Wie heisst es so schön: when the going gets tough, the tough gets going – in diesem Sinne hier nun der letzte (und mitunter schmerzhafte) Teil meines Wallace-Marathons:
1968 - Im Banne des Unheimlichen
Herrlich, nun also auch noch Zombies bei Edgar Wallace – darauf hat die Welt noch gewartet! Im Banne des Umheimlichen macht im Prinzip da weiter wo seine Vorgänger aufgehört haben und suhlt sich im schönsten Trashambiente: ein lachender Knochenmann, ein grotesk giftgrün geschminkter „Westinder“ oder ein Ballett tanzender Sir John pardon Sir Arthur. Glücklicherweise sind diesmal das Drehbuch sowie Vohrers Inszenierung etwas gelungener geraten und sorgen zumindest ansatzweise für so etwas wie vergnügliche Unterhaltung. Dennoch fällt auch hier wieder auf wie austauschbar die Charaktere mittlerweile geworden sind und wie wenig die Schauspieler diese noch zu prägen wissen (selbst ein Pinkas Braun bleibt im Unheimlichen weitgehend blass). Ein weiterer Pferdefuss (wie bei fast allen „neueren“ Wallacefilmen) ist die Tatsache, dass die Tathintergründe erst in allerletzter Sekunde offenbart werden statt wie in früheren Filmen Stück für Stück im Laufe des Filmes. Dadurch werden die Hintergründe völlig belanglos, uninteressant und austauschbar. Auch Der Unheimliche ist somit von einem guten Film meilenweit entfernt.
Wertung: 4 / 10
1968 – Der Gorilla von Soho
Hereinspaziert, hereinspaziert: es folgt das unangefochtene Trash-Meisterwerk aus dem Hause Wallace! Hatte man ja bereits bei den Vorgängern wenig Skrupel alte Filme quasi noch mal zu verfilmen schoss man mit dem Gorilla den Vogel ab. Man verfilmte doch tatsächlich das Tote Augen-Skript, welches ja schon beim Buckligen verwurstet wurde, einfach nocheinmal. Dieses mal blieben sogar viele Dialoge völlig unverändert und viele Szenen des Originals wurden von der Szenerie bis zur Perspektive einfach 1:1 runtergerissen. Leider sind alle Änderungen und Straffungen die Wendlandt und Vohrer am Originaldrehbuch vornahmen durch die Bank missraten. Auch Vohrers Inszenierung ist Lichtjahre von der seines Originals entfernt, gerade die klassischen Mordszenen sind lieblos und uninspiriert runtergekurbelt und gleichen (wie auch der Rest des Films) mehr einer Parodie. Alle Rollen sind deutlich schwächer besetzt als bei den Toten Augen, es wirkt als ob die 3. Besetzung auch mal ran durfte. Es wird chargiert und Overacting betrieben dass kein Auge trocken bleibt! Das Beste ist und bleibt aber der unfassbar hohe Trashgehalt: sei es nun das lächerlich unechte Gorillakostüm, das peinliche Verbrennungs-Make-up oder die Lachkrämpfe provozierenden Unterwasserszenen: das ist alles so herrlich schlecht gemacht, dass das Herz eines jeden Trash-Fans jubiliert. Die Krönung des Ganzen ist dann sicherlich der Pseudo-Puff inklusive jeder Menge verklemmt abgefilmter nackter Mädels und einem wild posierenden Bodybuilder – unfassbar! Das führt in Summe dazu, dass Der Gorilla zwar ein völliges filmisches Desaster darstellt, darüber hinaus aber tatsächlich (wenn auch zumeist unfreiwillig) über die ganze Filmlänge hinweg sehr unterhaltsam ist. Für alle Kenner und Liebhaber der Toten Augen ist es darüber hinaus noch ein ganz besonderes Vergnügen zu vergleichen, wie fast schon dilettantisch die beiden Könner Vohrer und Löb ihr eigenes Meisterwerk vergurkten.
Wertung: 5,5 / 10 (aufgrund des enorm hohen Unterhaltungswertes, unter rein filmischen Betrachtungspunkten wären 2 Punkte angebracht)
1968 – Der Mann mit dem Glasauge
Der Mann mit dem Glasauge war die Abschiedsvorstellung von Alfred Vohrer innerhalb der Wallace-Reihe und man ist angesichts des drastischen Qualitätsverlust seiner späten Werke versucht zu sagen: zum Glück! Glasauge reiht sich qualitativ und stilistisch weitgehend in den Reigen der Vorgängerfilme ein, punktet aber immerhin dadurch, dass die Story und auch der filmische Aufbau hier endlich einmal wieder leichte Variationen zu den in dieser Beziehung nahezu identischen Vorgängern bieten. Hierbei fällt vor allem die Motivation des Täters bzw. dessen Entlarvung positiv aus dem Rahmen. Auch wurden die (immer noch billigen) Kulissen deutlich geschickter eingesetzt und vieles der Ausstattung wirkt dadurch etwas professioneller. Das täuscht aber dennoch nicht über die zahlreichen Schwächen des Films hinweg, vorrangig die wieder einmal zähe und spannungsfreie Inszenierung. Der Film wirkt piefig und altbacken, die Besetzung um den mit typisch-drögem Derrick-Charme ermittelnden Horst Tappert ist wie bereits im Vorgänger zweit- bis drittklassig. Dass man auch auf zahlreiche der gewohnten Plattheiten nicht verzichten wollte (ein Scotland Yardler mit Stimmbruch, ein mittlerweile völlig zum Pausenclown degradierter Yard-Chef, Rauschgiftschmuggel in Billardqueues sowie Junkies, die ihr Heroin lieber herunterschlingen als es sich zu spritzen) „rundet“ den Film dann letztlich ab.
Wertung: 4 / 10
1969 – Das Gesicht im Dunkeln
Wallace goes Italy – in der ersten deutsch-italienischen Koproduktion der Wallaceserie (eigentlich war es ja eher eine italienische Produktion gesponsert mit etwas deutschem Geld) wurde vieles anders gemacht, aber leider nur weniges wirklich besser. Die positiven Aspekte am Gesicht im Dunkeln sind ohne Zweifel die erfrischend andere Geschichte. Endlich mal steht keine Mordserie inklusive absonderllich maskiertem Täter im Mittelpunkt des Films sondern stattdessen dreht sich alles um einen mysteriösen Unfallstod. Die daraus resultierende geheimnisvolle und zeitweise auch spannende Grundstimmung des Films wurde von Regisseur Freda ganz gut eingefangen. Des weiteren wuchert der Film mit einem bärenstarken Hauptdarsteller, Kinski dominiert den ganzen Film mit seiner einmaligen Präsenz. Leider gibt es auch genügend negative Dinge festzustellen, der gravierendste Punkt ist sicherlich die lahme und tempoarme Inszenierung. Ein paar nette Regieeinfälle (wie das im Intro gezeigte Ende) peppen das Ganze zwar auf, aber alles in allem ist das Gesicht im Dunkeln von der Inszenierung genauso dröge wie die späten Vohrer-Werke. Immerhin wirkt der Film deutlich wertiger und hat nicht diese typische Wallace-Farbfilm-Trashoptik. Allerdings sind die Spezialeffekte mehr als lächerlich, die ganz klar als Modelle zu erkennenden Autos und Züge waren auch 1969 nicht mehr akzeptabel (und wären es noch nicht einmal 1919 gewesen)!
Wertung: 4 / 10
1971 – Die Tote aus der Themse
Die letzte rein deutsche Wallace-Produktion aus dem Hause Rialto kommt leider über solides TV-Krimi-Niveau nie hinaus, hebt sich aber dennoch in einigen Punkten wohltuend von den recht desolaten Vorgängerfilmen ab. Die Story ist um einiges schlüssiger und abwechslungsreicher als alles was man seit 1966 zu sehen bekam. Ebenfalls profitiert der Film enorm davon, dass man fast ausschliesslich „on Location“ gedreht hat und endlich auf die billig und künstlich wirkenden Studiosets verzichtet hat. Hier kann man zusätzlich noch durch die sehr gut in die Handlung eingebauten Aufnahmen von bzw in London punkten. Auch auf Darstellerseite konnte man wieder auf ein besseres Ensemble zurückgreifen, Schürenberg, Glowna oder auch Peters spielen ihre Rollen sehr überzeugend. Leider ist auch dieser Film in seiner Inszenierung sehr behäbig und konventionell und zieht sich gerade im Mitteldrittel ganz gehörig. Auch die Täterfrage ist so offensichtlich wie selten zu beantworten. Dennoch ist Die Tote aus der Themse einer der besseren Vertreter unter den Wallace-Farbfilmen geworden.
Wertung: 5 / 10
1971 – Das Geheimnis der grünen Stecknadel
Stilistisch wie qualitativ unterscheidet sich dieser Film deutlich von den vorangegangenen Wallacefarbfilmen. Die deutsch-italienische Co-Produktion ist ein nach typischem Giallo-Muster gestrickter Reisser, der trotz seiner (für das Genre ja nicht ungewöhnlichen) schlichten Machart beachtliche Qualität vorzuweisen hat. Neben dem gelungenen Drehbuch überzeugt vor allem die erstaunlich spannende und effektvolle Inszenierung von Massimo Dallamano. Gerade die Mordsequenzen sind Giallo-typisch stark in Szene gesetzt. Generell ist der Film optisch absolut überzeugend und wirkt auch heute noch, obwohl ganz klar als Kind seiner Zeit erkennbar, nicht wirklich veraltet. Ein ganz großer Pluspunkt der Stecknadel ist ohne Zweifel Ennio Morricones fabelhafter Score für den es nur ein Wort gibt: Weltklasse! Die Besetzung spielt sehr solide, der etwas blasse Hauptdarsteller Fabio Testi gewinnt in der deutschen Fassung durch die gewohnt charismatische Synchro von Klaus Kindler enorm. Auf die üblichen Albernheiten wurde komplett verzichtet, wovon der Film sehr profitierte. Trotz der teilweise platten Dialoge und der Tatsache, dass der Film in der zweiten Hälfte etwas an Tempo verliert ist die Stecknadel der mit Abstand beste Wallace-Farbfilm und eine interessante Neuinterpretation der Wallaceserie.
Wertung: 7,5 / 10
1971 – Das Rätsel des silbernen Halbmonds
Der letzte Rialtowallace ist ebenfalls wieder ein lupenreiner Giallo – und ein gelungener noch dazu. Zwar erreicht der Halbmond nicht ganz die Qualität der Stecknadel, aber dennoch überzeugt er über die gesamte Laufzeit. Vor allem das clevere Drehbuch hebt sich wohltuend von den vielen 0815-Wallace-Skripts der Farbfilmära ab. Die Mörderhatz ist durchgehend spannend, die Mordszenen schön reisserisch inszeniert. Auch bei der Besetzung gibt es keine Ausfälle, Sabato spielt die Hauptrolle überzeugend und selbst Schätzchen Uschi Glas darf endlich mal etwas mehr spielen als nur das Püppchen vom Dienst. Leider kann man in der deutschen Fassung den Täter frühzeitig an seiner Stimme erkennen –
Martienzens Stimme ist auch verstellt unverkennbar – das hätte man besser lösen können (wobei DeFunes-Stammsprecher Martienzen kurioserweise auch in der Stecknadel den Mörder sprach um den von Günter Stoll gespielten Täter nicht vorzeitig über dessen ebenfalls prägnante Stimme zu verraten).
Trotzdem ist der Halbmond ein grundsolider Reisser und somit ein gelungener Abschluss der Reihe.
Wertung: 7 / 10
Abschliessend noch ein paar zusammenfassende Gedanken zur Wallaceserie: einige Parallelen zur Bondserie wurden in den Kurzkommentaren ja schon genannt, auffällig ist darüber hinaus, dass diverse Darsteller vor ihrem Auftritt in einem Bondfilm bereits auch in Wallacefilme auftraten, so
Gert Fröbe
Karin Dor
Ilse Steppat
Christopher Lee
Walter Gotell
Catharina von Schell
Yuri Borienko
Gerade bei den Stars Fröbe, Dor und Steppat waren ihre erfolgreichen Wallaceauftritte sicherlich auch mit ein Grund, warum sie für die damals erfolgreichste Filmserie der Welt in Betracht gezogen wurden.
Auch fällt auf, das diverse erfolgreiche Elemente der Bondfilme nach und nach auch ihren Einzug in die Wallace-Filme fanden. So wurden die zuvor eher schlicht gehaltenen Titelsequenzen ab Mitte der 60er Jahre deutlich aufwendiger und zB mit Standbildern von Filmszenen versehen. Die in den Bondfilmen so erfolgreichen Gadgets durften in den Wallacefilmen dann natürlich auch nicht fehlen, wenngleich die Umsetzung oftmals schon beinahe drollig ausfiel (man erinnere sich nur an die tödliche Feuerwehrspritze im Buckligen von Soho oder die tödliche Lackierpistole im Mönch mit der Peitsche!). Die Figur Sir John bekam ebenfalls immer mehr Elemente von Bonds Vorgesetztem „M“ verpasst, so erinnern seine Büroräumlichkeiten im Laufe der Zeit mehr und mehr an das klassische Büro des Secret Service-Bosses. Analog zu Miss Moneypenny bekam in der zweiten Hälfte der 60er dann auch Sir John mit Miss Mabel Finlay eine Vorzimmerdame, deren Annäherungsversuche an die Scotland Yard-Inspektoren ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt sind. Auch Wallace-Stammkomponist Peter Thomas konnte sich dem Einfluss der Bondfilme nicht ganz entziehen und schrieb mit dem Titelstück zu Im Banne des Unheimlichen einen typischen (und noch dazu gelungenen!) Bondsong ganz im Stil von Klassikern wie Goldfinger oder Thunderball.
Eine weitere Auffälligkeit innerhalb der Wallaceserie ist die scheinbare Unabhängigkeit von filmischer Qualität und wirtschaftlichem Erfolg. Bereits in der Hochphase der Serie zu Beginn der 60er waren qualitativ allerhöchstens mittelmäßige Werke wie Das Geheimnis der gelben Narzissen, Die seltsame Gräfin oder Die Tür mit den sieben Schlössern erstaunlich erfolgreich während ein sehr gelungener Film wie Das Rätsel der roten Orchidee dagegen einen ziemlichen Absturz an der Kinokasse erlebte. Noch auffälliger sind dann aber die weitgehend konstanten Zuschauerzahlen bei den Filmen zwischen 1966 und 1969, in einer Phase also in der sich die Qualität der Filme drastisch verringerte. Wenn man bedenkt, dass der durchschnittliche Wallacefilm in dieser Zeit immer noch über anderthalb Millionen Zuschauer ins Kino lockte und das trotz des immer noch hohen Outputs, der zahlreichen Epigonen sowie großer Konkurrenz von Seiten der Bondwelle und durch die Einführung des Farbfernsehens ist dies schon verblüffend.
Weit mehr als auf die Qualität reagierte das Publikum innerhalb der Wallaceserie negativ auf Veränderungen des üblichen Schemas, nahezu alle stilistischen Ausnahmefilme wurden an der Kinokasse entsprechend abgestraft. Als Resultat ging Wendlandt in der zweiten Hälfte der 60er keinerlei Experimente mehr ein und liess Freddy Vohrer im Prinzip ein halbes Dutzend mal den gleichen Film drehen. Die ebenfalls eher verhalten aufgenommenen späten Giallo-Reisser führten dann endgültig zu Wendlandts Entschluss die Serie zu beenden. Schade, denn gerade die beiden letzten Werke hätten durchaus Potenzial als Ausgangspunkt für eine Neuorientierung der Serie gehabt. Interessanterweise verhält es sich bei Wallace sehr ähnlich wie bei den Karl May-Filmen, die ja nach einigen Jahren auch vom wesentlich innovativeren Genre des Italo-Western abgelöst wurde. Bei Wallace war es dann das Giallo-Genre, dass die Zeichen der Zeit deutlich besser erkannt und umgesetzt hat.
Mein Fazit nach einem Monat Wallace-Marathon: es war hochinteressant, noch mal werde ich so etwas aber sicherlich nicht mehr machen. Gut ein Drittel der Filme ist qualitativ derart fragwürdig, dass ich mir diese vermutlich zukünftig gar nicht mehr anschauen werde. Zum Glück gibt es darüber hinaus auch genügend echte Klassiker, auf die ich mich auch in Zukunft freuen darf.