70
von AnatolGogol
Agent
Freut mich, dass der Alfredo dir so gut gefallen hat. Ich sehe ihn sogar noch ein bisschen besser und auf einer Stufe mit Wild Bunch. Habe ihn just am Wochenende gesehen und war wieder hin und weg. Es beeindruckt mich immer wieder aufs Neue, wieviel Sorgfalt und Details Peckinpah in sein wohl persönlichstes Werk gesteckt hat, so ist mir jetzt zum ersten mal aufgefallen, dass man in der anfänglichen Szene in der Bar genau in dem Moment, als Oates Bennie das erste mal Interesse an Gig Youngs und Robert Webbers unmoralischem Angebot zeigt im Hintergrund einen Auffahrunfall hören kann – quasi als eindeutiges Omen von dem, was Bennies weiteres Schicksal sein wird. Tempo und Dramaturgie halte ich schlicht für perfekt, keine Szene ist Füllmaterial, alles dient dazu Figuren und Handlung in die beabsichtigte Richtung zu manövrieren auf ihrer Reise in den Untergang. Die Action ist roh und ungebändigt und dennoch kunstvoll durchgetaktet und stilisiert – ein erstaunlicher Widerspruch. Bemerkenswert ist auch die liebevolle Zeichnung von Land und Leute ohne dass Peckinpah hier romantisiert (der Dreck ist jederzeit spürbar, nicht zuletzt durch Bennies weissen Leinenanzug, der im Lauf des Films in Analogie zu seinem Träger einen mehr und mehr derangierten Zustand annimmt) – wiederum ein Widerspruch in sich. Von der herausragenden Besetzung will ich gar nicht erst anfangen, erwähnt werden muss aber unbedingt Oates, der als filmischer Peckinpah-Doppelgänger eine absolute Wucht ist. Und Fieldings Soundtrack ist ein einziges Gedicht, in Kombination mit Sams Inszenierung ist das reinste Poesie. Für mich einer der allerbesten Filme.
Beseelt von der einmal mehr großartigen Alfredo-Sichtung waren dann vor zwei Tagen auch Pat und Billy zu Besuch – bei mir in der Turner-Fassung. Ebenfalls ein starker Film, der für mich jedoch vor allem in der zweiten Hälfte den allerbesten Peckinpah-Werken dann doch etwas hinterherhinkt. Der Film meändert mir hier etwas zu stark und hat auch einige Szenen, die man besser kürzen oder gleich ganz weglassen hätte sollen (von daher verstehe ich den Ansatz des umstrittenen Seydor-Cuts durchaus, wenngleich die veränderten Anfangs- und Endsequenzen für mich inakzeptabel sind und bei der Sterbeszene am Fluss zwingend Knockin on Heaven’s Door ohne Gesang laufen muss). Die erste Hälfte ist aber nahezu perfekt und ich schiebe die von mir empfundenen Probleme der zweiten Hälfte einfach mal auf die turbulente Post-Production und die Tatsache, dass Sam dem Film keinen Feinschliff verpassen konnte (der Turner-Cut ist ja letztlich nur seine erste Schnittfassung, der mit größter Wahrscheinlichkeit weitere Anpassungen gefolgt wären).
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"