593
ich habe mir jetzt "50 Shades of Grey 2" angeschaut.
Der Film hinterläßt in mir gemsichte Gefühle.
Zuerst das positive: alle Figuren sind interessant und haben Tiefgang -etwas, was mitr in "La La LAand" fehlt - ganz zu schweigen was für einen Bondy eine Sprache ist, die er nicht versteht . Es gibt auch mehrere Handlungsstränge, die kurzweilig interessant sind, aber kein dauerhaftes Nachbrennen erzeugen.
Worin liegt aber nun der Erfolg von SOG? Christian Grey spielt den Muiltimillionär, den sich jede Provinzgöre erträumt. Die Handlungsstränge entsprechen in etwa dem, was einem täglich so in der Auseinandersetzung mit Beruf und FreundInnen so widerfährt bzw. gerne zu widerfahren hätte, wäre man Sekretärin in einem großen Buchverlag und nicht Kassiererin im Supermarkt. Der Film ist eigentlich nur eine amerikan. Version der "Lindenstrasse". Greys sadistische und Steeles masochistische Neigungen sind nur noch "Sex sells" Beiwerk. Die ganzen Auseniandersetzungen mit Greys verblühten "Subs" (so nennen wohl die Amis die SM Sexsklavinnen) (BTW eine davon gespielt von Kim Basinger als Reminsizenz an "9 1/2" Wochen) wirken auffallend konsequenzlos. Das oft gefährlcihe Problemfeld SM bleibt in der Dramatik ausgespart.
Jamie Dornam wäre durchaus als Nachfolger von Dannyboy Craig eine gute Wahl. Man hat sich im Film ein gutes Bild seiner Physis machen können, und die steht der von Dannyboy in nichts nach. Auch würde ich ihm die Farblosigkeit in der Bond-Rolle eher verzeihen - eigenartiger weise macht man das ihm aber als Christian Grey zum Vorwurf, obwohl E.L. James nicht gruindlos für ihren Helden den Namen "Grey" gewählt hatte. Er sollte ja nach außen diese graue Geschäfstmaus sein, die aber im Innenleben voller Farbe ist.
7/10 Punkte
"There is sauerkraut in my lederhosen."
Bild

Re: Dies alles wird zerrinnen, was Müh' und Fleiß gewinnen...

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GoldenProjectile hat geschrieben:Die Lebendigkeit der Charaktere und ihrer Interaktionen war auch für mich die grosse Stärke, als ich den Kinosaal verlassen habe. Lonergan schafft es, den Film dezent kunstvoll und ästhetisch zu erzählen, und dennoch steht die Natürlichkeit der wie aus dem Leben gegriffenen Charaktere und die simple aber anrührend stark erzählte Prämisse durchgehend im Zentrum.
Ich finde auch, dass die Ästhetik der Bilder hier einem naturalistischen Erlebnis gleicht. Lonergan hat sich selbst dem sehr schmalen Grad ausgesetzt, einem ganz ordinären, aber eben eigentlich narrativen Leben durch die anti-erzählende Herangehensweise zwar zu folgen, aber ohne den Eindruck zu erwecken, er würde es gestalten. Er muss daher zeitgleich betrachten, ohne zum Voyeur zu werden, und parallel entwerfen, ohne das Vorhandensein einer Konstruktion offenzulegen. Und ich finde, wesentlich brillanter hätte ihm das nicht gelingen können. Besonders begeistert hat mich da übrigens, dass er dennoch keine Scheu hat, auf offensichtliche stilistische Mittel wie die immer wieder auftretenden Rückblenden zurückzugreifen, die ja eigentlich eine filmische Struktur direkt vorführen müssten, es aber in diesem Falle dennoch nicht tun. Das empfinde ich in diesem selbstbewussten Angehen als absolut meisterhaft.
https://filmduelle.de/

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Re: Zuletzt gesehener Film

7596
William Friedkins "The Exorcist" (Die Originalfassung von 1973).

Nach wie vor einer der besten, mysteriösesten, unheimlichsten Filme aller Zeiten. Grandios inszeniert, ein Meisterwerk des Horrorkinos. William Peter Blattys Romanvorlage ist auch nicht zu verachten, deutlich detaillierter und expliziter.

Re: Zuletzt gesehener Film

7597
Dame, König, As, Spion

Gestern ist endlich auch der letzte Film aus der Tom Hardy-Edition in meinem Player gelandet. Und damit leider der erste richtig schwache. Eine vollkommen wirr erzählte Geschichte, die ständig neue Erzählstränge öffnet, keine beendet, munter und recht zusammenhangslos zwischen mehreren Zeitebenen hin und her springt, die Erzählungen am Ende nur bedingt zusammen führt, der großteil bleibt auch am Ende offen, bzw. vollkommen unklar, warum eine Person jetzt in diese und jene Stadt gehen musste, und was dann dort ihr Auftrag war...
Speziell in der ersten halben Stunden werden ständig neue Namen und Gesichter in den Ring geworfen, mal mit Vor- und mal mit Nach oder gar Decknamen genannt, sodass man sich die meisten Namen gar nicht merken kann. Andere werden nicht klar, so stellt sich erst nach ca. 45 Minuten heraus, dass sich hinter einem bestimmten Namen eine Person, und nicht etwa eine Organsiation (ein russischer Geheimdienst) steckt. Allerdings nicht um damit einen interessanten Twist zu erzeugen, sondern schlichtweg aufgrund mangelhaften Erzählens.
Gegen Ende werden mehrere Täter, beinahe als große Überraschung als Täter inszeniert, wobei der Film sich keine Sekunde dafür interessiert hat, das zu verschleiern, sondern den Verdacht im Gegenteil von anfang an durch überdeutliche Inszenierung auf sie gelenkt hat. Und dennoch wird am Ende nur auf zwei Figuren eingegangen, was mit den anderen geschieht, oder was genau ihre Rolle war bleibt völig ungewiss.
Das einzige an diesem Film, was wirklich vollends überzeugen kann ist die Kameraführung, was bei dem Kameramann aber auch nicht verwundert. Wie dieser Film 3 Oscarnominierungen einheimsen konnte wird mir ein Rätsel bleiben.

3/10
"You only need to hang mean bastards, but mean bastards you need to hang."

Re: Zuletzt gesehener Film

7599
Es erschien mir irgendwie so, als hätte man ein Skript für 200 Minuten gemacht, und daraus einfach nur 120 Minuten verfilmt. Das würde erklären, warum das alles nur so lose zusammenhängt und völlig wirr erzählt wird.
"You only need to hang mean bastards, but mean bastards you need to hang."

Re: Zuletzt gesehener Film

7600
dernamenlose hat geschrieben:Es erschien mir irgendwie so, als hätte man ein Skript für 200 Minuten gemacht, und daraus einfach nur 120 Minuten verfilmt. Das würde erklären, warum das alles nur so lose zusammenhängt und völlig wirr erzählt wird.
Ich hab schon lange vor mir den mal wieder anzuschauen, aber daher das er so schlecht ist fehlt mir die Motivation. Im Moment stehen noch so viele Filme an, die habe ich gekauft und noch nicht gesehen. Die gehen erst mal deutlich vor, zum Glück.

Re: Zuletzt gesehener Film

7602
Das ist so ein Film, vor dem ich echt Angst habe, ihn zu sehen, weil das Buch für mich so ziemlich das beste ist, was ich je gelesen habe. Wirklich, das würde ich ohne zu zögern jederzeit als eines der drei besten Bücher aller Zeiten bezeichnen. Aber es ist völlig unverfilmbar, daran muss man einfach scheitern.
https://filmduelle.de/

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